Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.12.2022, Az.: 13 U 3/22

Zuschlagsschreiben in einem Vergabeverfahren mit der Aufforderung zur Zurücksendung einer unterschriebenen Ausfertigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.12.2022
Aktenzeichen
13 U 3/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 46180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2022:1229.13U3.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 05.12.2021 - AZ: 7 O 251/18

Fundstellen

  • IBR 2023, 143
  • NZBau 2023, 350-352
  • VS 2023, 31
  • VergabeR 2023, 465-470
  • ZAP EN-Nr. 83/2023
  • ZAP 2023, 127-128

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung eines Zuschlagsschreibens, mit dem der Bieter in einem förmlichen Vergabeverfahren gebeten wird, eine Vertragsausfertigung, die nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen war, umgehend unterzeichnet zurückzusenden.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., die Richterin am Oberlandesgericht D. und den Richter am Oberlandesgericht S. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2 und 3 wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. Dezember 2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die ehemalige Beklagte zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2 und 3 gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2 und 3 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 488.672,29 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das klagende Land verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen B. für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2019.

Zwischen den Parteien steht im Streit, ob zwischen dem Kläger und der ehemaligen Beklagten zu 1, einer aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehenden Bieter-/Arbeitsgemeinschaft, ein Vertrag über die von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr förmlich ausgeschriebenen Dienstleistungen zustande gekommen ist.

Zu der europaweiten Ausschreibung (s. Ausschreibungsunterlagen Anlage K 2, Bl. 8 ff. Anlbd. K) gab die aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Bietergemeinschaft unter dem 9. Februar 2015 ein Angebot ab (Anlage K 1, Anlbd. K).

Mit Zuschlagsschreiben vom 17. März 2015 (Anlage K 3, Bl. 35 ff. Anlbd. K) erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, dass den Beklagten der Zuschlag erteilt werde. Sie forderte die Beklagten auf, "mit der Ausführung der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen."

Weiter heißt es:

"Sie werden gebeten, umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurück zu senden:

- Eine Ausfertigung des Vertrags mitsamt Anlagen

- Mitteilung über die Projektleitung"

Dem per Einschreiben an die Beklagten übersandten Zuschlagsschreiben waren - wie in dem Kopf des Schreibens angegeben - u.a. zwei Vertragsausfertigungen nebst jeweils drei Anlagen beigefügt (Bl. 37R ff. Anlbd. K). Das Schreiben war zudem "vorab per Fax" übersandt worden. Der Faxsendung waren die Anlagen noch nicht beigefügt.

Der Vertragsentwurf war nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen; die Beklagten erhielten diesen erstmals mit dem Zuschlagsschreiben.

Die Beklagten kamen der Bitte um Unterzeichnung der Vertragsausfertigungen nicht nach. Im Folgenden kam es zu Unstimmigkeiten über einen von den Beklagten gewünschten Vertragszusatz (Anlagen B 4, B 5 und B 6, Anlbd. B). Mit E-Mail vom 26. März 2015 bat der Kläger, den unterzeichneten Vertrag umgehend zurückzugeben und die Arbeiten vertragsgemäß am 1. April 2015 vor Ort aufzunehmen (Anlage B 5). Nachdem die Beklagten die Unterzeichnung des "Vertragsvorschlags" ablehnten (Anlage B 6), erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit Schreiben vom 27. März 2015, nach Rücksprache mit ihrer Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend notwendig, es sei bereits ein Vertrag auf der Grundlage des Angebots zustande gekommen (Anlage K 4, Bl. 49 d.A.). Die Beklagten erwiderten mit E-Mail vom gleichen Tag, dass nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei (Anlage K 5, Bl. 50 d.A.).

Das Landgericht hat das Verfahren hinsichtlich der (ehemaligen) Beklagten zu 1 abgetrennt und an das Landgericht Braunschweig verwiesen.

