Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.11.2004, Az.: 2 A 410/03

Arbeitsgelegenheit; Beschaffung des Lebensunterhalts; Bruttolohnkosten; Darlehen; Hilfe zur Arbeit; Interessenwahrungsgrundsatz; Kostenerstattungsanspruch; Sozialhilfeträger

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.11.2004
Aktenzeichen
2 A 410/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50802
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen, die er dem am M. geborenen N. G., seiner am O. geborenen Ehefrau P. sowie deren gemeinsamem Sohn Q. (geboren am R.) zwischen dem 21.11.2001 und dem 07.01.2003 gewährt hat.

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Die Familie G. - Spätaussiedler aus Kasachstan - befand sich seit 1996 in Deutschland, wohnte seit 1999 in D. und erhielt dort laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, die in den letzten Monaten nur noch ergänzend gewährt wurde, weil N. G. eine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer (Schlosser/Produktionshelfer) gefunden hatte. Die Familie zog am 01.11.2001 nach C. /S.. N. G. hatte sich dort im September 2001 (wohl mündlich) um eine Anstellung bei einer Firma T. beworben, bei der er rund 1.600,- € monatlich verdienen sollte. Die Firma T. hielt diese Zusage jedoch offenbar nicht ein, woraufhin sich N. G. ausweislich zweier Vermerke in dem Vorgang des Klägers noch im Oktober 2001 (vergeblich) bei drei anderen Firmen und am 13.11.2001 nochmals (ebenfalls vergeblich) bei der Firma T. bewarb.

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Am 19.11.2001 beantragte N. G. bei dem Kläger die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Am selben Tage erstellte dessen Arbeitsmarktagentur ein Persönlichkeitsprofil. In dem entsprechenden Vermerk heißt es unter anderem:

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„G. zieht in den A. und bezieht wg. Arbeitsplatzaufgabe eine Sperre vom Arbeitsamt. Er verfügt über keinen zertifizierten deutschen Schulabschluss, sondern ausschließlich über Teilqualifizierungszertifikate im Bereich Metallbearbeitung/Elektro, erworben über die Arbeitsverwaltung über Bildungsmaßnahmen. In seiner Heimat war er als Traktorist tätig. Herr G. verfügt über mäßige deutsche Sprachkenntnisse, ungenügende Lese- und unzureichende Rechtschreibkenntnisse. Er besitzt den Führerschein Klasse B.

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Herr G. wohnt mit seiner Familie im Problemviertel der Stadt C. (Spätaussiedler dominant) und kann sich deshalb sprachlich nicht integrieren. Sein äußeres Erscheinungsbild zeigt einen einfachen kasachischen Landarbeiter mit regelmäßigem Alkohollabusus, möglicherweise bereits chronisch. Eine Suchtverhaltenseinsichtigkeit und eine entsprechende Selbsteinschätzung seinerseits besteht nicht. Der Alkoholmissbrauch hängt sehr wahrscheinlich mit seinem sozialen Abstieg zusammen.

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Um einem weiteren drohenden sozialen Abstieg entgegenzuwirken, soll er deshalb an einer Beschäftigungsmaßnahme der Stadt teilnehmen, die ihn persönlich und sozial so weit festigen soll, dass er sich erfolgreich um eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bewerben kann.

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Die Leitung des Bauhofs C. wurde über die persönlichen Probleme des Herrn G. in Kenntnis gesetzt und wird sich hierauf speziell einstellen und versuchen, ihm Arbeitsdisziplin, Pünktlichkeit und den Erwerb kollektiver Arbeitsweise mit seinen Kollegen zu vermitteln. Der Leiter des Bauhofs wird uns über den Entwicklungsstand regelmäßig in Kenntnis setzen, ggf. auch mit vorzeitiger Kündigung in der Probezeit.“

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In einem Vermerk vom 21.11.2001 hielt der Sachbearbeiter (U.) jedoch u.a. Folgendes fest:

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„Schulbildung: Hauptschule,

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Berufsausbildung: Dreher,

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Gesundheitliche Einschränkungen: nein (angekreuzt)

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Familiäre Einschränkungen: nein (angekreuzt)

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KE § 107 BSHG D.“.

