Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.10.2012, Az.: 7 B 4451/12

Auflage; Feststellung; Gefährlichkeit; Hund; Sofortige Vollziehung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
04.10.2012
Aktenzeichen
7 B 4451/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44460
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG reicht es regelmäßig aus, dass der Hund einen Menschen gebissen hat.

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung des Antragsgegners, dass sein Hund gefährlich im Sinne des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG) ist, und gegen im Zusammenhang damit stehende Auflagen des Antragsgegners.

Er ist seit 1. April 2010 Halter eines inzwischen etwa 31 Monate alten Bernhardiner-Rüden namens „...“ (Langhaar, braun mit rassetypischen weißen Abzeichen, im September 2011 rund 72 kg schwer mit ca. 84 cm Schulterhöhe und nicht kastriert). Der Hund wird überwiegend im Garten der Familie des Antragstellers gehalten, die in einem freistehenden Haus im Wohngebiet von … (Gemeinde …, Landkreis …) lebt und sieben Kinder zählt. Die Terrasse ist zu einer Art Zwinger mit Hundehütte umgestaltet.

Am 6. Juni 2011 besuchte die im Jahre 19.. geborene … … aus der Nachbarschaft die Familie des Antragstellers. Der Hund ... biss das Mädchen … in den rechten Oberschenkel und die linke Brustpartie (vgl. Fotodokumentation, Bl. 15 - 20 der Beiakte); anschließend fand ihre notärztliche Erstversorgung statt.

Der Antragsgegner erhielt am 7. Juni 2011 Kenntnis von dem Vorfall (Bl. 1 ff. Beiakte).

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juni 2011 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller u.a. Leinen- und Beißkorbzwang sowie Herrichtung des Grundstücks als ausbruchsicher an und forderte ihn auf, sich zur Begutachtung des Hundes mit dem Amtstierarzt in Verbindung zu setzen (Bl. 5 ff. Beiakte).

Danach ergaben sich durch polizeiliche Einvernahme (Bl. 26 ff. Beiakte) Zeugenangaben, nach welchen es bereits zuvor zu Vorfällen mit dem Hund des Antragstellers gekommen war. Insbesondere habe der Hund im Winter 2010/2011 („wahrscheinlich Dez. 2010“, Bl. 27 Beiakte) ein damals 13jähriges Kind angegriffen und dabei die Jacke des Kindes beschädigt. Auch habe der Hund - wohl im ähnlichen Zeitraum - einen anderen Hundehalter „in die Wade ‚gezwickt’ "(ebenda). Außerdem habe der Hund einen jungen Schäferhund gebissen, der unverletzt blieb (Bl. 28 Beiakte).

Am 5. September 2011 suchte der Amtstierarzt des Antragsgegners das Haus der Familie des Antragstellers auf und führte eine einstündige Überprüfung des damals ca. 19 Monate alten Hundes durch. Nach dem Vermerk vom 11. Oktober 2011 (Bl. 47/48 Beiakte) verhielt sich der Hund unauffällig und gelangte der Veterinär zu der Feststellung, dass es sich sowohl bei der Ehefrau des Antragstellers als auch bei dem Antragsteller selber „um sehr verantwortungsbewusste Hundehalter" handele; ferner heißt es dort im Wortlaut (Bl. 48 Beiakte):

„Bei ihrem Hund ‚...’ handelt es sich noch um einen sehr jungen, verspielten und unerfahrenen Hund, der noch nicht in der Lage ist alle Situationen des Alltages richtig zu erfassen. Das Verhalten des für ihn fremden Mädchens bzw. deren Körpersprache wurden deshalb offensichtlich falsch gedeutet, so dass es zu einem Abwehrverhalten des Tieres mit der Folge einer Bissverletzung gekommen ist.

Trotzdem handelt es sich bei dem in Rede stehenden Fall um einen deutlichen Beißvorfall gegenüber einem Kind. Um eine abschließende Beurteilung des Hundes der Familie … vornehmen zu können, sollte vor diesem Hintergrund ein Wesenstest beigebracht werden. Nach eingehender Erläuterung über die Sinnhaftigkeit eines solchen Testes zeigt sich das Ehepaar … sofort einverstanden …“

Am 21. März 2012 führte das Institut für Tierschutz und Verhalten, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, im Folgenden: THH, einen vom Antragsteller veranlassten Wesenstest durch. Im Text des Gutachtens vom 21. März 2012 (Bl. 57 bis 63 Beiakte) heißt es hinsichtlich des Verhaltens des Hundes, dass er in bestimmten Situationen Beißen bzw. Beißversuche mit vorherigem mimischem Drohverhalten zeige. Im Wortlaut ist ausgeführt (Bl. 62 Beiakte):

„In beiden Fällen befand sich die Testperson an der rechten Halsseite/Kopfseite und streichelte ..., bevor ... das Beißen/den Beißversuch zeigt. ... hat dabei die Ohren weit zurückgelegt und vermeidet den direkten Blick. In Situation 16 kann man sehr gut sehen, dass ... vorher schon unsicher mit langer Maulspalte droht, während er gestreichelt wird und mit dem Körper ausweicht. Für ... stellt diese Konstellation - rechte Kopfseite und Arm/Hand über dem Hund - im Test eine subjektive Bedrohung dar, auf die er nach einem unsicheren Drohen (lange Maulspalte) mit Abwehrbeißen reagiert. In den übrigen Situationen des Hund-Mensch-Kontaktes sowie des Hund-Umwelt Kontaktes konnten bei ... keine aggressiven Signale beobachtet werden.“

Dieses Gutachten gelangt zu folgender abschließender Beurteilung (Bl. 63 Beiakte):

