Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 29.09.2004, Az.: 2 A 343/03
Asylberechtigter; atypischer Geschehensablauf; Ausländer; Aussetzung; Ausweisung; Ausweisungsgrund; Ausweisungsschutz; Bewährung; Einschleusen; familiäre Situation; finanzielle Situation; Freiheitsstrafe; Generalprävention; gewerbsmäßiges Einschleusen; illegale Einwanderung; Ist-Ausweisung; polizeiliche Ermittlungen; Regelausweisung; Schleuser; Spezialprävention; strafgerichtliche Verurteilung; Strafrest; Straftat; Straftäter; Straßenverkehr; Verfehlung; zwingender Ausweisungsgrund; öffentliche Ordnung; öffentliche Sicherheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.09.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 343/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 51004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 47 Abs 1 Nr 1 AuslG 1990
- § 47 Abs 3 S 1 AuslG 1990
- § 48 Abs 1 S 1 Nr 5 AuslG 1990
- § 92a AuslG 1990
- § 92b AuslG 1990
- § 57 StGB
Tatbestand:
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27. März 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. April 1995 wurde er als asylberechtigt anerkannt und es wurde festgestellt, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Mit Bescheid vom 14. Januar 2004 widerrief das Bundesamt die Asylanerkennung und die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage hat die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage zurückgewiesen (2 A 42/04).
Mit Urteil des Landgerichts D. vom 20. Oktober 2000, rechtskräftig sei dem 11. Januar 2001, wurde der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in einem Fall verurteilt. Der Kläger, der sich seit dem 27. Juli 1999 in Untersuchungshaft befand, wurde nach Verbüßung von 2/3 der Strafe am 7. November 2001 aus der Haft entlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten der Staatsanwaltschaft D. zu Az.: 62 Js 4025/99 (Beiakten C bis J) Bezug genommen. Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 17. Juni 2002 (82 Js 35614/01) ist der Kläger wegen eines am 11. November 2001 begangenen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt worden.
Nachdem die Ermittlungsakten am 20. Juni 2001 bei der Beklagten eingegangen waren und sie den Kläger zuvor angehört hatte, wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 11. Februar 2002 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte die Abschiebung in den Irak oder ein anderes Land, in das der Kläger einreisen darf, an.
Hiergegen legte der Kläger am 07. März 2003 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründet, dass er nach Verbüßung von 2/3 seiner Freiheitsstrafe auf Bewährung entlassen worden sei, weitere Straftaten nicht begangen habe und daher keine Wiederholungsgefahr bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch gegen die Ausweisung aus dem Bundesgebiet zurück und hob den Bescheid der Stadt D. vom 11. Februar 2002 im Hinblick auf die Asylanerkennung des Klägers insoweit auf, als es die Abschiebungsandrohung betraf.
In ihrer Widerspruchsbegründung führte die Bezirksregierung Braunschweig im Wesentlichen aus:
Die Verurteilung des Klägers vom 20. Dezember 2000 stelle einen zwingenden Ausweisungsgrund nach § 47 Abs. 1 AuslG dar. Jedoch genieße der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 AuslG, weil er als asylberechtigt anerkannt worden sei. Dieser besondere Ausweisungsschutz führe dazu, dass der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden könne. Schwerwiegende Gründe lägen gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG regelmäßig in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG vor.
Durch die Verurteilung vom 20. Dezember 2000 müsse zunächst von einem schwerwiegenden Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen werden, da der Kläger einen Ist-Ausweisungsgrund erfüllt habe. Eine Ausnahme von dieser Regel setze eine Ausnahmesituation voraus, die durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet sei, der so bedeutsam sein müsse, dass er das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitige. Die Gründe, die eine solche Ausnahme belegen könnten, könnten sowohl in den Umständen der Tat als auch in den Lebensumständen des Klägers liegen. Insoweit könne aber nicht die Anerkennung als Asylberechtigter eine Ausnahme begründen, weil dieser Umstand bereits insoweit berücksichtigt worden sei, als dem Kläger der besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 AuslG zugute komme. Derartige Ausnahmegründe lägen nicht vor.
