Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.09.1993, Az.: 18 L 1086/92
Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Einstellung von Sparkassen-Abteilungsleitern als Angestellte; Gleichstellung von Abteilungsleiter und kommunalem Amtsleiter
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.09.1993
- Aktenzeichen
- 18 L 1086/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 18657
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0915.18L1086.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 16.12.1991 - AZ: PL A 4/90
Rechtsgrundlagen
- § 79 Abs. 1 NPersVG
- § 104 Nr. 2 u. 3 NPersVG
- § 102 Nr. 10 NPersVG
- § 78 NPersVG
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung bei der Einstellung eines Abteilungsleiters
Redaktioneller Leitsatz
Den Personalräten niedersächsischer (Kreis-)Sparkassen steht bei der Einstellung von Sparkassen-Abteilungsleitern als Angestellte kein Mitbestimmungsrecht zu.
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
- Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat auf die mündliche Anhörung vom 15. September 1993
durch
den Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer als Vorsitzenden,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen und
die Richterin am Verwaltungsgericht Preßler sowie
die ehrenamtlichen Richter Rolinski und Teich
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 16. Dezember 1991 geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage der Mitbestimmung bei der Einstellung von Sparkassen-Abteilungsleitern als Angestellte.
Die Kreissparkasse ... stellte am 1. Januar 1990 Herrn H. als Leiter der Abteilung "S-Datenservice" ein (Vergütungsgruppe BAT III), und zwar ohne Beteiligung des Personalrates (§ 104 Abs. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG), weil sie - entsprechend der seit 1985 geübten Praxis - davon ausging, daß ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 102 Nr. 10 und § 79 Abs. 1 NPersVG ausgeschlossen sei.
Der Personalrat, der diese Ansicht nicht (mehr) teilen wollte, hat deshalb am 5. März 1990 die Fachkammer angerufen mit dem Begehren festzustellen, daß ihm ein Mitbestimmungsrecht zugestanden habe. Dabei hat der Antragsteller die Ansicht vertreten, der Ausschluß der Mitbestimmung im kommunalen Bereich sei nach § 102 Nr. 10 NPersVG nur auf Bedienstete im Sinne von § 79 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 NPersVG zu beziehen. Insofern müsse es sich um Bedienstete handeln in vergleichbarer "sehr hochrangiger Position mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen". Das seien bei der Kreissparkasse ... nur die (16) Direktoren und (3) Vorstandsmitglieder. Demgegenüber seien Abteilungsleiter, insbesondere der Abteilungsleiter H., bereits von der Bezahlung her und von dem Verantwortungsrahmen her "derart niedrig angesiedelt", daß sie § 104 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG nicht unterfielen und damit auch nicht einem Dezernenten, Amtsleiter oder sonstigen Bediensteten in vergleichbarer Funktion vergleichbar seien. Sparkassen-Abteilungsleiter bildeten die dritte Führungsebene, während in § 102 Nr. 10 NPersVG mit den Dezernenten oder Amtsleitern die zweite Führungsebene gemeint sei.
Demgegenüber hat der Beteiligte seine Rechtsauffassung verteidigt, wonach seit dem Änderungsgesetz vom 10. Mai 1985 (GVBl S. 103) die Einstellung von Abteilungsleitern, wovon es (1990) 41 gebe, nicht mehr mitbestimmungspflichtig sei. Die Erweiterung der Anwendung von § 79 Abs. 1 NPersVG im kommunalen Bereich knüpfe - anders als § 79 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG, wo auf die Besoldung abgestellt sei - allein an die Bedeutung der betreffenden Stelle für die Verwaltung, an ihre Funktion an. Der Ausschluß der Mitbestimmung bei Dezernenten und Amtsleitern greife deshalb unabhängig davon ein, ob die sonstigen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Sparkassen-Abteilungsleiter sei vergleichbar mit einem kommunalen Amtsleiter. Beide befänden sich auf der jeweils dritten Leitungsebene.