„In der Testsituation am 21.03.2012 konnten bei dem Hund ... keine Hinweise auf inadäquat und / oder gestört aggressives Verhalten nach dem Niedersächsischen Gesetz über das Halten von Hunden (NHundG) vom 26.05.2011 beobachtet werden. Es zeigte sich jedoch, dass ... den engen Kontakt an seiner rechten Kopfseite mit gleichzeitigem Streicheln als Bedrohung empfindet, was ... aber vorher durch Zähneblecken und Ausweichen anzeigt, bevor er Beißen/Beißversuche zeigt. Es wird empfohlen, ...s subjektives Bedrohungsempfinden in solchen Situationen genauer zu analysieren und unter Anleitung eines verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarztes auszuarbeiten.“

In seinem Vermerk vom 25. Mai 2012 (Bl. 64 ff. Beiakte) stellte der Amtsveterinär zunächst auf seinen o.a. Vermerk vom 11. Oktober 2011 hinsichtlich der Überprüfung vom 5. September 2011 ab und verarbeitete sodann das Gutachten der THH vom 21. März 2012 (aaO.). Hinsichtlich des Wesenstestes und der weiteren Beurteilung hält der Amtsveterinär im Wortlaut fest (Bl. 65 Beiakte):

„Beim Wesenstest am 21.03.2012 konnten bei dem Hund ... keine Hinweise auf inadäquat und/oder gestört aggressives Verhalten nach dem Niedersächsischen Gesetz über das Halten von Hunden (NHundG) vom 26.05.2011 beobachtet werden. Es zeigte sich jedoch, dass ... den engen Kontakt an seiner rechten Kopfseite mit gleichzeitigem Streicheln als Bedrohung empfindet. In der entsprechenden Testsituation hat er Beißen/Beißversuche gezeigt, nachdem er dies vorher durch Zähneblecken und Ausweichen angezeigt hat.

Dies bedeutet, obwohl sich der Hund zum Zeitpunkt der Überprüfung am 05.09.2011 relativ gutmütig gezeigt hat, dass der Hund in bestimmten, vergleichbaren Situationen ähnliche Verhaltensmuster zeigt und deshalb gefährlich gegenüber Kindern oder anderen Menschen reagiert oder reagieren kann.

Der Hund ist deshalb als potentiell gefährlich nach dem Niedersächsischen Hundegesetz anzusehen.“ (Hervorhebung im Original)

Mit Schreiben vom 30. Mai 2012 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller seine Absicht mit, u.a. den Hund als gefährlich zu betrachten und die Feststellung der Gefährlichkeit nach § 7 Abs. 1 NHundG zu treffen (Bl. 67 ff. Beiakte).

Mit anwaltlichen Schreiben vom 13. Juni 2012 trat der Antragsteller dem entgegen (Bl. 71 ff. Beiakte) und hielt im Kern seiner Ausführungen fest, dass der Umstand, dass der Hund den engen Kontakt an seiner rechten Kopfseite mit gleichzeitigem Streicheln als Bedrohung empfinde, ihn nicht zugleich zu einem gefährlichen Hund abstempele. Insbesondere habe der Gutachter hinzugefügt, dass der Hund diese Art der ganz speziellen Annäherung nicht wünsche und dies auch deutlich anzeige. Im Übrigen bestehe bei den ansonsten mit dem Hund befassten Fachleuten, dem Leiter der Hundeschule … (… …, … .. …) und dem Tierarzt Dr. … (Praxis … Str. …, …), Einigkeit darüber, dass der Hund in seiner „Kindheit“ ein Erlebnis gehabt haben müsse, bei welchem er sich stark erschrocken habe. Die dadurch ausgelöste ganz begrenzte Empfindlichkeit des Hundes in dieser ganz speziellen Situation werde von sowohl dem Tierarzt als auch der Hundeschule gezielt behandelt. Außerdem sei der Beißvorfall vom 6. Juni 2011 einmalig geblieben. Im Übrigen enthalte das Anhörungsschreiben (aaO.) nicht den Hinweis darauf, welche konkreten Maßnahmen ansonsten vorgesehen würden.

Mit E-Mail vom 24. Juli 2012 (Bl. 82 Beiakte) meldete sich der Amtsveterinär bei dem Antragsteller und teilte ihm mit, welche konkreten Maßnahmen er dem Ordnungsamt vorgeschlagen habe. Dabei handele es sich um das Halten des Hundes in einem ausbruchsicher herzurichtenden Teils des Grundstücks oder an einer dementsprechenden Laufleine (1.), um Zwingerhaltung bzw. Tragen eines Beißkorbes, sobald sich Dritte, insbesondere Kinder auf dem Grundstück aufhielten (2.), um Leinenzwang außerhalb des Grundstücks in Wohngebieten (3.) und um das Ausarbeiten des subjektiven Bedrohungsempfindens des Hundes (4.).

Mit Bescheid vom 13. August 2012, zugestellt am 18. August 2012, stellte der Antragsgegner fest, dass der vom Antragsteller gehaltene Bernhardiner-Rüde ... gefährlich im Sinne des NHundG ist (Bl. 87 ff. Beiakte).

In diesem Bescheid ordnete er zudem im Wege der Erteilung von Auflagen an, dass der Hund im Zwinger zu halten sei oder einen Beißkorb zu tragen habe, sobald sich Dritte, insbesondere Kinder, auf dem Grundstück aufhielten (Auflage Nr. 1), und dass das subjektive Bedrohungsempfinden, welches der Hund in bestimmten Situationen zeige, unter Anleitung eines verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarztes oder Hundetrainers auszuarbeiten sei (Auflage Nr. 2).

Weiter wies der Antragsgegner in diesem Bescheid daraufhin, dass der Hund außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke anzuleinen sei und einen Beißkorb zu tragen habe.