Aus der Tat des Klägers seien keine Umstände ersichtlich, die eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen könnten; im Gegenteil, diese Umstände belasteten den Kläger eher. Das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Ausländern stelle eine besonders schwere Straftat dar, da diese der organisierten Kriminalität zuzurechnen sei. Die Begehung von Straftaten innerhalb einer Organisation oder Bande vermindere das Risiko des Entdecktwerdens für den Einzelnen. In einer Organisation könne man sich auf die Hilfe und Unterstützung anderer verlassen. Eine Einzelperson sei kaum in der Lage , die Verbindung zu Ausreisewilligen herzustellen und die Verbindungswege für den Weitertransport zu organisieren. Zudem habe der Kläger nicht aus Menschenfreundlichkeit heraus gehandelt, sondern aus Gewinnstreben, was wiederum die Gefahr verdeutliche, dass der Kläger auch künftig wieder straffällig werde.
Die Lebensumstände des Klägers böten ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte für eine Rechtfertigung einer solchen Straftat. Der Kläger habe 1995 mit schnellstmöglich erfolgter Anerkennung als Asylberechtigter die Möglichkeit erhalten, sich auf einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet einzustellen. Durch seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe er die Chance bekommen, sich schnellstmöglich zu integrieren und sich ein rechtskonformes Leben aufzubauen. Der Einstieg hier sei dem Kläger im Vergleich zu anderen Ausländern wesentlich erleichtert worden. Der Kläger habe diese Möglichkeit nicht genutzt.
Auch die familiären Umstände des Klägers entlasteten ihn nicht. Die Ehefrau des Klägers, Frau E., sei am 22. August 1998 nach Deutschland gekommen. Das gemeinsame Kind F. sei nur sieben Monate später, 1999, geboren worden. Der Kläger sei gerade in dieser Zeit, in der andere Familienväter sich auf ihre Familie konzentrieren würden, mit der Schleusung von Ausländern beschäftigt gewesen. Die Ehefrau des Klägers sei der deutschen Sprache nicht mächtig und zum ersten mal schwanger gewesen. Sie hätte der umfassenden Liebe, Betreuung und Unterstützung ihres Ehemannes in diesem für sie fremden Kulturkreises bedurft. Ihr Ehemann sei jedoch gerade in dieser Zeit massiv in die Schleusung eingestiegen.
Es lägen daher keine Umstände vor, die eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel begründen könnten. Demnach seien schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegeben. Deshalb bleibe es auf Grund des besonderen Ausweisungsschutzes und dem Vorliegen schwerwiegender Gründe bei der von einer Ist- zu einer Regelausweisung abgestuften Ausweisung. In diesem Fall sei eine Ausweisung aber nicht in jedem Fall geboten. Vielmehr sei die Regelausweisung ein durch Ausnahmemöglichkeiten eingeschränktes Ausweisungsgebot. Der Ausländer werde ausgewiesen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorlägen, die den staatlichen Anspruch auf Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet hinter die persönlichen Interessen des Ausländers zurücktreten ließen. Derartige Gründe lägen hier nicht vor.
Spezialpräventive Gründe würden für die Ausweisung des Klägers sprechen. Die bereits ausgeführten Erwägungen zur Straftat zeigten ebenso wie die polizeiliche Auffälligkeit des Klägers, dass er nicht gewillt und in der Lage sei, sich an geltendes Recht zu halten. Es sei während des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet nahezu durchgängig und immer wieder zu polizeilichen Ermittlungen gegen ihn gekommen. Ihm sei mehrfach oder sogar vielfach Körperverletzung und schwere Körperverletzung, aber auch Hehlerei, Bedrohung und Sachbeschädigung vorgeworfen worden. Insoweit komme es nicht darauf an, dass die entsprechenden Strafverfahren eingestellt worden seien. Diese Vorfälle seien nicht Grundlage der Ausweisung, würden aber ein Bild des Klägers und dessen latent vorhandene Gewaltbereitschaft zeigen, aufgrund derer leider zu befürchten sei, dass es auch künftig immer zu Übergriffen kommen werde.
Zudem lägen aber auch generalpräventive Gründe für die Ausweisung vor. Der Kläger habe mit der von ihm begangenen Tat eklatant gegen das Ausländergesetz und dessen politische Zielrichtung verstoßen. Neben der Ausweisung des Straftäters selbst solle anderen Ausländern verdeutlicht werden, dass ein entsprechendes strafbares Verhalten nicht hingenommen werde. Damit sollten gleichzeitig andere von der Begehung von Straftaten abgehalten werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe dazu entschieden, dass sogar deutschverheiratete Ausländer, die sich ebenso wie der Kläger auf besonderen Ausweisungsschutz berufen könnten, ausgewiesen werden könnten, wenn die begangene Straftat besonders schwer wiege und ein dringendes Bedürfnis dafür bestünde, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten.
