Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.06.2014, Az.: 20 BD 1/14

Zusätzliche Rechtfertigung eines disziplinarrechtlichen Einschreitens gegen den Empfänger einer im Verantwortungsbereich des Dienstherrn liegenden Überzahlung; Vorwurf grober Fahrlässigkeit gegenüber einem Beamten aufgrund fehlender Kontrolle eines Beihilfebescheides und der Kontoauszüge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.06.2014
Aktenzeichen
20 BD 1/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 21110
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0624.20BD1.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG LÜNEBURG - 13.02.2013 - AZ:

Fundstellen

  • DÖD 2014, 226-228
  • IÖD 2014, 191-194
  • ZBR 2014, 390-391

Amtlicher Leitsatz

Liegt die Ursache einer Überzahlung im Verantwortungsbereich des Dienstherrn, so bedarf ein disziplinarrechtliches Einschreiten gegen den Empfänger einer zusätzlichen Rechtfertigung. Der sich aus der fehlenden Kontrolle eines Beihilfebescheides und der Kontoauszüge ergebende Vorwurf grober Fahrlässigkeit, der Grundlage einer beamtenrechtlichen Rückforderung ist, reicht dazu für sich genommen nicht aus.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 10. Kammer - vom 13. Februar 2013 geändert.

Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 28. August 20 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen als Disziplinarmaßnahme ausgesprochenen Verweis.

Der 19 geborene Kläger ist verheiratet. Er hat eine volljährige Tochter aus erster Ehe und einen ebenfalls volljährigen Sohn aus zweiter Ehe.

Zum 1. August 19 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Steueranwärter ernannt. Nach mehreren Beförderungen wurde ihm mit Wirkung vom 6. Juni 19 die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Die letzte Beförderung des Klägers zum Steueramtsrat erfolgte am 1. März 19 . Er war zuletzt beim E. tätig. Für die Zeit vom 1. Januar 20 bis zum 30. Juni 20 (Eintritt in den Ruhestand) wurde dem Kläger Altersteilzeit mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit gewährt. Seit dem 1. Oktober 20 war er vollständig von der Dienstleistung freigestellt.

Disziplinarrechtlich ist der Kläger bisher nicht in Erscheinung getreten.

Mit am 11. November 20 unterzeichnetem Formblatt beantragte der Kläger die Gewährung einer Beihilfe. Die Höhe der Aufwendungen gab er mit "ca. 940,-- EUR" an. Auf diesen Antrag bewilligte die Landesweite Bezüge- und Versorgungsstelle bei der Oberfinanzdirektion I. (J.) mit Bescheid vom 18. November 20 eine Beihilfe in Höhe von 7.161,90 EUR. Aufgeführt war darin unter anderem ein Beleg vom 8. Juni 20 für Arznei- und Verbandsmittel in Höhe von 13.565,00 EUR. Die hierauf zu entrichtende Beihilfe war mit 6.773,24 EUR angegeben.

Im Rahmen einer Routineüberprüfung wurde festgestellt, dass in dem Beihilfebescheid vom 18. November 20 das Rezept vom 8. Juni 20 irrtümlich mit einem zu hohen Betrag berücksichtigt worden war (13.565,00 EUR statt richtig 135,65 EUR). Mit Bescheid vom 29. Februar 20 erfolgte eine Neufestsetzung der Beihilfe auf 447,23 EUR unter teilweiser Aufhebung des Beihilfebescheides vom 18. November 20 . Im Hinblick auf das Rezept vom 8. Juni 20 wurde nunmehr der zutreffende Rechnungsbetrag in Höhe von 135,65 EUR zugrunde gelegt. Es wurde darauf hingewiesen, dass durch die neue Festsetzung eine Überzahlung von 6.714,67 EUR entstanden sei.

Unter dem 6. März 20 wies die J. den Kläger darauf hin, dass aufgrund eines Eingabefehlers eine Überzahlung entstanden sei. Der Kläger wurde zu der beabsichtigten Rückforderung eines Beihilfebetrages in Höhe von 6.714,67 EUR angehört. Er machte geltend, er habe inzwischen festgestellt, dass möglicherweise eine Überzahlung eingetreten sei. Bei Zugang des Beihilfebescheides sei er offenbar nicht zu Hause gewesen, sondern in I.. Der Beihilfebescheid sei wahrscheinlich ohne seine Kenntnis geöffnet und abgeheftet worden. Hierzu seien seine Ehefrau und sein Sohn während seiner Abwesenheit berechtigt gewesen. Mit Bescheid vom 3. April 20 forderte die J. zu viel gezahlte Beihilfe in Höhe von 6.714,67 EUR zurück. Der Kläger veranlasste am 24. April 20 die Rücküberweisung.