In den Gründen stützt sich der Antragsgegner im Wesentlichen auf den Beißvorfall vom 6. Juni 2011, das Gutachten der THH sowie die Stellungnahme seines Amtsveterinärs und würdigt die Ausführungen des Antragstellers.

Unter dem 14. August 2012 wandte sich der Antragsteller schriftlich an den Amtsveterinär des Antragsgegners (Bl. 98 bis 100 Beiakte).

Mit Eingang am 31. August 2012 stellten er und seine Ehefrau jeweils Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes und auf Ausstellung einer Bescheinigung für das Ausführen des Hundes. Darauf antwortete ihm der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 5. September 2012 und wies u.a. darauf hin, dass das Halten des als gefährlich eingestuften Hundes bis zur Entscheidung über die beantragte Erlaubnis gesetzlich als erlaubt gelte, wobei allerdings der Inhalt des Bescheides vom 13. August 2012 zu beachten sei (vgl. Erlaubnisvorgang, Blätter 102 ff. Beiakte).

Am 17. September 2012 hat der Antragsteller Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2012 erhoben (Az.: 7 A 4450/12) und zugleich den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung macht er im Kern geltend, dass der einmalige Vorfall vom 6. Juni 2011 nicht als ausreichende Begründung für den angefochtenen Bescheid angesehen werden könne. Der Hund ... sei nicht gefährlich im Sinne von § 7 NHundG.

Dem tritt der Antragsgegner die Gründe des angegriffenen Bescheides wiederholend, vertiefend und ergänzend entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners (Beiakte) verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtet sich formell zulässig gegen die sofortige Vollziehung der Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ... und die Auflagen Nr. 1 und Nr. 2. im angegriffenen Bescheid. Er bleibt aus materiellen Gründen ohne Erfolg.

Der Antrag ist angesichts der Formulierungen in der Antragsschrift (Bl. 1/2 Gerichtsakte), wo es insbesondere heißt:

„die aufschiebende Wirkung der Klage auf Aufhebung des Bescheides der Antragstellerin vom 13.08.2012 wiederherzustellen“,

nicht allein dahingehend zu verstehen, wie sodann allerdings der Begründung zu diesem Antrag auf S. 2 der Antragsschrift zu entnehmen sein könnte, dass er sich allein gegen bestimmte Nebenentscheidungen im angefochtenen Bescheid richte. Vielmehr gebietet es der Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, den Antrag im Rahmen von § 88 VwGO im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers dahin zu verstehen, dass er sich auch und zuvörderst gegen die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ... richtet. Denn diese Feststellung stellt das grundlegende und wesentliche Element der rechtlichen Beschwer dar.

Deshalb legt die Kammer den Antrag dahin aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage auch und insbesondere anzuordnen sei, soweit es um die Feststellung der Gefährlichkeit des Bernhardiner-Rüden „...“ im angegriffenen Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2012 geht, zumal die angeführten Nebenentscheidungen (Auflagen Nr. 1 und Nr. 2) in diesem Bescheid auf die Feststellung der Gefährlichkeit und den Erlaubnisantrag des Antragstellers zurückzuführen, in deren Kontext zu betrachten sowie rechtlich zu bewerten sind und weil sich der Antragsteller mit dem zuvor zitierten Antrag aus der Antragsschrift ausdrücklich um die vollständige aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid insgesamt erhobenen Anfechtungsklage bemüht.

Der so verstandene Antrag ist statthaft.

Rechtsbehelfe gegen die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes haben gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 NHundG keine aufschiebende Wirkung. Insofern ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache gegen den feststellenden Verwaltungsakt erhobenen, zulässigen Anfechtungsklage die statthafte Antragsart.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der auf Seite zwei des angegriffenen Bescheides des Antragsgegners vom 13. August 2012 unter den Nrn. 1 und 2 „gem. § 10 Abs. 4 NHundG“ angeordneten Auflagen, die wie folgt lauten:

1. Der Hund ist im Zwinger zu halten oder hat einen Maulkorb zu tragen, sobald sich Dritte, insbesondere Kinder, auf dem Grundstück aufhalten.

2. Das subjektive Bedrohungsempfinden, welches der Hund in bestimmten Situationen zeigt, ist unter Anleitung eines verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarztes oder Hundetrainers auszuarbeiten.

Für die Frage des Rechtsschutzes gegen diese Auflagen ist § 10 Abs. 5 NHundG zu beachten, wonach die Klage gegen die Versagung der Erlaubnis keine aufschiebende Wirkung hat. Wohl entgegen der Annahme des Antragsgegners im angegriffenen Bescheid greift mit Blick auf die verfügten Auflagen nach Auffassung der Kammer nicht § 7 Abs. 1 Satz 3 NHundG durch, weil sich die dort gesetzlich vorgesehene sofortige Vollziehung ausdrücklich nur auf die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG getroffene Feststellung der Gefährlichkeit bezieht. Wie sich aus § 10 Abs. 5 NHundG und Folgendem ergibt, entfaltet die erhobene Anfechtungsklage hinsichtlich der erteilten Auflagen per Gesetz (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) keinen Suspensiveffekt.

