Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.04.2006, Az.: 2 A 433/04
Arbeitsamt; Arbeitsbeschaffungsbemühung; Arbeitsvermittlung; Einzelfall; Ermessen; Erstattungspflicht; Interessenwahrungsgrundsatz; Kostenerstattung; Krankenhilfe; Rechtsgrundsatz; Sozialleistung; Sprachschwierigkeiten; unaufklärbar
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.04.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 433/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53184
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 18 BSHG
- § 107 BSHG
- § 111 BSHG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Sozialhilfeträger verstößt gegen den Interessenwahrungsgrundsatz, wenn er den Hilfeempfänger nicht ausreichend zu eigenen Arbeitsbemühungen anhält.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage ob der Beklagte der Klägerin Kosten zu erstatten hat, die diese in der Zeit vom 21. November 2000 bis zum 31. August 2002 an Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Arbeit für die Leistungsempfänger H., I., J. und K. L. aufgewendet hat.
Die Familie verzog am 15. November 2000 von B., wo sie bis dahin von der in Sozialhilfeangelegenheiten namens und im Auftrage des Beklagten handelnden Stadt B. Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hatte, nach A.. Hier erhielt sie von der Klägerin, erstmals mit Bescheid vom 24. Januar 2001, seit November 2000 Hilfe zum Lebensunterhalt.
Am 21. Dezember 2000 vermerkte die Klägerin, der am ... 1958 geborene Hilfeempfänger H. L. stehe dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. Der Hilfeempfänger war der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig, hatte einen Hauptschul- und keinen Ausbildungsabschluss. Dass er wahrscheinlich nicht zu vermitteln sei, vermerkte die Klägerin nicht. Eine regelmäßige Erneuerung des Arbeitsgesuchs hielt sie für erforderlich und wollte sie sicher stellen. Die für die Klägerin verbindliche Richtlinie Nr. 34 vom 7. November 1994 zur Hilfe zur Arbeit gemäß § 18 BSHG sieht in Abschnitt 1 Abs. 2 vor, dass die Bemühungen des Hilfesuchenden bezüglich des Einsatzes seiner Arbeitskraft gemäß § 18 Abs. 2 BSHG einerseits über die Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes erfolgen, andererseits durch Eigeninitiativen (z.B. Stellenausschreibungen und Arbeitsangebote in Tageszeitungen) erfolgen müssen. Bereits am 7. Dezember 2000 hatte sich der Hilfeempfänger arbeitslos gemeldet. Er wies weitere Vermittlungsversuche für den 23. März, 27. Juni und 1. Oktober 2001 nach. Zu eigeninitiativer Stellensuche forderte die Klägerin den Hilfeempfänger nicht auf.
Erst mit Verfügung vom 15. Februar 2001 lud die Klägerin den Hilfeempfänger zu einer Maßnahme ein, mit der festgestellt werden sollte, welche Arbeitsmaßnahme für ihn sinnvoll wäre. Dieser Maßnahme leistete der Hilfeempfänger wegen einer nachgewiesenen Erkrankung seiner Ehefrau nicht Folge. Auch spätere Arbeitsangebote scheiterten zunächst daran, dass der Hilfeempfänger wegen der Erkrankung seiner Ehefrau zuhause unabkömmlich war. Mit Wirkung vom 1. August 2002 wurde der Hilfeempfänger bei der Jugendhilfe A. e.V., befristet bis zum 31. Juli 2003 in der Lohngruppe BMT-G 4 fest angestellt.
Die Klägerin gewährte den Hilfeempfängern Krankenhilfe gemäß § 37 BSHG pauschal, das heißt: die Hilfe wurde quartalsmäßig bei Inanspruchnahme der entsprechenden Behandlungsscheine (praktischer Arzt, Zahnarzt und Vorsorgeuntersuchung) durch sog. Krankenscheinpauschalen abgerechnet, die von der Klägerin in einem bestimmten Berechnungsverfahren jährlich neu ermittelt werden. Dabei überlässt der behandelnde Arzt die Krankenscheine zunächst der kassenärztlichen Vereinigung und macht seine Ansprüche geltend. Die kassenärztliche Vereinigung überprüft die Forderung auf sachliche und rechnerische Richtigkeit und beziffert die Kosten quartalsmäßig gegenüber der Klägerin. Diese wiederum leistet ebenfalls quartalsmäßig eine Erstattung an die kassenärztliche Vereinigung. Die Krankenscheinpauschalen werden in einem von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10. Januar 2005 näher beschriebenen Verfahren jährlich neu berechnet. Auf diesen Schriftsatz wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Ein konkreter Nachweis der Höhe der Krankenhilfekosten ist der Klägerin infolge dieses Verfahrens nicht möglich.
