Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 13.11.2019, Az.: 7 U 367/18

Vom Dieselskandal betroffener Mercedes-Benz Typ A 200 CDI mit Motor OM 651; Einbau eines Thermofensters; EG-Typengenehmigung als Verwaltungsakt mit Tatbestandswirkung für Zivilgerichte

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.11.2019
Aktenzeichen
7 U 367/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 53642
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2019:1113.7U367.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 26.09.2018 - AZ: 8 O 32/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Behauptung einer Abschalteinrichtung ist als unbeachtlich anzusehen, wenn der Vortrag nicht ausreichend substantiiert bzw. "ins Blaue hinein" oder "aufs Geratewohl" erfolgt ist. Dies kommt in Betracht, wenn ein Rückruf für das jeweilige Fahrzeug durch das Kraftfahrt-Bundesamt nicht angeordnet worden ist und keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte für eine Abschalteinrichtung vorgetragen werden (Anschluss an OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, 10 U 134/19).

  2. 2.

    Die EG-Typengenehmigung entfaltet als Verwaltungsakt grundsätzlich Tatbestandswirkung für die Zivilgerichte. Solange dieser nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, ist die Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung im Sinne des Artikel 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195, Rn. 31, m.w.N.).

  3. 3.

    Trotz Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts kann ein Sachmangel vorliegen, der neben vertraglichen unter weiteren Voraussetzungen auch deliktische Ansprüche auslösen kann, wenn feststeht, dass eine objektiv rechtswidrige Genehmigung durch den Fahrzeughersteller aufgrund einer Täuschung erschlichen worden ist, wie dies beim Einsatz einer sogenannten "Schummelsoftware" (Prüfstanderkennungssoftware) angenommen werden muss (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 79, 80) und als Folge deshalb mit einer Betriebsuntersagung oder gar dem Widerruf der erschlichenen Typengenehmigung gerechnet werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, juris, Rn. 20, 21).

  4. 4.

    Eine Sittenwidrigkeit kommt bei der Verwendung eines "Thermofensters" nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer solchen Einrichtung hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dies von Seiten des Herstellers in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (Anschluss an OLG Stuttgart a.a.O.).

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 26.09.2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene landgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

(26.062,22 € + 2.000 € =) 28.062,22 €.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte als Verkäuferin und als Herstellerin des von ihm seinerzeit gekauften Pkws Mercedes-Benz im Rahmen des sog. "Diesel-Abgasskandals" auf Schadensersatz in Anspruch. Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger seine Ansprüche, die in erster Instanz vom Landgericht abgewiesen worden sind, weiter.

Gemäß Kaufvertrag vom 23.07.2014 und Rechnung vom 19.09.2014 erwarb der Kläger von der Beklagten einen Pkw Mercedes-Benz Typ A 200 CDI (Euro 6) zum Kaufpreis von 32.730,95 €. Dieses Fahrzeug ist nicht von Maßnahmen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), wohl aber von einem freiwilligen Rückruf seitens der Beklagten als Herstellerin zur Optimierung des Abgasverhaltens betroffen (vgl. Bl. 269 d. A.).

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung des Kaufvertrags, vornehmlich aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.

Der Kläger hat vorgetragen, das niederländische Umweltinstitut TNO habe im Auftrag des holländischen Umweltministeriums ein Gutachten über einen Mercedes-Benz C-Klasse 220 CDI BlueTEC erstellt, der die Euro-6-Norm habe erfüllen sollen. Dieses Fahrzeug mit dem Motor OM 651 sei im Straßenbetrieb getestet worden und habe erheblich höhere NOx-Werte als den gesetzlich zulässigen Grenzwert gezeigt. Auch seitens der Deutschen Umwelthilfe (DUH) habe es entsprechende Prüfberichte gegeben (Bl. 76 d. A.).

Der betreffende Motor sei auch in seinem Pkw verbaut, so dass für diesen dasselbe gelte. Die erhöhten Werte im Straßenbetrieb ließen darauf schließen, dass die zulässigen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand hätten eingehalten werden können, mithin eine Prüfstanderkennungssoftware verbaut worden sei. Dies müsse der Vorstand der Beklagten gewusst haben. Der Einbau einer Prüfstanderkennungssoftware könne nicht von wenigen Mitarbeitern im Alleingang vorgenommen worden sein. Vielmehr seien mehrere Abteilungen involviert. Es habe eine Software programmiert werden müssen, die zuverlässig Prüfstandszenarien erkenne. Dies könne nicht am Vorstand vorbei geschehen sein.

Das Fahrzeug sei deshalb mit einem Sachmangel behaftet, der den Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertige. Weiterhin bestünden deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie nach § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.

Im Ergebnis sei die Beklagte verpflichtet, das Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsvergütung für die mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer zu erstatten. Ferner werde Feststellung begehrt, dass die Beklagte auf etwaige zukünftige Schäden einzustehen habe.