Am 23. April 20 leitete der Beklagte ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein, unterrichtete den Kläger davon und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats.

In seiner Stellungnahme machte der Kläger im Wesentlichen geltend, eine Verkettung von unglücklichen Umständen habe zur jetzigen Situation geführt. Ihm sei nur vorwerfbar, dass er sich nicht ausreichend darum gekümmert habe, den Beihilfebescheid, der während eines Auslandsaufenthaltes eingegangen sei, durch einen sachkundigen Bevollmächtigten prüfen zu lassen oder selbst zu überprüfen. Er habe während des zweimonatigen Auslandsaufenthaltes die in dieser Zeit eingegangene Post nicht im Einzelnen überprüft, obwohl er zwischenzeitlich kurzzeitig zu Hause gewesen sei. Ferner habe er nicht sämtliche zurückliegenden Kontobewegungen im Einzelnen geprüft und auf die Richtigkeit des Beihilfebescheides vertraut. Bei der Entscheidung bitte er zu berücksichtigen, dass es trotz aller Kontrollmechanismen der J. zu der Überzahlung von fast 7.000,-- EUR gekommen sei, der Fehler jedoch erst mehr als ein Vierteljahr später entdeckt worden sei. Er habe 40 Jahre lang aktiv seinen Dienst verrichtet, ohne sich etwas zu Schulden kommen zu lassen. Um einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen, habe er vor Einleitung des Disziplinarverfahrens den Betrag in einer Summe zurück überwiesen. Eine sofortige Überweisung in voller Höhe habe er zunächst vermeiden wollen, um empfindliche Strafzinsen zu verhindern.

Mit Schreiben vom 2. Juli 20 wurde dem Kläger das Ergebnis der Ermittlungen durch Übersendung des Ermittlungsberichts vom 21. Juni 20 mitgeteilt und Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern.

Der Kläger führte daraufhin aus, der Ermittlungsbericht enthalte wertende subjektive Einschätzungen der Ermittlungsführerin. Es werde der Eindruck erweckt, er habe die Rückzahlung erst unter dem Eindruck des Disziplinarverfahrens geleistet. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen. Die in dem Ermittlungsbericht zugrunde gelegten Anforderungen an einen Beamten seien überzogen. Ein grob fahrlässiges oder uneinsichtiges Verhalten sei nicht gegeben. Darüber hinaus hätten die beiden Beihilfebescheide nicht in die Ermittlungsakten aufgenommen werden dürfen.

Der Beklagte sprach mit Disziplinarverfügung vom 28. August 20 einen Verweis gegen den Kläger aus. Dieser habe es nach dem Erlass des fehlerhaften Beihilfebescheides vom 18. November 20 zumindest fahrlässig unterlassen, die Bezüge- und Versorgungsstelle auf den fehlerhaften Bescheid hinzuweisen und die zu viel gezahlte Beihilfe zurückzuzahlen. Er habe rechtswidrig und schuldhaft seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen. Er habe den Beihilfebescheid nicht auf die Richtigkeit überprüft und eventuelle Fehler angezeigt. Hierzu sei er verpflichtet gewesen. Es handele sich nicht um eine bloße "Unkorrektheit", sondern wegen der Höhe der Fehlzahlung um eine erhebliche Überzahlung. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, da er als Steuerbeamter gewusst habe, dass er Beihilfebescheide auf die Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Fehler umgehend anzuzeigen habe. Mildernd sei zu berücksichtigen, dass er nicht nachweisbar vorsätzlich gehandelt und den überzahlten Betrag zurück überwiesen habe. Eine fühlbare Disziplinarmaßnahme sei notwendig, um die Schwere des Fehlverhaltens zu verdeutlichen.

Am 24. September 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger hat beantragt,

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 28. August 20 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die angefochtene Disziplinarverfügung verwiesen.