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Diese Angaben entsprachen im wesentlichen denen des Herrn G. in seinem Sozialhilfegrundantrag.

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Unter dem 27.11.2001 bat der Kläger die Stadt C. /S. schriftlich, eine entsprechende Beschäftigungsmaßnahme „gemäß § 19 BSHG (Vertragsvariante)“ einzurichten. Der Arbeitsvertrag zwischen der Stadt C. /S. und N. G. wurde am 11.12.2001 für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 07.01.2003 geschlossen. Er wurde in diesem Zeitraum nicht gekündigt.

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Bereits am 20.11.2001 unterschrieben die Eheleute G. ein Protokoll mit u.a. folgendem Inhalt:

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„Ich bitte um Zuweisung einer neuen Arbeitsstelle ... Ab 17.01. bis 21.10.2001 stand ich in einem Arbeitsverhältnis. Die HLU wird deshalb gemäß § 15 b BHSG darlehensweise gewährt“.

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Der Kläger gewährte der Familie G. für den Zeitraum vom 21.11.2001 bis zum 31.01.2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt sowie besonderen Mietzuschuss - nicht als Darlehen -, und zwar im November 2001 455,42 €, im Dezember 2001 1.095,32 € und im Januar 2002 2.776,29 €. Im November 2001 wurde außerdem eine Beihilfe für Winterbekleidung in Höhe von 785,- € gewährt. Für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 07.01.2003 erstattete der Kläger der Stadt C. /S. die anfallenden Arbeitgeberbruttolohnkosten ohne Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zur Zusatzversorgungskasse. Dieser sogenannte Lohnkostenzuschuss machte insgesamt einen Betrag von 28.221,62 € aus. Die Hilfe zum Lebensunterhalt für den Januar 2002 wurde gewährt, weil Herrn G. der erste Lohn (für Januar 2002) erst Ende des Monats Januar oder Anfang Februar ausgezahlt wurde. Das Arbeitsamt V. (Geschäftsstelle W.) verhängte wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes D. durch Herrn G. eine Sperrzeit bis zum 31.12.2001; ab 01.01.2002 hätte ihm Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 151,90 € zugestanden.

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Unter dem 22.11.2001 machte der Kläger bei der namens und im Auftrag des Beklagten handelnden Stadt D. Kostenerstattungsanspruch gemäß § 107 BSHG geltend. Die Stadt D. erkannte diesen Anspruch unter dem 17.12.2001 dem Grunde nach an, soweit die Hilfe § 111 BSHG entspreche. Am 09.08.2002 stellte der Kläger der Stadt D. zunächst 14.569,37 € in Rechnung. Nach Prüfung der Unterlagen lehnte die Stadt D. den Antrag unter dem 30.10.2002 mit der Begründung ab, zum einen stehe nicht fest, dass N. G. keine Arbeit hätte finden können, so dass die Voraussetzungen von § 19 BSHG nicht vorgelegen hätten, zum anderen hätte wegen der vom Arbeitsamt festgesetzten Sperrzeit ein Anspruch gemäß § 92 a BSHG geprüft werden müssen. Im dem sich anschließenden Schriftverkehr wies der Kläger darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit im Arbeitsamtsbezirk V. im Herbst 2001 15,8 % betragen habe und die Familie G. ohne die vermittelte Arbeitsmöglichkeit auch nach dem 01.01.2002 sozialhilfeabhängig geblieben wäre. Die Stadt D. blieb bei ihrer ablehnenden Haltung. Unter dem 12.02.2003 machte der Kläger nunmehr den streitbefangenen Gesamtbetrag geltend. Die Stadt D. erwiderte darauf nicht mehr.

