Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.09.2004, Az.: 2 A 197/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 01.09.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 197/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 43173
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2004:0901.2A197.03.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 1. September 2004 durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Prilop, die Richter am Verwaltungsgericht Rühling und Dr. Wenderoth sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Unckenbold und Stratmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18 539,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 5. Juli 2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 19 000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18 673,74 EUR festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten, die er im Zeitraum vom 24. April 1997 bis 18. April 1999 für Hilfe zum Lebensunterhalt an die 1968 geborene C.D. (nachfolgend: Hilfeempfängerin) und ihre beiden Kinder E. (geb. 1987) und F.D. (geb. 1989) aufgewandt hatte.
Die Hilfeempfängerin und ihre Kinder waren am 18./19. April 1997 aus der Stadt B., die in Sozialhilfeangelegenheiten namens und im Auftrag des Beklagten handelt, in die Stadt A. gezogen, von der sie ab dem 24. April 1997 namens und im Auftrag des Klägers laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhielten. Zunächst wohnten sie mietfrei im Haushalt ihrer Mutter bzw. Großmutter, Frau G.H.. Am 1. Januar 1998 mietete die Hilfeempfängerin eine eigene Wohnung an, in die Ende des Jahres 1998 /Anfang des Jahres 1999 ihr damaliger Lebensgefährte, Herr I.J., einzog und deshalb zum 1. Januar 1999 in die Sozialhilfeberechnung aufgenommen wurde. Ende Oktober / Anfang November 1999 zog Herr J. aus dieser Wohnung wieder aus.
Nachdem die Stadt B. bereits unter dem 12. Mai 1997 eine Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach - soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht - anerkannt hatte, bezifferte die Stadt A. mit Schreiben vom 7. Dezember 2001 ihren Erstattungsanspruch mit 36 522, 66 DM. Diesem Schreiben waren eine Gesamtaufstellung, eine Aufstellung über die monatlichen Einzelberechnungen sowie eine Aufstellung der geleisteten Beihilfen mit Bescheiddatum beigefügt. Die Stadt B. verzichtete unter dem 19. Dezember 2001 auf die Einrede der Verjährung und bat mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 um Übersendung der Sozialhilfeakte, da sie erst nach Einsichtnahme in die Akten eine Entscheidung über die Höhe des Kostenerstattungsbegehrens werde treffen können.
Hierauf teilte die Stadt A. der Stadt B. mit, dass diese die Möglichkeit habe, ihr konkrete Fragen zu den übersandten Berechnungsbögen zu stellen; eine Übersendung der kompletten Sozialhilfeakte könne dagegen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen. Gleichzeitig gab die Stadt A. den Vorgang an den Kläger ab, der die Stadt B. daraufhin mit Schreiben vom 13. Februar 2002 und vom 13. März 2002 aufforderte, den geforderten Erstattungsbetrag i.H. von 36 522, 66 DM zu zahlen oder konkrete Zweifel durch das Stellen entsprechender Fragen auszuräumen. Am 10. April 2002 erwiderte die Stadt B., dass nur eine qualifizierte Einsichtnahme in die Leistungsakte erkennen lasse, ob der Interessenwahrungsgrundsatz aus § 111 Abs. 1 BSHG vollinhaltlich beachtet worden sei, und bestand auf der Übersendung der vollständigen Akte.
Nach weiterem erfolglosem Schriftverkehr hat der Kläger am 7. Mai 2003 Klage erhoben.
Er trägt vor: Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch stehe ihm aus § 107 Abs. 1 BSHG zu. Den sich aus § 111 Abs. 1 BSHG ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz habe er beachtet. Er habe eine Übersendung der kompletten Sozialhilfeakte verweigern dürfen, da der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger seiner Darlegungs- und Beweislast nämlich schon dann nachkomme, wenn er - wie hier - bereit sei, konkrete Fragen zu beantworten bzw. auszugsweise Kopien zu übersenden. Konkrete Fragen hätte die Stadt B. anhand der ihr übersandten Aufstellungen über die geleisteten Hilfen auch stellen können. Die generelle Weigerung, ohne Einsichtnahme in die Sozialhilfeakte Kosten zu erstatten, stelle überdies den Grundsatz des Vertrauens zwischen den einzelnen Sozialhilfeträgern in Frage. Zudem sei ausweislich der Niederschrift über die Tagung der Sozialamtsleiter im Regierungsbezirk Braunschweig am 8. November 1994 vereinbart worden, dass die gemäß § 107 BSHG abgebenden Träger der Sozialhilfe von einer Anforderung der Akten absehen. Schließlich dürften die Sozialhilfeakten vor dem Hintergrund des in § 69 SGB X postulierten Erforderlichkeitsgrundsatzes schon aus datenschutzrechtlichen Gründen immer nur dann vollständig übermittelt werden, wenn etwaige Zweifel nicht durch gezielte Fragen geklärt werden könnten. Dies sei auch die Auffassung des Datenschutzbeauftragten der KDS und des Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz.