Die Beklagte hat das Vorliegen eines Sachmangels sowie deliktische Ansprüche bestritten. In dem Fahrzeug des Klägers sei keine Manipulationssoftware eingebaut worden, die manipulativ so gestaltet sei, dass auf der Straße unter normalen Betriebsbedingungen ein anderes Emissionsverhalten des Emissionskontrollsystems erzielt werde als auf dem Prüfstand. Richtig sei vielmehr, dass das Emissionskontrollsystem bei gleichen Betriebsbedingungen sich auf dem Prüfstand und auf der Straße gleich verhalte. Das streitgegenständliche Fahrzeug erfülle den Grenzwert der Euro-6-Norm.

Weiterhin hat sich die Beklagte auf die Tatbestandswirkung der Typengenehmigung berufen. Diese sei ein Verwaltungsakt, der gegenüber dem Hersteller wirksam bleibe, solange er nicht aufgehoben werde. Mit dem Wirksamwerden der Typengenehmigung stehe als Ergebnis der sachverständigen und behördlichen Prüfung fest, dass der Fahrzeugtyp den gesetzlichen Anforderungen entspreche, und zwar auch hinsichtlich des verwendeten Emissionsminderungssystems. Die Prüfung durch das KBA schließe die Anforderungen der Verordnung (EG) 715/2007 ein, also auch den vom Kläger in Bezug genommenen Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung. Die Rechtmäßigkeit der Gestaltung des Fahrzeugmodells sei somit von der zuständigen Fachbehörde bindend festgestellt worden und konform mit dieser Typengenehmigung produziert worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Behauptung der Klägerin, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung ähnlich der vom "VW-Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 stelle eine unzulässige Behauptung ins Blaue hinein dar. Konkrete Anhaltspunkte dafür seien nicht vorgetragen worden. Auch sei es hinsichtlich des Fahrzeugs des Klägers nicht zu einem Rückruf durch das KBA gekommen. Demnach bestünden keine deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte (LGU, Bl. 216 ff. d. A.).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren in vollem Umfang aufrechterhält.

Das Landgericht habe es unterlassen, ein Sachverständigengutachten zur Existenz einer illegalen Abschaltvorrichtung einzuholen. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug Mercedes-Benz A 200 CDI mit dem darin eingebauten Motor OM 651, Euro 6, Baujahr 2014, sei eine Software verbaut, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand erkenne und abhängig vom Erkennen die Abgasaufbereitung dergestalt regele, dass der Ausstoß an Stickoxiden nur beim Durchfahren des NEFZ optimiert werde, und deswegen eine Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxid nur beim Durchfahren des NEFZ und nicht im normalen Straßenbetrieb möglich sei, und dies auch nur aufgrund der verbauten Einrichtung. Ferner sei, so der Kläger erstmals im Berufungsverfahren, in seinem Fahrzeug eine Steuerungssoftware verbaut, die die Abgasreinigungsanlage im realen Straßenbetrieb am Beginn der Warmlaufphase und/oder bei einstelligen positiven Außentemperaturen reduziere oder ganz abschalte (sog. Thermofenster). Die regelmäßige Einlassung der Beklagten, die Abgasrückführung in ihren Fahrzeugen bleibe bis zu zweistelligen Minusgraden aktiv, sei falsch und werde bestritten. Das Gegenteil sei der Fall.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass insbesondere die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 826 BGB gegeben seien und er danach Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsvergütung, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs habe. Die Beklagte habe vorsätzlich einen Pkw mit Betrugssoftware in den Verkehr gebracht. Die Beklagte habe auch positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verwendeten Abschalteinrichtung und damit Schädigungsabsicht gehabt. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Emissions-Grundverordnung normiere ein striktes Handlungsverbot in Gestalt des Verbots der Verwendung von Abschalteinrichtungen, unabhängig von weiteren Umständen. Eine Ausnahme nach Abs. 2 Satz 2 (Motorschutz), der eng auszulegen sei, liege nicht vor. Die schädigende Handlung sei der Beklagten auch gemäß § 831 BGB bzw. § 31 BGB zuzurechnen. Insoweit habe die Beklagte, soweit sie die tatsächlichen Voraussetzungen der Zurechnung bestreiten wolle, der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt. Die Beklagte habe sittenwidrig gehandelt, weil die von ihr vorgenommene Programmierung der Motorsteuerungssoftware gesetzeswidrig sei.

Er, der Kläger, habe einen Schaden im Sinne des § 826 BGB erlitten. Die Tatsache, dass er aufgrund des Verschweigens der Beklagten über den Einsatz der illegalen Abschaltvorrichtung einen Kaufvertrag geschlossen habe, den er bei Kenntnis der Umstände nicht geschlossen hätte, habe seine Dispositionsfreiheit verletzt, so dass sein Vermögen mit einer ungewollten Verpflichtung negativ beeinflusst worden sei.

Der Kläger hatte mit seiner Berufungsbegründung vom 28.11.2018 zunächst folgende Berufungsanträge angekündigt (Bl. 247 d. A.):

Unter Abänderung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.062,22 € nebst Zinsen in Höhe von 4.186,44 €, sowie weiterer Zinsen aus 33.173,89 € in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.08.2018 zu zahlen und den Kläger von den aktuell noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Mercedes-Benz Bank AG in Höhe von derzeit noch 259,95 € freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Mercedes-Benz A 200 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... und Übertragung des dem gegenüber der Mercedes-Benz Bank AG zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, die dieser aufgrund des Kaufes des im Antrag zu 1 genannten Fahrzeugs erleidet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.324,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten, sowie den Kläger von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 708,11 € freizustellen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 04.09.2019 hat der Kläger seinen Antrag zu 1. wie folgt aktualisiert (Bl. 380, 528 d. A.):

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 24.473,89 € sowie Zinsen in Höhe von 7.041,75 €, nebst weiterer Zinsen aus 33.424,62 € in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 01.09.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Mercedes-Benz A 200 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ....