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Am 04.11.2003 hat der Kläger Klage erhoben, die sich zunächst gegen die Stadt D. gerichtet hat und mit Schriftsatz vom 19.11.2003 auf den Beklagten umgestellt worden ist. Er macht geltend: Im Falle des Herrn G. habe nur eine gezielte Beschäftigungsmaßnahme Aussicht auf Erfolg gehabt, die gemäß § 19 Abs. 2 (und nicht nach Abs. 1) BSHG getroffen worden sei; das Fehlen geeigneter Stellen auf dem freien Arbeitsmarkt sei dem Sachbearbeiter bekannt gewesen; die Arbeitsmarktagentur sei ein Bindeglied zwischen Arbeits- und Sozialverwaltung und entspreche den durch die Hartz-Gesetze angestrebten Arbeitsgemeinschaften.

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Er beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für der Familie N. G. gewährte Sozialhilfeaufwendungen 30.793,65 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor: N. G. sei im November 2001 erst 27 Jahre alt gewesen, habe eine Ausbildung als Dreher genossen, unterliege keinen familiären und gesundheitlichen Einschränkungen, sei motiviert und in Vollzeit einsetzbar; in diesem Falle hätte der Kläger nicht sofort eine Maßnahme nach § 19 BSHG veranlassen dürfen, sondern abwarten müssen, ob N. G. Arbeit finden würde bzw. ihn zur Arbeitssuche veranlassen müssen; die Qualifikation der Arbeitsmarktagentur werde bestritten; im Übrigen hätte Herr G. auch eine Stelle in Südniedersachsen annehmen können, die er bereits innegehabt und sogar selbst gefunden habe; erfolglose Arbeitsbemühungen des Herrn G. würden bestritten werden; im übrigen habe er wegen der ab 01.01.2002 ihm zustehenden Arbeitslosenhilfe nicht selbst zu dem Personenkreis des § 19 BSHG gehört; wäre die Sperrzeit nicht rechtmäßig ausgesprochen worden, hätte der Kläger N. G. raten müssen, gegen sie vorzugehen; wäre sie jedoch rechtmäßig gewesen, sei ein Fall des § 92 a BSHG gegeben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringen der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Stadt D. Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch steht dem Kläger nicht zu.

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Gemäß § 107 Abs. 1 BSHG ist, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderliche Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne von § 97 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Die Verpflichtung endet gemäß § 107 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes spätestens nach Ablauf von 2 Jahren seit dem Aufenthaltswechsel. Nach § 111 Abs. 1 BHSG sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht, wobei die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe gelten, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen. Kosten unter 2.560,- € bezogen auf einen Zeitraum der Leistungsgewährung von bis zu 12 Monaten sind gemäß § 111 Abs. .2 BSHG außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungsgewährung nach § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG nicht zu erstatten. Die Begrenzung auf 2.560,- € gilt, wenn die Kosten für die Mitglieder eines Haushalts im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG zu erstatten sind, abweichend von S. 1 für die Mitglieder des Haushalts zusammen.

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Der von dem Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch - dessen Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind - scheitert daran, dass die der Familie G. geleistete Sozialhilfe dem BSHG nicht entsprochen hat.