Nach § 10 Abs. 4 NHundG kann eine erteilte Erlaubnis befristet und unter Vorbehalt des Widerrufs erteilt sowie mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden (Satz 1), wobei Auflagen auch noch nachträglich aufgenommen, geändert oder ergänzt werden können (Satz 2). Dass gemäß § 10 Abs. 5 NHundG die Klage gegen die Versagung der Erlaubnis selber per Gesetz keine aufschiebende Wirkung entfalten kann und insoweit gegen die Versagung vorläufiger Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu erlangen ist, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2012 - 11 ME 44/12 - (juris) wie folgt festgehalten:

„Der von der Antragstellerin gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht nur hinsichtlich der angeordneten Abgabe des Hundes "T." und der Androhung eines Zwangsgeldes, sondern auch hinsichtlich der Versagung der Erlaubnis für das Halten eines gefährlichen Hundes statthaft. Nach § 9 Satz 2 NHundG gilt, wenn die Erlaubnis beantragt wird, das Halten des gefährlichen Hundes bis zur Entscheidung über den Antrag als erlaubt. Da die Klage gegen die Versagung der Erlaubnis nach § 10 Abs. 5 NHundG keine aufschiebende Wirkung hat und mit der Ablehnung des Antrags daher sofort die Erlaubnisfiktion nach § 9 Satz 2 NHundG entfällt, kann der Hundehalter durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO vorläufigen Rechtsschutz erlangen.“

Dies gilt dies nach Auffassung der Kammer auch in den Fällen, in denen die Erlaubnis mit belastenden Auflagen gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 NHundG verbunden ist und diesen gegenüber vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erlangen ist. Dies überträgt die Kammer auf den Fall, wie er hier vorliegt, nämlich dass die Behörde schon unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Erlaubnisfiktion solche Auflagen verfügt, ohne selber gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO deren sofortige Vollziehung anzuordnen. Hierzu ist zu berücksichtigen, dass die nach dem Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten des festgestellt gefährlichen Hundes (siehe Erlaubnisvorgang, Blätter 102 ff Beiakte.) gemäß § 9 Satz 2 NHundG eingetretene Fiktion der Erlaubnis im Wege der vorherigen Auflagenerteilung eingeschränkt wird. Auch insoweit muss nach Auffassung der Kammer die wegen des Grundgedankens der Gefahrenabwehr und der Vorsorge vor einer auch nur möglichen Gefahr [„Gefahrenverdacht oder Besorgnispotential“ bereits reichen aus, Nds. OVG, Beschl. v. 18. Januar 2012 (11 ME 423/11, juris, z.B. Nds. Rpfl. 2012, 77-79 - siehe Wortlautzitat weiter unten)] der Ausschluss des Suspensiveffekts nach § 10 Abs. 5 NHundG eingreifen. Mit seinen o.a. Auflagen geht der Antragsgegner den Antragsteller rechtlich beschwerend über die Einschränkungen hinaus, die das Gesetz die Erlaubnisfiktion begleitend abstrakt bereits vorsieht. Bei Letztgenannten handelt es um den allgemeinen Leinen- und Beißkorbzwang gemäß § 9 Satz 4 NHundG. Der Antragsgegner zieht hier individuell zusätzlich Auflagen, um einem gewissen Besorgnispotential wirksam zu begegnen, heran und zeitlich vor, die an sich erst bei der Erteilung einer Erlaubnis nach § 10 Abs. 4 NHundG in Betracht kämen, und schränkt damit den ansonsten gegebenen Freiraum der Erlaubnisfiktion weiter ein. Dagegen ist nach voranstehenden Erwägungen vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzusehen. Nichts anderes allerdings würde mit der Annahme des Antragsgegners im angegriffenen Bescheid gelten, wonach mit Blick auf diese verfügten Auflagen schon § 7 Abs. 1 Satz 3 NHundG durchgreift.

Auch insoweit ist daher der Antrag gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft.

Soweit im Bescheid im Übrigen noch auf die Rechtslage hingewiesen wird, z.B. dass mit der Feststellung der Gefährlichkeit des Bernhardiner-Rüden ... gemäß § 9 Satz 4 NHundG dieser Hund außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke anzuleinen ist und er einen Beißkorb zu tragen hat (S. 1 des angegriffenen Bescheides, unten), gibt dies nur die abstrakt-generelle Rechtslage nach dem Gesetz wieder, vgl. § 9 Satz 4 NHundG, ohne dass insoweit dem Bescheid ein eigener konkret-individueller Regelungs- und/oder Feststellungsgehalt zukäme, weshalb die Kammer davon ausgeht, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sich auf diese Passagen des angegriffenen Bescheides nicht bezieht. Diese und die weiteren Hinweise im Bescheid sind insoweit bloßer und im Gesetz selber vorgesehener Reflex der Feststellung der Gefährlichkeit.

Der danach insgesamt nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt des im Interesse des Antragstellers so wohlverstandenen Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az.: 7 A 4450/12) ist aber in der Sache selber unbegründet.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Absatz 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen regelmäßig das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Gemessen daran ist der Antrag unbegründet, weil sich die Klage voraussichtlich als unbegründet erweisen wird; denn der angegriffene Bescheid des Antragsgegners vom 13. August 2012 erweist sich als voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller voraussichtlich nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der angegriffene Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. So hat der Antragsgegner den Antragsteller vor dem Erlass des Bescheides hinreichend angehört, vgl. § 28 VwVfG, und ist der örtlich zuständige Antragsgegner auch sachlich zuständig, weil er als Landkreis zuständige Fachbehörde gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 NHundG sowohl für die Feststellung der Gefährlichkeit als auch hinsichtlich der verfügten Auflagen ist.

Der Bescheid bleibt auch in materieller Hinsicht beanstandungsfrei.

Rechtsgrundlage der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes ist § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG. Danach stellt die Fachbehörde fest, dass der Hund gefährlich ist, wenn die Prüfung nach Satz 1 Tatsachen ergibt, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Erhält die Behörde einen Hinweis auf eine gesteigerte Aggressivität eines Hundes, hat sie dem von Amts wegen nachzugehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 NHundG) und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG die Gefährlichkeit festzustellen. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Hund Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NHundG) oder auf Angriffslust, auf über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Schärfe oder auf ein anderes in der Wirkung gleichstehendes Merkmal gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet ist (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NHundG). Die Gefährlichkeit eines Hundes ergibt sich danach aus einer über das artgerechte Potential von Hunden hinausgehenden, nämlich gesteigerten Aggressivität eines Hundes, was auch schon der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 1 einleitender Satzteil NHundG zeigt, wo es ausdrücklich "gesteigerte Aggressivität" heißt. Insofern liegen in § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 NHundG mit der einleitenden Wortwahl „insbesondere“ gesetzliche Regelbeispiele vor.

