Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.09.1993, Az.: 18 L 995/92
Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Übertragung höherwertiger Dienstposten; Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach Erledigung der dem Streit zugrundeliegenden Vorgänge; Verwaltungsinterne Höherbewertung; Fehlende Verbindung mit einer festen höher bewerteten Planstelle
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.09.1993
- Aktenzeichen
- 18 L 995/92
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 18658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0915.18L995.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 16.12.1991 - AZ: PL A 10/90
Rechtsgrundlage
- § 78 Abs. 1 Nr. 3 NdsPersVG
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung bei der Übertragung höherwertiger Dienstposten
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach eingetretener Erledigung der den Streit um Mitbestimmungsrechte des Personalrats auslösenden Vorgänge kann die aufgetretene Streitfrage in Form einer allgemeinen Feststellung zur gerichtlichen Klärung gestellt werden, wenn sich die Vorgänge erfahrungsgemäß wiederholen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Vorgänge zu erwarten sind, in denen sich die gleiche Rechtsfrage wiederum stellen wird.
- 2.
Der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz für das Land Niedersachsen (Nds.PersVG) -Übertragung eines Dienstpostens, der einem anderen Amt mit höherem Endgrundgehalt zugeordnet ist- ist nicht gegeben, wenn dem Beamten nur ein verwaltungsintern höher bewerteter Dienstposten übertragen wird, der nicht mit einer festen höher bewerteten Planstelle verbunden ist.
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
- Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat auf die mündliche Anhörung vom 15. September 1993
durch
den Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer als Vorsitzenden,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen,
die Richterin am Verwaltungsgericht Preßler sowie
die ehrenamtlichen Richter Teich und Rolinski
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 16. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der Personalrat des ..., und der beteiligte Präsident des ... streiten über den Umfang der Mitbestimmung nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG bei der Übertragung höherwertiger Dienstposten.
Im Juni 1989 übertrug der Beteiligte dem Regierungsamtsrat N. ohne Zustimmung der Personalvertretung den Dienstposten des Dezernenten im Dezernat. ..., dem haushaltsrechtlich derzeit eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO zugeordnet war, der aber gemäß der internen Dienstpostenbewertung des Beteiligten mit der Besoldungsgruppe A 13 BBesO bewertet war. Die gleiche Konstellation lag hinsichtlich des Dienstpostens des Dezernenten des Dezernats ... vor, mit dessen kommissarischer Leitung der Beteiligte mit Verfügung vom 3. Juli 1989 den Regierungsamtsrat K. beauftragte. In beiden Fällen vertrat der Beteiligte die Auffassung, ein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG greife nicht durch, weil die übertragenen Dienstposten keinem anderen Amt mit höherem Endgrundgehalt zugeordnet gewesen seien. Er erklärte sich lediglich - unbeschadet seiner Rechtsauffassung - in einer Besprechung am 7. März 1990 bereit, den Antragsteller vor der Besetzung höherwertiger Stellen im Falle einer beabsichtigten Beförderung/Höhergruppierung zu beteiligen.
Am 21. Mai 1990 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren mit dem Antrag eingeleitet, festzustellen, daß ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG auch dann zustehe, wenn einem Beamten ein Dienstposten übertragen werden solle, der nach der internen Dienstpostenbewertung mit einer Besoldungsgruppe mit höherem Endgrundgehalt bewertet sei als das diesem Dienstposten zugeordnete Amt. Er hat geltend gemacht, Sinn des Mitbestimmungstatbestandes sei die frühzeitige Beteiligung der Personalvertretung an Entscheidungen, die als Weichenstellung bzw. Vorentscheidung für eine Beförderung oder beförderungsgleiche bzw. -ähnliche Maßnahme anzusehen seien. Eine wirksame Mitwirkung bei solchen Entscheidungen sei auch nicht mehr gewährleistet, wenn intern höher bewertete Dienstposten ohne Beteiligung des Personalrats vergeben werden könnten.