Mit Urteil vom 13. Februar 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, indem er es unterlassen habe, den Beihilfebescheid vom 18. November 20 zu überprüfen und das Empfangskonto im Hinblick auf auffällige Kontobewegungen zu überwachen. Die Überzahlung von nahezu 7.000 EUR hätte ihm als im Finanzwesen tätigen Beamten ins Auge springen müssen. Der Kläger müsse sich gegebenenfalls das Fehlverhalten seiner Ehefrau und seines Sohnes, die er während seiner Abwesenheit mit der Öffnung der Post betraut habe, zurechnen lassen. Auch sei er während seines zweimonatigen Auslandsaufenthaltes wiederholt kurzfristig zu Hause gewesen. Es sei von einem grob fahrlässigen und damit schuldhaften Verhalten des Klägers auszugehen. Er habe sich während seiner Abwesenheit einschließlich seiner kurzen Zwischenaufenthalte um seine Angelegenheiten zu Hause nicht gekümmert, mithin achtlos gehandelt. Die Erteilung eines Verweises sei die erforderliche und unter Beachtung des Umstandes, dass dem Kläger ein vorsätzliches Verhalten nicht vorgeworden werden könne, auch ausreichende Disziplinarmaßnahme. Die in der Disziplinarverfügung fehlende ausdrückliche Bezugnahme auf § 7 NDiszG sei durch Protokollerklärung in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2013 geheilt worden.

Mit Beschluss vom 9. Januar 2014 hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, selbst wenn ihm eine Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden könne, erreiche diese nicht die für ein Dienstvergehen erforderliche Erheblichkeitsschwelle. Auch bei Annahme eines schulhaften Dienstvergehens könne nicht von der Zweckmäßigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme ausgegangen werden. Ohne zusätzliche Gesichtspunkte sei ein disziplinarrechtliches Einschreiten bei der fahrlässigen Hinnahme einer Überzahlung nicht erforderlich. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er in seiner gesamten Dienstzeit disziplinarrechtlich noch nie negativ in Erscheinung getreten sei und seine Tätigkeit bis zum Eintritt in den Ruhestand mit guten Ergebnissen verrichtet habe. Er sei zudem berechtigt gewesen, die Entgegennahme der Beihilfebescheide während der Zeit seines Aufenthaltes im Ausland auf seine Ehefrau und seinen Sohn zu übertragen. Da sich das ihm vorgeworfene Verhalten erst ereignet habe, als er im Rahmen der Altersteilzeit bereits vollständig vom Dienst freigestellt gewesen sei, finde der lediglich aktive Beamte betreffende § 47 Abs. 1 BeamtStG keine Anwendung. Unter die abschließende Aufzählung des § 47 Abs. 2 BeamtStG falle das vorgeworfene Verhalten nicht und könne folglich auch nicht disziplinarrechtlich geahndet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 10 Kammer - vom 13. Februar 2013 zu ändern und die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 28. August 20 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die vorgeworfene Dienstpflichtverletzung überschreite die Erheblichkeitsschwelle, da eine Überzahlung in Höhe von 6.776,24 EUR einen hohen Schaden darstelle und es sich um einen eklatanten Fall unterlassener Prüfung handele. Die Disziplinarmaßnahme sei auch zweckmäßig, da ein disziplinarrechtliches Einschreiten aufgrund der teilweise widersprüchlichen Einlassungen des Klägers erforderlich sei. So mache er unterschiedliche Gründe geltend, warum ihm die Überzahlung nicht aufgefallen sei. Auch sei es widersprüchlich, wenn der Kläger einerseits vortrage, auf den fälschlich überwiesenen Betrag nicht angewiesen zu sein, da er zusammen mit seiner Ehefrau über ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 6.000 EUR verfüge, sich andererseits außerstande sehe, die Überzahlung in einer Summe zurückzuzahlen, da das Geld nicht mehr vorhanden sei. Ein weiterer Widerspruch betreffe die in Kauf genommenen hohen Überziehungszinsen, die der Kläger nunmehr geltend mache, während im Rahmen des Disziplinarverfahrens noch von Strafzinsen die Rede gewesen sei, die bei Abhebung von mehr als 3.000 EUR von seinem Sparbuch anfielen. Derartige Strafzinsen seien deutlich niedriger als Überziehungszinsen. Auch habe der Kläger zu Beginn des Disziplinarverfahrens geltend gemacht, dass seiner Ehefrau jede Kenntnis im Beihilferecht fehle, während er im Rahmen der Begründung des Zulassungsantrages ausgeführt habe, er habe die Überprüfung gerade deshalb auf Familienangehörige übertragen, weil ihm bewusst gewesen sei, dass Beihilfeangelegenheiten ordnungsgemäß zu behandeln seien. Diese Widersprüche stellten zusätzliche Gesichtspunkte dar, die eine disziplinarrechtliche Ahndung erforderlich machten. Auch habe sich der Kläger in seinem Schreiben vom 16. März 20 an die J. in nicht nachvollziehbarer Weise darüber beschwert, dass die Bescheide an seine Privat- und nicht seine Dienstadresse gerichtet und nicht unterschrieben seien. Außerdem habe er die J. zur Abgabe eines akzeptablen Lösungsvorschlags aufgefordert, um eine gerichtliche Verhandlung zu vermeiden. Insgesamt könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger das Rückforderungsverfahren zur Warnung dienen lasse. Die Durchführung des Disziplinarverfahrens erfülle zudem den Zweck, allen anderen Beamten von vornherein deutlich zu machen, dass Pflichtverletzungen zu Disziplinarmaßnahmen führten. Aus dem Umstand, dass die mildeste Disziplinarmaßnahme verhängt worden sei, ergebe sich, dass das bisherige dienstliche Verhalten des Klägers berücksichtigt worden sei. Im Zeitraum zwischen vollständiger Freistellung vom Dienst bis zum Eintritt in den Ruhestand sei ein in Altersteilzeit befindlicher Beamter wie ein aktiver Beamter zu behandeln. So würden seine Bezüge als Dienst-, nicht als Versorgungsbezüge eingeordnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Disziplinarakte des Beklagten und die Personalakten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den mit Disziplinarverfügung des Beklagten vom 28. August 20 ausgesprochenen Verweis abgewiesen.

