Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.06.2014, Az.: 1 KN 136/12

Abwägung; Betroffenheit; Hochwasser; Hochwasserschutz; Planung; Überschwemmungsgebiet; festgesetztes Überschwemmungsgebiet; natürliches Überschwemmungsgebiet; vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.06.2014
Aktenzeichen
1 KN 136/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die planende Gemeinde kann grundsätzlich solche Betroffenheiten unberücksichtigt lassen, die sich unmittelbar erst in anderen regelmäßig späteren Planungen mit anderem Geltungsbereich realisieren; die Abwägung der betroffenen Eigentümerbelange ist dann erst in diesem Stadium vorzunehmen (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 140, 41 = BRS 78 Nr. 68).

2. Auf die Belange des Hochwasserschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB) ist auch dann Rücksicht zu nehmen, wenn lediglich ein natürliches Überschwemmungsgebiet betroffen ist.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 21. Mai 2012 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 146 „Verlegung der Straße Langer Damm“ wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen den im Betreff genannten Bebauungsplan im Wesentlichen mit dem Einwand, dass die Verlegung der Straße Langer Damm nicht Gründe der Verkehrssicherheit, sondern das Ziel der Erweiterung des Betriebs der Beigeladenen verfolge. Darüber hinaus sehen sie sich durch die Planung unzumutbaren Immissionen ausgesetzt.

Die Antragstellerin zu 1) ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus, einem Reitstall mit zwei Wohnungen und einem Außenreitplatz bebauten Grundstücks P. 20/21a in J.. Der Reitstall und der etwa 3.000 m² große Außenreitplatz liegen im südlichen Bereich des Grundstücks, das Wohnhaus im Norden. Die Antragstellerin zu 2) ist die Pächterin dieser Reitanlage und Mieterin der im Stallgebäude liegenden beiden Wohnungen. Sie hält dort eigene Pferde und betreibt einen Pensionsreitstall mit 21 Pferdeboxen.

Die Antragstellerin zu 3) ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Q. 2, die Antragstellerin zu 4) des Nachbarwohnhauses Q. 1. Diese Grundstücke liegen in einer Entfernung von etwa 60 m östlich des Betriebs der Beigeladenen und grenzen straßenseitig an den Q., der vor Realisierung der Planung in nördlicher Richtung auf den R. Damm führte.

Die Beigeladene verarbeitet in ihrem 1927 gegründeten Erden- und Substratwerk Torf zu verkaufsfertigen Substraten. Sie verfügt über Torfabbaurechte im einige Kilometer entfernt liegenden J. er/Oyther Moor; vom Betriebsgelände aus erschließt eine Moorbahn die Vorkommen. Das Werk selbst wird über den R. Damm angebunden.

Mit dem angegriffenen Bebauungsplan wird der in West-Ostrichtung verlaufende Lange Damm in seinem rund 400 m langen westlichen Endstück um etwa 50 bis 80 m nach Norden verlegt. Geplant sind eine Straßenbreite von 16 m sowie ein einseitiger Radweg. Westlich soll die Straße Langer Damm (neu) etwa 50 m nördlicher als die bestehende Straße auf die Straße P. (K 255) münden. In seinem östlichen Verlauf schließt der Lange Damm (neu) westlich des J. er Moorbachs wieder an die alte Trasse an. Das Grundstück der Antragstellerin zu 1) grenzt mit seiner Südseite an die geplante Straße Langer Damm (neu). Entlang der Straße Langer Damm (neu), beginnend auf der Höhe des Außenreitstalles der Antragstellerin zu 1), ist auf der nördlichen Straßenseite eine in östlicher Richtung verlaufende 3 m hohe und etwa 140 m lange Schall- und Sichtschutzwand festgesetzt. Der Lange Damm (alt) dient künftig allein der Erschließung des Betriebs der Beigeladenen.

Vorgesehen ist ferner, den Q. in seinem nördlichen Verlauf von der Straße Langer Damm abzubinden. Er endet nunmehr in seinem nordöstlichen Verlauf in etwa 50 m Entfernung von dem Wohnhaus der Antragstellerin zu 4) in einem Wendehammer. Ersatzweise soll von der Straße Langer Damm (neu) zunächst eine in südlicher Richtung über das Privatgrundstück der Beigeladenen verlaufende, 7 m breite, mit einem Geh-, Fahr- und Leitungsrecht zugunsten der Anlieger und der Versorgungsträger belastete Fläche als Straße abzweigen, die bislang als Feldweg genutzt wird. Diese soll auf eine Fahrbahnbreite von 3 m ausgebaut werden und die Grundstücke der Antragstellerinnen zu 3) und zu 4) erschließen. Langfristig - nämlich nach einer Erweiterung des Betriebs der Beigeladenen in östlicher Richtung - sollen die vorgenannten Grundstücke über eine neu zu bauende Planstraße A erschlossen werden, die weiter östlich von der Straße Langer Damm (neu) in südlicher Richtung abzweigt und auf den bisherigen Q. führt. Der Bebauungsplan setzt östlich der Grundstücke der Antragstellerinnen zu 3) und 4) eine Fläche für Ersatz und Ausgleich fest.