Der Beteiligte ist dem Antrag entgegengetreten. Er hat darauf hingewiesen, die den Anlaß des Streits bildenden Personalmaßnahmen hätten sich inzwischen durch das Ausscheiden des Beamten N. aus der Behörde bzw. dadurch erledigt, daß der Beamte K. erklärt habe, die kommissarische Leitung des Dezernats ... nicht mehr länger wahrnehmen zu wollen. Im Hinblick darauf beständen Zweifel an der Zulässigkeit des Feststellungsantrags. Jedenfalls sei der Antrag aber aus den von ihm - dem Beteiligten - gegenüber dem Antragsteller dargelegten Gründen unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 16. Dezember 1991 abgelehnt, im wesentlichen mit folgender Begründung: Bereits die Zulässigkeit des Feststellungsantrags sei zweifelhaft, weil er auf eine allgemeine gerichtliche Klärung für künftige Fälle ziele, wofür nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschluß vom 26.8.1991 - 18 L 8/90 -) nur ausnahmsweise ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse anerkannt werden könne. Seine Zulässigkeit unterstellt, müsse der Antrag zumindest in der Sache ohne Erfolg bleiben. Die nicht nur vorübergehende Übertragung eines Dienstpostens, der zwar höher bewertet, aber keinem anderen Amt mit höherem Endgrundgehalt zugeordnet sei, unterfalle nicht der Mitbestimmung nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG. Mit einer solchen Übertragung werde insbesondere nicht eine Auswahlentscheidung im Rahmen einer etwaigen späteren Beförderung oder einer beförderungsähnlichen Maßnahme determiniert. Denn im Zeitpunkt der Dienstpostenübertragung sei typischerweise völlig offen, ob überhaupt jemals eine Planstelle, die der Dienstpostenbewertung entspreche, zur Verfügung stehen werde. Die Bewährung auf einem intern höher bewerteten Dienstposten bedeute außerdem nicht zwangsläufig einen nicht auszugleichenden Vorteil für den Dienstposteninhaber, wenn er sich mit anderen Bewerbern um eine Beförderungsstelle bewerbe. Denn die dann zu treffende Auswahlentscheidung hänge nicht in erster Linie von einer Bewährung auf einem höher bewerteten Dienstposten, sondern davon ab, welcher der konkurrierenden Beamten nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung den Anforderungen des konkret zu besetzenden Amtes am ehesten entspreche.
Gegen den ihm am 17. Januar 1992 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 12. Februar 1992 Beschwerde eingelegt, die er am 11. März 1992 begründet hat. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die gegen seinen Antrag vom Verwaltungsgericht vorgebrachten Zulässigkeitsbedenken überzeugten nicht. Die streitige Problematik sei inzwischen in weiteren Fällen aufgetreten. So habe der Beteiligte den damaligen Regierungsamtmann Th. mit Verfügung vom 23. Januar 1990 zunächst die - damals nur amtsintern nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewertete - Sachgebietsleitung im stationären Bereich im Dezernat ... ohne Beteiligung der Personalvertretung übertragen; nach Verfügbarkeit einer entsprechenden freien Planstelle sei Herr Th. im Dezember 1992 - nach Ersetzung der Zustimmung der Personalvertretung durch Beschluß der Einigungsstelle im Geschäftsbereich des Nds. ... vom 17. Dezember 1992 - tatsächlich zum Regierungsamtsrat befördert worden; die Einigungsstelle habe - was besondere Betonung verdiene - übrigens ausdrücklich hervorgehoben, der Beteiligte habe rechtswidrig gehandelt, als er dem Beamten ohne Beteiligung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG die Sachgebietsleitung übertragen habe. Eine vergleichbare Problemstellung im Dezernat ... habe ihm - dem Antragsteller - außerdem Anlaß gegeben, mit Schreiben vom 8. September 1993 in Weiterverfolgung eines Initiativantrages beim Nds. ... die Einleitung des Nichteinigungsverfahrens zu beantragen. - Was die Sache selbst angehe, sehe er seinen - des Antragstellers - Standpunkt durch den Regierungsentwurf zur Novellierung des Nds. PersVG vom 12. Januar 1993 (LT-Drucks. 12/4370) bestätigt; dieser enthalte in § 64 Abs. 1 Nr. 5 eine § 78 Abs. 1 Nr. 3 der geltenden Fassung wortgleiche Mitbestimmungsregelung; in der Entwurfsbegründung (LT-Drucks. a.a.O., S. 147) heiße es, daß es für die Mitbestimmung allein auf die Bewertung des Dienstpostens, nicht aber auch auf die Bereitstellung einer entsprechenden Planstelle ankomme. Zu berücksichtigen sei letztlich, daß es im Rahmen der Landesverwaltung schon bisher üblich gewesen sei, in den hier streitigen Fallgestaltungen ein Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt mit weiterführenden Argumenten die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Feststellungsantrag des Antragstellers im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Die gegen die Zulässigkeit des Antrags vom der Fachkammer erhobenen Bedenken teilt der Senat allerdings nicht. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschlüsse vom 10.1.1991 - BVerwG 6 P 14.88 - DVBl. 1991, 707 = PersR 1991 137 und vom 2.6.1992 - BVerwG 6 P 14.90 - PersR 1992, 359) und auch des Senats (vgl. aus jüngerer Zeit z. B. Beschluß vom 4.11.1992 - 18 L 8485/91 -), daß nach - wie hier - eingetretener Erledigung der den Mitbestimmungsstreit auslösenden Vorgänge die aufgetretene Streitfrage in Form einer allgemeinen Feststellung zur gerichtlichen Klärung gestellt werden kann, wenn sich die Vorgänge erfahrungsgemäß wiederholen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächliche Vorgänge zu erwarten sind, in denen sich die gleiche Rechtsfrage wiederum stellen wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie der Antragsteller durch die Bezeichnung neu auf getretener, vergleichbarer Streitfälle dargetan hat. Unter solchen Umständen verneint auch nicht etwa der vom Verwaltungsgericht herangezogene Senatsbeschluß vom 26.8.1991 - 18 L 8/90 - ein Rechtsschutzinteresse für einen die aufgetretene Streitfrage in allgemeiner Form aufgreifenden Feststellungsantrag.