Auch weitere, im Rahmen von § 45 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigende Aspekte, wie die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und seine schutzwürdigen persönlichen und wirtschaftlichen und sonstigen Interessen sowie die Folgen seiner Ausweisung für seine Familienangehörigen, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, rechtfertigten kein abweichendes Ergebnis.
Der Kläger habe sich sechs Jahre, zehn Monate und 20 Tage rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Von dieser Zeit sei er aber vom 02.08.1999 (Anm. d. Gerichts: Richtig ist der 27. Juli 1999) bis zum 07.11.2001, also zwei Jahre und drei Monate inhaftiert gewesen, so dass er nur innerhalb eines Zeitraumes von insgesamt vier Jahren und sieben Monaten Integrationsleistungen habe erbringen können. Während der Haftzeit sei eine Integration nicht möglich. Diesem rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stünden fast 35 Jahre rechtmäßigen Aufenthalts in seinem Heimatland gegenüber. Der Kläger habe dort seine Kindheit und Jugend verbracht. Er habe dort seine vollständige Prägung erhalten und sei mit den Sitten und Gebräuchen seines Heimatlandes umfassend vertraut. Der Kläger habe seine erste Familie im Irak gegründet und habe mit der damaligen ebenfalls irakischen Ehefrau fünf gemeinsame Kinder, die im Irak geboren seien. Nach der Scheidung von dieser Frau habe der Kläger sich wiederum eine Frau aus seinem Kulturkreis ausgesucht und diese nach Deutschland geholt. Dies zeige, wie sehr der Kläger noch in den Traditionen, Sitten und Gebräuchen seines Heimatlandes verwurzelt sei. Auch der hiesige Aufenthalt des Kläger sei geprägt von einem Aufenthalt im Kreise von Landsleuten. Eine Integration in hiesige Lebensumstände habe daher nicht oder nur sehr begrenzt stattgefunden. Dem Kläger sei es durchaus möglich und zumutbar in sein Heimatland zurückzukehren. Darüber hinaus verfüge der Kläger über keine schutzwürdigen wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet.
Zwar könne sich der Kläger auf schutzwürdige familiäre Bindungen berufen, diese stünden der Ausweisung jedoch nicht entgegen. Die Ehefrau des Klägers sei lediglich im Besitz einer Duldung. Nur die Tochter F. sei als Asylberechtigte im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Diese Tochter, die im Bundesgebiet geboren worden sei, habe aber nur als Familienangehörige Asyl erhalten. Die drei volljährigen Kinder aus erster Ehe, die sich ebenfalls im Bundesgebiet aufhielten, seien nur im Besitz einer Duldung. Da sie volljährig seien, seien sie nicht mehr auf die Betreuung und Hilfestellung sowie Unterstützung des Klägers angewiesen. Zudem hätten die Kinder auch die letzten zwei Jahre während der Inhaftierung des Vaters auf diesen warten müssen. Darüber hinaus lebe lediglich die älteste Tochter G. im Haushalt des Klägers. Die beiden Söhne würden in einer Jugendwohngemeinschaft leben. Aufgrund der Duldung seien diese Kinder ebenfalls zur Ausreise verpflichtet. Hinzu komme, dass die Ehefrau des Klägers beim Sozialamt der Beklagten angegeben habe , dass sie die Scheidung von ihrem Mann eingereicht habe. Aufgrund ihrer Duldung sei sie ebenfalls zur Ausreise verpflichtet.
Hiergegen hat der Kläger am 03. September 2003 Klage erhoben.