Im Übrigen, hinsichtlich der Differenz durch die erhöhte Nutzungsentschädigung, hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 528 d. A.).

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts. Die Berufungsbegründung bestehe in erster Linie aus Textbausteinen und setze sich mit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil kaum auseinander.

In der Sache sei zu wiederholen, dass es auf die im Straßenbetrieb gemessenen Werte nicht ankomme, sondern allein auf die Prüfstandergebnisse. Auch wenn der klägerische Vortrag insoweit unsubstantiiert bleibe, sei noch einmal klarzustellen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug keine Software verbaut sei, die lediglich für die Zwecke des Typengenehmigungsverfahrens eine Schadstoffarmut der Emissionen vortäusche, indem sie aufgrund einer Prüfstanderkennung die Abgasreinigung intensiviere. Zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer deliktischen Haftung habe der Kläger mit Substanz nichts vorgetragen. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten bestehe daher nicht.

Erstmals auf Seite 19 der Berufungsbegründung werde zu einer angeblichen Abschalteinrichtung während der Warmlaufphase vorgetragen. Die entsprechende Behauptung sei ein neues Angriffsmittel und daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unzulässig.

Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers zu Messungen der DUH unsubstantiiert. Denn es fehlten jegliche Details zu den Messungen. So bleibe zum Beispiel unklar, um welches Baujahr es sich bei der angeblich getesteten A-Klasse gehandelt und über welche Ausstattung sie verfügt habe. Da Fahrzeuge mit unterschiedlichen Baujahren und Ausstattungen keineswegs baugleich seien und ein unterschiedliches Emissionsverhalten aufwiesen, ließen die pauschalen Aussagen keinerlei Rückschlüsse auf das streitgegenständliche Fahrzeug zu. Auch sei zu beachten, dass es sich bei diesen DUH-Messwerten nicht um Werte handele, die im Rahmen des gesetzlichen Prüfzyklus ermittelt worden seien. Die gesetzlich vorgeschriebene Emissionsgrenzwerte seien jedoch zwingend an konkrete Prüfbedingungen geknüpft. Selbst wenn zwei Fahrzeuge beide mit einem Motor vom Typ OM 651 ausgerüstet seien, könne nicht verallgemeinert werden, dass sie das gleiche Emissionsverhalten aufwiesen. Der vorliegende Fall sei daher nicht pauschal mit den Fällen des VW-Motors EA 189 vergleichbar.

Auch die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung seien nicht dargetan. Es fehlten einlassungsfähige Angaben zu den Voraussetzungen einer vorsätzlichen Täuschung und einer sittenwidrigen Schädigung. In objektiver Hinsicht fehle bereits eine Darlegung, welche für seine Willensbildung relevante Funktion in der Motorsteuerungsoftware der Klägerin unzulässig sein solle.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 28.11.2018 (Bl. 247 ff. d. A.) sowie die weiteren Schriftsätze des Klägers vom 04.09.2019 und vom 19.09.2019 (Bl. 380 ff., 531 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 15.03.2019 (Bl. 345 ff. d. A.) und ihren Schriftsatz vom 24.10.2019 Bezug genommen (Bl. 532 ff. d. A.).

II.

Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zutreffend ohne vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung abgewiesen.

1. Es ist zwar anerkannt, dass die Annahme eines willkürlichen Sachvortrags ins Blaue hinein, der eine angebotene Beweiserhebung zur prozessual unzulässigen Ausforschung machen würde, nur ausnahmsweise anzunehmen ist. Eine Partei darf nämlich im Zivilprozess Tatsachen behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Eine prozessual unzulässige Ausforschung ist allerdings dann gegeben, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürliche Behauptungen aufstellt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 - 10 U 134/19, juris, Rn. 54).

So aber liegen die Dinge hier, soweit der Kläger in erster Instanz behauptet hat und auch im Berufungsverfahren weiter behauptet, die Beklagte habe eine Prüfstanderkennungssoftware verbaut, die das Abgasverhalten lediglich auf dem Prüfstand optimiere, während im Straßenbetrieb die Grenzwerte erheblich überschritten würden. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die von einem niederländischen Gutachter oder auch von der weiterhin unter Bezug genommenen Deutschen Umwelthilfe (Bl. 76 d. A.) im Straßenbetrieb bei bestimmten Mercedes-Modellen gemessenen NOx-Werte die für den Prüfstand vorgeschriebenen Grenzwerte erheblich übersteigen, kann dies nicht ausreichen, um den Rückschluss auf eine Prüfstanderkennungssoftware (und somit "Schummelsoftware") zu rechtfertigen. Denn es ist allgemein bekannt, dass der Straßenbetrieb mit der Prüfstandsituation nicht vergleichbar ist. Dies gilt ganz allgemein, sowohl hinsichtlich der angegebenen Kraftstoffverbräuche als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung von Klimaanlage usw., sodass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Im Straßenbetrieb liegen sowohl der Kraftstoffverbrauch als auch der Schadstoffausstoß erheblich höher, wie schon seit Jahren aufgrund entsprechender Tests etwa von Automobilclubs und der dadurch ausgelösten öffentlichen Diskussion öffentlich bekannt ist.