Die angefochtene Disziplinarverfügung ist bereits rechtswidrig.

Allerdings ist die disziplinarrechtliche Ahndung des Verhaltens des Klägers nicht durch § 47 Abs. 2 BeamtStG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gilt es bei Ruhestandsbeamten oder früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen. Zu diesem Personenkreis, der einer geringeren Pflichtenbindung unterliegt als aktive Beamte, gehörte der Kläger zum Zeitpunkt des disziplinarrechtlich geahndeten Verhaltens nicht. Die Gewährung von Altersteilzeit - auch in Form des sogenannten Blockmodells nach § 63 Abs. 2 NBG a. F.- betrifft lediglich den zeitlichen Umfang der Dienstleistungsverpflichtung, berührt aber das Beamtenverhältnis als solches nicht. Mit dem Eintritt in die Freistellungsphase endet das Beamtenverhältnis nicht nach § 21 Nr. 4 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.1.2013 - 6 E 1168/12 -, juris Rdnr. 5; Hess. VGH, Urteil vom 26.9.2012 - 1 A 161/12 -, juris Rdnr. 34; VG Koblenz, Urteil vom 24.1.2014 - 5 K 1135/13.KO -, juris Rdnr. 18). Der Beamte tritt nicht in den Ruhestand, er übt lediglich eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung aus und ist statusrechtlich weiterhin aktiver Beamter. Als solcher unterliegt er auch den für aktive Beamte geltenden disziplinarrechtlichen Regelungen des § 47 Abs. 1 BeamtStG.

Es liegt auch ein Pflichtenverstoß des Klägers vor. Aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht gehört es zu den Pflichten eines Beamten, einen Beihilfebescheid dahingehend zu überprüfen, ob ihm Leistungen versehentlich zu Unrecht gewährt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.4.2012 - BVerwG 2 C 4.11 -, juris Rdnr. 11; Urteil vom 13.11.1986 - BVerwG 2 C 29.84 -, juris Rdnr. 12). Er hat insoweit nicht nur - im Hinblick auf eine spätere Rückforderung - eine Sorgfaltspflicht in eigenen Belangen zu wahren, sondern auch die Vermögensinteressen des Dienstherrn zu vertreten (vgl. Bieler/Lukat, Niedersächsisches Disziplinargesetz, Loseblatt, Stand: Juni 2010, Einl. B, Rdnr. 38).