Die Beklagten zu 2 und 3 (fortan als Beklagte bezeichnet) hat das Landgericht antragsgemäß "als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 1" zur Zahlung von 488.672,29 € verurteilt. Die Beklagten hätten dem Kläger die durch eine anderweitige Beauftragung der Sicherheitskontrollen entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Das von den Beklagten als Bietergemeinschaft abgegebene Angebot habe der Kläger durch die Zuschlagserklärung vom 17. März 2015 unverändert angenommen. Es liege kein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor. Der Kläger habe klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass der Vertrag gemäß dem Angebot der Beklagten zur Durchführung gelangen solle. Es stelle keine Annahme unter Änderungen im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, dass der Kläger in dem Schreiben gefordert habe, einen beigefügten Vertragsentwurf unterzeichnet zurückzusenden. Im Streitfall werde die Durchführung des Vertrages nicht von der Unterzeichnung des Vertrages abhängig gemacht, was sich daraus ergebe, dass der Kläger der Bitte um Unterzeichnung des Vertragsentwurfs die Aufforderung vorangestellt habe, mit der Ausführung der Leistung ab dem 1. April 2015 zu beginnen. Der Vertragsentwurf enthalte auch keine inhaltlichen Änderungen des Angebots der Bietergemeinschaft. Insbesondere enthalte der Vertragsentwurf keine Änderung der angebotenen bzw. im Aufklärungsverfahren genannten Preise. Wegen der Leistungsverweigerung der Beklagten könne der Kläger - bis zu der von ihm wirksam erklärten Kündigung - Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB und - nach der Kündigung - gemäß § 314 BGB verlangen. Insoweit könne er die für die Deckungsgeschäfte geltend gemachten Mehrkosten beanspruchen. Diese hätten die Beklagten nicht wirksam bestritten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2 und 3, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehren (Bl. 391 d.A.). Das vom Landgericht angenommene Vertragsverhältnis des Klägers mit den Beklagten bestehe schon deshalb nicht, weil nicht diese das Angebot abgegeben hätten, sondern die ehemalige Beklagte zu 1. Es handele sich um ein unzulässiges verdecktes Teilurteil, weil das Landgericht den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage gegen die Beklagte zu 1 an das Landgericht Braunschweig verwiesen und die rechtskräftige Entscheidung jenes Rechtsstreits nicht abgewartet habe. Durch das Zuschlagsschreiben des Klägers sei kein Vertrag zustande gekommen, weil sich das Angebot der Beklagten zu 1 und die Annahme nicht deckten. Der Vertragsentwurf des Klägers sei von dem Angebot der Beklagten zu 1 nicht umfasst gewesen, weil er der Auftragsbekanntmachung des Klägers nicht beigefügt gewesen sei. Die Annahmeerklärung des Klägers habe die Regelungen des beigefügten Vertragstextes beinhaltet. Dieser enthalte Regelungen, die nicht Gegenstand des Angebotes gewesen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ändere die Aufforderung des Klägers, mit der Ausführung der Leistung zu beginnen, nichts daran, dass gemäß § 150 Abs. 2 BGB bei einer Abweichung von Angebot und Annahme kein Vertrag zustande komme. Zudem ergebe sich aus § 154 Abs. 2 BGB, dass im Zweifel der Vertrag erst mit der Unterzeichnung der schriftlichen Urkunde zustandekommen solle. Zu der Annahme des neuen Angebots des Klägers sei es nicht gekommen. Der Kläger habe auch die Vorschläge der ehemaligen Beklagten zu 1 abgelehnt. Zudem sei auch die Schadensfeststellung des Landgerichts in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft, wie die Beklagten näher ausführen.

Die ehemalige Beklagte zu 1 hat ihre Berufung zurückgenommen, nachdem der Senat sie darauf hingewiesen hat, dass sie durch das angefochtene Urteil nicht beschwert und ihre Berufung mithin unzulässig sei.

Die Beklagten zu 2 und 3 beantragen (Bl. 391, 507 d.A.),

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. Dezember 2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Klage hinsichtlich der Zinsforderung zurückgenommen, soweit er erstinstanzlich Zinsen von mehr als 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt hat (Bl. 441 f. d.A.).