Ausweislich der Planbegründung bezweckt der Plan allein eine Entflechtung des öffentlichen Verkehrs und des Werksverkehr der Beigeladenen. In der Vergangenheit habe der Betrieb der Beigeladenen sein Gelände kontinuierlich erweitert und dieses in nördlicher Richtung über die Straße Langer Damm ausgedehnt; die dort gelegene Fläche werde als Lagerplatz sowie als Platz für die Verladung von Fertigprodukten genutzt. Ergebnis dieser Entwicklung sei, dass die Straße Langer Damm übermäßig in die betriebliche Verkehrsabwicklung eingebunden sei. Der Straßenraum im Bereich des Betriebs werde umfangreich als Verkehrsfläche durch LKW-Auflieger mit einer Länge von ca. 16 m genutzt; zudem ergebe sich Querverkehr durch Gabelstapler. Beides führe zu Verkehrsbehinderungen und Gefahren insbesondere für Radfahrer und Fußgänger. Die Planung trenne deshalb die sich kreuzenden öffentlichen und betrieblichen Verkehre. Zudem solle die verkehrliche Erschließung der Grundstücke am Q., deren Erschließung bislang das Betriebsgelände tangiere, neu geregelt werden.

Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 5. April 2011 die Planaufstellung und die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit. In der Zeit vom 6. Dezember 2011 bis zum 9. Januar 2012 lag der Plan öffentlich aus. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen erhob daraufhin mit Schreiben vom 9. Januar 2012 - bei der Antragsgegnerin vorab per Telefax am selben Tag eingegangen - umfangreiche Einwendungen gegen den Planentwurf. Insbesondere rügte er, das tatsächliche Planungsziel, dem Betrieb der Beigeladenen eine weitflächige Erweiterung zu ermöglichen, werde verschleiert. Mit den daraus erwachsenden Problemen - insbesondere den resultierenden Lärm- und Staubimmissionen - setze sich der Plan nicht auseinander; das sei abwägungsfehlerhaft. Ferner sei die Gewichtung der wechselseitigen Interessen fehlerhaft. Die Verkehrsprobleme seien eine Folge einer rechtswidrigen Nutzung der nördlich des R. Damms gelegenen Betriebsflächen, der die Antragsgegnerin ordnungsrechtlich begegnen könne. Demgegenüber würden die Antragstellerinnen zu 1) und 2) erhöhtem und zudem fehlerhaft ermitteltem Verkehrslärm ausgesetzt. Das beeinträchtige die Nutzbarkeit der Reitanlage, dessen Verlegung nicht in Betracht komme. Die vorgesehene Lärmschutzwand sei nicht ausreichend und entfalte im Gegenteil erdrückende Wirkung. Für die Antragstellerinnen zu 3) und 4) verschlechtere sich infolge der Planung die Erschließungssituation. Die öffentliche Erschließung über den Q. entfalle zugunsten einer „provisorischen“ Anbindung mittels einer über das Privatgrundstück der Beigeladenen führenden Verbindungsstraße. Ob die Planstraße A gebaut werde, sei unsicher. Die Planung werde schließlich den Anforderungen des Hochwasserschutzes im Hinblick auf die von dem J. er Moorbach ausgehenden Überschwemmungen nicht gerecht.

Die vorstehenden Einwendungen wies der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 21. Mai 2012 im Wesentlichen zurück. Gegenüber der Auslegungsfassung nahm er einzelne, die Ausgleichsfläche sowie die Lärmschutzwand betreffende Änderungen vor; mit diesen Änderungen beschloss er den Bebauungsplan als Satzung. Der Plan wurde am 2. August 2012 ortsüblich bekannt gemacht.

Die Antragstellerinnen haben am 8. August 2012 Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung wiederholen sie ihre im Planaufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen. Ergänzend tragen sie vor: Sie seien als direkte Anlieger des Plangebietes antragsbefugt. Die Antragstellerinnen zu 1) und 2) hätten erheblichen Verkehrs- und Gewerbelärm sowie optische Störungen zu erwarten, die die wirtschaftliche Existenz des Reitbetriebes gefährdeten. Die Sicht- und Lärmschutzwand könne einen ausreichenden Schutz der Reitanlage vor Bremsgeräuschen von Kraftfahrzeugen nicht gewährleisten. Da Pferd und Reiter bei einem Sprung als Paar eine Gesamthöhe von über 4 m erreichten, sei die 3 m hohe Wand ungeeignet, den Reitbetrieb zu schützen. Die Antragstellerinnen zu 3) und 4) leiten die Antragsbefugnis aus ihrem abwägungsrelevanten Interesse, von - mit der Betriebserweiterung einhergehenden - unzumutbaren Geräusch- und Staubimmissionen verschont zu bleiben, ab. Darüber hinaus werde sich ihre Erschließungssituation nachteilig verändern. In der Sache rügen die Antragstellerinnen die Änderung des Plans nach der Auslegung; eine erneute öffentliche Auslegung sei geboten gewesen. Der Plan sei nicht erforderlich, weil die verkehrstechnischen Probleme auf dem R. Damm zwischenzeitlich gelöst worden seien. Mit der an die Beigeladene gerichteten Untersagung, die Parzelle nördlich des R. Damms als Lager- und Verladeplatz zu nutzen, habe sich die verkehrliche Situation entspannt. Die Planbegründung gehe weiterhin davon aus, dass das Plangebiet nicht im Überschwemmungsgebiet des J. er Moorbaches liege. Dies treffe nach den vorläufigen Untersuchungen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) nicht zu. Bereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses habe der östliche Teil des Plangebiets im faktischen Überschwemmungsgebiet gelegen. Mittlerweile sei der Bereich als vorläufiges Überschwemmungsgebiet gesichert. Dementsprechend liege ein Verstoß gegen das Gebot, Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten, vor.