Gerade deshalb hat der europäische Gesetzgeber auf Druck der Umweltverbände und Umweltparteien zwischenzeitlich den früher geltenden gesetzlichen Prüfzyklus NEFZ durch den sogenannten RDE-Test ersetzt, und zwar mit einem Konformitätsfaktor von zunächst 2,1. Danach wird zukünftig nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Straßenbetrieb gemessen, wobei im Straßenbetrieb allerdings der für den Prüfstand geltende Grenzwert zunächst noch um das 2,1-fache überschritten werden darf (vgl. https://www.kfz-betrieb.vogel.de/eu-beschliesst-grenzwerte-fuer-realen-fahrbetrieb-a-509842/ und https://www.kfz-betrieb.vogel.de/abgas-skandal-nicht-nur-bei-vw-a-506905/).

Angesichts des Umstands, dass im NEFZ Prüfzyklus gerade keine realistischen Werte für den Straßenbetrieb zu erwarten sind, kann allein der Hinweis darauf, dass verschiedene Prüforganisationen erhöhte Abgaswerte im Straßenbetrieb gemessen haben, unabhängig von der Frage, ob überhaupt das klägerische Fahrzeug hiervon konkret betroffen ist, nicht ausreichen, um die Schlussfolgerung des Klägers als naheliegend erscheinen zu lassen, sein Fahrzeug sei mit einer Prüfstanderkennungssoftware versehen, ebenso wie die VW-Fahrzeuge mit dem Motor EA 189.

2. a) Soweit der Kläger weiter behauptet, sein Fahrzeug sei darüber hinaus mit einem unzulässigen sogenannten Thermofenster ausgestattet, wonach die Abgasrückführung abhängig von der Betriebstemperatur weitgehend zurückgenommen werde, weist die Beklagte zutreffend darauf hin, es gehe insoweit um eine neue, erstmals auf Seite 19 der Berufungsbegründung in das Verfahren eingeführte Tatsachenbehauptung. Im Rechtssinne handelt es sich daher um ein neues Angriffsmittel, dass nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigt werden kann, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Nr. 1 bis 3 der Norm weder dargetan noch sonst ersichtlich sind.

Unabhängig davon ist der diesbezügliche Vortrag des Klägers auch nicht geeignet, um das Vorliegen eines Sachmangels, geschweige denn eines deliktischen Verhaltens der Beklagten schlüssig darzutun. Denn zum einen hat die Beklagte zur Funktionsweise der von ihr eingebauten Abschaltvorrichtung und deren Rechtmäßigkeit im Einzelnen vorgetragen (vgl. insbesondere Bl. 533 ff. d. A.), ohne dass sich insoweit der Eindruck aufdrängt, dass dieser Vortrag bewusst sachlich unzutreffend wäre. Zum anderen verfügt das Fahrzeug des Klägers unstreitig über die erforderliche EG-Typengenehmigung. Bei dieser handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der Tatbestandswirkung für die Zivilgerichte entfaltet. Solange ein solcher Verwaltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist, ist die Zulässigkeit der betreffenden Abschalteinrichtung im Sinne des Artikel 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195, Rn. 31, m.w.N.).

b) Trotz dieser Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts kann allerdings ein Sachmangel vorliegen, woraus unter Umständen neben vertraglichen auch deliktische Ansprüche resultieren können, wenn feststeht, dass eine objektiv rechtswidrige Genehmigung durch den Fahrzeughersteller aufgrund einer Täuschung erschlichen worden ist, wie dies beim Einsatz einer sogenannten "Schummelsoftware" (Prüfstanderkennungssoftware) angenommen werden muss (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 79, 80). Als Folge muss mit einer Betriebsuntersagung oder gar dem Widerruf der mithilfe der Software erschlichenen Typengenehmigung gerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, juris, Rn. 20, 21).

Hat der Fahrzeughersteller dagegen die Prüfer weder durch den Einsatz einer Prüfstanderkennungssoftware getäuscht, noch gegenüber der Genehmigungsbehörde eine temperaturabhängige Abschaltvorrichtung im Sinne des Artikel 5 Abs. 2 VO715/2007/EG verschwiegen und erteilt die Behörde die EG-Typengenehmigung, beinhaltet dies die Billigung der Abschaltvorrichtung im Rahmen ihres Bewertungsermessens. In einem solchen Fall scheidet eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB oder ein sonstiges deliktisches Verhalten des Herstellers von vornherein aus. Auch fehlt es schon an einem Sachmangel, weil die behördliche Genehmigung vorliegt und anders als beim Einsatz einer Schummelsoftware eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung nach § 5 Abs. 1 FZV durch die Zulassungsbehörde nicht drohen kann.