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§ 111 Abs. 1 BHSG nimmt rechtswidrig gewährte Sozialhilfeleistungen von der Erstattungspflicht aus. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn unberechtigte Nachzahlungen erfolgt sind, der Einkommens- und Vermögenseinsatz nicht gefordert wurde, Überleitungsanzeigen oder Erstattungsansprüche nicht verfolgt wurden oder soweit Leistungen freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Grundlage gewährt wurden. Aus § 111 Abs. 1 BSHG ist zudem der sogenannte Interessenwahrungsgrundsatz abzuleiten. Dieser besagt, dass der die Hilfe gewährende Träger bei der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe und bei ihrer Durchführung die Interessen des kostenerstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers zu wahren hat. Er hat alle nach Lage des Einzelfalls zumutbaren und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.01.2002 - 4 L 4201/00 - FEVS 54, Seite 171). Er hat ferner so zu handeln, als verbleibe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst, darf also nicht Leistungen lediglich im Hinblick auf die Kostenerstattungspflicht des § 107 BSHG erbringen, die er sonst nicht erbracht hätte (OVG Münster, Beschluss vom 18.09.2003 - 12 A 3945/01 - NDV-RD 2004, Seite 65). Diese „Haftung“ des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers für rechtswidriges Verhalten bringt es mit sich, dass er auch das Risiko der Unaufklärbarkeit eines Geschehensablaufs zu tragen hat - wenn also nicht feststellbar ist, wie sich der Hilfefall entwickelt hätte, wenn ein Rechtsverstoß nicht erfolgt wäre (vgl. Mergler/Zink, BSHG § 111, RN 10 a). Denn zum einen stellt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, dass derjenige, der einen Anspruch erhebt, auch die materielle Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt; zum anderen darf nicht außer acht gelassen werden, dass der Erstattungspflichtige regelmäßig keinen Einfluss auf das Verhalten des erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgers hat (ebenso Urteile der Kammer vom 24.03.2004 - 2 A 200/03 - und vom 01.09.2004 - 2 A 197/03 -).

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Die Übernahme der Arbeitgeber-Bruttolohnkosten (mit geringfügigen Abschlägen) gegenüber der Stadt C. /S. gemäß § 19 BSHG war rechtswidrig.

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Nach § 18 Abs. 1 BSHG muss jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einsetzen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet. Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, sind zur Annahme einer für sie zumutbaren Arbeitsgelegenheit nach § 19 oder § 20 BSHG verpflichtet. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift kann, soweit es im Einzelfall geboten ist, auch durch Zuschüsse an den Arbeitgeber sowie durch sonstige geeignete Maßnahmen darauf hingewirkt werden, dass der Hilfeempfänger Arbeit findet. Ergänzend gilt § 19 Abs. 1 BSHG. Diese Vorschrift bestimmt, dass für Hilfesuchende, insbesondere für junge Menschen, die keine Arbeit finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden sollen, dass zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsgelegenheiten auch Kosten übernommen werden können und dass die Arbeitsgelegenheiten in der Regel von vorübergehender Dauer und für eine bessere Eingliederung des Hilfesuchenden in das Arbeitsleben geeignet sein müssen. § 19 Abs. 2 BSHG sieht ferner vor, dass, wenn für den Hilfesuchenden Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen wird, ihm entweder das übliche Arbeitsentgelt oder Hilfe zum Lebensunterhalt zzgl. einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt werden kann. Zusätzlich ist nur die Arbeit, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht in diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde. Von dem Erfordernis der Zusätzlichkeit kann im Einzelfall abgesehen werden, wenn dadurch die Eingliederung in das Arbeitsleben besser gefördert wird oder dies nach den besonderen Verhältnissen des Leistungsberechtigten und seiner Familie geboten ist. Nach § 18 oder nach § 19 BSHG geleistete Kosten sind Sozialhilfeleistungen, für die ohne weiteres § 107 BSHG gilt (vgl. OVG Lüneburg, Beschuss vom 16.01.2002 - 4 L 4201/00 - FEVS 4050, Seite 171; VGH Kassel, Urteil vom 27.03.2003 - 2 E 2530/00 (1) - NDV-RD 2004, S. 112).