Die Antragstellerinnen beantragen,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 21. Mai 2012 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 146 „Verlegung der Straße Langer Damm“ für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt den Ausführungen entgegen und hält den Antrag bereits für unzulässig, weil der Plan keine beachtlichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft habe. Den Belangen der Antragstellerinnen zu 1) und 2) sei durch die festgesetzte Lärmschutzwand Genüge getan. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Reitplatz baurechtlich nicht genehmigt sei und nicht die Abwehransprüche habe, die einem genehmigten Vorhaben zustünden. Die Antragstellerinnen zu 3) und 4) lägen weit ab von der Straße Langer Damm. Sie wendeten sich maßgeblich gegen die Erweiterung des Betriebsgeländes der Beigeladenen; diese sei nicht Plangegenstand, sondern allenfalls mittelbare Folge der Straßenverlegung. Der Plan finde seine Rechtfertigung in der Behebung von straßenverkehrlichen Problemen und sei deshalb über seine Grenzen hinaus nicht zu erweitern. Der Antrag sei auch unbegründet. Eine erneute Offenlage sei nicht erforderlich, die Änderungen seien lediglich redaktioneller Art gewesen. Die genaue Abgrenzung des Überschwemmungsgebiets des J. er Moorbachs stehe aufgrund der bloß vorläufigen Sicherung noch nicht fest. Zudem führe die geländegleiche Straßenführung nicht zu einem Abflusshindernis.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich in der Sache nicht.

Mit Beschluss vom 8. November 2012 - 1 MN 153/12 - hatte der Senat einen Normenkontrolleilantrag der Antragstellerinnen abgelehnt; die neue Straßenführung des R. Damms ist mittlerweile fertig gestellt und unter Verkehr. Die Realisierung der Planstraße A steht noch aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.

Der Antrag ist zulässig; insbesondere sind alle Antragstellerinnen antragsbefugt.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch eine Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, einen Normenkontrollantrag stellen. An die Geltendmachung einer - möglichen - Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend ist, wenn der jeweilige Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8 = BVerwGE 107, 215 = BRS 60 Nr. 46; Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 -, juris Rn. 9 = NVwZ 2004, 1120 = BRS 67 Nr. 51; stRspr.).

Der Eigentümer eines - wie hier - außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, a.a.O., Rn. 15 ff.). Der Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren kann sich deshalb im Rahmen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch darauf berufen, dass seine abwägungsrelevanten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Macht er eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Beachtlich sind nur die privaten Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind hiernach insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, a.a.O., Rn. 12; Urt. v. 30.4.2004, a.a.O., Rn. 9; stRspr.).

Dies zugrunde gelegt, folgt die Antragsbefugnis der Antragstellerinnen zu 1) und 2) aus ihrem Interesse, von zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu bleiben. Dieses Interesse stellt einen abwägungserheblichen Belang dar, weil die gutachterlich ermittelte Pegelerhöhung von bis zu 3 dB(A) nicht geringfügig ist. Abwägungsrelevant sind zudem die Auswirkungen des Verkehrs auf den Reitplatz. Für diesen liegt zwar keine Baugenehmigung vor. Der Reitplatz ist jedoch in zeitlichem Zusammenhang mit den Stallungen Anfang der 1970er-Jahre vor dem Inkrafttreten der NBauO errichtet worden; zu diesem Zeitpunkt war die Anlage eines solchen Platzes nach der damals maßgeblichen Verordnung über das Bauwesen für den niedersächsischen Verwaltungsbezirk Oldenburg vom 27. Dezember 1967 nach Mitteilung des Landkreises J. vom 10. Dezember 2012 nicht genehmigungspflichtig. Dass ein Verstoß gegen materielles Baurecht vorlag bzw. vorliegt, ist nicht ersichtlich.

Zulässig ist auch der Antrag der Antragstellerinnen zu 3) und 4).