Daraus folgt, dass - grundsätzlich und so auch im vorliegenden Fall - der Klagevortrag, der Fahrzeughersteller habe eine objektiv rechtswidrige temperaturabhängige Abschaltvorrichtung, ein sogenanntes Thermofenster, eingebaut, zur schlüssigen Darlegung eines Sachmangels sowie eines deliktischen Handelns nicht ausreichen kann. Denn die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Abschaltvorrichtung ist, wie dargelegt, durch die Zulassungsbehörde zu prüfen. Erteilt diese die Typenzulassung, ohne vom Hersteller über die Funktionsweise ihres Emissionsreduzierungssystems getäuscht worden zu sein, ist von der Rechtmäßigkeit der Abschalteinrichtung auszugehen. Entgegen der Annahme der 23. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart ist es dem Zivilrichter in einem solchen Fall von vornherein verwehrt, eine eigene und im Ergebnis abweichende Prüfung vorzunehmen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2019 - 23 O 172718, juris, Rn. 27 ff.).

Erst recht reicht es nicht aus, aus publizierten Messergebnissen von Umweltverbänden betreffend andere Fahrzeuge desselben Motortyps zu schlussfolgern, es müsse eine unzulässige Abschaltvorrichtung vorhanden sein, was wiederum darauf zurückgeführt werden müsse, dass die Beklagte im Zulassungsverfahren getäuscht und falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben müsse. Die Behauptung der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofensters könnte vielmehr nur dann als schlüssig angesehen werden, wenn hierzu konkrete Tatsachen vorgetragen würden, die Beklagte habe unter Inkaufnahme eines Gesetzesverstoßes die Zulassungsbehörde hinsichtlich der Funktionsweise des Emissionskontrollsystems des betreffenden Fahrzeugs bewusst getäuscht. Ohne einen solchen Tatsachenvortrag muss angenommen werden, dass der Hersteller die aus seiner Sicht genehmigungsfähige Funktionsweise der Motorsteuerung einschließlich des Emissionskontrollsystems im Zulassungsverfahren offengelegt und die Behörde diese Funktionsweise - mit Tatbestandswirkung für den Zivilprozess - gebilligt hat.

So ist dem Senat aus den bei ihm anhängigen sog. "VW-Verfahren" bekannt, dass vom KBA als zuständige Behörde die sog. Thermofenster nicht strikt als unzulässige Abschaltvorrichtung eingestuft, sondern im Falle des Software-Updates ausdrücklich genehmigt worden sind. Nachdem das KBA die VW AG nämlich durch einen Bescheid vom Oktober 2015 verpflichtet hatte, die bei den betroffenen Fahrzeugen mit dem Aggregat EA 189 EU5 verwendete unzulässige Abschaltvorrichtung (die sog. Prüfstanderkennungssoftware) zu beseitigen, hatte die VW AG der Behörde als Beseitigungsmaßnahme ein Software-Update der Motorsteuerungssoftware vorgestellt. Diesem Software-Update wird nachgesagt, dass es Thermofenster aufweist, was von dem KBA aber nicht beanstandet worden ist. In seinen für die jeweiligen Fahrzeugtypen erlassenen Bescheiden, mit denen das Software-Update freigegeben wurde, heißt es nämlich ausdrücklich, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde und dass die vorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft wurden.

Im vorliegenden Fall ist insoweit hervorzuheben, dass trotz des erheblichen Zeitablaufs seit der Einreichung der Klage (07.02.2018) bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (12.09.2019) seitens des KBA noch keine Rückrufaktion oder sonstige Maßnahme betreffend das klägerische Fahrzeug vorgenommen oder zumindest angekündigt worden ist. Dies spricht - trotz des freiwilligen Rückrufs seitens der Beklagten als Herstellerin zur Optimierung des Abgasverhaltens (Bl. 269 d. A.) - dagegen, dass die Behörde sich hinsichtlich dieses Fahrzeugtyps getäuscht sieht oder aus sonstigen Gründen von einer Rechtswidrigkeit der erteilten Typengenehmigung ausgeht und deshalb Beschränkungen drohen. Sieht also die zuständige Behörde die Abschalteinrichtung in Form von Thermofenstern als zulässig an, sind die Fahrzeughalter (im Unterschied zu der in den VW-Fahrzeugen seinerzeit vorhandenen, aber verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Umschaltvorrichtung, s. hierzu Beschluss des BGH vom 8. Januar 2019, VIII ZR 225/15, Rdnr. 19ff. bei juris) nicht der Gefahr einer drohenden Betriebsbeschränkung oder -untersagung ausgesetzt, so dass die Fahrzeuge diesbezüglich nicht mangelbehaftet sind.

c) Diese Auffassung des erkennenden Senates steht, soweit ersichtlich, auch im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte in vergleichbaren Fällen. So hat das OLG Koblenz selbst in dem Fall, dass das dortige Fahrzeug von einer Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes betroffen war, den subjektiven Tatbestand verneint (OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 - 12 U 246/19 -, juris, Rn. 62 ff.).