Mit Schreiben an die Stadt B. vom 19. Januar 2001 meldete die Klägerin ihren Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG für gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt an. Diesen erkannte die Stadt B. unter dem 12. Februar 2001 dem Grunde nach an. Mit Schreiben vom 7. Februar 2003 bezifferte die Klägerin ihre Forderung gegenüber der Stadt B.. Mit Schreiben vom 25. Februar 2003 lehnte diese eine Erstattung wegen eines von ihr gesehenen Verstoßes gegen den Interessenwahrungsgrundsatz ab. Unter dem 8. April 2003 bezifferte die Klägerin die Aufwendungen für dem Hilfeempfänger H. L. geleistete Hilfe zur Arbeit. Auch eine Erstattung dieser Kosten lehnte die Stadt B. ab.
Am 28. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie habe richtlinienkonform ausreichende Bemühungen unternommen, um den Hilfeempfänger H. L. in Arbeit zu bringen. Eigenbemühungen habe sie von ihm nicht verlangt, da bei der in A. herrschenden Arbeitsmarktsituation ein Arbeitsplatz von einem nicht der deutschen Sprache mächtigen Ausländer, der nicht über eine abgeschlossene Ausbildung verfüge und nur den Hauptschulabschluss besitze, nicht möglich sei. Zudem wäre ein solches Verlangen nicht zumutbar gewesen, da der Hilfeempfänger wegen der Erkrankung seiner Ehefrau habe zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern müssen. Das von ihr praktizierte Verfahren, Krankenhilfe pauschal abzurechnen, sei rechtmäßig; es finde seine Rechtsgrundlage in § 110 Satz 1 SGB X. Nach neuem Recht finde es seine Entsprechung in § 264 Abs. 2 SGB V. Da sie dem Hilfeempfänger H. L. durchgängig diese Krankenhilfe bewilligt habe, sei es zu keinem Zeitpunkt zu einer Unterbrechung des Leistungsbezuges gekommen. Deshalb verlange sie zu Recht auch die Erstattung der dem Hilfeempfänger gewährten Hilfe zur Arbeit.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, Kosten in Höhe von 40.409,55 Euro zu erstatten und diesen Betrag ab Rechtshängigkeit in Anwendung von §§ 288, 291 BGB zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Klägerin habe den geltend gemachten Anspruch nicht, weil sie gegen den Interessenwahrungsgrundsatz verstoßen habe. Sie habe nicht ausreichende Bemühungen unternommen, um den Hilfeempfänger H. L. in Arbeit zu bringen. Die Aufforderung, sich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden, reiche allein nicht. Jedenfalls bis zur Vorlage des ersten ärztlichen Attestes vom 22. März 2001 hätte die Klägerin den Hilfeempfänger auffordern müssen, sich eigeninitiativ um Arbeit zu bemühen. Sie hätte die Dauer der Erkrankung der Ehefrau auch amtsärztlich feststellen lassen müssen. Unabhängig davon hätte sie aufgrund der mit Attest vom 18. Februar 2002 attestierten Dauer der Erkrankung von zwei Monaten im April nachhaken müssen.
Die Pauschalierung der Krankenhilfe sei rechtswidrig. Sie gehöre nicht zu den am Aufenthaltsort bestehenden Grundsätzen im Sinne von § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG. § 264 SGB V gebe keine Hinweise auf die Rechtmäßigkeit des klägerischen Vorgehens. Die Vorschrift gelte nur für die Krankenkassen, nicht für den Sozialhilfeträger. Folglich habe der Hilfeempfänger H. L. über mehr als zwei Monate, nämlich in der Zeit von Februar bis April 2001 nicht rechtmäßig Sozialhilfeleistungen erhalten, so dass ein Erstattungsanspruch für die Zeit danach entfalle.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beteiligten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin nicht zu.