Die Hilfe selbst sei seinerzeit rechtmäßig gewährt worden. Insbesondere habe die Hilfeempfängerin im Zeitraum vom Anlaufen der Sozialhilfezahlungen bis zur Anmietung einer eigenen Wohnung am 1. Januar 1998 keine Unterstützung seitens ihrer Mutter erfahren. Eine Unterhaltsüberprüfung ihrer Eltern habe stattgefunden. Infolge der Aufnahme des Lebenspartners der Hilfeempfängerin in die Sozialhilfeberechnung sei zum 1. Januar 1999 davon auszugehen, dass dieser auch zu diesem Zeitpunkt in die Wohnung eingezogen sei. Im übrigen habe sich der Hilfeanspruch durch den Einzug des Lebenspartners gerade verringert.
Nachdem der Kläger zunächst beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18 673, 74 EUR nebst 5 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
beantragt er nunmehr,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18 539,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Der Kläger habe den sich aus § 111 Abs. 1 BSHG ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz missachtet; er sei nämlich der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweispflicht mangels Übersendung der Sozialhilfeakte nicht ausreichend nachgekommen. Der erstattungspflichtige Leistungsträger müsse vom erstattungsberechtigten Träger in die Lage versetzt werden, die Tatsachen und Gründe, die ihn zu einer Entscheidung über die Hilfegewährung veranlasst hätten, sozialhilferechtlich nachzuvollziehen. Vorliegend handele es sich zudem um eine Kostenerstattung in beträchtlicher Höhe für einen komplexen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Sozialhilfefall. Es sei daher hier unmöglich, weiterführende Fragen zu stellen, weil etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung ohne Kenntnis des Sachverhalts gar nicht konkretisiert werden könnten. Im Übrigen hätte die Rechtsauffassung des Klägers zur Konsequenz, dass Erstattungsansprüche allein auf der Grundlage "bloßen Glaubens" abzuwickeln seien. Dies sei aber angesichts der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen unmöglich und auch rechtlich nicht vertretbar. Eine andere Beurteilung ergebe sich schließlich nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger erwähnten Vereinbarung im Rahmen der Tagung der Sozialamtsleiter im Regierungsbezirk Braunschweig vom 8. November 1994, die lediglich eine bloße "Absichtserklärung" ohne rechtliche Bindungswirkung darstelle.
Nachdem dem Beklagten am 5. Juli 2003 die der Kammer vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichte Sozialhilfeakte zur Einsicht bis zum 18. Juli 2003 zur Verfügung gestellt worden ist, trägt er weiter vor: Der Kläger habe die vorrangige Unterhaltsverpflichtung der Eltern der Hilfeempfängerin bzgl. des Vaters überhaupt nicht und bzgl. der Mutter nur unzureichend geprüft. Ferner sei der Lebenspartner der Hilfeempfängerin bei der Berechnung des Lebensunterhalts berücksichtigt worden, ohne dass dokumentiert worden sei, seit wann dieser im Haushalt der Hilfeempfängerin gelebt habe. Schließlich sei im Rahmen der Kostenerstattung zu beachten, dass die Hilfeempfängerin mit ihren Kindern vom Beginn der Hilfegewährung bis zum 31. Dezember 1997 im Haushalt der Mutter gelebt habe, so dass die Unterhaltsvermutung des § 16 BSHG eingreife.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Soweit der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 3. November 2003 in geringfügigem Umfang zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, zulässig (die Umstellung des Zinsanspruchs von 5 % Zinsen ab Rechtshängigkeit auf 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, stellt eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO mögliche Klageänderung dar) und bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung begründet.
