Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.12.2022, Az.: 2 W 159/22
Beschwerde des Prozessvertreters gegen die Versagung einer Gebühr
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.12.2022
- Aktenzeichen
- 2 W 159/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 69785
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stade - 24.02.2021 - AZ: 72 M 2/22
- LG Stade - 21.10.2022 - AZ: 7 T 70/22
Rechtsgrundlagen
- KV 604 GvKostG
- KV 205 GvKostG
Redaktioneller Leitsatz
Gemäß Satz 1 der Vorbemerkung 6 der Anlage zu § 9 GVKostG werden Gebühren nach Abschnitt 6 erhoben, wenn eine Amtshandlung, mit deren Erledigung der Gerichtsvollzieher beauftragt worden ist, aus Rechtsgründen oder infolge von Umständen, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt wird. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der bundeseinheitlich geregelten Durchführungsbestimmungen zum Gerichtsvollzieherkostengesetz (DB-GvKostG) gilt bei bedingt erteilten Aufträgen der Auftrag (erst) mit Eintritt der Bedingung als erteilt, sofern nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 GvKostG erfüllt sind.
In dem Verfahren der weiteren Beschwerde
betreffend den Kostenansatz des O. A. G. in der Kostenrechnung vom 27. April 2021 (Geschäftszeichen: ....) hinsichtlich der abgerechneten Gebühr "nicht erledigte Pfändung KV 604, 205" in Höhe von 15,- EUR
in der Zwangsvollstreckungssache
U. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer A. N. und C. R.,
A.-L.-Park 1, W.,
Gläubigerin, Kostenschuldnerin, Erinnerungs- und
Beschwerdeführerin
gegen
S. O., B. 18, B,
Schuldnerin,
Beteiligte:
1. Landeskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin des Landgerichts Stade, Wilhadikirchhof 1, 21682 Stade, Geschäftszeichen: 5660 E - 2022/80,
Führerin der weiteren Beschwerde,
2. O. A. G., S. 111,O., Geschäftszeichen:
Kostengläubiger, Erinnerungs- und Beschwerdegegner
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. B., den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Landgericht Dr. W. am 19. Dezember 2022 beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade <7 T 70/22> vom 21. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts Stade mit Vollstreckungsauftrag vom 24. Februar 2021 damit, bei der Schuldnerin die Vermögensauskunft gemäß §§ 802 c, 802 f ZPO (ohne vorherigen Pfändungsversuch) abzunehmen sowie eine Pfändung körperlicher Sachen nach Abnahme der Vermögensauskunft durchzuführen, soweit sich aus dem Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergeben (sog. Modul K 3 des verwendeten Formulars). Der Beteiligte zu 2) führte den Auftrag durch und teilte der Gläubigerin am 27. April 2021 das Ergebnis der Vermögensauskunft dahin mit, dass sich keine Vollstreckungsmöglichkeiten in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin ergeben, sodass die Zwangsvollstreckung erfolglos bliebe. Ferner berechnete er mit Kostenrechnung gemäß GvKostG vom 27. April 2021 einen Betrag in Höhe von 88,25 EUR, darunter 15,- EUR für eine "nicht erledigte Pfändung gemäß KV 604, 205". Die Gläubigerin widersprach dem Kostenansatz nach KV 604, 205 GvKostG unter Hinweis auf den nur bedingt erteilten Pfändungsauftrag. Der Beteiligte zu 2) hielt die Gebühr für entstanden, woraufhin die Gläubigerin mit Schreiben vom 7. Oktober 2021 Erinnerung mit dem Ziel der Rückerstattung von 15,- EUR erhob, weil dem Gerichtsvollzieher kein kostenpflichtiger Mehraufwand entstanden sei. Nach Einholung von Stellungnahmen seitens des Beteiligten zu 2) vom 28. Dezember 2021 und der Beteiligten zu 1) vom 17. März 2022 hat das Amtsgericht Stade <72 M 2/22> mit Beschluss vom 16. Juni 2022 die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen, weil die Ausführungen der Beteiligten zu 1) und 2) zuträfen: Die Gebühren nach Abschnitt 6 KV GvKostG entstünden, wenn die beauftragte Amtshandlung aus Rechtsgründen oder Gründen, die nicht der Sphäre des Gerichtsvollziehers entstammten, nicht erledigt werde. Die Gläubigerin habe die Kosten vermeiden können, indem sie keinen bedingten Pfändungsauftrag erteilt und die Vermögensauskunft selbst auf Erfolgsaussichten überprüft hätte. Insoweit schließe man sich der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht [Beschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15] an.