Gemäß § 107 Abs. 1 BSHG ist, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderliche Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne von § 97 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Die Verpflichtung endet gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes spätestens nach Ablauf von 2 Jahren seit dem Aufenthaltswechsel, hier also am 20. November 2002. Nach § 111 Abs. 1 BHSG sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht, wobei die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe gelten, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheitert daran, dass die den Hilfeempfängern geleistete Sozialhilfe dem BSHG nicht entsprochen hat.
§ 111 Abs. 1 BHSG nimmt rechtswidrig gewährte Sozialhilfeleistungen von der Erstattungspflicht aus. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn unberechtigte Nachzahlungen erfolgt sind, der Einkommens- und Vermögenseinsatz nicht gefordert wurde, Überleitungsanzeigen oder Erstattungsansprüche nicht verfolgt wurden oder soweit Leistungen freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Grundlage gewährt wurden. Aus § 111 Abs. 1 BSHG ist zudem der sogenannte Interessenwahrungsgrundsatz abzuleiten. Dieser besagt, dass der die Hilfe gewährende Träger bei der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe und bei ihrer Durchführung die Interessen des kostenerstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers zu wahren hat. Er hat alle nach Lage des Einzelfalls zumutbaren und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.01.2002 - 4 L 4201/00 - FEVS 54, Seite 171). Er hat ferner so zu handeln, als verbliebe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst, darf also nicht Leistungen lediglich im Hinblick auf die Kostenerstattungspflicht des § 107 BSHG erbringen, die er sonst nicht erbracht hätte (OVG Münster, Beschluss vom 18.09.2003 - 12 A 3945/01 - NDV-RD 2004, Seite 65). Diese „Haftung“ des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers für rechtswidriges Verhalten bringt es mit sich, dass er auch das Risiko der Unaufklärbarkeit eines Geschehensablaufs zu tragen hat - wenn also nicht feststellbar ist, wie sich der Hilfefall entwickelt hätte, wenn ein Rechtsverstoß nicht erfolgt wäre (vgl. Mergler/Zink, BSHG § 111, RN 10 a). Denn zum einen stellt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, dass derjenige, der einen Anspruch erhebt, auch die materielle Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt; zum anderen darf nicht außer acht gelassen werden, dass der Erstattungspflichtige regelmäßig keinen Einfluss auf das Verhalten des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers hat (ebenso Urteile der Kammer vom 24.03.2004 - 2 A 200/03 - und vom 01.09.2004 - 2 A 197/03 -).
Die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt an die Hilfeempfänger der Familie L. war rechtswidrig, weil die Klägerin Herrn H. L. in der Zeit vom 21. November 2000 bis zur Einladung zu einer Feststellungsmaßnahme mit Verfügung vom 15. Februar 2001 nicht in ausreichendem Maße dazu angehalten hat, seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen.
Die Kammer hat zu den insoweit bestehenden Anforderungen mit Urteil vom 27. Januar 2005 (2 A 472/03), dieselben Beteiligten betreffend unter Bezugnahme auf ihr Urteil vom 29. Juli 2003 (2 A 2255/02) ausgeführt:
„§ 18 Abs. 1 BSHG schreibt vor, dass jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen muss. Im folgenden wird geregelt, dass und wie darauf hinzuwirken ist, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet. Ergänzend bestimmt § 25 Abs. 1 des Gesetzes, dass derjenige, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nachzukommen, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat. Die Rangfolge der verschiedenen Arbeitshilfemaßnahmen im BSHG ist auf der differenzierenden Einschätzung begründet, in welcher Weise die verschiedenen, ins Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellten Maßnahmen geeignet sind, die Betroffenen zur Selbsthilfe zu führen (vgl. LPK, a.a.O., § 18, Rn 1). Das heißt: Der Sozialhilfeträger hat die Möglichkeit, in einem breiten Spektrum die Maßnahmen zu ergreifen, die ihm