I.
Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 107 Abs. 1 BSHG. Hiernach hat bei Umzug einer Person der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes dem nunmehr örtlich zuständigen Sozialhilfeträger die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne von § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Diese Verpflichtung endet gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel. Nach § 111 Abs. 1 BSHG sind die aufgewendeten Kosten allerdings nur insoweit zu erstatten, als die geleistete Hilfe den gesetzlichen Vorschriften entsprach, wobei die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe Geltung beanspruchen, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestanden. § 111 Abs. 1 BSHG nimmt also rechtswidrig gewährte Sozialhilfeleistungen von der Erstattungspflicht aus. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn unberechtigte Nachzahlungen erfolgt sind, der Einkommens- und Vermögenseinsatz nicht gefordert wurde, auf Überleitungsanzeigen oder Erstattungsansprüche verzichtet wurde oder soweit Leistungen freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Grundlage gewährt wurden (vgl. Urteil der Kammer vom 28. April 2004, 2 A 313/03 ).
Aus § 111 Abs. 1 BSHG ist zudem der sog. Interessenwahrungsgrundsatz abzuleiten. Dieser besagt, dass der die Hilfe gewährende Träger bei der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe und bei ihrer Durchführung die Interessen des kostenerstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers zu wahren hat (vgl. Oestreicher/ Schelter/ Kunz/ Decker, BSHG, § 111 Rn. 9 m.w.N.). Hieraus resultiert die Pflicht des zunächst leistenden Trägers, alle nach Lage des Einzelfalls zumutbaren und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. Januar 2002, Az.: 4 L 4201/00, FEVS 54, S. 171; Oestreicher/ Schelter/ Kunz/ Decker, BSHG, § 111 Rn. 9). Diese "Haftung" des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers für rechtswidriges Verhalten bringt es mit sich, dass er auch das Risiko der Unaufklärbarkeit eines Geschehensablaufs zu tragen hat - wenn also nicht feststellbar ist, wie sich der Hilfefall entwickelt hätte, wenn der Rechtsverstoß nicht erfolgt wäre (vgl. insoweit Mergler/Zink, BSHG, § 111 Rn. 10a). Denn zum einen stellt es bereits einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, dass derjenige, der einen Anspruch erhebt, auch die materielle Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt; zum anderen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Erstattungspflichtige regelmäßig keinen Einfluss auf das Verhalten des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers hat (vgl. Urteil der Kammer, a.a.O.).
Der Kläger hat hier allerdings nicht den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Soweit der Beklagte ihm die Nichtübersendung der Sozialhilfeakte vorwirft, steht dies dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus § 107 Abs. 1 BSHG jedenfalls im (allein maßgebenden) Zeitpunkt der Entscheidung über die Leistungsklage nicht mehr entgegen, weil dem Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 100 VwGO nun Einsicht in die komplette Leistungsakte gewährt wurde.
Der Einwand des Beklagten, der Kläger habe rechtswidrig Leistungen erbracht, weil die Unterhaltsvermutung hier von der Hilfeempfängerin nicht widerlegt worden sei, greift nicht durch. Eine entsprechende Erklärung der Hilfeempfängerin wurde nämlich vom Kläger mit Schreiben vom 5. November 2003 vorgelegt. Diese genügt den gesetzlichen Anforderungen: Lebt ein Hilfesuchender in Haushaltsgemeinschaft mit nicht bedürftigen Verwandten, so wird gemäß § 16 Satz 1 BSHG von Gesetzes wegen vermutet, dass er von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Die Vermutung kann aber widerlegt werden, wenn der Hilfesuchende glaubhaft erklärt, dass ihm keine Leistungen gewährt werden. Das ist hier geschehen. Angesichts des dokumentierten Einkommens und Vermögens der Frau G.H. hatte die Stadt A. im Übrigen keinen Anlass, an der Wahrheit des Erklärten zu zweifeln.