Zur Begründung führt er an, die Ausweisung habe zu Problemen in seinem Leben geführt. Seine psychische Lage habe sich während und nach der Entlassung aus dem Gefängnis verschlechtert. Er könne wegen der Entziehung der Aufenthaltserlaubnis keine Arbeit finden. Dies führe wiederum zu Problemen mit seiner Familie, weil er die ganze Zeit zu hause sei. Im Irak habe er immer noch Feinde (Rächer – Blutrache). Sein Vater sei ermordet worden. Auch seien seine Kinder in der Bundesrepublik integriert. Die Bundesrepublik sei zu ihrem Heimatland geworden. Seine Tochter sei am Herzen operiert worden, müsse zu regelmäßigen Nachuntersuchungen und im Irak sei eine medizinische Versorgung dieser Tochter nicht hinreichend gewährleistet.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 20. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, ihr Bescheid sei in der Fassung des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ergangen. Die Verurteilung des Klägers vom 20. Dezember 2000 rechtfertige seine Ausweisung. Sein Rechtsverstoß stelle eine schwerwiegende Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Zudem sei der Kläger im Besitz einer Duldung, aufgrund derer es ihm möglich sei, innerhalb des Landes Niedersachsen eine Arbeitsstelle zu suchen. Mit Hilfe dieser Duldung sei es ihm auch möglich, Kontakt zu seinen Kindern aufzunehmen. Zwei seiner Kinder aus erster Ehe würden in einer Jugendhilfeeinrichtung leben. Zwei weitere Kinder würden im Haushalt des Klägers leben. Die Ehefrau lebe nach ihren eigenen Angaben in der Wohnung getrennt von ihrem Mann und habe die Scheidung eingereicht.
Wegen der weitern Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren wie zum Verfahren 2 A 42/04 sowie die jeweils beigezogenen Vorgänge verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die mit Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 20. August 2003 verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Maßgeblich für diese Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urteil vom 11.06.1996 -1 C 24.94-, BVerwGE 101, 247, 250; Urteil vom 29.09.1998 -1 C 8.96-, InfAuslR 1999, 54, 55).
Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 AuslG wird ausgewiesen, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers durch das Landgericht D. vom 20.12.2000 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in einem Fall stellt einen solchen zwingenden Ausweisungsgrund dar. Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§§ 57 ff StGB) ist für die Anwendung des § 47 Abs. 1 AuslG unerheblich und bleibt auf den Bestand der Ausweisung ohne Einfluss (Kloesel/Christ/Häußer; Deutsches Ausländerrecht; § 47 AuslG, Rn. 16).
Auf eine Ausnahme hiervon kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
Zwar genießt er als anerkannter Asylberechtigter den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 AuslG, denn das entsprechende Widerrufsverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Im Ergebnis steht dies der verfügten Ausweisung jedoch nicht entgegen.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG kann jemand, der, wie der Kläger, als Asylberechtigter anerkannt ist, nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Zudem wandelt sich im Fall des besonderen Ausweisungsschutzes die Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG in eine Regelausweisung , die nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalles ein Ausweisungsermessen eröffnet. In der Zusammenschau sind diese Vorschriften so zu verstehen, dass bei Vorliegen eines besonderen Ausweisungsschutzes von der auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gestützten Ausweisung nur bei einem atypischen Geschehensablauf abgesehen werden darf (BVerwG, Beschluss vom 13.11.1995 -1 B 113.95-, InfAuslR 1996, 103). Damit genügen die in §§ 45, 47 und 48 AuslG getroffenen Abstufungen in Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung sowohl den Vorgaben des Grundgesetzes als auch denjenigen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.03.2004 -2 BvR 1570/03-, NVwZ 2004, 852).
Es liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für die Ausweisung vor. Dies ist der Fall, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Dieses Übergewicht ergibt sich zunächst aus der gesetzlichen Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG, nach der Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel in den Fällen des § 47 Abs. 1 AuslG gegeben sind. Eine Ausnahme von dieser Regel würde eine Ausnahmesituation voraussetzen. Ausnahmefälle sind durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt (BVerwG, Urteil vom 29.09.1998, a.a.O.).
Die insoweit von der Bezirksregierung Braunschweig im Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 angestellten spezial- und generalpräventiven Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
Bei einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken sind erforderlich ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht, das sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (BVerwG, Urteil vom 29.09.1998, a.a.O.; Urteil vom 16.11.1999 -1 C 11.99-, DVBl 2000, 425, 428). Zum Ausweisungsanlass ist das Nötige bereits gesagt.