Seine Zulässigkeit folgt allerdings nicht aus ihrem Interesse, von den bei einer Erweiterung des Betriebs der Beigeladenen entstehenden Lärm- und Staubbelastungen verschont zu bleiben. Da der Bebauungsplan eine solche Erweiterung nicht ermöglicht, sind die Folgen einer solchen, gegebenenfalls auf einen weiteren Bebauungsplan oder aber eine Beurteilung nach § 35 BauGB angewiesenen Erweiterung nicht abwägungserheblich. Müsste die Gemeinde nämlich bereits bei Aufstellung eines Bebauungsplans die Möglichkeit einer späteren Betroffenheit an anderer Stelle im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung berücksichtigen, würde der Zweck der gebietsweisen Planung, die Planung durch Konzentration der Planungsentscheidung auf das jeweilige Gebiet erst praktikabel und effektiv zu machen, verfehlt. Die planende Gemeinde kann daher grundsätzlich solche Betroffenheiten unberücksichtigt lassen, die sich unmittelbar erst in anderen regelmäßig späteren Planungen mit anderem Geltungsbereich realisieren; die Abwägung der betroffenen Eigentümerbelange ist dann erst in diesem Stadium vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 140, 41 = BRS 78 Nr. 68).

Von diesem Grundsatz können allerdings aus Gründen der Effektivität von Abwägungsanspruch und Rechtsschutz des Betroffenen Ausnahmen geboten sein. Das ist erstens dann der Fall, wenn die Betroffenheit im späteren Plangebiet zwangsläufige Folge der vorausgehenden Planung ist. Vor einer solchen Betroffenheit von Grundeigentümern mit Grundstücken außerhalb des Plangebiets darf die Gemeinde die Augen nicht verschließen. Eine hinreichende Konfliktbewältigung verlangt, diese Fälle bereits in die Abwägung über die vorangegangene Planung einzubeziehen, weil der Betroffenheit später nicht mehr wirksam - vor allem nicht mehr durch alternative Planungen - begegnet werden kann. Eine zweite Ausnahme ist geboten, wenn die spätere Betroffenheit zwar nicht zwangsläufig eintritt, wohl aber Folge des planerischen Konzepts der Gemeinde ist, das der Baugebietsausweisung zugrunde liegt und deshalb als Ausdruck ihrer planerischen Selbstbindung auch in die bauleitplanerische Abwägung einbezogen werden muss. Eine bloße - etwa im Flächennutzungsplan zum Ausdruck kommende - Planungspräferenz der Gemeinde, die sich im Laufe des Planungsverfahrens erst bewähren muss, reicht für die Annahme eines entsprechenden planerischen Konzepts ebenso wenig aus wie die Anknüpfung an eine bereits durch Bebauungsplan oder Planfeststellungsbeschluss realisierte Planung. Etwas anderes muss aber gelten, wenn ein enger konzeptioneller Zusammenhang zwischen den Planungsbereichen besteht, auf den die Gemeinde erkennbar abstellt und der Grundlage ihrer Abwägung im vorausgehenden Planungsgebiet ist, weil sie aus Sicht der Gemeinde bestimmte Festsetzungen in einem anderen Planbereich voraussetzt. Auch hier muss die Gemeinde konsequenterweise die sich daraus später im folgenden Planungsbereich ergebenden Betroffenheiten einbeziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.2011, a. a. O., juris Rn. 20 ff.).

Auch nach diesen Maßgaben war die Antragsgegnerin nicht gehalten, die Folgen einer möglichen betrieblichen Erweiterung in ihre Abwägung einzustellen. Weder ist eine Betriebserweiterung die zwangsläufige Folge des angegriffenen Plans, noch ist eine solche Erweiterung die Folge ihres planerischen Konzepts, welches der Planung zugrunde liegt.

Dass die angegriffene Straßenplanung nicht zwangsläufig zu einer Betriebserweiterung der Beigeladenen führt, bedarf keiner vertieften Erörterung. Auch wenn die Verkehrsführung geändert ist, bleibt es ihre freie Entscheidung, ob und gegebenenfalls wie sie ihren Betrieb erweitert oder modifiziert.

Zugleich besteht kein enger konzeptioneller Zusammenhang zwischen dem in Streit stehenden Bebauungsplan und einer möglichen Betriebserweiterung. Die Frage, wann von einem engen konzeptionellen Zusammenhang zwischen zwei Plänen bzw. Vorhaben auszugehen ist, ist anhand des Sinns und Zwecks der damit begründeten Ausdehnung des Abwägungsgebots auf die Folgen einer späteren Planung zu beantworten. Der Sinn und Zweck liegt darin, dem Abwägungsanspruch des Betroffenen zum Erfolg zu verhelfen und zugleich ausreichenden Rechtsschutz zu sichern. Davon ausgehend kommt die Annahme eines engen konzeptionellen Zusammenhangs in Betracht, wenn eine Planung entweder ihren Sinn maßgeblich aus einer weiteren Planung schöpft oder aber Sachnotwendigkeiten schafft, die eine bestimmte weitere Planung zwar nicht erzwingen, aber doch als sinnvoll nahelegen. In diesen beiden Fallgestaltungen greift eine Beschränkung auf die Folgen der gegenwärtigen Planung zu kurz, weil sie entweder das Planungsziel ganz oder teilweise verfehlt oder aber Zwangspunkte in Kauf nimmt, die bei der weiteren Planung zu Lasten des Betroffenen ins Feld geführt werden (können).