Ferner steht auch das Vorbringen des Beklagten, wonach der Kläger nicht dokumentiert habe, seit wann der Lebenspartner im Haushalt der Hilfeempfängerin gelebt habe, dem Anspruch aus § 107 Abs. 1 BSHG nicht entgegen. Denn für die Annahme, dass Herr J. noch nicht vor dem 1. Januar 1999 bei der Hilfeempfängerin gelebt hat, spricht insbesondere der (bei der Sozialhilfeakte befindliche, Bl. 123 Beiakte C) Änderungsbescheid des Arbeitsamtes B. vom 12. Januar 1999. Dieser war noch an die frühere Adresse von Herrn J. gerichtet, während erst der nachfolgende Bewilligungsbescheid vom 26. Juli 1999 (Bl. 136 Beiakte C) an die Anschrift der gemeinsamen Wohnung gesandt wurde. Im Übrigen hat sich - worauf der Kläger zu Recht hinweist - der Hilfeanspruch (und damit auch der Kostenanspruch des Klägers) durch den zum 1. Januar 1999 oder später erfolgten Einzug des Lebenspartners gerade verringert.
Schließlich greift auch der Einwand des Beklagten, wonach der Kläger die vorrangige Unterhaltsverpflichtung der Eltern der Hilfeempfängerin nur unzureichend geprüft habe, letztlich nicht durch. Der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger verletzt den Interessenwahrungsgrundsatz nur dann, wenn hinreichende Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage gegen den (potentiell) Unterhaltsverpflichteten bestehen. Diese sind hier nicht gegeben gewesen. Die Kammer wendet insoweit den gleichen Maßstab an, wie ihn § 114 Abs. 1 ZPO für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorsieht; denn ein das Prozesskostenrisiko tragender, zum sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln verpflichteter Sozialhilfeträger ist ebenso zu behandeln wie eine mittelose Partei, der es mit öffentlichen Mitteln ermöglicht werden soll, einen Prozess zu führen (Urteil der Kammer, a.a.O.). Hinreichende Erfolgsaussichten für einen Unterhaltsprozess gegen die Eltern der Hilfeempfängerin bestanden hier nicht. Im Hinblick auf die Mutter der Hilfeempfängerin ergibt sich das bereits daraus, dass deren Unterhaltsfähigkeit mit negativem Ergebnis geprüft wurde. (Bl. II 12 der Beiakte D). Aber auch der Vater der Hilfeempfängerin (dessen Unterhaltsfähigkeit ausweislich des Verwaltungsvorgangs nicht überprüft wurde) hätte aller Voraussicht nach keinen Unterhalt leisten müssen; denn eine Volljährige, die sich nicht in der Berufsausbildung befindet, ist zunächst ausschließlich für sich selbst verantwortlich ( BGH, Urt. vom 6. Dezember 1984, Az.: IV b ZR 53/83, FamRZ 1985, S. 273, 274). Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts muss sie grundsätzlich jede Erwerbsmöglichkeit nutzen, auch eine solche unter ihrem Ausbildungsniveau und bei berufsfremder Tätigkeit (Kalthoener/ Büttner/ Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl. 2004 Rn. 160). Für die Erwerbsobliegenheit gelten ähnliche Maßstäbe wie für einen Elternteil gegenüber einem minderjährigen Kind ( BGH, Urt. vom 3. April 1985, Az.: IV b ZR 14/84, FamRZ 1985, S. 1245, 126 [BGH 03.04.1985 - IVb ZR 14/84]; OLG Oldenburg, Urt. vom 12. Februar 1991, Az.: 12 UF 136/90, FamRZ 1991, S. 1090; Wohlgemuth, in: Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl. 2002, Rn. 3242). Danach muss der Erwerbsverpflichtete ernsthafte und intensive Bemühungen um einen Arbeitsplatz nachweisen. Dazu gehört nicht nur die Stellensuche über das Arbeitsamt, sondern auch, dass er sich aus eigenem Antrieb laufend über Zeitungsannoncen, Vermittlungsagenturen und ähnliches um Arbeit bemüht. Um seiner Darlegungs- und Beweislast für hinreichende Bemühungen zu genügen, muss der Erwerbsverpflichtete in nachprüfbarer Weise darlegen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um eine Arbeitsstelle zu finden ( BGH, Urt. vom 31. Mai 2000, Az.: XII ZR 119/98, FamRZ 2000, S. 1358, 1359 f.; Wohlgemuth, in: Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl. 2002, Rn. 3097, 3242 m.w.N.). Ein Unterhaltsanspruch wegen Arbeitslosigkeit des volljährigen, nicht mehr in der Ausbildung befindlichen Kindes kommt nach alledem nur in seltenen Fällen in Betracht, nämlich insbesondere dann, wenn gravierende gesundheitliche Gründe der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen oder wenn wegen Betreuung eigener Kinder des volljährigen Kindes ausnahmsweise die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unzumutbar ist (Müller, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 131 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung lag hier aber nicht vor. Die Hilfeempfängerin hätte sich insbesondere nicht auf die notwendige Eigenbetreuung ihrer beiden - bereits schulpflichtigen - Kinder berufen können. Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber einer volljährigen Tochter endet in der Regel nämlich 18 Monate nach der Geburt deren Kindes ( OLG Hamm, Urt. vom 5. März 1996, Az.: 3 UF 319/95, FamRZ 1996, S. 1493).