Es bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides auch die ernsthafte, nicht nur entfernte Möglichkeit erneuter Verfehlungen des Klägers. Die Bezirksregierung Braunschweig hat in ihrem Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger aus reinem Gewinnstreben straffällig geworden ist. Dies hat das Landgericht D. in seinem Urteil vom 20. Dezember 2000 rechtskräftig festgestellt. Die wirtschaftliche Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Tatbegehung unterscheidet sich in Nichts von derjenigen zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, da der Kläger jeweils im Sozialhilfebezug stand. Es stand daher nach wie vor zu befürchten, dass der Kläger seine finanzielle Situation durch die Begehung von Straftaten aufbessern wird. Bezeichnend ist, dass der Kläger ausweislich des fachpsychiatrischen Gutachtens vom 14. Oktober 2001 des Dr. H. vom Nds. Landeskrankenhaus anlässlich der Begutachtung der Frage, ob eine Gefährlichkeit des Klägers fortbesteht, ein Gewinnstreben in Abrede gestellt hat (vgl. Bl. 154 Beiakten K, Az. des Landgerichts D.: BRs 131/01). Diese, in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer wiederholte Einstellung, zeigt nach wie vor fehlende Unrechtseinsicht auf Seiten des Klägers und lässt weitere Straftaten befürchten. Daneben lässt auch die familiäre Situation des Klägers nicht erwarten, dass er künftig straffrei bleiben wird. Denn diese Situation hätte es, worauf die Bezirksregierung Braunschweig zu Recht hinweist, eher noch zur Zeit der Begehung der Straftaten erwarten lassen, dass sich der Kläger rechtstreu verhält. Denn seinerzeit war seine Frau noch nicht lange in der Bundesrepublik Deutschland und das Kind F. gerade geboren. Eine engere familiäre Bindung und Verpflichtung lässt sich kaum denken. Dennoch hat sich der Kläger auch unter diesen Umständen nicht von Straftaten abhalten lassen. Selbst wenn die Ehe des Klägers entgegen den begründeten Vermutungen der Beklagten noch intakt sein sollte, stellte dies für ihn keinen Hinderungsgrund für die Begehung von Straftaten dar (vgl. zu dieser Würdigung in einem vergleichbaren Fall, BVerwG, Urteil vom 29.09.1998, a.a.O., Seite 55).
Die Bezirksregierung Braunschweig hat zutreffend spezialpräventiv auch gewürdigt, dass mehrere polizeiliche Ermittlungen gegen den Kläger wegen schwerwiegender Delikte geführt wurden. Auch wenn es hier nicht zu einer Anklage gekommen ist, beleuchtet dieser Umstand doch, in welchem Maße der Kläger gefährdet ist, strafrechtlich relevant in Erscheinung zu treten. Besonders deutlich, und von der Bezirksregierung Braunschweig insoweit gar nicht gewürdigt, fällt zu Lasten des Klägers ins Gewicht, dass er nur vier Tage nach der Entlassung aus der Haft erneut straffällig geworden ist, indem er ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat.
Zu Lasten des Klägers ist schließlich zu würdigen, dass Dr. H. in dem bereits zitierten Gutachten vom 14. Oktober 2001 bei dem Kläger eine Neigung ausgemacht hat, Aussagen ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts nach taktischen Gesichtspunkten oder nach den mutmaßlichen Erwartungen seines Gegenübers auszurichten. Dies zeige sich beispielsweise darin, dass noch in einem Schreiben vom 31. Juli 2001 sein Rechtsanwalt berichte, Herr C. sei verheiratet und habe vier Kinder, was nach den jetzigen Äußerungen gegenüber dem untersuchenden Arzt falsch, aber vom Kläger nicht korrigiert worden sei. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die fehlenden Bemühungen des Klägers, sich den geltenden Gesetzen entsprechend zu verhalten, wenn er eben diese Lügengeschichte zunächst auch in der mündlichen Verhandlung zum Besten gab und erst auf Vorhalt des Gerichts davon Abstand nahm. Offenbar log der Kläger in der Annahme, es würde ihm zum Vorteil gereichen, wenn er sein Schicksal vor den Augen des Gerichts dramatischer als tatsächlich erscheinen ließe. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die vorzeitige Strafentlassung offenbar allein auf der Aussage des begutachtenden Arztes beruhte, die Legalprognose werde sich auch durch eine längere Inhaftierung nicht bessern.