Die beiden vorgenannten Konstellationen lassen sich auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen. Im Straßenplanungsrecht hat das Gericht einen engen konzeptionellen Zusammenhang in einem Fall bejaht, in dem ein Verkehrsknotenpunkt so dimensioniert wurde, dass er den durch einen bereits planfestgestellten bzw. während des Prognosezeitraums absehbaren Weiterbau eines den Knotenpunkt berührenden Verkehrswegs verursachten Verkehr aufnehmen konnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 - 9 A 28.04 -, juris Rn. 33 = BVerwGE 124, 334). Hier war die Dimensionierung nur aufgrund der konkreten Erwartung des Weiterbaus sinnvoll; demzufolge waren dessen Auswirkungen in die Betrachtung einzustellen. Im Baurecht hat das Bundesverwaltungsgericht einen engen konzeptionellen Zusammenhang zwischen zwei Bebauungsplänen bejaht, von denen einer ein umfangreiches Wohngebiet samt Binnenerschließung und ein weiterer die im ersten Plan bereits angelegte Anbindung an das weitere Straßenverkehrsnetz vorsah (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.6.2011, a. a. O.). Auch hier war die Sachlage davon geprägt, dass der erste Plan die Anbindung zwar nicht erforderte, aber doch nahelegte und zugleich die Planrechtfertigung für den Folgeplan schuf.

Legt man dies zugrunde, waren die Folgen einer möglichen Betriebserweiterung nicht in die Planung einzubeziehen. Der Neuordnung der Verkehrsströme ist gleichermaßen sinnvoll, wenn eine Betriebserweiterung ausbleibt. Zwangspunkte oder Sachnotwendigkeiten, die sich bei einer Betriebserweiterung zu Lasten der Antragstellerinnen zu 3) und 4) oder sonstiger Dritter auswirken könnten, sind nicht ersichtlich.

Abwägungserheblich ist aber das Interesse der Antragstellerinnen zu 3) und 4), eine mehr als geringfügige Verschlechterung der Erschließungssituation ihrer Grundstücke am Q. zu vermeiden (vgl. zu diesem Belang BVerwG, Beschl. v. 6.12.2000 - 4 BN 59.00 -, juris Rn. 7 = NVwZ 2001, 431 = BRS 63 Nr. 47; Beschl. v. 4.2.2010 - 4 BN 68.09 -, juris Rn. 6 = BRS 76 Nr. 57). Zur Erschließung der vorgenannten Grundstücke trifft der Bebauungsplan, dessen Zielsetzung es ist, die Verkehrsströme im Umfeld der Beigeladenen zu entflechten, umfangreiche Vorkehrungen. Er sieht zunächst ein Geh- und Fahrrecht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB über eine im Eigentum der Beigeladenen stehende und später an die Antragsgegnerin zu übertragende Fläche und zukünftig die Anbindung mittels einer neuen Planstraße A vor. Dass diese Konzeption die Erschließung jedenfalls für eine Übergangszeit abwägungsrelevant verschlechtert, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Geh- und Fahrrecht führt über eine private Fläche, zu deren Nutzung die erforderlichen Rechte gesondert begründet werden müssen. Die Festsetzung allein bewirkt kein Nutzungsrecht für die Anlieger (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1987 - 4 NB 2.87 -, juris Rn. 22 = NVwZ 1988, 822 = BRS 47 Nr. 4). Die bei Satzungsbeschluss vorliegende Begründung eines Nutzungsrechts in § 3 des städtebaulichen Vertrags vom 17./25. Januar 2012 ist in ihrer Wirksamkeit nicht zweifelsfrei, weil der nicht den Formanforderungen des § 57 VwVfG i. V. mit § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB genügende Vertrag umfangreiche Verpflichtungen zur Übertragung von Grundstücken enthält. Zudem ist es nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Festsetzung selbst unwirksam ist, weil das planerische Ziel durch Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB hätte verfolgt werden müssen (vgl. zur Abgrenzung Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 9 Rn. 167 <Stand der Bearbeitung: Juni 2012>).

Der Antrag ist auch begründet.

Der Bebauungsplan verstößt in doppelter Hinsicht gegen § 2 Abs. 3 BauGB. Er leidet unter einer evidenten Fehlgewichtung der wechselseitigen Belange und verkennt die Belange des Hochwasserschutzes.

Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Die Vorschrift verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 2 Rn. 147 <Stand der Bearbeitung: April 2013>). Das ist der Antragsgegnerin nicht gelungen.

Unter einer evidenten Fehlgewichtung leidet zunächst die Bewertung der Verkehrsproblematik. Der Plan zielt insofern ausweislich der Planbegründung (S. 4) darauf ab, die Verkehrsströme im Umfeld des Betriebs der Beigeladenen neu zu ordnen und die als unbefriedigend angesehene Führung des R. Dammes durch das Betriebsgelände zu beseitigen. Gegenwärtig liegen nördlich und südlich des R. Dammes Betriebsflächen, sodass die Straße auch bei genehmigungsgemäßem Betrieb in die Betriebsabläufe eingebunden ist und von den auf der nördlich der Straße wartenden Lastkraftwagen gequert wird. Das birgt nach Auffassung der Antragsgegnerin ein erhebliches Gefahrenpotenzial und hemmt zugleich den Verkehrsfluss.