Die Pflichtverletzung des Klägers überschreitet jedoch nicht die zur Bejahung eines Dienstvergehens erforderliche Erheblichkeitsschwelle (vgl. dazu für die Fälle der Schlechtleistung bereits Nds. OVG, Urteil vom 28.1.2014 - 20 LD 10/13 -, juris Rdnrn. 57 ff.). Dazu ist es erforderlich, dass der Verstoß des jeweiligen Beamten ein gewisses Gewicht hat (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 23.11.2009 - 9 A 5/09 -, juris Rdnr. 49, unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rdnr. 45; vgl. auch OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 21.2.2013 - OVG 81 D 2.10 -, juris Rdnr. 80). Zwar hätte die Überzahlung schon aufgrund ihrer Höhe dem Kläger ohne weiteres auffallen können und müssen. Auch muss er sich die mangelnde Aufmerksamkeit seiner Familienangehörigen, die er während seiner Abwesenheit mit der Kontrolle der eingehenden Post betraut hatte, zurechnen lassen. Der sich daraus ergebende Vorwurf grob fahrlässigen Handelns ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, die Disziplinarwürdigkeit der unterlassenen Anzeige der Überzahlung zu begründen, wie dies etwa der Fall wäre, wenn der Beamte die Überzahlung durch fehlerhafte Angaben selbst in Gang gesetzt und dadurch die Wahrheitspflicht verletzt hätte (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 12.9.2000 - BVerwG 1 D 48.98 -, juris Rdnr. 25 ff.). Liegt die Ursache der Überzahlung demgegenüber - wie hier - im Verantwortungsbereich des Dienstherrn, so bedarf ein disziplinarrechtliches Einschreiten einer zusätzlichen Rechtfertigung. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Beamte die Überzahlung bemerkt und es darauf ankommen lässt, ob der Fehler auch von der zuständigen Behörde entdeckt wird und diese eine Rückforderung veranlasst. Anderenfalls ist der Rechtsordnung mit der Rückzahlung des überzahlten Betrages grundsätzlich hinreichend Genüge getan. Die Annahme grober Fahrlässigkeit sperrt in diesem Zusammenhang lediglich die Berufung auf die Einrede der Entreicherung; eine zusätzliche - disziplinarrechtlich zu ahndende - Pflichtwidrigkeit ist damit nicht verbunden (anders in der Sache wohl Bay. VGH, Beschluss vom 10.6.2013 - 16a DZ 12.433 -, juris Rdnr. 5). Stellt man in diesen Fällen für die Frage der Disziplinarwürdigkeit darauf ab, dass ein hoher Schaden und ein "eklatanter" Fall einer unterlassenen Prüfung vorliegen muss (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 23.11.2009, a. a. O., Rdnr. 50), so bestand im vorliegenden Fall kein Anlass für ein disziplinarrechtliches Einschreiten. Der Überzahlungsbetrag ist im Hinblick auf die beantragte Beihilfe hoch und auch die absolute Höhe der Überzahlung ist beträchtlich. Ein Fall einer "eklatanten" Pflichtwidrigkeit ist jedoch angesichts des Auslandsaufenthaltes des Klägers und der Betrauung seiner Verwandten mit der Öffnung der Post im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben. Ein Vorwurf, der über den der in derartigen Fällen typischerweise angenommenen groben Fahrlässigkeit hinausgeht, kann nicht erhoben werden. Es fehlt mithin an der für die Annahme eines Dienstvergehens erforderlichen Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle durch die Pflichtverletzung des Klägers. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des ausgesprochenen Verweises.

Unabhängig davon ist die ergriffene Disziplinarmaßnahme auch nicht zweckmäßig. Das Verwaltungsgericht prüft bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 55 Abs. 3 Satz 1 NDiszG). Fehlt es an der Zweckmäßigkeit der verhängten Maßnahme, hebt das Verwaltungsgericht die Disziplinarverfügung auf (§ 55 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 NDiszG).