Im Übrigen beantragt der Kläger (Bl. 362, 508 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Der Vertrag sei durch das Zuschlagsschreiben zustande gekommen. Mit der Aufforderung zur Leistungsaufnahme sei der rechtsgeschäftliche Erklärungsinhalt des Schreibens beendet. Die in dem Schreiben genannten und beigefügten Unterlagen seien nicht Bestandteil der Annahmeerklärung. Die Unterlagen hätten schon deshalb nicht Bestandteil der Annahmeerklärung sein können, weil sie bei der Vorab-Übersendung des Schreibens per Fax nicht beigefügt gewesen seien. Die Einwendungen der Beklagten hinsichtlich der Schadensfeststellung griffen nicht durch.

Auf einen Hinweis des Senats zum voraussichtlichen Erfolg der Berufung führt der Kläger ergänzend aus, es habe zwangsläufig keine Abweichung von Angebot und Annahme erkannt werden können, weil das Zuschlagsschreiben zunächst per Fax ohne Anlagen übersandt worden sei. Daher sei der Vertrag mit dem Inhalt des Zuschlagsschreibens zustande gekommen. Zugleich werde aus der bloßen Übersendung des Zuschlagsschreibens deutlich, dass es dem Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht auf den Inhalt des Vertragstextes angekommen sei, folglich nur eine Vertragsannahme habe erklärt und kein neues Angebot habe abgegeben werden sollen. Hierfür spreche auch die Aufforderung des Klägers, mit der Erbringung der Leistungen ab dem 1. April 2015 zu beginnen. Der Kläger habe mit dem Zuschlagsschreiben keine Änderungswünsche zum Ausdruck gebracht. Bei dem Vertrag handele es sich um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem bestimmte Handhabungen in der vertraglichen Umsetzung noch einer näheren Ausgestaltung unter Beachtung des LuftSiG bedurft hätten. So hätten die Regelungen zur Haftpflichtversicherung lediglich die Modalitäten zur Erfüllung einer bereits in der Leistungsbeschreibung definierten Verpflichtung enthalten. Auch der Regelung zur Erstellung einer Dienstanweisung käme lediglich erläuternder Charakter zu. Die Regelungen zur Rufbereitschaft würden durch den Vertragsentwurf allenfalls näher - und für den Auftragnehmer vorteilhaft - ausgestaltet. Die Regelung hinsichtlich des Dienstraums beziehe sich auf eine Selbstverpflichtung des Klägers. Insgesamt seien mit dem Vertragstext keine Änderungswünsche des Klägers gegenüber dem Inhalt der Ausschreibungsunterlagen zum Ausdruck gekommen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die - unzulässige - Berufung der Beklagten zu 1 ist durch Rücknahme erledigt. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2 und 3 ist begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO); die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

I.

Allerdings ist im Berufungsverfahren die Frage der von den Beklagten in ihrer Berufungsbegründung gerügten örtlichen Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen (§ 513 Abs. 2 ZPO).

II.

Es liegt auch kein unzulässiges Teilurteil vor. Das Landgericht hat - nach Abtrennung und Verweisung der Klage gegen die bisherige Beklagte zu 1 - vollständig über den verbliebenen Streitgegenstand entschieden.

III.

Die Klage ist jedoch unbegründet

Der Kläger kann von den Beklagten zu 2 und 3 keinen Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) verlangen. Denn es ist kein Vertrag mit der Bietergemeinschaft oder den Beklagten zu 2 und 3 als deren Mitgliedern zustande gekommen.

1. Das Angebot der Bietergemeinschaft bzw. der Beklagten zu 2 und 3 hat der Kläger nicht wirksam angenommen.

Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Inhalt die vorbehaltlose Akzeptanz des Antrags zum Ausdruck bringen muss. Ob eine dahingehende Willenserklärung vorliegt, ist in Zweifelsfällen durch Auslegung nach dem Empfängerverständnis zu ermitteln (BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed. 1.8.2022, § 146 Rn. 9). Wird das Vertragsangebot dagegen unter Änderungen angenommen, handelt es sich gemäß § 150 Abs. 2 BGB nicht um eine Annahme, sondern um ein neues Angebot.