Weitere denkbare Planungsziele, namentlich das Ziel, perspektivisch eine Betriebserweiterung der Beigeladenen zu ermöglichen, verfolgt die Antragsgegnerin demgegenüber ausdrücklich nicht. Zutreffend ist zwar die Feststellung der Antragstellerinnen, mit der Verlegung der Straße Langer Damm und der Neuordnung der Erschließung schaffe der Bebauungsplan eine Voraussetzung für eine Erweiterung des Betriebs der Beigeladenen nach Norden bzw. Osten. Mit der Verlegung der Straße Langer Damm nach Norden und der Abbindung des Q. s wachsen dort Flächen in erheblicher Größe an das Betriebsgelände an, die bislang durch die vorgenannten Straßen getrennt waren. Für die Antragsgegnerin ist dies aber nach eigenem Bekunden kein relevanter Belang; daran ist sie demzufolge bei der Gewichtung ihres Planungsziels festzuhalten.

Das Ziel der Antragsgegnerin, die Verkehrsströme neu zu ordnen und zu entflechten, ist zwar im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB legitim; seine objektive Gewichtigkeit ist allerdings gering. Die in den Akten vielfach dokumentierten und beklagten Verkehrsverhältnisse, namentlich die Rückstaus von Lastkraftwagen auf öffentlichen Straßen sowie die Querung des R. Damms durch Gabelstapler beruhten nämlich maßgeblich auf einer baurechtswidrigen Nutzung der nördlich des R. Damms gelegenen Fläche durch die Beigeladene. Die Baugenehmigung vom 16. Januar 2002 gestattet die Nutzung der Fläche als dreispurige Warteschleife für zwölf Lastkraftwagen, nicht aber als Lager- und Verladefläche. Die baurechtswidrige Nutzung hat der Landkreis J. mit bestandskräftiger Verfügung vom 26. April 2012 untersagt, sodass eine Querung des R. Damms durch Gabelstapler nicht mehr stattfindet und die Fläche zugleich die bislang auf öffentlichen Straßen haltenden Lastkraftwagen aufzunehmen vermag. Vor diesem Hintergrund war die ausweislich der Planbegründung zu bewältigende Konfliktlage bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses weithin entschärft.

Das demzufolge geringe Gewicht des Planungsziels wird durch die auch in der Planbegründung (S. 14) angesprochene außerordentlich geringe Verkehrsbelastung des R. Damms weiter gemindert. In der Spitzenstunde wurden im Einmündungsbereich zur Straße P. insgesamt lediglich 53 Fahrzeuge gezählt; das entspricht nicht einmal einem Fahrzeug pro Minute. Die hochgerechnete Querschnittsbelastung für einen gesamten Tag beträgt demzufolge nur rund 600 Fahrzeuge. Für die neue Straße wird mit einer Verkehrsbelastung von 470 Fahrzeugen/Tag zum gegenwärtigen Zeitpunkt und 490 Fahrzeugen/Tag im Jahr 2026 gerechnet. Diese geringe Verkehrsbelastung erklärt, warum den Planaufstellungsvorgängen keinerlei Anhaltspunkte für ein relevantes Verkehrsunfallgeschehen auf dem R. Damm zu entnehmen sind.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte ist die von der Antragsgegnerin vorgenommene Gewichtung ihres Ziels der Entflechtung der Verkehrsströme rechtswidrig. Auch unter Berücksichtigung des ihr zustehenden Bewertungsspielraums kann von einem „mangelhaften, gefährlichen und auf Dauer untragbaren Zustand“ (Planbegründung, S. 4) nicht die Rede sein. Die von Seiten der Antragsgegnerin deutlich aggravierte Problemlage ist kein Sicherheits-, sondern allenfalls ein Komfortproblem; zudem hätte der Erfolg der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) bereits ergriffenen ordnungsrechtlichen Maßnahmen zwingend berücksichtigt werden müssen. Dementsprechend hätte die Antragsgegnerin ihrem Planungsziel nur das Gewicht der Beseitigung einer Unbequemlichkeit, nicht aber einer realen, alltäglichen Gefährdung einer nennenswerten Zahl von Verkehrsteilnehmern beimessen dürfen.

Der vorstehende Bewertungsfehler, den die Antragstellerinnen innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gerügt haben, ist gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Er betrifft den wesentlichen Punkt der Planung, nämlich die Bedeutung des Planungsziels selbst. Er ist offensichtlich, weil er sich aus den Planaufstellungsvorgängen unmittelbar ergibt. Er ist zudem auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin bei zutreffender Gewichtung von ihrer Planung Abstand genommen oder aber eine die Antragstellerinnen weniger belastende Planungsvariante gewählt hätte. Der Antragsgegnerin kann nicht unterstellt werden, sie hätte der tatsächlich vorliegenden Unbequemlichkeit die gleiche Beachtung gewidmet wie der vermeintlich bestehenden ernsthaften Gefahrenlage.