II.
Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch zu, allerdings erst ab dem 5. Juli 2003. Erfolgt aus §§ 291 i.V.m 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB (vgl. BVerwG, Urt. vom 22. Februar 2001 - 5 C 34.00 -, DVBl. 2001, S. 1067). Für den davor liegenden Zeitraum ab Rechtshängigkeit (7. Mai 2003) bis zum 5. Juli 2003 besteht der Anspruch dagegen nicht. Eine rechtshängige Geldschuld ist nämlich gemäß § 291 S. 1 BGB erst vom Eintritt ihrer Fälligkeit an zu verzinsen. Der hier streitige Erstattungsanspruch des Klägers ist jedoch erst fällig geworden, nachdem die Stadt B. den einschlägigen Sozialhilfevorgang hat einsehen können.
Vorher durfte sie im Hinblick auf den Interessenwahrungsgrundsatz die Leistung verweigern. Da dieser Vorgang am 4. Juli 2004 durch die Kammer übersandt worden war, ist bei einer regelmäßigen Postlaufzeit von einem Tag der Anspruch am 5. Juli 2003 fällig gewesen.
Zwar geht der Interessenwahrungsgrundsatz nicht so weit, dass der kostenerstattungspflichtige Träger für jede einzelne gewährte einmalige Leistung eine detaillierte Rechnungslegung vom hilfegewährenden Träger verlangen kann. Insoweit steht dem hilfegewährenden Träger zu seiner eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung eine Dispositionsbefugnis zu, in die einzugreifen der kostenerstattungspflichtige Träger nicht berechtigt ist (ZSpr. vom 21. März 1996, ZfF 1997, S. 11, 12). Unterlässt es der kostenerstattungsberechtigte Träger aber, dem erstattungspflichtigen Träger auf dessen Verlangen die Grundlagen, auf denen die Entscheidung über die Hilfegewährung beruhte, darzulegen, so bleibt er hinter seiner "Darlegungs- und Beweislast" zurück und verstößt auf diese Weise gegen den Interessenwahrungsgrundsatz aus § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Der erstattungspflichtige Sozialhilfeträger muss nämlich durch den erstattungsberechtigten Träger in die Lage versetzt werden, die Grundlagen und Gründe, die den erstattungsberechtigten Träger zu seiner Entscheidung über die Hilfegewährung veranlasst haben, nachzuvollziehen (vgl. Schwabe ZfF 1997, S. 97, 104).
Die hier erfolgte Übersendung verschiedener Aufstellungen, in denen lediglich die einzelnen Leistungen mit den Summen aufgezählt sind, genügte dafür nicht, insoweit fehlte es für den Beklagten bereits an der notwendigen Tatsachengrundlage, um weiterführende, gezielte Fragen an den Kläger zu richten. Seiner Darlegungslast hätte der Kläger hier nur durch Übersendung des sich auf den streitgegenständlichen Zeitraum beziehenden Teils der Sozialhilfeakte nachkommen können. Der Übersendung der - sich über einen Zeitraum bis zum 18. Januar 2002 - erstreckenden - gesamten Sozialhilfeakte hätte es indessen nicht bedurft. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Niederschrift der Arbeitstagung der Sozialamtsleiter im Regierungsbezirk Braunschweig vom 8. November 1994. Zwar heißt es darin unter TOP 5, dass sich das Gremium übereinstimmend darauf geeinigt habe, dass der gem. § 107 BSHG abgebende Träger von einer Anforderung der Akten absehe. Gegen die Bindungswirkung dieser Erklärung für den Beklagten spricht neben der zweifelhaften Vertretungsmacht des Gremiums auch, dass sich für den zunächst vorgeschlagenen Abschluss einer Vereinbarung keine Mehrheit unter den Tagungsteilnehmern fand.