Hiergegen hat die Gläubigerin unter dem 30. Juni 2022 Beschwerde erhoben mit der weitergehenden Begründung, die angefochtene Entscheidung schränke ihre Dispositionsbefugnis ein und das Modul K 3 laufe leer, wenn die Argumentation der Beteiligten zu 1) und 2) zuträfe. Nach Nichtabhilfebeschluss seitens des Amtsgerichts Stade vom 8. Juli 2022 und Übertragung des Rechtsstreits seitens des Einzelrichters hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade <7 T 20/22> mit Beschluss vom 21. Oktober 2022 die Kostenrechnung des Beteiligten zu 2) vom 27. April 2021 unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Stade vom 16. Juni 2022 um 15,- EUR gekürzt und die weitere Beschwerde zugelassen. Die 7. Zivilkammer hat die Auffassung vertreten, es liege eine unberechtigte Gebührenerhebung gemäß KV 604, 205 GvKostG vor, weil die Gläubigerin wegen der nicht eingetretenen Bedingung keinen Pfändungsauftrag erteilt habe. Das Gerichtsvollzieherkostengesetz sehe für eine Prüfung, ob sich aus dem Vermögensverzeichnis des Schuldners pfändbare Gegenstände ergäben, keine Gebühr vor. Eine analoge Anwendung von KV 604, 205 GvKostG auf Fälle wie den zugrundeliegenden würde einen Gebührentatbestand schaffen, obwohl keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Entgegen der zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts seien die abweichenden Entscheidungen des KG Berlin [Beschluss vom 30. November 2021 - 5 W 71/21] und der darin zitierten Entscheidungen des OLG Naumburg, des OLG Köln, des OLG Hamm, des OLG Düsseldorf und des OLG Stuttgart vorzugswürdig.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer weiteren Beschwerde vom 9. November 2022. Sie ist der Ansicht, die Gläubigern habe eine gebührenpflichtige inhaltliche Prüfung durch den Beteiligten zu 2) beauftragt. Dem stehe die Regelung in § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht entgegen, weil die insoweit zu erfolgende Prüfung durch den Gerichtsvollzieher ein anderes Gewicht und einen anderen Umfang habe. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade hat mit Beschluss vom 14. November 2022 eine Abhilfe ihrer Entscheidung abgelehnt.
II.
Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 1 und S. 4, Abs. 4 S. 1 GKG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Beteiligten zu 2) steht die geltend gemachte Gebühr nach KV 604, 205 GvKostG in Höhe von 15,- EUR nicht zu. Seine Kostenrechnung vom 27. April 2021 hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade zu Recht entsprechend gekürzt. Der Senat teilt deren rechtliche Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nach einer eigenen kritischen Überprüfung.
Die Frage, ob eine Gebühr für eine nicht bewirkte Pfändung gemäß KV 604, 205 GvKostG anfällt, wenn der Gläubiger mit dem Antrag auf Einholung einer Vermögensauskunft zugleich einen Pfändungsauftrag unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass sich aus der Vermögensauskunft des Schuldners das Vorhandensein pfändbarer Habe ergibt, und diese Bedingung nicht eintritt, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit Bezug genommen auf die Darstellung des Meinungsstreits in den Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht [Beschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15, Rn. 11 und 12 m. w. N., juris] und des KG Berlin [Beschluss vom 30. November 2021 - 5 W 71/21, Rn. 15 bis 25 m. w. N., juris]. Der Senat schließt sich der Meinung an, wonach die Gebühr gemäß KV 604, 205 GvKostG in Fällen wie dem zugrundeliegenden nicht entstanden ist, weil ihm diese aus dogmatischen Gründen vorzugswürdig erscheint. Hierbei hat er sich von den folgenden Überlegungen leiten lassen:
1. Gemäß Satz 1 der Vorbemerkung 6 der Anlage zu § 9 GVKostG werden Gebühren nach Abschnitt 6 erhoben, wenn eine Amtshandlung, mit deren Erledigung der Gerichtsvollzieher beauftragt worden ist, aus Rechtsgründen oder infolge von Umständen, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt wird.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der bundeseinheitlich geregelten Durchführungsbestimmungen zum Gerichtsvollzieherkostengesetz (DB-GvKostG) gilt bei bedingt erteilten Aufträgen der Auftrag (erst) mit Eintritt der Bedingung als erteilt, sofern nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 GvKostG erfüllt sind [vgl. auch Schröder-Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 14. Auflage, Bearbeiter Eggers zu KV 260 Rn. 26; Toussaint, Kostenrecht, 52. Auflage, Bearbeiter Uhl zu § 3 GvKostG Rn. 15 m. w. N.; Schneider/Volpert/Fölsch, NomosKommentar Gesamtes Kostenrecht (NK-GK), 3. Auflage, Bearbeiter Kawell zu § 3 GvKostG Rn. 20]. Diese Voraussetzung war aber nicht erfüllt.
Der Beteiligte zu 2) war vorliegend zur Amtshandlung "Pfändung" nicht beauftragt, weil sich nach Abgabe des Vermögensverzeichnisses durch die Schuldnerin herausgestellt hatte, dass diese über keine pfändbare Habe verfügte. Die Gläubigerin hatte durch das Ankreuzen des Moduls K 3 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie einen Pfändungsversuch nur für den Fall wünschte, dass nach den Angaben der Schuldnerin überhaupt pfändbare Habe vorhanden war. Einen Pfändungsversuch hat der Beteiligte zu 2) dementsprechend unterlassen.