Im Streitfall ist das Zuschlagsschreiben des Klägers nicht als vorbehaltlose Annahme, sondern als neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB anzusehen.

a) Grundlage der Auslegung der Willenserklärung des Klägers ist sein vollständiges Zuschlagsschreiben mit Anlagen.

Die mit dem Schreiben abgegebene Willenserklärung wurde erst wirksam, als den Beklagten das Zuschlagsschreiben vollständig - mit Anlagen - per Post zuging (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Anlagen werden in dem Zuschlagsschreiben ausdrücklich aufgeführt und es wird um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung gebeten. Mit dem "Vorab"-Fax war das Zuschlagsschreiben aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten noch nicht vollständig übersandt worden, weil die erwähnten Anlagen nicht beigefügt waren. Die Anlagen sind Bestandteil des Zuschlagsschreibens; die Beklagten konnten ohne die ihnen unbekannte Vertragsausfertigung nicht beurteilen, mit welchem Inhalt nach dem Willen des Klägers ein Vertrag zu Stande kommen soll und wie die Bitte um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung in diesem Zusammenhang zu verstehen sein sollte.

Auch der auf dem Schreiben angebrachte Vermerk "vorab per Fax" verdeutlichte aus der Sicht der Beklagten, dass das per Einschreiben mit den Anlagen übersandte Original des Zuschlagsschreibens die maßgebliche Willenserklärung darstellen sollte und das ohne die Vertragsausfertigung übersandte Fax lediglich der Vorabinformation über die Zuschlagserteilung dienen sollte.

b) Mit dem Zuschlagsschreiben hat der Kläger das Angebot der Bietergemeinschaft nicht unverändert angenommen, sondern gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot mit dem Inhalt der übersandten Vertragsausfertigung erteilt.

aa) Der Vertragsentwurf weicht von dem auf den Ausschreibungsunterlagen beruhenden Angebot der Beklagten ab.

Der Vertragsentwurf enthält verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise wiederfinden (z.B. in Bezug auf die Regelung der Rufbereitschaftszeiten, wonach eine Einsatzbereitschaft binnen 30 Minuten sicherzustellen ist (§ 4 Abs. 2); die Verpflichtung zu einer - mit der Behörde abgestimmten - Dienstanweisung (§ 6 Abs. 1); die Frist zur Vorlage eines Versicherungsnachweises und die jährliche Vorlagepflicht (§ 12 Abs. 3)).

Auch der Kläger hat letztlich nicht in Abrede genommen, dass der Vertragsentwurf Abweichungen von dem Angebot der Beklagten enthält. Dass der Kläger die Abweichungen in den vom Senat beispielhaft aufgeführten Regelungen als geringfügig ansieht, ändert nichts an der Beurteilung. Soweit die Annahmeerklärung eine inhaltliche Änderung darstellt, ist deren Art und Ausmaß unerheblich (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 30).

Darüber hinaus ist entgegen der Auffassung des Klägers gerade auch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertragsentwurfs, wonach sicherzustellen ist, dass während der Rufbereitschaftszeiten die Kontrollstelle innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit besetzt ist, von erheblicher Bedeutung. Denn hierdurch wurden besondere organisatorische Anforderungen an die Beklagten gestellt. Die in Rufbereitschaft befindlichen Einsatzkräfte müssen sich in einer solch geringen Distanz zum Flughafen aufhalten, dass sie jederzeit innerhalb von nur 30 Minuten die Kontrollstelle erreichen können und dort einsatzbereit sind. Das würde es zum Beispiel ausschließen, dass entfernter wohnende Mitarbeiter der Beklagten sich während der Rufbereitschaft zu Hause aufhalten.

bb) Mit der Bitte um umgehende Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung brachte der Kläger unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck, dass der Vertrag mit dem Inhalt dieses Vertragsentwurfs zustande kommen soll. Auslegungsbedürftig war aus Sicht der Beklagten lediglich, was nach dem Willen des Klägers gelten sollte, wenn die Beklagten den angebotenen Vertrag nicht akzeptieren (hierzu nachfolgend).

cc) Die Annahme mit den in dem Vertragsentwurf enthaltenen - und für einen Bieter erkennbaren - Änderungen stellt grundsätzlich ein neues Angebot im Sinne des § 150 Ab. 2 BGB dar. Im Streitfall besteht keine Grundlage für eine abweichende Beurteilung.