Festzuhalten bleibt damit, dass schon ein Sachmangel in Form des objektiven Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Hinblick auf die Tatbestandswirkung der behördlichen Genehmigung nicht schlüssig dargetan ist. Erst recht muss dies für den Vorwurf eines deliktischen (und sittenwidrigen) Verhaltens der Beklagten gelten (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 83, 94). Mithin bedarf es keiner weiteren Ausführungen zur sekundären Darlegungslast, zum Vorsatz und zur Sittenwidrigkeit sowie zum Schaden und den sonstigen Rechtsfolgen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Denn wenn es schon an der schlüssigen Darlegung eines deliktischen Verhaltens fehlt, kann es weder der Beklagten obliegen, sich in Befolgung einer sekundären Darlegungslast zu entlasten, noch stellt sich die Frage einer Zurechnung nach § 31 BGB. Auch kommen weitere Anspruchsgrundlagen wie § 831 BGB i. V. m. § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV von vornherein nicht in Betracht (vgl. vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 101 ff.).

d) Unabhängig davon ist aber auch hervorzuheben, dass die Beklagte die Behauptungen des Klägers nicht nur pauschal, sondern substantiiert bestritten hat, mithin auch einer unterstellten sekundären Darlegungslast, genügt hätte. So hat sie ausgeführt, der Vorwurf des Klägers, die Versottungsgefahr hänge nicht von der Umgebungstemperatur, sondern allenfalls der Abgastemperatur ab, sei bereits in technischer Hinsicht verfehlt. Das Fahrzeug verfüge über eine Niedrigdruck- und eine Hochdruck-Abgasrückführung, die variabel angesteuert werde. Dabei verfüge die Hochdruck-Abgasrückführung über einen Luftpfad, der durch einen Kühler führe, und über einen Luftpfad, mit dem der Kühler bypassiert werde. Um das Risiko von Versottungen zu mindern, werde unterhalb von 7 °C der Bypass-Pfad nicht mehr genutzt und unterhalb von 5 °C der Niederdruck-Pfad nicht mehr verwandt. Beides führe nicht zu Veränderungen der Inertgas-Raten. Inertgasanteile seien abhängig vom momentanen Sauerstoffangebot des Motors, das immer auch von der Umgebungslufttemperatur und damit der Dichte der einströmenden Luft abhänge. Fahre man mit konstanter Geschwindigkeit und Last, seien die Massenströme am Motor im Gleichgewicht und man spreche von stationärem Betrieb. Bei Beschleunigungsvorgängen (oder auch Verzögerungen), Lasterhöhung durch Anstieg der Straße oder umgekehrt ändere der Motor laufend seinen Betriebspunkt und es würden keine stationären Zustände erreicht. Diese Modellierung ziele auf die Ausbalancierung der stark ansteigenden Partikelemissionen bei starker Beanspruchung des Motors gegen eine limitierte Erhöhung der innermotorischen Stickoxid-Rohemissionen.

Das Problem der Ablagerungsrisiken sei komplexer als es der Kläger darstelle. Sie träten bei unterschiedlichen Temperaturen und an unterschiedlichen Bauteilen auf. Dabei sei das zurückgeführte Abgas wiederum unterschiedlichen Bauteiltemperaturen ausgesetzt und sei selbst unterschiedlich heiß. Bei der Hochdruck-AGR werde das Abgas von der Turbine des Hochdruck-Turboladers entnommen und zum wassergekühlten AGR-Ventil geleitet. Von hier aus fließe das Abgas über die Bypassklappe entweder durch den wassergekühlten Kühler oder durch den Bypass zur Einleitstelle in das Ladeluftrohr. Dort werde das Abgas mit der neu angesaugten Ladeluft vermischt und in Richtung Ladeluftverteilerleitung und schließlich in die Brennräume weitergeleitet. Schon aufgrund dieser Vermischung von rückgeführtem Abgas und Ladeluft vor der Zuführung des Gemisches in den Zylinder leuchte es unmittelbar ein, dass die Umgebungslufttemperatur und somit die Ladelufttemperatur entscheidenden Einfluss auf die Temperatur des dem Zylinder zugeführten Gemisches habe. Genau aus diesem Grunde erfolge nicht nur eine Kühlung des rückgeführten Abgases durch den AGR-Kühler, sondern auch eine Kühlung des Frischgases durch den Ladeluftkühler. Die Temperatur der von außerhalb des Fahrzeugs angesagten Luft sei selbsterklärend von der Außentemperatur abhängig.

Bei der Niederdruck-Abgasrückführung werde von Rußpartikeln gereinigtes Abgas hinter dem Partikelfilter entnommen und über die Abgasrückführungsleitung zu einem separaten Kühler geführt. Das Niederdruck-AGR-Ventil regele den gewünschten Niederdruck-AGR-Anteil ein. In einer Reinluftkammer werde das zurückgeführte Abgas über eine spezielle Einleitvorrichtung mit der angesagten Frischluft vermischt, dem Verdichter zugeleitet und über den Ladeluftkühler in die Brennkammer des Motors eingeführt. Es sei selbsterklärend, dass diese motorfern erfolgende Luftführung Umgebungslufttemperaturen ausgesetzt sei. Das zurückzuführende Abgas habe zwar originär eine hohe Temperatur. Doch auch diese Temperatur werden mittels der Temperatur von Luft und Kraftstoff im Brennraum vor Verbrennung durch die Umgebungstemperatur nahezu unmittelbar beeinflusst.