Allein dies entspricht auch der im Zwangsvollstreckungsrecht geltenden Dispostionsmasxime, wonach der Gläubiger einen Vollstreckungsauftrag grundsätzlich unter aufschiebende Bedingungen stellen darf [BGH, MDR 2016, 1471 [BGH 27.10.2016 - I ZB 21/16]]. Hiervon hat die Gläubigerin wie ausgeführt Gebrauch gemacht, indem sie das Modul K 3 auf dem Vollstreckungsauftragsformular angekreuzt hat.
Mit Rücksicht auf die (eindeutigen) Durchführungsbestimmungen fehlt es mithin an einem Auftrag zur Durchführung eines Pfändungsversuchs.
2. Es trifft auch nicht zu, dass für die Feststellung, ob anhand der Angaben des Schuldners in dem Vermögensverzeichnis eine pfändbare Habe vorhanden ist, der Gerichtsvollzieher erst das Sachpfändungsverfahren eröffnen muss [Schröder-Kay/Eggers, KV 260 Rn. 26 m. w. N.]. Es fehlt damit an einer Voraussetzung für die Gebührentatbestände der KV 604, 205 GvKostG, nämlich an einer bewirkten Pfändung (Nr. 205) bzw. einer fruchtlosen Pfändung (Nr. 604) [Schröder-Kay/Eggers, KV 205 Rn. 4 und KV 600 - 604 Rn. 2; Toussaint-Uhl, Abschnitt 2 Nr. 205 KV GvKostG Rn. 2 und 25 sowie Abschnitt 6 Nr. 600 - 604 KV GvKostG Rn. 4 und 5]. Hier lag keinerlei Pfändungshandlung seitens des Beteiligten zu 2) vor.
Denn bei der Prüfung des Eintragungsgrundes nach § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO hat der Gerichtsvollzieher nicht nur festzustellen, ob pfändbare Gegenstände vorhanden sind, sondern er hat hinsichtlich jedes etwaig vorhandenen Vermögensgegenstandes auch bereits eine Prognose dahin vorzunehmen, ob angesichts des Wertes eine vollständige Befriedigung des Gläubigers zu erwarten ist [BT-Drucksache 16/10069, S. 37; Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage, Bearbeiter Seibel zu § 882c Rn. 4]. Die auf diese Weise im Eintragungsverfahren erlangten Erkenntnisse reichen für die Feststellung des Eintritts der für den Sachpfändungsauftrag gestellten Bedingung aus [Schröder-Kay/Eggers, KV 260 Rn. 27 m. w. N.]. Damit verliert das Argument der Gegenmeinung vom unterschiedlichen Prüfungsumfang bei § 882 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO einerseits und andererseits der Prüfung, ob die Bedingung, unter der der Pfändungsauftrag erteilt sei, eingetreten sei, an Überzeugungskraft. Ein kostenpflichtiger Mehraufwand des Beteiligten zu 2) ist vorliegend nicht entstanden. Er hat lediglich festgestellt, dass nach den Angaben der Schuldnerin im Vermögensverzeichnis keine pfändbare Habe vorhanden war.
3. Soweit in der Literatur [Schröder-Kay/Gerlach, § 3 Rn. 26 m. w. N.] eine differenzierte Betrachtung nach den Angaben des Schuldners im Vermögensverzeichnis empfohlen wird, führt dies zu keiner anderen Bewertung.
Wenn danach pfändbare Habe in Betracht kommt, dürfte die Bedingung für die Erteilung des Pfändungsauftrages unabhängig davon erfüllt sein, ob es später tatsächlich zu einer Pfändung kommt. In diesem Fall entstünde bei unterbleibender Pfändung die Nichterledigungsgebühr gemäß KV 604 GvKostG. Wenn dagegen keine pfändbare Habe benannt wird, dürfte die Bedingung für den Pfändungsauftrag nicht eingetreten sein mit der Folge, dass auch keine Gebühr nach KV 604 GvKostG erhoben werden kann. Eine solche Differenzierung könnte ausreichend einfach und praktikabel sein, um das Massengeschäft von Vollstreckungsaufträgen beherrschbar gestalten zu können [worauf Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15, Rn. 15, juris, abstellt]. Im zugrundeliegenden Verfahren gab es nach den Angaben der Schuldnerin aber bereits keine pfändbare Habe, sodass unzweifelhaft eine Gebühr nach KV 604, 205 GvKostG nicht entstanden ist.
4. Die Argumentation der Beteiligten zu 1) und 2), wonach die Gläubigerin die Kosten hätte vermeiden können, wenn sie keinen bedingten Pfändungsauftrag gestellt und die Vermögensauskunft selbst auf Erfolgsaussichten überprüft hätte, schränkt die Dispositionsbefugnis der Gläubigerin zur Stellung bedingter Vollstreckungsaufträge ein, und ließe in der Tat das Modul K 3 leerlaufen.
In der Gesamtschau überwiegen damit die Gründe, die dafürsprechen, eine Gebühr nach KV 604, 205 GvKostG als nicht entstanden anzusehen. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist folglich unbegründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i. V. m. § 66 Abs. 8 GKG.