nötig erscheinen, Hilfesuchende zur Arbeit zu bewegen bzw. ihnen Arbeit zu beschaffen, wenn der Hilfesuchende arbeitsfähig ist und die Maßnahme nicht von vorneherein aussichtslos erscheint. Das Gesetz sieht keinesfalls - wie man aber dem Vortrag des Beklagten entnehmen könnte - feste Regeln für das Handeln des Sozialhilfeträgers vor. Danach handelt der Sozialhilfeträger im Einzelfall in Anwendung der genannten Vorschriften dann rechtswidrig, wenn er das ihm zur Verfügung gestellte Instrumentarium ohne vernünftigen Grund außer Acht lässt oder offenbar fehlerhaft (d. h. in einer mit dem Zweck der Vorschriften nicht zu vereinbarenden Weise) mit ihm umgeht. Bedenklich wäre es auch, wenn in Fällen, in denen es einen Erstattungspflichtigen gibt, grundsätzlich laxer verfahren würde als in den Fällen, in denen der Sozialhilfeträger eigene Mittel einzusetzen hat.“
Bezogen auf das vom Beklagten vermisste Verlangen, den Hilfeempfänger S. zu eigenen Arbeitsplatzbemühungen aufzufordern, ist ferner das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.5.1995 (5 C 20/93-, BVerwGE 98, 203, 207) einschlägig, in dem es heißt:
„Eine Weigerung im Sinne von § 25 Abs. 1 BSHG kann schließlich auch darin liegen, dass ein Hilfesuchender, der sich beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet hat und für das Arbeitsamt erreichbar ist, es ablehnt, sich unabhängig von Bemühungen des Arbeitsamts selbst auf dem für ihn zugänglichen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu suchen. Die Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt ist nur eine Möglichkeit, sich Arbeit zu verschaffen. Weder § 18 Abs. 1 und 2 BSHG noch § 25 Abs. 1 BSHG kann die generelle Aussage entnommen werden, dass derjenige, der der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt zur Verfügung steht, das ihm Zumutbare getan habe, um seine durch Arbeitslosigkeit entstandene Notlage zu überwinden. Die in § 18 Abs. 1 BSHG weit gefasste Verpflichtung jedes Hilfesuchenden, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen, und der daran anknüpfende, § 25 Abs. 1 BSHG innewohnende Hilfezweck, der Leistungskürzungen ermöglicht, um das Selbsthilfestreben des Hilfesuchenden wiederherzustellen und zu fördern, rechtfertigen daher nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe die Weigerung, sich selbständig (unabhängig von Bemühungen des Arbeitsamts) um eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu bemühen, gänzlich oder für den Regelfall vom Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 BSHG ausschließen wollen.
Die Anforderungen an die selbständige Arbeitssuche eines als arbeitslos gemeldeten Hilfesuchenden dürfen jedoch nicht überspannt werden. Ob und in welcher Intensität eigene Bemühungen des Hilfesuchenden um eine Arbeitsstelle verlangt werden dürfen, hängt ab von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von den persönlichen (z.B. familiären, gesundheitlichen) Verhältnissen des Hilfesuchenden, seinen Arbeitsfähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in dem Bereich, der dem Hilfesuchenden zugänglich ist (vgl. § 3 Abs. 1 BSHG). Fehlende eigene Bemühungen um Arbeit können einem Hilfesuchenden, der die Dienste des Arbeitsamts regelmäßig in Anspruch nimmt, nur dann nach § 25 Abs. 1 BSHG als anspruchsvernichtend entgegengehalten werden, wenn solche Arbeitsbemühungen dem Hilfesuchenden nach seinen persönlichen und finanziellen Kräften zumutbar sind und nach der (örtlichen oder regionalen) Arbeitsmarktlage auch konkrete Erfolgsaussichten besitzen. Vor der Aufforderung zur selbständigen Arbeitssuche hat der Sozialhilfeträger daher in jedem Fall zu prüfen, ob der einzelne Hilfesuchende mit einem solchen Ansinnen nicht überfordert und damit dem Hilfezweck der §§ 18 ff., 25 Abs. 1 BSHG entgegengewirkt wird (vgl. auch Krahmer, LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, Rn. 6 zu § 18 BSHG).“