Die Ausführungen des Klägers seien inhaltlich falsch. Sie offenbarten ein grundlegendes Fehlverständnis von der Funktionsweise des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Abgasrückführungssystems. Anders als der Kläger es annehme, sei die Außenlufttemperatur erheblich mit dem Verlackungs- und Versottungsrisiko innerhalb des AGR-Kühlers verbunden. So könne eine niedrige Umgebungstemperatur zu einer erhöhten Temperaturdifferenz zwischen dem heißen, rückgeführten Abgas innerhalb des AGR-Kühlers und den AGR-Kühlerwänden führen. Je höher die Temperaturdifferenz sei, desto größer sei das Risiko von Ablagerungen im AGR-Kühler.

Versottungsrisiken bestünden zudem nicht nur, wie die Ausführungen des Klägers nahelegen sollten, beim AGR-Kühler. Beim AGR-Kühler sei die Außenlufttemperatur - aufgrund ihres Einflusses auf die Verbrennungsspitzentemperatur - auch für die dortigen Versorgungsrisiken bedeutsam. Aber auch weitere Bereiche seien betroffen; auch Bereiche, in denen der Einfluss der Ladelufttemperatur vergleichsweise stärker sei als beim AGR-Kühler.

Da eine unmittelbar von der Umgebungstemperatur, der Ladelufttemperatur, der Ansauglufttemperatur oder einer vergleichbaren Lufttemperatur abhängige Korrektur dieser Raten im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorliege, sei lediglich hilfsweise zum sogenannten Thermofenster vorzutragen. Das sogenannte Thermofenster sei dem KBA bekannt. Es sei unzutreffend, dass sie, die Beklagte, das KBA nicht ausreichend informiere. Dass KBA sehe hinsichtlich des Fahrzeugs des Klägers keinen Handlungsbedarf, auch nicht im Hinblick auf die temperaturabhängige Steuerung. Entgegen der Auffassung des Klägers erfolge das Angebot einer Servicemaßnahme freiwillig.

Das KBA sei nicht der Auffassung, dass im Fahrzeug des Klägers zu beanstandende Software enthalten sei. Sie, die Beklagte, biete bereits seit März 2017 bei Fahrzeugen der Kompaktklasse eine Verbesserung des NOx-Emissionsverhaltens für eine Motorvariante an. Zudem biete sie seitdem ein Software-Update für die V-Klasse an. Darüber hinaus sei am 2. August auf dem "Nationalen Forum Diesel" in Berlin ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Luftqualität in den Innenstädten verabschiedet worden. Bereits zwei Wochen zuvor habe sie, die Beklagte, die Ausweitung der laufenden freiwilligen Servicemaßnahmen auf über 3 Millionen Fahrzeuge angekündigt. All dies sei ein Jahr vor dem ersten gegenüber der Beklagten durch das KBA angeordneten Rückruf geschehen. Gegenstand des Dieselgipfels seien im Übrigen nur Euro 5 und nicht Euro 6-Fahrzeuge gewesen.

Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass die (behauptete) Abschalteinrichtung nicht notwendig sei, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

In Verkennung der Rechtslage und technisch-physikalischer Naturgesetze meine der Kläger, eine Manipulation daraus ableiten zu können, dass im Straßenbetrieb andere Betriebsbedingungen vorlägen. Er verkenne grundlegend, dass der Stickoxid-Grenzwert der Euro-Normen mit detailliert normierten Prüfbedingungen verknüpft sei. Für den vorliegenden Rechtsstreit sei es daher ohne Relevanz, welches Emission- und Verbrauchsverhalten das Fahrzeug außerhalb der maßgeblichen gesetzlichen Prüfbedingungen habe. Die Einhaltung von Grenzwerten im realen Straßenbetrieb sei bei der Entwicklung, der Auslieferung, dem Verkauf und der Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht geboten gewesen. Dementsprechend führe sie, die Beklagte, auch keine Prüfungen hierzu durch. Sie könne also nicht dazu Stellung nehmen, ob das Fahrzeug im realen Straßenbetrieb die Grenzwerte einhalte. Dies sei schon methodisch nicht möglich. Mit dem NEFZ bezögen sich die Grenzwerte auf einen äußerst schwachlastigen Fahrzyklus. Zutreffend habe das Landgericht Köln deshalb in einer Entscheidung ausgeführt, das bedeute nichts anderes, als dass die Grenzwerte in aller Regel nur unter den normierten Bedingungen eingehalten würden, die im realen Fahrbetrieb jedoch praktisch nicht zu erreichen seien. Es sei der gesetzgeberischen Entscheidung geschuldet, eben keine Abgastests unter normalen Betriebsbedingungen, sondern lediglich anhand eines "künstlichen" Fahrzyklus durchzuführen.