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Die Kammer ist mit dem Beklagten der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von § 19 BSHG hier nicht vorgelegen haben. Allerdings gehört N. G. zu dem in dieser Vorschrift angesprochenen Personenkreis, denn die ihm ab Januar 2002 zustehende Arbeitslosenhilfe konnte den notwendigen Lebensunterhalt seiner Familie (§§ 18 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 2 BSHG) nicht sicherstellen. Auch wenn man davon ausgeht, dass - was der Beklagte allerdings bestreitet - die Familie G. tatsächlich im Vertrauen auf einen Arbeitsplatz bei einer Firma X. von D. nach C. (S.) gezogen ist, und dass sich N. G., nachdem sich herauskristallisiert hatte, dass diese Zusage nicht eingehalten würde, bei drei weiteren Firmen in der Gegend beworben und sich nach dem Umzug nach C. (S.) nochmals schriftlich an die Firma X. gewandt hat, dass ferner die Arbeitsmarktlage im September 2001 im allgemeinen und in Nordhessen besonders schlecht war, durfte der Kläger jedoch nicht unterstellen, dass N. G. Mitte November 2001 keine Arbeit finden konnte. Im Grundsatz ist eine solche Prognose (die der Kläger auch unter Wahrung der Interessen des Beklagten anzustellen hatte) erst möglich, wenn der Hilfesuchende bereits geraume Zeit arbeitslos war, obwohl er seiner Pflicht nach § 18 Abs. 1 BSHG nachgekommen ist (vgl. Krahmer in LPK-BSHG, 6. Aufl., § 19, RN 2 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass N. G. sich bereits in der Vergangenheit erfolgreich um Arbeit bemüht hatte und dass er nach eigenen Angaben und denen des Sachbearbeiters einen Berufsabschluss als Dreher hatte. Bei dieser Konstellation hätte zunächst die weitere Entwicklung über einige Monate abgewartet werden müssen, bevor (zu Lasten des Beklagten) eine vollwertige Arbeitsstelle geschaffen wurde. Die Kammer misst übrigens bei dieser Beurteilung dem von der Arbeitsmarktagentur des Klägers am 19.11.2001 erstellten Persönlichkeitsprofil über N. G. keinerlei rechtliche Bedeutung zu: es enthält „Feststellungen“, die dem Akteninhalt widersprechen (betreffend die berufliche Qualifikation des Herrn G.) und Wertungen, die selbst von Fachleuten erst nach eingehender Untersuchung und längerer Beobachtung eines Probanden getroffen werden können (betreffend seine soziale Kompetenz und sein soziales Verhalten), hier aber bereits bei der erstmaligen Vorsprache des Hilfesuchenden aufgestellt worden sind.

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Die Kammer ist ferner nicht davon überzeugt, dass der Kläger hier eine Maßnahme nach § 19 Abs. 2 BSHG getroffen hat. Aus seinem Anschreiben an die Stadt C. (S.) vom 27.11.2001 und dem sonstigen Akteninhalt ergibt sich das nicht eindeutig. Dafür spricht nur die Wendung „Vertragsvariante“; Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die „HLU-Variante“ überhaupt erwogen hat, dass es sich um die Tätigkeit des Herrn G. auf dem Bauhof der Stadt C. (S.) um eine gemeinnützige Arbeit gehandelt hat und dass diese entweder zusätzlich oder wegen der besonderen Situation der Familie G. geboten war, bestehen nicht. Im Übrigen ist kein Verwaltungsakt ergangen, mit dem Herr G. zur Leistung gemeinnütziger Arbeit herangezogen wurde (vgl. dazu VGH München, Urteil vom 24.09.1998 - 12 -B 96.400 - FEVS 49, 467 m.w.N.).