Dabei geht der Gesetzgeber mit Regelbeispiel Nr. 1, erster Fall, davon aus, dass eine das artgerechte Potential übersteigende Aggressivität gerade dann vorliegt, wenn der Hund Menschen - wie hier - gebissen hat.

Ergibt die von der Behörde einzuleitende Prüfung danach Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass ein Gefahrenverdacht oder Besorgnispotential vorliegt und in diesem Sinne von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, stellt sie die Gefährlichkeit des Hundes fest (§ 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG), ohne dass das Gesetz auf Rechtsfolgenseite weitere Anforderungen für diese Feststellung voraussetzt, etwa ein Ermessen eröffnet.

Nach der dargestellten gesetzlichen Wertung ist es nicht erforderlich, dass bereits Tatsachen vorliegen, die die Gefährlichkeit eines Hundes nachweislich belegen. Es reicht vielmehr aus, wenn aufgrund von Tatsachen ein Verdacht auf eine Gefährlichkeit des Hundes wegen einer das natürliche Maß übersteigenden Aggressivität anhand vorbezeichneter Regelbeispiele besteht. Mit dieser Regelung im NHundG ist das Recht der Hundehaltung in Niedersachsen durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle von der Gefahrenabwehr zur weiterreichenden Gefahrenvorsorge geschärft.

Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG reicht es mithin regelmäßig aus, dass dieser Hund einmalig einen Menschen gebissen hat, wie es sich auch aus der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichtes (Zitat sogleich) ergibt, wonach sogar ausreichen soll, dass der Hund - insoweit vergleichsweise: nur - einen anderen Hund gebissen hat. Die Frage, ob es schon hinreichend ist, dass der betroffene Hund nur einen anderen Hund gebissen hat, lässt die Kammer allerdings im vorliegenden Verfahren ausdrücklich offen, weil es darauf nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn hier hat der Hund ... am 6. Juni 2011 ein 12jähriges Kind gebissen, das dadurch zudem in nicht unerheblicher Art und Weise verletzt wurde. Dies reicht zur Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ... bereits aus. Außerdem hat dieser laut Zeugenbekundung auch zuvor etwa im Dezember 2010 einen Menschen jedenfalls „gezwickt“. Dieser Vorfall ist hier nicht tragend heranzuziehen, weil insoweit zugunsten des Antragstellers unterstellt das damals noch sehr junge Welpenalter von ... maßgeblich gewesen sein könnte und nicht die nunmehr durch Gutachten untermauerte Verhaltensstörung, zumal ‚Zwicken‘ hinsichtlich der Erheblichkeit längst nicht von vornherein in jedem Fall ohne nähere Prüfung mit ‚Beißen‘ gleichgestellt werden kann.

Im Einzelnen hat das Nds. Oberverwaltungsgericht dazu insgesamt mit seinem Beschluss vom 18. Januar 2012 (11 ME 423/11, juris, z.B. Nds. Rpfl. 2012, 77-79) wörtlich Folgendes festgehalten:

„Mit dem Bescheid vom 2. November 2011 stellte der Antragsgegner die Gefährlichkeit des vom Antragsteller gehaltenen Hundes, der zunächst als Staffordshire Terrier und nachfolgend als "Boxermischlingshündin" eingestuft wurde, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG fest und begründete dies mit einem Vorfall am 18. August 2011. Dabei hatte der Hund des Antragstellers das Grundstück, auf dem er sich besuchsweise befand, verlassen, war auf die davor verlaufende öffentliche Strasse gelaufen und hatte dort einen Jack-Russel-Terrier gebissen; der Terrier erlitt dabei eine blutende Wunde am Ohr, die tierärztlich (durch Klammern) versorgt wurde.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem dem vorläufigen Rechtsschutzantrag stattgebenden Beschluss vom 12. Dezember 2011 angenommen, dass die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes auch in den Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 NHundG nicht allein darauf gestützt werden könne, dass der betroffene Hund ein anderes Tier, etwa einen Hund, gebissen habe. Vielmehr müssten zusätzlich Hinweise auf eine gesteigerte Aggressivität, die über ein artgerechtes (Biss-)Verhalten hinausgehe, des betroffenen Hundes vorliegen; hieran mangele es vorliegend (bislang).

Der Senat folgt diesem Verständnis des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 und Satz 2 NHundG nicht. Er ist bislang in ständiger Rechtsprechung (Beschl. v. 13.12.2006 - 11 ME 350/06 -, OVGE 50, 399) zu der Vorgängerregelung (in § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 NHundG a. F.) davon ausgegangen,

"dass nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 NHundG schon bei einem bloßen Verdacht der Gefährlichkeit der betreffende Hund wie ein tatsächlich gefährlicher Hund zu behandeln ist … . Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG reicht es für die Einleitung der Gefährlichkeitsprüfung aus, dass ein Hund ein (anderes) Tier gebissen hat. Es bedarf nach dem Gesetzeswortlaut nicht etwa noch der weiteren Prüfung, ob das dabei von dem Hund gezeigte Verhalten eine gesteigerte Aggressivität bzw. eine über das natürliche Maß hinausgehende Angriffslust aufweist. Zu berücksichtigen ist grundsätzlich jede Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des gebissenen Hundes unabhängig von der Schwere; außer Betracht bleiben nur ganz geringfügige Verletzungen wie etwa einzelne herausgerissene Haare oder sehr kleine oberflächliche Kratzer".