Die Zweckmäßigkeit setzt die Erforderlichkeit eines disziplinarrechtlichen Einschreitens voraus. Diese ist bei der (grob) fahrlässigen Entgegennahme einer Überzahlung als solcher grundsätzlich nicht gegeben. Vielmehr müssen zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten, die eine disziplinarrechtliche Ahnung erforderlich machen. Solche Gesichtspunkte sind vorliegend indes nicht gegeben. Es ist im Gegenteil zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er sich nicht etwa durch Einlegung eines Widerspruchs gegen die Rückforderung gewehrt, sondern die überzahlte Beihilfe in einer Summe vollständig zurückgezahlt hat. Dies ist auch deshalb hervorzuheben, weil bereits das Anhörungsschreiben der J. vom 6. März 20 , die die Überzahlung verursacht hat, in einem befremdlichen und für ein behördliches Anhörungsschreiben in diesem Verfahrensstadium unangemessen vorwurfsvollen Ton verfasst worden ist. Lediglich als Reaktion auf diese Vorgehensweise ist das vom Beklagten bemängelte Schreiben des Klägers vom 16. März 20 zu sehen, in dem dieser sich gegen die erhobenen Vorwürfe verwahrt hat. Fehlende Einsicht kann daraus nicht geschlossen werden. Dies gilt insbesondere auch für das Ansinnen des Klägers, ihm bei den Zahlungsmodalitäten entgegenzukommen, da er sich nicht in der Lage sehe, den zurückgeforderten Betrag von 6.714,67 EUR in einer Summe zurückzuzahlen. Damit hat der Kläger lediglich eine Billigkeitsentscheidung eingefordert, zu der die J. ohnehin bereits kraft Gesetzes verpflichtet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.9.2013 - BVerwG 2 C 52.11 -, juris Rdnr. 28). Auf einer Reduzierung des zurückzuzahlenden Betrages im Wege der Billigkeit hat er hingegen nicht bestanden (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 26.4.2012, a. a. O., Rdnr. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 24.7.2013 - 5 LB 85/13 -, juris Rdnr. 36).

Soweit der Beklagte dem Kläger vorwirft, die Möglichkeit der Kontrolle des Beihilfebescheides durch seine Ehefrau und seinen Sohn im Laufe des Verfahrens widersprüchlich dargestellt zu haben, vermag der Senat daraus keinen entscheidenden Gesichtspunkt für das Erfordernis eines disziplinarrechtlichen Einschreitens herzuleiten. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger die Erwartung hatte, seine Ehefrau oder sein Sohn würden etwaige offenkundige Fehler bemerken. In welchem Umfang sie dazu in der Lage waren, ist letztlich nicht von entscheidender Bedeutung. Dass der Kläger sich etwaige Fehler seiner Familienmitglieder im Hinblick auf seine Verpflichtung zur Rückerstattung des überzahlten Betrages zurechnen lassen muss, wurde bereits ausgeführt.

Letztlich hat der Kläger sogar wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen, um die Angelegenheit rasch zu beenden. Ob es sich dabei um sogenannte Strafzinsen für die vorzeitige Abhebung von einem Sparbuch handelte (Schreiben des Klägers vom 7. Mai 20 ) oder sogar um deutlich höhere Überziehungszinsen (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7. März 20 ), spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Rolle. In beiden Fällen wird der Wille des Klägers erkennbar, die Situation zügig zu bereinigen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Kläger das beamtenrechtliche Rückforderungsverfahren zur Warnung dienen lässt und dass er zukünftig die ihm in beihilferechtlichen Angelegenheiten obliegenden Sorgfaltspflichten beanstandungsfrei wahrnehmen wird. Eine disziplinarrechtliche Ahndung ist deshalb nicht erforderlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die generalpräventive (abschreckende) Wirkung einer Disziplinarmaßnahme, da ein vergleichbares Verhalten bei anderen Beamten ein disziplinarrechtliches Einschreiten ebenfalls nicht erfordert.

Aus den vorgenannten Gründen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Disziplinarverfügung wegen fehlender Zweckmäßigkeit schon deshalb aufzuheben ist, weil der Kläger zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten ist und § 6 Abs. 2 NDiszG gegenüber einem Ruhestandsbeamten die Erteilung eines Verweises nicht mehr vorsieht (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 19.9.2007 - 21d A 3600/06:0 -, juris; VG Trier, Urteil vom 22.2.2013 - 4 K 720/12.TR -, juris). Die damit einhergehende Fragestellung, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme abzustellen ist, kann im vorliegenden Fall mithin ebenfalls auf sich beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 69 Abs. 1 NDiszG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieses Urteil ist rechtskräftig (§ 61 Abs. 2 NDiszG).