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Handelte es sich aber um eine Maßnahme nach § 19 Abs. 1 des Gesetzes, so ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass es § 19 Abs. 1 S. 2 BSHG nicht erlaubt, die gesamten Bruttolohnkosten einer Maßnahme zu übernehmen. Aus der Formulierung „es können auch Kosten übernommen werden“ ist vielmehr zu folgern, dass (ähnlich wie in Anwendung von § 18 Abs. 4 BSHG) durch Übernahme bestimmter Kosten lediglich Anreize dafür geschaffen werden können, dass eine Arbeitsgelegenheit geschaffen wird. So können etwa die notwendigen Mittel für Verwaltungspersonal, Kosten für Sachmittel der Einrichtung, Aufwendungen für Fachpersonal zur Betreuung und Einarbeitungszuschüsse zu den Lohnkosten übernommen werden (vgl. Krahmer, a.a.O., § 18, RN 10 a; Schellhorn, BSHG, 16. Auflage., § 19 RN 6 a; Mergler/Zink, a.a.O., § 19 RN 4 a, der aus der amtlichen Begründung zitiert). Die nahezu vollständige Übernahme der Bruttolohnkosten stellt im Ergebnis nicht eine Leistung gegenüber dem Sozialhilfeempfänger dar, sondern eine Subventionierung des Arbeitgebers (ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 22.04.2002 - 7 S 531/02 - FEVS 53, Seite 527). Die von dem Kläger an die Stadt C. (S.) gezahlten Beträge übersteigen im Übrigen die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, die der Familie G. zugestanden hätte, um ein Vielfaches. Auch diesen Umstand hätte der Kläger - wenn er die Interessen des Beklagten hätte wahren wollen - berücksichtigen müssen. Dieser Einwand greift auch durch, wenn tatsächlich - entgegen der Annahme des Gerichts - eine Maßnahme nach § 19 Abs. 2 BSHG getroffen wurde.

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Mithin ist die gesamte der Familie G. geleistete Hilfe zur Arbeit (von Januar 2002 bis Januar 2003) im Sinne von § 111 BSHG rechtswidrig erfolgt. Da nicht festgestellt werden kann, was geschehen wäre, wenn sich der Kläger insoweit rechtmäßig verhalten hätte, steht ihm ein diesbezüglicher Erstattungsanspruch (in Höhe von 28.221,62 €) nicht zu.

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Auch die der Familie G. zwischen dem 21.11.2001 und dem 31.01.2002 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Barleistungen (in Höhe von insgesamt 2.572,03 €) war im Sinne von § 111 BSHG rechtswidrig, weil der Kläger insoweit - ebenfalls - den Interessenwahrungsgrundsatz nicht beachtet hat. Er wusste bereits bei Erlass des ersten Bewilligungsbescheides am 21.11.2001 definitiv, dass N. G. (spätestens) Anfang Januar 2002 eine Arbeitsstelle haben würde, die ihn und seine Familie von Sozialhilfe unabhängig machen würde, dass mithin laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nur für kurze Zeit zu gewähren sein würden. In einem solchen Fall ermöglicht § 15 b BSHG die Gewährung von Geldleistungen als Darlehen. Diese Variante lag hier um so näher, als auch bekannt war, dass das Einkommen des Herrn G. den Sozialhilfebedarf seiner Familie ab Januar 2002 deutlich übersteigen würde, ihm die Rückzahlung des Darlehens also problemlos möglich sein würde. Der Darlehensrückgewähranspruch geht aber dem Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG vor. Der Kläger hat ausweislich des im Tatbestand zitierten Vermerks vom 20.11.2001 auch vorgehabt, § 15 b BSHG anzuwenden. Warum er es nicht getan hat, ist unerfindlich. Seine Vorgehensweise verstößt jedenfalls deutlich gegen den Interessenwahrungsgrundsatz.

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Da die Klage bereits aus den dargelegten Gründen insgesamt abzuweisen ist, kommt es auf die Fragen, ob der Kläger noch im Januar 2002 Barleistungen an die Familie G. erbringen durfte, obwohl Herrn G. für diesen Monat bereits Arbeitslohn zustand (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.02.2004 - 5 C 68.03 - NJW 2004, Seite 2608 [BVerwG 22.04.2004 - BVerwG 5 C 68.03]), und ob es der Kläger angesichts der vom Arbeitsamt verhängten Sperrzeit zu Unrecht versäumt hat, einen Erstattungsanspruch gegen Herrn G. gemäß § 92 a BSHG wegen schuldhafter Herbeiführung seiner Bedürftigkeit - der dem Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG ebenfalls vorgehen würde - geltend zu machen, nicht mehr an. Auch ist über den geltend gemachten Zinsanspruch nicht zu befinden.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.