Für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 3 Abs. 2 Satz 2 NHundG a. F. galten keine weitergehenden Anforderungen. Hierfür reichte grundsätzlich die Feststellung aus, dass der betroffene Hund einen anderen Hund verletzt hat (Senatsbeschl. v. 27.7.2010 - 11 PA 265/10 -, m. w. N.).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Geltung des NHundG in der Fassung vom 26. Mai 2011 (GVBl. S. 130, ber. S. 184) fest. Zwar mag der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 NHundG, der mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 an die Stelle des vormals geltenden § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 NHundG a. F. getreten ist, auch der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung zugänglich sein. Dagegen sprechen aber jedenfalls Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des NHundG. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 12. Mai 2005 (- 11 ME 92/05 -, Nds. VBl. 2005, 213) ausgeführt hat, hatte der Nds. Gesetzgeber mit der Regelung in § 3 Abs 2 NHundG (v. 12.12.2002 i. d. F. vom 30.10.2003, Nds. GVBl. 2003, 2; 2003, 367) auf die (u. a. durch Medienberichte über Beißvorfälle beeinflusste) geänderte Wahrnehmung der durch Hunde gegebenen Gefahren in der Bevölkerung reagiert und schon mit dem NHundG a. F. eine Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe geschaffen, mit denen nicht erst einer auf Tatsachen begründeten Gefahr, sondern bereits einer möglichen Gefahr (Gefahrenverdacht oder Besorgnispotential) begegnet werden sollte. Ziel des § 3 NHundG a. F. war also eine Vorsorge gegen möglicherweise erst drohende Schäden. Eine solche effektive Möglichkeit zur Gefahrenvorsorge bestünde aber bei dem vom Verwaltungsgericht vertretenen Verständnis nicht oder jedenfalls nur unter deutlich erschwerten Voraussetzungen. Denn danach reichte gerade auch bei den Beißvorfällen, die Anlass für das Tätigwerden des Gesetzgebers waren, ein solcher Beißvorfall, dessen nähere Umstände häufig unklar sind, allein nicht aus, vielmehr bedürfte es zur Feststellung der Gefährlichkeit weiterer Tatsachen zur (vermuteten) Aggressivität des betroffenen Hundes, ohne dass der Gesetzgeber insoweit ein besonderes Verfahren mit zwingender Beteiligung von Sachverständigen oder über die allgemeinen Pflichten nach § 15 Abs. 1 NHundG hinausgehende Mitwirkungspflichten des Halters festgelegt hätte. Zudem steht dieses Verständnis in Widerspruch zu der § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 NHundG zu entnehmenden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Gesetzgebers, dass grundsätzlich bereits die Bissigkeit eines Hundes als Regelbeispiel eines nicht mehr artgerechten Verhaltens eines als gewöhnliches Haustier gehaltenen Hundes und damit als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft wird (vgl. ebenso zur früheren Rechtslage in Niedersachsen: Stabno, Hunderecht in Niedersachsen, § 3 NHundG (a. F.), S. 13, sowie in anderen Bundesländern Hölscheidt, NdsVBl. 2000, 1, 5, Fn. 52 f., m. w. N.). Damit bedarf nicht diese Annahme, sondern bedürfen Ausnahmen von diesem Grundsatz besonderer Begründung. Letztere kommen zum Beispiel bei einem erlaubten Beißen im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs etwa eines Dienst-, Wach- oder Jagdhundes, bei der Verletzung eines anderen (Haus-)Tieres durch ein eindeutig artgerechtes Abwehrverhalten oder ggf. auch beim Beißen bzw. Töten von Mäusen oder Insekten in Betracht (vgl. dazu bereits die Begründung des Gesetzentwurfes zum NHundG a. F., LT-Drs. 14/3715, S. 10, zum begrenzten Regelungsinhalt des Gesetzes). Im Übrigen soll jedoch gerade durch die Formulierung der Regelbeispiele, also heute durch § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 NHundG, weiterhin die Amtsermittlungspflicht (heute nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG) begrenzt werden (so ausdrücklich der Schriftliche Bericht zum NHundG a. F., LT-Drs. 14/4006, S. 4. a. E.).

Der Senat hat aus diesen Überlegungen bereits unter Geltung des NHundG a. F. den Schluss gezogen, dass den vom Verwaltungsgericht thematisierten, dem Grunde nach berechtigten Bedenken gegen eine ggf. "überschießende" Kontrolle eines als gefährlich eingestuften Hundes zwar Rechnung zu tragen ist, aber nicht auf der Tatbestandsseite, d.h. durch höhere Anforderungen an die Feststellung der Gefährlichkeit, sondern auf der Rechtsfolgenseite, d.h. bei den heute in § 14 NHundG geregelten Einschränkungen für das Führen eines gefährlichen Hundes. Dass dieses Verständnis dem Willen des Landesgesetzgebers entspricht, wird durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom 26. Mai 2011 unterstrichen. Der entsprechende Gesetzentwurf der Landesregierung (LT -Drs. 16/3277, S. 4 f., 15) sah nämlich in § 6 Abs. 1, der dem jetzigen § 7 Abs. 1 NHundG entspricht (vgl. die Synpose in der Beschlussempfehlung, LT - Drs. 16/3624, S. 7), die Einfügung zweier Regelungen zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes vor, u. a. zur Berücksichtigung des Ergebnisses eines Wesenstests. Hiervon hat der Gesetzgeber jedoch unter Bezugnahme auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit der Begründung abgesehen, andernfalls könne der unzutreffende Eindruck entstehen, dass durch einen freiwillig vorgezogenen Wesenstest die Feststellung der Gefährlichkeit verhindert werden könne (vgl. den Schriftlichen Bericht, LT-Drs. 16/3666, S. 4 f.). Stattdessen ist im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich unter Verweis auf den o. a. Beschluss des Senats vom 12. Mai 2005 (mit § 14 Abs. 3 Satz 2 NHundG) "ergänzend die Möglichkeit geschaffen worden, vom Leinenzwang ganz oder teilweise abzusehen, insbesondere wenn der Wesenstest keinerlei Hinweise auf eine tatsächliche Gefährlichkeit des Hundes ergibt" (Schriftlicher Bericht, a. a. O., S. 7). Anlass für weitergehende Regelungen, etwa zur Einführung eines gesonderten Verfahrens zur Aufhebung der Gefährlichkeitsfeststellung (vgl. dazu das im Schriftlichen Bericht ausdrücklich zitierte Urteil des VG Stade v. 24.2.2010 - 1 A 77/09 -, juris, Rn. 36) oder zu einzelfallbezogenen zusätzlichen Einschränkungen der Rechtsfolgen des § 14 NHundG über die Aufhebung des Leinenzwanges hinaus (vgl. dazu etwa VG Braunschweig, Beschl. v. 28.11.2006 - 5 B 312/06 -, juris, Rn. 35), hat der Gesetzgeber hingegen nicht gesehen.