Auch die von der Bezirksregierung Braunschweig angestellten generalpräventiven Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Genießt ein Ausländer, wie der Kläger, besonderen Ausweisungsschutz, ist eine Ausweisung aus Gründen der Generalprävention nur zulässig, wenn die Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (BVerwG, Beschluss vom 10.01.1995 -1 B 153.94-, InfAuslR 1995, 194, 195; BVerfG, Beschluss vom 25.09.1986 -2 BvR 744/86-, NVwZ 1987, 403). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Besonderheit der besonders schweren Tat des Klägers liegt unter generalpräventiven Gesichtspunkten darin, dass es sich bei dem gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusen von Ausländern um ein ausländerrechtlich spezifisches Delikt handelt, wie schon die Verankerung der Strafnorm in §§ 92 a und b AuslG zeigt. Es dient damit auch und gerade dazu, Ausländern zu verdeutlichen, dass der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland eine illegale Einwanderung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, insbesondere auch solchen des Strafrechts, unterbinden will. Hinzu kommt, dass gerade Ausländer wegen der ihnen durch noch vorhandene Bindungen in den Heimatstaat zur Verfügung stehenden logistischen und sprachlichen Möglichkeiten eher als Bundesbürger in der Lage sind, derartige Straftaten zu begehen. Denn ohne entsprechende organisatorische Vorkehrungen im Heimatstaat, die auch entsprechende Sprachkenntnisse voraussetzen, wird eine Tatbegehung gar nicht erst in Betracht kommen. Rein faktisch sind es damit vor allem ausländische Mitbürger die durch die genannten Straftatbestände von der illegalen Einschleusung anderer abgehalten werden sollen. Dies rechtfertigt es, generalpräventiv gegenüber Ausländern deutlich zu machen, dass ein Verstoß gegen die genannten Straftatbestände auch ausländerrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Zur weiteren Begründung nimmt die Kammer gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und macht sich diese zu eigen. Ein Abweichen von der Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG ist damit nicht geboten. Vielmehr wird diese sowohl durch spezial- wie generalpräventive Erwägungen bestätigt.
Die Bezirksregierung Braunschweig hat ferner rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Kläger gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG auszuweisen war, weil kein Ausnahmefall vorlag, der ein Abweichen von der Regelausweisung zugelassen hätte. Regelfälle sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichgelagerter Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt. Ein Ausnahmefall ist ferner dann gegeben, wenn der Ausweisung auch unter Berücksichtigung des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 AuslG höherrangiges Recht entgegensteht, diese insbesondere mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht in Einklang steht (BVerwG, Urteil vom 29.09.1998, a.a.O.; Urteil vom 19.11.1999, a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 01.03.2004, a.a.O., S. 853) und das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) haben in Übereinstimmung mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. die Nachweise in der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts) verschiedene Kriterien herausgearbeitet, die hier zu berücksichtigen sind. Es sind dies im Wesentlichen, die konkrete Gefahr, dass der Ausländer erneut strafrechtliche Verfehlungen begeht, die Anwesenheitsdauer des Ausländers in der Bundesrepublik und der Stand seiner Integration einerseits, wie andererseits noch bestehende sprachliche und kulturelle Bindungen an den Heimatstaat, die Frage einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz in der Bundesrepublik sowie hier bestehende familiäre Bindungen, die den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK genießen.
Weder die Umstände der Taten, wegen denen der Kläger am 20.Dezember 2000 verurteilt worden ist, noch seine Lebensumstände können eine solche Ausnahmesituation begründen. Auch insoweit folgt die erkennende Kammer im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 20. August 2003 und macht sich diese gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zu eigen.
Mit einer erneuten Straffälligkeit des Klägers muss gerechnet werden. Seine soziale und finanzielle Situation hat sich durch den Verlust der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erheblich verschlechtert. Er räumt selbst ein, dass er und seine Frau erhebliche Probleme wegen seiner Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen beschränkten finanziellen Mittel hätten. Da der Kläger aber bereits mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis seine Möglichkeiten zu einem rechtstreuen Lebenswandel nicht genutzt hat, ist sehr wahrscheinlich, dass er als nur geduldeter Ausländer wieder gegen Gesetze verstoßen wird, sobald er sich daraus Vorteile verspricht. Insoweit kann auf die Ausführungen zu den spezialpräventiven Ausweisungsgründen Bezug genommen werden.
Auch die persönlichen Interessen des Klägers und seiner Familie am Verbleib im Bundesgebiet hat die Bezirksregierung Braunschweig sorgfältig abgewogen. Insbesondere gilt dies für den Schutz des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK. Soweit die Bezirksregierung Braunschweig in ihre Würdigung der familiären Situation zugunsten des Klägers auch die Kinder aus erster Ehe mit einbezieht, ist dies nicht einmal angezeigt gewesen. Denn der Kläger ist , wie oben dargelegt, nicht der Vater dieser Kinder.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.