Die Fachkammer hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1991 festgestellt, daß dem Antragsteller bei der Einstellung des H. ein Mitbestimmungsrecht zugestanden habe: Ein Ausschluß nach §§ 104, 102, 79 NPersVG sei nicht gegeben, weil die Funktion des Abteilungsleiters H. der eines kommunalen Amtsleiters nicht gleichzustellen sei. Denn der Amtsleiter gehöre zur zweiten Leitungsebene, wobei die erste durch die Dezernenten gebildet werde, zu denen auch der Hauptverwaltungsbeamte zu zählen sei.
Gegen diesen, ihm am 15. Januar 1992 zugestellten Beschluß richtet sich die am 14. Februar 1992 eingelegte Beschwerde des Beteiligten, die er - nach Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat - am 9. April 1992 begründet hat. Er weist darauf hin, daß seit 1985 sechs Abteilungsleiter eingestellt worden seien, ohne daß der Antragsteller dies beanstandet habe; dadurch habe er seine Antragsbefugnis verwirkt. Im übrigen wendet der Beteiligte sich gegen die von der Fachkammer getroffene Einordnung von kommunalen Amtsleitern in die zweite Leitungsebene. Sie habe den Hauptverwaltungsbeamten zu Unrecht nicht als eigene (und erste) Leitungsebene angesehen. Der Gemeindedirektor sei für die gesamte Gemeindeverwaltung verantwortlich und Vorgesetzter aller Bediensteter, auch der Dezernenten. Die Ansiedlung der Amtsleiter auf der dritten Leitungsebene, der auch der Sparkassen-Abteilungsleiter angehöre, entspreche auch dem Verständnis des Gesetzgebers.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beantragt,
sie zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Die Fachkammer hat zu Unrecht festgestellt, daß dem Antragsteller bei der Einstellung des Abteilungsleiters H. ein Mitbestimmungsrecht zugestanden habe. Das war vielmehr nicht der Fall.
Das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz bestimmt in § 104 Abs. 1 Nr. 1, daß u. a. für Sparkassen die Vorschriften seines Ersten Teiles, d. h. die allgemeinen Vorschriften der §§ 1 bis 85 NPersVG, (mit zwei Maßgaben) anzuwenden sind. In § 104 Nr. 2 und 3 NPersVG werden ergänzend einzelne Vorschriften aus dem Zweiten Teil herangezogen. So wird u. a. bestimmt (Nr. 2), daß § 102 Nr. 10 sinngemäß gilt. Diese Vorschrift erklärt - in bezug auf kommunale Bedienstete - die Regelung des § 79 Abs. 1 NPersVG für anwendbar auch bei Dezernenten und Amtsleitern (sowie Bediensteten in einer diesen beiden vergleichbaren Funktion), wobei die Anwendbarkeit des § 79 Abs. 1 NPersVG bedeutet, daß in den Fällen des § 78 NPersVG eine Mitbestimmung nicht stattfindet. Entgegen der Ansicht des Antragsteilers ist eine andere Auslegung des § 102 Nr. 10 NPersVG nicht möglich; denn es wird nicht auf einzelne Nummern des § 79 Abs. 1 NPersVG verwiesen, sondern auf den ersten Absatz des § 79 NPersVG insgesamt und damit die Nicht-Geltung des § 78 NPersVG für den (in § 102 Nr. 10 NPersVG) genannten Personenkreis begründet. Nach dieser Gesetzeslage war die Einstellung (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 NPersVG) des H. als Abteilungsleiter bei der Kreissparkasse ... nicht mitbestimmungspflichtig, weil dieser - entgegen der Ansicht der Fachkammer - als Abteilungsleiter einem kommunalen Amtsleiter gleichzustellen ist.