Die neuen Regelungen zum realen Fahrbetrieb hätten für Altfahrzeuge wie das des Klägers noch nicht gegolten. Messungen im realen Straßenbetrieb für Pkw seien bislang nicht erforderlich gewesen. Vor dem Hintergrund der seit langem bekannten, unvermeidlichen Abweichungen zwischen Prüfstandtests und Straßenbetrieb sei im Zuge der schrittweisen Einführung der Real Drive Emissionstests (RDE) für die seit dem 1. September 2017 neu zu genehmigenden Fahrzeugmodelle durch den Unionsgesetzgeber Konformitätsfaktoren vorgegeben worden, die den Herstellern eine schrittweise Anpassung an die neuen Prüfbedingungen ermöglichen sollten und die im Straßenbetrieb ausdrücklich höhere Verbrauchs- und Emissionswerte als auf dem Prüfstand erlaubten. Dies belege, dass das Unionsrecht die Grenzwerte - technisch korrekt und nachvollziehbar - in Abhängigkeit von bestimmten Rahmenbedingungen definiere und dass sie nicht abstrakt bei jeglichen äußeren Umständen gelten würden.

Sie, die Beklagte, habe das KBA entgegen den Vorwürfen des Klägers stets ausreichend informiert. Die EG-Typengenehmigung erfasse sämtliche Funktionalitäten eines Fahrzeugs. Andernfalls würden bei der Beschreibung eines so komplexen Produkts unvermeidlich Lücken in der Genehmigung entstehen. Nationale Behörden und Gerichte dürften Zulassung, Verkauf oder Inbetriebnahme von Fahrzeugen aus anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht dadurch erschweren, dass sie weitergehende Anforderungen an die Fahrzeuge stellten, als sich aus dem System der EG-Typengenehmigung und der Übereinstimmungserklärung ergäben. Es handele sich vorliegend um einen Fall der europäischen Vollharmonisierung.

Abschaltungseinrichtungen hätten im Rahmen des EG-Typengenehmigung nicht offengelegt werden müssen. Gemäß Art. 10 Absatz 1 RL (EG) Nr. 2007/46 müsse ein System mit den Angaben in der Beschreibungsmappe übereinstimmen und den technischen Anforderungen der in Anhang IV oder Anhang XI aufgeführten einschlägigen Einzelrichtlinie oder Einzelverordnung entsprechen. In Nummer 3.2.12 Anhang I der RL (EG) Nummer 2007/46 seien die Angaben zu Maßnahmen gegen Luftverunreinigungen abschließend aufgezählt. Anlage 3 zu Anhang I der Durchführungs-VO (EG) Nummer 692/2008 enthalte das Muster eines Beschreibungsbogens für die EG-Typengenehmigung eines Fahrzeugs hinsichtlich der Emissionen. Abschnitt 3.2.12 der Anlage 3 liste den notwendigen Inhalt des Beschreibungsbogens zu "Maßnahmen gegen Luftverunreinigung" auf. Hiernach müssten Angaben zu den verwendeten Emissionskontrollsystemen gemacht werden. Die Beschreibung von "Abschalteinrichtungen" sei dort jedoch nicht vorgesehen.

Erst seit dem Jahr 2016 - also nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens für das streitgegenständliche Fahrzeug - müssten gemäß Art. 5 Abs. 11 Durchführungs-VO (EG) Nummer 692/2008 n. F. für neue EG-Typengenehmigungsverfahren Angaben über "Standard-Emissionsstrategien" (BES) und "zusätzliche Emissionsstrategien" (AES) eines Fahrzeugtyps gemacht werden. Zuvor seien diese Angaben im Genehmigungsverfahren gerade nicht erforderlich gewesen. Das Fahrzeug des Klägers sei aber bereits im Jahre 2014 ausgeliefert worden.

Im vorliegenden Fall gehe es nicht um Manipulationen, sondern um eine auf Mitarbeiterebene in gutem Glauben vorgenommene und vom KBA bis heute noch nicht beanstandete Ausgestaltung des Emissionskontrollsystems, die konfligierenden Belangen habe Rechnung tragen müssen (Risiko von Ablagerungen, Ölverdünnung, Versottung). Diese Ausgestaltung sei rechtmäßig gewesen und sei dies auch weiterhin. Und in jedem Fall gelte, dass ihre zuständigen Mitarbeiter dabei ein zumindest vertretbares Normverständnis zugrunde gelegt hätten.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergebe sich auch aus dem "Regel-Ausnahme-Verhältnis" des Art. 5 EG-VO 715/2007 keine sekundäre Darlegungslast des Beklagten. Dies habe das OLG Köln zutreffend festgestellt und unter anderem darauf verwiesen, dass eine weitergehende Darlegungslast zu der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen führen würde (Zurückweisungsbeschluss vom 26.09.2019 - 3 U 43/19: Anl. B 21).

e) Nach alledem ist festzustellen, dass die Beklagte zu den aus ihrer Sicht für das streitgegenständliche Fahrzeug maßgeblichen Emissionsanforderungen, der technischen Umsetzung bei ihren Fahrzeugen und den gegenüber dem KBA im Typengenehmigungsverfahren gemachten Angaben substantiiert und damit durchaus rechtlich erheblich vorgetragen hat. Eine weitergehende Darlegungslast trifft die Beklagte jedenfalls angesichts der nur pauschalen, aus andere Fahrzeuge betreffenden Messergebnisse von Umweltverbänden abgeleiteten Mutmaßungen nicht. Zudem hat die Beklagte dargetan, sie habe die bestehenden Vorschriften nicht bewusst unterlaufen oder gegenüber dem KBA unvollständige oder falsche Angaben gemacht, sondern sich subjektiv gesetzeskonform verhalten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.