Ein Fehler im Abwägungsvorgang liegt zudem in Bezug auf die Belange des Hochwasserschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB) vor (vgl. zur besonderen Bedeutung des Hochwasserschutzes bei der Bauleitplanung bereits Senat, Urt. v. 28.3.2008 - 1 KN 93/07 -, juris Rn. 24 ff. = DVBl. 2008, 724; Urt. v. 23.4.2008 - 1 KN 113/06 -, juris Rn. 38 ff. = BauR 2008, 1846 = BRS 73 Nr. 11; Urt. v. 24.11.2010 - 1 KN 266/07 -, juris Rn. 34 ff. = BauR 2011, 634 = BRS 76 Nr. 34; Beschl. v. 20.3.2014 - 1 MN 7/14 -, juris Rn. 49 ff. = BauR 2014, 949). Entgegen § 2 Abs. 3 BauGB fehlt es auch insofern an einer zutreffenden Ermittlung und Bewertung der betroffenen Belange.

Grundlage der Planung der Antragsgegnerin war die Annahme, das Plangebiet sei von einem hundertjährigen Hochwasser nicht betroffen (Planbegründung, S. 20). Diese Annahme traf bereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht zu. Teile des Plangebietes, deren vorläufige Sicherung als Überschwemmungsgebiet (erst) im April 2013 erfolgt ist (Nds. MBl. v. 24.4.2013, S. 318), liegen im natürlichen Überschwemmungsgebiet (§ 76 Abs. 1 Satz 1 WHG) des J. er Moorbachs; nämlich in einem Gebiet, das bei Hochwasser (§ 72 WHG) überschwemmt bzw. durchflossen wird. Dies war der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bekannt bzw. hätte ihr nach den ihr vorliegenden Informationen bekannt sein müssen.

Die Antragsgegnerin hatte sich ausweislich einer nicht bei den Aufstellungsvorgängen befindlichen E-Mail-Korrespondenz im Februar 2012 bei dem fachlich zuständigen Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erkundigt, ob das Plangebiet ganz oder teilweise im Überschwemmungsgebiet liegt. Unter dem 29. Februar 2012 teilte der Landesbetrieb daraufhin mit, nach Durchsicht der vorliegenden Untersuchungsergebnisse lägen weite Teile des Plangebietes im natürlichen Überschwemmungsgebiet. Dabei handele es sich allerdings um vorläufige Ergebnisse, die sich bei den weitergehenden Berechnungen noch ändern könnten. Für weitergehende Planungen könnten die Untersuchungsergebnisse daher noch nicht herangezogen werden.

Neben dieser Auskunft des Landesbetriebs, zu dessen Aufgaben die Ermittlung der Überschwemmungsgebiete gehört und dem deshalb eine besondere Sachkunde zukommt, lagen der Antragsgegnerin weitere Hinweise darauf vor, dass zumindest der östliche Teil des Plangebietes im natürlichen Überschwemmungsgebiet liegt. Die Antragstellerinnen hatten insofern verschiedene Fotografien und einen Zeitungsausschnitt vorgelegt, die flächenhafte Überschwemmungen des R. Damms in den Jahren 1997 und 2009 zeigten. Selbst wenn - wie die Antragsgegnerin ausgeführt hat - die Überschwemmung im Jahr 2009 technisch bedingt gewesen sein sollte, bestätigte zumindest das Hochwasserereignis 1997 die Richtigkeit der vorläufigen Einschätzung des Landesbetriebs. Hinzu kommt das Hochwasser des Jahres 1998, von dem nach den übereinstimmenden Äußerungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Teile des Plangebietes ebenfalls betroffen waren.

Vor diesem Hintergrund war es unvertretbar, bei Satzungsbeschluss davon auszugehen, dass das gesamte Plangebiet kein natürliches Überschwemmungsgebiet darstellt (Planbegründung, S. 20; Abwägung, Aufstellungsvorgang, Bl. 442 ff.). Soweit es in der Begründung heißt, gemäß dem Entwurf des NLWKN der Überschwemmungsgebiete des Moorbachs seien die Flächen des Bebauungsplans bei einem hundertjährigen Hochwasser (HQ 100) von dem Überschwemmungsbereich nicht betroffen, ist dies vor dem Hintergrund der zitierten Auskunft unzutreffend. Dass die Einschätzung des NLWKN nur eine vorläufige war, lag in der Natur der Sache. Über bessere Erkenntnisse, die es ihr gestattet hätten, von der Einschätzung des fachlich zuständigen Landesbetriebs abzuweichen, verfügte die Antragsgegnerin nicht. Die offenbar fehlende Festlegung als Risikogebiet gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 WHG ist ohne Bedeutung; § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG zeigt, dass ein natürliches Überschwemmungsgebiet auch außerhalb eines Risikogebietes vorliegen kann. Dass der Landkreis J. - auch die diesbezügliche Korrespondenz fehlt im Aufstellungsvorgang - möglicherweise eine der Auskunft des NLWKN gegenteilige Einschätzung geäußert hat, ist unbeachtlich. Der Landkreis ist zwar als untere Wasserbehörde gemäß § 115 Abs. 2 i. V. mit § 129 Abs. 1 Satz 1 NWG für die vorläufige Sicherung und Festsetzung der Überschwemmungsgebiete zuständig. Dies erfolgt indes auf der Grundlage der vom gewässerkundlichen Landesdienst - dem NLWKN - erstellten Arbeitskarten (§ 115 Abs. 2 Satz 2 NWG). Von Rechts wegen obliegt die fachliche Beurteilung demzufolge nicht dem Landkreis, sondern dem NLWKN.