Damit sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG grundsätzlich bereits dann erfüllt, wenn der betroffene Hund ein anderes (Haus-)Tier, insbesondere einen anderen Hund (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 NHundG), nicht nur ganz geringfügig verletzt hat. Wie dargelegt, ist nach dem Sinn und Zweck der Regelung davon ggf. eine Ausnahme zu machen, wenn die Verletzung im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs etwa eines Dienst-, Wach- oder Jagdhundes erfolgte oder es sich bei der Verletzung eines anderen (Haus-)Tieres offensichtlich um ein artgerechtes Abwehrverhalten handelte.

Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antragsgegner vorliegend zu Recht die Gefährlichkeit des vom Antragsteller gehaltenen Hundes festgestellt. Denn dieser hat unstreitig das Privatgrundstück, auf dem er sich lediglich besuchsweise aufhielt, verlassen, einen im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen, dort ausgeführten Jack-Russell Terrier gebissen und ihm nicht nur ganz geringfügige, sondern Verletzungen am Kopf zugefügt, die eine tierärztliche Versorgung (durch Klammern) zur Folge hatten und sich damit als gefährlich erwiesen (vgl. ergänzend etwa Stabno, a. a. O., S. 15). Einer der beiden genannten Ausnahmefälle ist nicht gegeben. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass der Hund des Antragstellers sich eindeutig artgerecht gegen einen Angriff des Jack-Russel Terriers gewehrt hat. Dagegen spricht vielmehr bereits die Tatsache, dass er das Privatgrundstück verlassen und auf den Terrier zugelaufen ist.“

Gemessen daran ist der Hund ... gefährlich im Sinne des Gesetzes und hat der Antragsgegner dies zu Recht festgestellt. Der vorliegende Fall ist entsprechend gelagert, jedenfalls soweit das zuvor Zitierte auf den Umstand zu übertragen ist, dass hier am 6. Juni 2011 - sogar - ein Mensch gebissen wurde. Das Regelbeispiel gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Fall NHundG ist verwirklicht. Der Vorfall vom 6. Juni 2012 ist auch nach Überzeugung der Kammer schwerwiegend genug. Der Hund des Antragstellers hat damit bereits gesteigerte Aggressivität im Sinne des Gesetzes gezeigt. Die weiteren, zusätzlich noch nach Kenntnisnahme vom Beißvorfall durchgeführten Ermittlungen des Amtsveterinärs des Antragsgegners haben dies auch unter Berücksichtigung des vom Antragsteller veranlassten Wesenstests der THH bestätigt.

Dies Alles rechtfertigt die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ..., ohne dass es noch auf die von Zeugen bekundeten weiteren Vorfälle ankäme und ohne dass auf Rechtsfolgenseite noch Erwägungen vorstehend zitierter Art anzustellen wären, die etwa ein Abweichen von dieser Feststellung zulassen könnten.

Der Antragsteller vermag demgegenüber mit seinem Vorbringen insgesamt nicht durchzudringen.

Allerdings vordergründig nicht völlig zu Unrecht stellt er auf die Zeitabläufe ab und meint sinngemäß, dass der einschlägige Beißvorfall vom 6. Juni 2011 nicht Anlass sein könne, jetzt (noch) vom Antragsteller Maßnahmen zu verlangen. Wesentlich sei insoweit nämlich die Tatsache, dass das zwischenzeitliche „Wohlverhalten“ des Hundes (über ein Jahr) keine Berücksichtigung gefunden habe. Dem aber haben die Prüfer der THH sowie der Amtsveterinär Rechnung getragen. In beiden Fällen haben diese sachverständigen Personen Lebensalter und Entwicklung des Hundes ... berücksichtigt, wie sich aus den Unterlagen (Gutachten THH und Vermerke des Veterinärs, aaO.) entnehmen lässt. Sie gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der Aggressivität des Hundes, die dieser schon bei Annährung und besonders bei Berührung an bestimmten Stellen seines Körpers zeigt, nicht um ein ggf. noch als artgerecht zu betrachtendes Verhalten und auch nicht mehr um Welpenverhalten handelt. Vielmehr unterstellen sie aus Sachkunde, dass hier eine Störung anderer Art vorliegen muss. Damit zugleich verbinden sie auch sinngemäß die Aufforderung, diese Verhaltensauffälligkeit aufzuarbeiten („auszuarbeiten“). Wenn nunmehr der Antragsteller aber behaupten wollte, was er aber nicht substantiiert tut, dass dieses Verhalten bei dem Tier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheids nicht (mehr) feststellbar sein sollte, so würde dieses als schlichter Vortrag allein gegenüber den sachkundigen Äußerungen der Prüfer und des Amtsveterinärs nicht durchgreifen können. Außerdem versäumt es dann der Antragsteller, insoweit Gutachten/Stellungnahmen weiterer sachkundiger Personen jedenfalls im gerichtlichen Verfahren vorzulegen, die die zuvor zitierten Grundannahmen erschüttern könnten.