In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, entschieden, daß der vom Antragsteller geltend gemachte Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG (Übertragung eines Dienstpostens, der einem anderen Amt mit höherem Endgrundgehalt zugeordnet ist) nicht gegeben ist, wenn dem Beamten nur ein verwaltungsintern höher bewerteter Dienstposten übertragen wird, der nicht mit einer festen höher bewerteten Planstelle verbunden ist. Das folgt bereits aus dem eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut der Regelung und entspricht der einhelligen Auffassung zu vergleichbaren Mitbestimmungsvorschriften (vgl. BVerwG, Beschluß vom 26.11.1979 - BVerwG 6 P 6.79 - PersV 1981, 286, 287 = ZBR 1980, 323 [BVerwG 26.11.1979 - BVerwG 6 P 6.79]; OVG NW. Beschlüsse vom 22.8.1983 - CB 19/82 - PersV 1984, 466 = ZBR 1984, 215 und vom 30.8.1985 - 1 B 319/85 - ZBR 1986, 54, 55 [BVerwG 18.09.1985 - BVerwG 2 C 30.84]; Dembowski/Ladwig/Sellmann, Nds. PersVG, RdNr. 21 zu § 78; Spohn/Bieler/Müller-Fritzsche, Nds. PersVG, 5. Aufl., RdNrn. 16 f. zu § 78; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, in: GKöD, RdNrn. 15, 16 a zu § 76 BPersVG; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, RdNr. 38 zu § 76; vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 12.3.1990 - BVerwG 6 P 32.87 - PersR 1990, 135, 136). Hierfür ist insbesondere auch anzuführen, daß die interne Bewertung und Umbewertung von Beamtendienstposten eine entsprechende Änderung der besoldungsrechtlichen Einstufung des Dienstposteninhabers noch nicht vorbereitet, weil sie keine Außenwirkung hat und völlig objektiviert, d. h. nicht personen-, sondern funktionsbezogen ist; mit Blick hierauf löst z. B. - wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt hat - die interne Umbewertung von Beamtendienstposten ebenfalls kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus (vgl. Beschluß vom 30.10.1979 - BVerwG 6 P 61.78 - PersV 1981, 244 [BVerwG 30.10.1979 - BVerwG 6 P 61.78] für § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG). Die Erwägung des Antragstellers, bei Dienstpostenübertragungen der streitigen Art. erwerbe der ausgewählte Beamte durch die Möglichkeit der Bewährung auf dem höherwertigen Posten einen entscheidenden Vorteil gegenüber Mitbewerbern bei einer späteren Beförderungsentscheidung, ist rechtspolitischer Natur (und im übrigen auch nicht zwingend, wie der Fall des Beamten Th. zeigt, in dem die Einigungsstelle erst nach Ausscheiden einer nach ihrer Ansicht besser qualifizierten Mitbewerberin die Zustimmung zur Beförderung ersetzt hat). Denn der Landesgesetzgeber hat derartige, sicher nicht auszuschließende Präjudizien jedenfalls bislang nicht zum Anlaß genommen, bereits die Übertragung nur intern höher bewerteter Stellen der Mitbestimmung nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Nds. PersVG zu unterstellen. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angeführte Begründung zu § 64 Abs. 1 Nr. 5 des Entwurfs des Landesministeriums vom 12, Januar 1993 zur Novellierung des Nds. PersVG (LT-Drucks. 12/4370, S. 147), die übrigens in sich schwerlich überzeugt, gibt für die geltende Rechtslage nichts her. Ebensowenig kommt es für die hier zu treffende Entscheidung darauf an, ob in anderen Bereichen der Landesverwaltung - ohne rechtliche Verpflichtung - in Fällen der vorliegenden Art. die Personalvertretung beteiligt wird.
Nach alledem ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Dr. Uffhausen,
Preßler,
Teich,
Rolinski