Der Sozialhilfeträger hat bei dem fraglichen Verlangen also die Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Für das Erstattungsverlangen bedeutet dies aber auch, dass eine solche Einzelfallwürdigung für den Erstattungsverpflichteten nachvollziehbar gemacht werden muss. Insoweit ergibt sich aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen nur die Aussage, dass von einem entsprechenden Verlangen wegen der unzureichenden Deutschkenntnisse des Hilfeempfängers abgesehen worden ist. Das genügt nicht, um von einer hinreichenden Einzelfallwürdigung auszugehen. Zudem ist auch die eigene Einschätzung der Klägerin insoweit widersprüchlich, da einer ihrer Mitarbeiter unter dem 20. Januar 1999 vermerkt hat, Herr S. stehe dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Die Klägerin muss sich auch entgegenhalten lassen, dass sie zunächst nichts unternommen hat, um diese Sprachschwierigkeiten zu beseitigen. Die fortbestehenden Sprachschwierigkeiten haben die Klägerin schließlich auch ab Mitte 2001 nicht davon abgehalten, von dem Hilfeempfänger eigene Arbeitsbemühungen zu verlangen; ein weiteres Indiz dafür, dass selbst die Klägerin ihre bisherigen Bemühungen in diese Richtung nicht für ausreichend gehalten hat.“
Der Streitfall ist mit dem zitierten nahezu identisch. Auch hier hielt die Klägerin den Hilfeempfänger H. L. nach ihrem Klagevorbringen auf dem freien Arbeitsmarkt nicht für vermittelbar. Dem widersprechend vermerkte sie unter dem 21. Dezember 2000 indes, dass er dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stehe und stellte seinerzeit nicht fest, dass er auf dem freien Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln sei. Gleichwohl unternahm sie - insoweit auch entgegen ihrer eigenen Richtlinie für die Hilfe zur Arbeit - nichts, um den Hilfeempfänger zu einer eigenen Arbeitsplatzsuche anzuhalten. Auch Versuche, die aus Sicht der Klägerin einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegenstehenden Sprachschwierigkeiten zu beseitigen, unternahm sie nicht. Darauf, dass der Hilfeempfänger wegen der Erkrankung seiner Ehefrau zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern musste, kann sich die Klägerin für die fragliche Zeit nicht berufen. Denn erstmals am 4. Mai 2001 legte der Hilfeempfänger ein auf den 22. März 2001 datiertes entsprechendes ärztliches Attest vor. Es ist nicht auszuschließen, dass die Hilfeempfänger bei entsprechenden Bemühungen insgesamt ohne Hilfe zum Lebensunterhalt hätten auskommen können. Insoweit trägt nach den obigen Ausführungen die Klägerin das Risiko der Unaufklärbarkeit des Geschehensablaufs.
Da die Klägerin mithin für die gesamte Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft im ersten Monat nach ihrem Umzug rechtswidrig Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet hat -, besteht hinsichtlich aller Leistungsempfänger ein Erstattungsanspruch nicht (so die Kammer in ihrem Urteil vom 12. Mai 2005 -2 A 460/03-). Der Klage bleibt damit der Erfolg versagt.
Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Klägerin einen Erstattungsanspruch für die pauschal abgerechnete Krankenhilfe hat, kommt es damit nicht mehr an. Die Kammer merkt hierzu lediglich an, dass sie die hierzu vom VG Aachen in seinem Urteil vom 27.12.2004 (-6 K 490/02-, zitiert nach juris) gemachten Ausführungen für zutreffend erachtet, das eine derartige Hilfegewährung als einen Verstoß gegen den Interessenwahrungsgrundsatz des § 111 Abs. 1 BSHG ansieht. Das vom VG Aachen vertretene Ergebnis wird für das Erstattungsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern durch § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG bestätigt. Danach entfällt die Erstattungspflicht nach Absatz 1 der Vorschrift, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Nach dieser Vorschrift kommt es erkennbar nicht darauf an, ob Hilfe tatsächlich gewährt wurde oder nicht, sondern nur darauf, ob ein Anspruch des Hilfeempfängers bestand (Urteil der erkennenden Kammer vom 14.4.2005 -2 A 471/03-). Gerade diese Feststellung lässt die Gewährungspraxis der Klägerin indes nicht zu, die eine Aussage zu dem konkreten Krankenhilfebedarf nicht ermöglicht. Durch die monatlich erfolgte pauschale Erstattung von Krankenkosten an die Kassenärztliche Vereinigung konstruiert die Klägerin einen entsprechenden Bedarf des Hilfeempfängers, der möglicherweise, wie hier im Fall des Hilfeempfängers H. L., gar nicht bestanden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.