Das NHundG differenziert zudem nicht, ob ein bestimmter Beißvorfall im öffentlichen Raum oder in privater Sphäre stattfand, worauf aber der Antragsteller abheben will. Für die Feststellung der Gefährlichkeit kommt es entgegen seiner Auffassung nicht darauf an, dass K. auf dem Grundstück der Familie des Antragstellers, wo sie sich besuchsweise aufhielt, von ... gebissen wurde. Entscheidend ist das Vorliegen der gesteigerten Aggressivität, nicht der Ort des Beißvorfalls, zumal es um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit im gefahrenabwehrrechtlichen Sinne geht.

Schließlich wendet sich die Kammer in diesem Zusammenhang mit der Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ... gegen den Versuch des Antragstellers, den Beißvorfall vom 6. Juni 2011 im gerichtlichen Verfahren zu bagatellisieren, indem er ausführt (Klageschrift S. 4, Bl. 12 der Gerichtsakte:), dass „der … Vorfall … tatsächlich nicht zu einer nennenswerten Verletzung des Nachbarkindes geführt“ habe. Insoweit verweist die Kammer auf die im Verwaltungsvorgang enthaltene Fotodokumentation der Verletzungen des Kindes (aaO.).

Die Auflagen Nrn. 1 und 2, die der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 NHundG verfügt hat, begegnen hier im vorläufigen Verfahren keinen erheblichen zugunsten des Antragstellers durchgreifenden Bedenken und dürften sich auch wahrscheinlich wohl voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Sie heben ersichtlich auf den Umstand ab, dass der Beißvorfall vom 6. Juni 2011 auf dem Grundstück während des dortigen Besuchs des Nachbarkindes stattfand (insb. Nr. 1), und suchen die Möglichkeit eines erneuten Vorfalls auf dem Grundstück des Antragstellers in angemessener Art und Weise zu verhindern und damit das Besorgnispotential zu verringern, ohne - wie der Antragsteller zu Unrecht meint - zuviel zuzumuten. Einen Verstoß gegen das Übermaßverbot vermag die Kammer jedenfalls nicht zu erkennen. Dabei berücksichtigt der Bescheid die sachkundigen Hinweise der Prüfer und des Amtsveterinärs, dass die vorhandene Verhaltensstörung des Hundes ... "auszuarbeiten" sei, was im Übrigen der Antragsteller durch entsprechende Schulung offenbar bereits ins Werk gesetzt hat (Nr. 2). Der Antragsgegner hat sich dabei mit den Umständen des Einzelfalls und auch den Interessen des Antragstellers befasst und diese in seine Abwägung einbezogen, wie sich aus der insoweit ausführlichen Darstellung auf Seiten 2 und 3 des angegriffenen Bescheids ergibt, auch wenn er nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich hinsichtlich dieser Auflagen um eine Ermessensbetätigung gehandelt hat. Zudem hat er seine diesbezüglichen Gründe mit Antragserwiderung vom 27. September 2012 (Bl. 58 ff. Gerichtsakte) im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO noch zwar kurz, doch sachgerecht ergänzt. Schließlich hat der angegriffene Bescheid (ganz am Ende) diese Auflagen ausdrücklich als nur vorläufig gekennzeichnet und erklärt, dass diese „nach Vorlage sämtlicher Unterlagen, welche zur Erteilung der Erlaubnis notwendig sind, … entsprechend abgeändert“ würden, so dass der Antragsteller es aktuell selber in der Hand hat, nach den von ihm offenbar bereits begonnenen Maßnahmen z.B. einen Nachweis eines entsprechend ausgebildeten Tierarztes über den Erfolg der Ausarbeitung der Verhaltungsauffälligkeit des Hundes ... vorzulegen, wobei alles Weitere allerdings nicht im vorliegenden gerichtlichen Verfahren, sondern behördlicherseits im laufenden Erlaubnisverfahren zu klären ist.

Bedenken könnten allerdings bestehen, ob § 10 Abs. 4 NHundG tatsächlich die zutreffende Rechtsgrundlage für die verfügten Auflagen Nrn. 1 und 2 ist, wofür hier Überwiegendes spricht, obwohl ab Feststellung der Gefährlichkeit bis zur Erteilung oder Versagung der Erlaubnis in § 9 NHundG und für das erlaubte Führen gefährlicher Hunde in § 14 NHundG Regelungen entsprechender Art vorgesehen sind, die sich aber jeweils auf das Führen des Hundes außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke beziehen, während es hier gestützt auf § 10 Absatz 4 NHundG um den Bereich auch innerhalb des Grundstücks geht. Insoweit wäre ggf. auch an § 17 Abs. 4 Satz 1 NHundG zu denken. Derzeit spricht mit für das vorläufige Verfahren allerdings hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls Überwiegendes für die Richtigkeit der Annahme, dass § 10 Abs. 4 NHundG für beide Auflagen zutreffende Rechtsgrundlage sein dürfte. Die abschließende Beurteilung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Zwangsgeldandrohungen spricht der angegriffene Bescheid im Übrigen entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht aus. Vielmehr sind Hinweise auf Bußgeldbewehrungen nach dem Recht der Ordnungswidrigkeiten enthalten. Dies ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.

Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./. 8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.). Der aktuelle Entwurf eines Streitwertkataloges 2012 („Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05. / 01.06.2012 in Leipzig beschlossenen Änderungen“, Vnb) ändert diesen Wert nicht ab. Mithin ergibt sich ein Wert von 5.000,- Euro für das Hauptsacheverfahren. Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf 2.500,- Euro zu halbieren.