Der vorstehende, von den Antragstellerinnen rechtzeitig gerügte Fehler im Abwägungsvorgang ist gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Er betrifft einen wesentlichen von der Planung berührten Belang; er war offensichtlich, weil der Antragsgegnerin - wie ausgeführt - alle erforderlichen Informationen vorlagen; zudem besteht auch insofern die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin anders geplant oder auf die Planung (zumindest einstweilen) verzichtet hätte, wenn sie die Hochwasserproblematik zutreffend eingeschätzt hätte.

Im Hinblick auf den Hochwasserschutz verstößt die Planung zudem gegen § 77 Satz 1 und 2 WHG. Gemäß § 77 Satz 1 WHG sind Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 WHG in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten. Entgegen der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung verfochtenen Auffassung greift die Vorschrift nicht nur dann ein, wenn ein Überschwemmungsgebiet festgesetzt oder zumindest vorläufig sichergestellt worden ist. Mit dem Verweis auf § 76 WHG zeigt die Vorschrift vielmehr, dass sie sich auf alle - natürlichen oder rechtlich anerkannten - Überschwemmungsgebiete gleichermaßen bezieht. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG sind Überschwemmungsgebiete Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Auf eine rechtliche Anerkennung kommt es - anders als etwa im Rahmen des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG (vgl. dazu und zum gleichwohl geltenden Gebot planerischer Abwägung BVerwG, Urt. v. 3.6.2014 - 4 CN 6.12 -, juris Rn. 12 ff. und 37 ff.) - nicht an.

Gemäß § 77 Satz 2 WHG ist das vorstehende Erhaltungsgebot allerdings nicht strikt zu beachten. Sprechen überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit für die Realisierung eines Vorhabens, ergibt mithin die Abwägung, dass Belange von höherem Gewicht dem Erhalt eines natürlichen Überschwemmungsgebietes als Rückhaltefläche entgegenstehen, ist ein Eingriff in das Gebiet zulässig (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 10 Aufl. 2010, § 77 Rn. 4; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 1 Rn. 1248 <Stand der Bearbeitung: Juni 2013>; zu der Vorgängervorschrift des § 32 WHG a. F. ebenso Senat, Urt. v. 23.4.2008, a. a. O., Rn. 42). Ob sich die Antragsgegnerin angesichts des objektiv geringen Gewichts ihres Planungsziels mit Erfolg auf die vorstehende Vorschrift berufen kann, ist allerdings zweifelhaft. Zudem verpflichtet § 77 Satz 2 WHG die planende Gemeinde für den Fall eines Eingriffs, rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Jedenfalls daran fehlt es hier.

Ein solcher Ausgleich war nicht deshalb entbehrlich, weil die Straßen mit Nebenanlagen geländegleich angelegt werden und keine Abflusshindernisse darstellen (Abwägung, Aufstellungsvorgang, Bl. 445). Selbst wenn das zutreffen sollte, führt die mit dem Straßenbau einhergehende Versiegelung von Flächen zu einer Vergrößerung und Beschleunigung des Wasserabflusses (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 WHG; dazu Czychowski/ Reinhardt, WHG, 10 Aufl. 2010, § 5 Rn. 29). Auch das bedarf gemäß § 77 Satz 2 WHG des Ausgleichs.

Vor dem Hintergrund der Lage von Teilen des Plangebietes im natürlichen Überschwemmungsgebiet ist es schließlich ohne Bedeutung, dass die Antragsgegnerin bereits bei Satzungsbeschluss die Errichtung eines Hochwasserschutzdeiches entlang des R. Dammes plante. Eine solche Planung, die überdies in gewissem Widerspruch zu der eigenen Annahme, das Plangebiet sei von Hochwasser nicht betroffen, steht, führt möglicherweise zu einer ausreichenden Sicherung der Straße. Zu dem nach den §§ 76, 77 WHG geschützten Interesse am Erhalt von Retentionsraum trägt ein Deichbau indes nichts bei.

Nur ergänzend merkt der Senat an, dass sich die Rechtslage anders darstellen könnte, wenn die Antragsgegnerin es nicht bei einer bloßen Straßenplanung beließe, sondern das Interesse der Beigeladenen an einer Betriebserweiterung in ihre Planung einbezöge. Einer solchen Planung käme ein weitaus höheres Gewicht zu; zugleich wäre allerdings auch der Konflikt zwischen der Beigeladenen einerseits und den Anwohnern - insbesondere den Antragstellerinnen zu 3) und zu 4) - zu bewältigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i. V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.