Nach der durch das Änderungsgesetz vom 10. Mai 1985 (GVBl S. 103) eingefügten Nr. 10 des § 102 NPersVG, die hier sinngemäß anzuwenden ist, entfällt das Mitbestimmungsrecht in Personalangelegenheiten generell bei Dezernenten und Amtsleitern (im kommunalen Bereich), und zwar ohne Rücksicht auf ihren Status und ihre Besoldung, worauf in § 79 Abs. 1 Nr. 2 und 5 NPersVG abgestellt wird. Denn der Gesetzgeber hat, wie sich aus der amtlichen Begründung (zu Art. I Nr. 27 lit. d des Regierungsentwurfs) ergibt (LT-Drucks. 10/3200 S. 22), insoweit allein auf die Funktion des Amtsträgers abgestellt, da "wegen der unterschiedlichen Größe kommunaler Körperschaften und ihrer Verwaltungen und wegen der damit verbundenen unterschiedlichen besoldungsrechtlichen Einstufung ihrer Amtsträger" die Regelung des § 79 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG "nicht immer den dort gegebenen Verhältnissen gerecht" werde. Weiter hat er es als "angemessen" bezeichnet, "die Amtsleiter, die in den Kommunen die den Wahlbeamten unmittelbar nachgeordnete Leitungsebene darstellen, von der Mitbestimmung generell auszunehmen, also auch dann, wenn sie nicht bereits eine der Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 erfüllen". Der "Dezernent" ist, obwohl es sich - regelmäßig - um Beamte auf Zeit (§ 81 NGO, § 62 NLO) handele, die schon dem § 79 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG unterfielen, (nur) deswegen aufgeführt worden, weil es auch Dezernenten als Laufbahnbeamte gebe (aaO). Hieraus ist ersichtlich, daß in § 102 Nr. 10 NPersVG mit den "Dezernenten" und "Amtsleitern" zwei Leitungsebenen bedacht worden sind. Entgegen der Ansicht der Fachkammer gibt es im kommunalen Bereich indessen noch eine weitere - höhere - Leitungsebene, nämlich die des Hauptverwaltungsbeamten. Dieser spielte im Rahmen der 1985 getroffenen Änderung des NPersVG keine Rolle, weil er - als Dienststellenleiter (§ 8 Abs. 1 Satz 1 NPersVG) - bereits von § 79 Abs. 1 Nr. 1 NPersVG erfaßt wird. Im Rahmen der Begründung (zu Art. I Nr. 27 lit. a des Regierungsentwurfs) der Neuregelung (Erweiterung) des Personenkreises, der im kommunalen Bereich den Dienststellenleiter künftig vertreten darf (§ 102 Nr. 1 NPersVG), werden indessen auch Ausführungen gemacht (aaO S. 21), die es rechtfertigen, ihn (auch) personalvertretungsrechtlich als eigene und damit die "erste Leitungsebene" anzusehen. Denn die nunmehr im kommunalen Bereich als vertretungsberechtigt i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 NPersVG bezeichneten (Personal-)Dezernenten und Amtsleiter werden (für Personalangelegenheiten zuständige) Funktionsträger der ersten und zweiten Leitungsebene unterhalb des Dienststellenleiters (und seines ständigen Vertreters) genannt. Danach ergeben sich - mit den Hauptverwaltungsbeamten - im kommunalen Bereich drei Leitungsebenen, bei denen der Amtsleiter die (von oben gesehen) dritte Leitungsebene darstellt.
Daraus folgt für den Bereich der Sparkassen, für den § 102 Nr. 10 NPersVG sinngemäß gelten soll (§ 104 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG), daß im Ergebnis ebenfalls die Bediensteten von drei Leitungsebenen von dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats ausgeschlossen bleiben sollen, d. h. neben dem Dienststellenleiter (Sparkassenvorstand) die beiden diesem nachgeordneten Leitungsebenen, also die Direktoren und die Abteilungsleiter. Da es bei der Kreissparkasse ... nur diese drei Leitungsebenen gibt, muß der Abteilungsleiter der dritten Leitungsebene zugeordnet, mithin einem kommunalen Amtsleiter gleichgestellt werden. Auf die Bedeutung der Abteilung kommt es dabei ebensowenig an wie auf die Bedeutung des Amtes, dem ein kommunaler Amtsleiter vorsteht. Daraus folgt, daß hinsichtlich des neu als Abteilungsleiter einzustellenden Herrn H. eine Mitbestimmung des Antragstellers nicht gegeben war. Auf die Beschwerde des Beteiligten ist der angefochtene Beschluß deshalb zu ändern; der Antrag des Antragstellers ist abzulehnen.
Für eine Kostenentscheidung ist kein Raum (§ 85 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 12 Abs. 5 ArbGG).
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 85 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Preßler,
Dr. Uffhausen,
Teich,
Rolinski