Schließlich standen einer wenigstens teilweisen Aktenübersendung durch den Kläger datenschutzrechtliche Bedenken nicht entgegen. Nach § 67d Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 bis 77 SGB X oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch vorliegt. Eine Übermittlungsbefugnis ergibt sich hier aus § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch oder einer solchen Aufgabe des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, wenn er eine in § 35 SGB I genannte Stelle ist. Stellen im Sinne des § 35 SGB I sind insbesondere die in § 12 SGB I genannten Leistungsträger, also auch der Beklagte als Träger der Sozialhilfe (§ 28 Abs. 2 SGB I).
Die teilweise Aktenübersendung war im vorliegenden Fall erforderlich für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe des Beklagten. Dieser war berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs zu überprüfen. Wenn der Kläger insoweit vorträgt, die generelle Weigerung des Beklagten, ohne Einsichtnahme in die Sozialhilfeakte Kosten zu erstatten, stelle den grundlegenden Vertrauensgrundsatz zwischen den einzelnen Sozialhilfeträgern in Frage, so vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Dem Erstattungspflichtigen steht vielmehr - jedenfalls wie hier in komplexen, sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Sozialhilfefällen - ein Überprüfungsrecht bzgl. des sich auf den Erstattungszeitraum beziehenden Akteninhalts zu. Hinzu kommt, dass die Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung vom Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht regelmäßig anhand des Inhalts der Sozialhilfeakte geprüft wird und zu prüfen ist (vgl. VG Darmstadt, Urt. vom 14. Oktober 2003, Az.: 6 E 2115/00 ). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besteht dann ohnedies ein Akteneinsichtsrecht des kostenerstattungsverpflichteten Trägers nach § 100 VwGO, von dem es auch nur die in § 100 Abs. 3 VwGO geregelten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen gibt. Weitere Ausnahmen, insbesondere eine entsprechende Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sind nicht anzuerkennen (Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 100 Rn. 7; a.A. Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 100 Rn. 3a).
Einer Aktenübersendung steht schließlich auch die Vorschrift des § 67d Abs. 3 SGB X nicht entgegen. Hiernach ist zu differenzieren zwischen den Daten, die für die bereits angesprochene Aufgabenerfüllung notwendig sind und den sog. weiteren personenbezogenen Daten, für die das nicht gilt, die aber regelmäßig in einer Sozialhilfeakte enthalten sind. Sind die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten mit den weiteren personenbezogenen Daten des Betroffenen oder eines Dritten so verbunden, dass eine Trennung nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist, so ist die Übermittlung auch dieser Daten nur zulässig, wenn schutzwürdige Interessen des Betroffenen oder eines Dritten an deren Geheimhaltung nicht überwiegen. In diesen Fällen ist stets eine Interessenabwägung im Einzelfall erforderlich (Roos, in: von Wulffen <Hrsg.>, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 67d Rn. 9). Vorliegend ist ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse der von der Aktenübersendung betroffenen Hilfeempfänger indessen nicht erkennbar. Die Akten sollten (nur) an einen anderen Sozialhilfeträger übermittelt werden, dessen Mitarbeiter ebenfalls täglich mit Sozialhilfeakten befasst sind und die ebenso wie die Mitarbeiter des Klägers zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet sind. Zudem erscheint eine etwaige Weitergabe der Daten an Dritte praktisch ausgeschlossen. Eine Beeinträchtigung der Hilfeempfänger dadurch, dass neben dem gewährenden Sozialhilfeträger auch der erstattungspflichtige Sozialhilfeträger Kenntnis vom Akteninhalt hat, liegt schließlich fern (vgl. VG Augsburg, Urt. vom 16. Juni 1998, Az.: 3 K 97 968).
Da für den Zinsbeginn § 187 BGB entsprechend gilt ( BGH, Urt. vom 24. Januar 1990, VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, S. 518, 519) bestand der Zinsanspruch des Klägers mithin seit dem 5. Juli 2003.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 2; 188 Satz 2 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils findet ihre Grundlage in § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG i.d.F. des KostREuroUG vom 27.04.2001 (BGBl. I S. 751).