Bei einer Annahme mit Änderungen handelt es sich nur dann nicht um ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB, wenn der Antragsempfänger deutlich macht, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll. Nur in einem solchen Fall würde es sich um eine Annahme des ursprünglichen Antrags handeln, der mit dem Angebot zur Vertragsergänzung oder -änderung zu verbunden wird (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 29).

Im Streitfall war aus Sicht eines objektiven Empfängers jedoch nicht davon auszugehen, dass der Kläger das Angebot der Beklagten zunächst einmal vorbehaltlos annehmen und ihnen dann sogleich den Abschluss eines Änderungsvertrages anbieten wollte. Vielmehr war aus Sicht der Beklagten nichts dafür ersichtlich, dass es ihnen freistehen sollte, ob sie den Vertragsentwurf unterzeichnen, und der Vertrag ansonsten bereits mit dem Inhalt des Angebots - ohne die inhaltlichen Änderungen des Vertragsentwurfs - zustande gekommen sein sollte.

Weder dem Zuschlagsschreiben noch dem Vertragsentwurf ist zu entnehmen, dass es sich lediglich um einen optionalen Änderungsvertrag zu einem bereits mit dem Zuschlag zustande gekommenen Vertrag handeln sollte. Schon nach seinem Wortlaut und äußeren Bild handelt es sich nicht lediglich um einen Änderungsvertrag.

Aus Sicht eines verständigen Bieters liegt es vielmehr auf der Hand, dass die Vergabestelle nicht ohne gewichtigen Grund einen derartigen Vertragsentwurf, der nicht Bestandteil der Ausschreibung war, "nachschiebt". Deshalb ist es aus Sicht des Bieters gänzlich fernliegend, dass die Vergabestelle ihm die Entscheidung freistellen will, ob er den übersandten Vertragsentwurf mit den darin enthaltenen Änderungen akzeptiert, und die Verweigerung der Unterzeichnung keine Auswirkungen auf das Zustandekommen des Vertrages haben sollte. Vielmehr drängte sich aus Sicht des Bieters das Verständnis auf, dass der Vertrag nach dem Willen des Klägers nur zu den Bedingungen des übersandten Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der sensiblen, die Flugsicherheit betreffenden Vertragsmaterie eine genaue Fixierung der Vertragspflichten ersichtlich von besonderer Bedeutung ist.

Die Aufforderung, mit der Ausführung der Leistung ab dem 1. April 2015 zu beginnen, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Sie kann auch als Ausdruck der Erwartung angesehen werden, dass die Beklagten sich der erbetenen Unterzeichnung des Vertragsentwurfs nicht verschließen würden, um den Auftrag zu erhalten. Insofern kann diese formularmäßige Aufforderung (Ankreuztext) auch erfolgt sein, um den Beklagten einen gewissen Zeitdruck bei der erbetenen "umgehenden" Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung zu verdeutlichen.

Es ändert auch nichts an der Beurteilung, dass der Kläger sein Zuschlagsschreiben "vorab per Fax" übersandte und dem Fax die in dem Schreiben genannte Vertragsausfertigung noch nicht beigefügt war. Aus Sicht eines Empfängers war schon nicht ersichtlich, dass das Schreiben per Fax bewusst unvollständig übersandt wurde und es sich nicht um ein bloßes Versehen - möglicherweise einer Bürokraft - handelte. Aus dem auf dem Schreiben angebrachten Hinweis "vorab per Fax" und der ebenfalls abgedruckten Verfügung ergibt sich nicht, dass eine Übersendung ohne Anlagen erfolgen sollte. Darüber hinaus konnte aus Sicht eines Empfängers die Fax-Übersendung ohne Anlagen auch darauf beruhen, dass es dem Kläger auf die Rücksendung der Vertragsausfertigungen im Original ankam. Jedenfalls war es aber auch unter Berücksichtigung der unvollständigen Fax-Übersendung des Zuschlagsschreibens aus Sicht des Empfängers gänzlich fernliegend, dass der Kläger einen solch detailliert ausgearbeiteten Vertragsentwurf übersendet, dessen Akzeptanz durch die Beklagten aber letztlich ohne Bedeutung für das Zustandekommen des Vertrages sein soll. Vielmehr wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass der Kläger klarstellt, dass bereits mit dem Zuschlagsschreiben der Vertrag zustande kommen soll, und er erläutert, warum dann trotzdem noch ein Vertrag mit teilweise abweichenden Bedingungen unterzeichnet werden soll.

Im Übrigen spricht der nachfolgende Schriftwechsel dafür, dass der Kläger selbst sein Zuschlagsschreiben zunächst nicht in dem Sinn verstanden hat, den er dem Schreiben nun im Wege der Auslegung zukommen lassen will. Trotz der aufgekommenen Unstimmigkeiten bat der Kläger zunächst nochmals um umgehende Rückgabe des unterzeichneten Vertrages. Erst nach der Ablehnung der Beklagten gelangte der Kläger - nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung - zu der Auffassung, dass eine Unterzeichnung des Vertrags nicht zwingend notwendig sei (Anlage K 4, Bl. 49 Anlbd. K).

Die von dem Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 3. Juli 2020 - VII ZR 144/19 - und vom 6. September 2012 - VII ZR 193/10) führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Sie betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Werkvertrag in einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zustande kommt, wenn die ausgeschriebenen Ausführungsfristen nicht mehr einzuhalten sind. In einem förmlichen Vergabeverfahren kann hier im Zweifel davon ausgegangen werden, dass sich der Auftraggeber vergaberechtskonform verhalten will und das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot beachtet (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47-65, Rn. 39). Denn mit diesen Fällen kann ohne Weiteres vergaberechtskonform - ohne Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot - umgegangen werden. Es besteht eine gefestigte Rechtsprechung dazu, wie die entsprechende Regelungslücke vergaberechtskonform geschlossen werden kann (aaO, Rn. 44). Im Streitfall bestand jedoch von vornherein keine Möglichkeit, den Abschluss des Vertrags zu den von dem Kläger gewünschten Bedingungen seines Vertragsentwurfs vergaberechtskonform zu erreichen. Unabhängig von der Auslegung des Zuschlagsschreibens als neues Angebot des Klägers oder als Annahme, die mit dem Angebot eines Änderungsvertrags verbunden wird, war es per se vergaberechtswidrig, dass nach dem Willen des Klägers der Vertrag zu den von der Ausschreibung abweichenden Bedingungen des Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Der Grundsatz der vergaberechtskonformen Auslegung kann daher insoweit nicht zum Tragen kommen.

b) Mit dem neuen Angebot des Klägers galt das Angebot der Beklagten gemäß § 150 Abs. 2 BGB als abgelehnt. Daher erlosch es gemäß § 146 BGB, sodass es nicht mehr durch die nachfolgende Erklärung des Klägers, nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend erforderlich, angenommen werden konnte.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob außerdem das Unterbleiben der von dem Kläger verlangten Unterzeichnung des Vertrages in entsprechender Anwendung von § 154 Abs. 2 BGB zu einem Beurkundungsmangel geführt hätte (vgl. zum Streitstand bei von einer Partei verlangter Beurkundung: BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed. 1.8.2022, § 154 Rn. 15).

3. Schließlich ändert es auch nichts an der Beurteilung, dass die Beklagte - nach der von dem Kläger erklärten Kündigung - mit Schreiben vom 24. August 2018 (Anlage K 10, Bl. 56R f. Anlbd. K) zwischenzeitlich die unzutreffende Rechtsansicht vertrat, es sei mit dem Zuschlag ein Vertrag zustande gekommen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.

Die Beklagte zu 1 hat nach ihrer Berufungsrücknahme gemäß § 516 Absatz 3 ZPO ihre außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu tragen. Weil durch die von ihr eingelegte Berufung keine Mehrkosten in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers entstanden sind, waren ihr diese Kosten nicht anteilig aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO ist nicht veranlasst. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.