Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 28.03.2019, Az.: 4 B 5526/18
Abluftreinigung; Antragsbefugnis; Beteiligung; Bioaerosole; Chemowäscher; Feinstaub; Geruchsimmissionen; immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Irrelevanzwert; Masthähnchen; Pachtland; Privilegierung; Rauigkeitslänge; Schwellenwert; Stand der Technik; Umweltinformation; Umweltverband; Umweltvereinigung; Umweltverträglichkeitsprüfung; Vorprüfung; Vorsorgeprinzip
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 28.03.2019
- Aktenzeichen
- 4 B 5526/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69951
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Antragsbefugnis einer Umweltvereinigung nach Änderung ihrer bei der Anerkennung vorgelegten Satzung.
Nebeneinander kann eine Zulassungsentscheidung eine nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG und nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sein.
Zur Beteiligungsberechtigung der Umweltvereinigung bei beiden Zulassungsentscheidungen.
Landwirtschaftliche Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB für einen Hähnchenmastbetrieb.
Zur Geruchs- und Bioaerosolbelastung der Nachbarschaft trotz eingesetzter Abluftreinigungsanlage.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19. April 2018 gegen die vom Antragsgegner erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Hähnchenmastanlage mit 39.900 Tierplätzen nebst Nebeneinrichtungen in der Gemarkung Hohenmoor vom 26. März 2018 (Az.: …) wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners für die Errichtung und den Betrieb einer Hähnchenmastanlage der Beigeladenen mit 39.900 Tierplätzen in der Gemarkung Hohenmoor.
Der Antragsteller ist eine nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigung, die sich nach ihrer Satzung vom 27.11.2004, zuletzt geändert am 11.06.2018, u. a. der Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des BNatSchG und der Naturschutzgesetze der Länder, des Umweltschutzes und des Tierschutzes verschrieben hat.
Die Beigeladene bewirtschaftet einen von ihren Urgroßeltern 1912 gegründeten landwirtschaftlichen Betrieb, nachdem ihre Großeltern noch als Vollerwerbslandwirte tätig waren, heute mit ihrem 2014 zum Landwirt ausgebildeten Sohn J. H., im Nebenerwerb. Ihr Sohn steht in der Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister und will den Betrieb – derzeit mit Schweinemast – künftig wieder im Vollerwerb – dann nur mit Hähnchenmast – führen.
Die Beigeladene beantragte am 3. Juli 2017 wegen beabsichtigter Aufgabe der Haltung von 750 Mastschweinen (bis 110 kg) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Hähnchenmastanlage mit (zunächst) 39.990 Plätzen (Masthähnchen im Durchschnitt 2 kg), die Errichtung einer Abluftreinigungsanlage, zweier Futtermittelsilos und einer Dungplatte.
lm näheren Umfeld der geplanten Anlage liegen landwirtschaftliche Betriebe sowie Wohnhäuser. Das nächst und allein gelegene befindet sich ca. 200 m östlich der Anlage (IP 4), weiter östlich, in ca. 650 m Entfernung, befindet sich die kleine Ansiedlung H.. Westlich des Hofes der Beigeladenen liegt in 220 m Entfernung ein weiteres Wohnhaus (IP 2).
Das Vorhaben soll bisher 3.351,88 m² unversiegelte Außenbereichsfläche einnehmen. Die Futtermittelsilos sollen eine Höhe von 8,36 m aufweisen. In dem Stall sollen insgesamt 39.900 Hühnerküken eingestallt und im sog. Splitting-Verfahren in Schwermast gehalten werden. 30% der Tiere sollen im Vorgriff nach 35 Tagen bei einem Mastendgewicht von ca. 1,8 kg ausgestallt werden. Die übrigen 70 % der Tiere sollen nach 42 Tagen bei einem Mastendgewicht von ca. 2,7 kg den Stall verlassen. Es sollen im Jahr 7,0 bis 7,4 Durchgänge erfolgen. Die Nutzfläche des Stalls soll 2.000 m² betragen. Er soll eine Abluftreinigungsanlage in Form des 1-stufigen Chemowäschers mit Tropfenabscheider ASA1 des Herstellers Anisol GmbH erhalten. Nach dem DLG-Prüfbericht Nr. 6254 hat der Chemowäscher einen Mindestabscheidegrad für Ammoniak und Gesamtstaub von ≥ 70 %. Die gemittelten Ergebnisse der Messungen liegen danach bei 78,3 % bei der Abscheidung von Ammoniak und 80,9 % Gesamtstaub. Der Hersteller garantiert ferner für Geruch und Feinstaub einen Abscheidegrad von 50 %. Die DLG prüft derzeit die Zertifizierung des Chemowäschers auch für die Geruchsabscheidung.
Die Beigeladene legte dem Antragsgegner eine Berechnung der Landwirtschaftskammer vor, die für eine überwiegende Futtergrundlage des Betriebs der Beigeladenen einen „Gesamtbedarf für 50 % Futtergrundlage“ von 61,5 ha ermittelte. Die Beigeladene hat Eigenflächen
Fläche in ha lt. Beigeladener
„bei Haus“
8.978
„vorm Haus“
6,894
bei Sielings
3,328
Arnswaldfeld
5,125
„bei Bruns“
4,778
Klinken Sünder
6,573
insgesamt
35,676
und derzeit Pachtflächen, deren Pachtdauer die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung wie folgt angibt:
ha lt. Ast
Pachtdauer laut Beigeladener
Pachtvertrag R.
7,280
1993 bis 2030
Pachtvertrag Erbengem.
5,500
1971 bis 2029
Pachtvertrag NLF
0,700
2012 bis 2030
Pachtvertrag K.
7,400
2016 bis 2029
Pachtvertrag W.
12,000
2017 bis 2029
Pachtvertrag B.
10,127
2017 bis 2023
insgesamt
43,007
Die Beigeladene legte Unterlagen zur Durchführung einer Umweltverträglichkeits-Vorprüfung vor. Nach der Immissionsprognose der Sachverständigen F. vom 10.07.2017
- beträgt, eine 50%-ige Geruchsabscheidung zu Grunde gelegt, die Geruchsbelastung am lP 4 ca. 20 % Geruchsstundenhäufigkeiten im Jahr;
- wird zur Vorsorge vor Umweltbelastungen bei Ammoniak der nach Ziffer 5.2.4 der TA-Luft einzuhaltende Emissionsmassenstrom von 0,15 kg/h und die einzuhaltende Emissionsmassenkonzentration von 30 mg/m³ eingehalten;
- wird zur Vorsorge vor Umweltbelastungen vor Staub der nach Ziffer 5.2.1 der TA-Luft einzuhaltende Emissionsmassenstrom von 0,2 kg/h und die einzuhaltende Emissionsmassenkonzentration von 20 mg/m³ eingehalten;
- ergeben Berechnungen zur Bioaerosol-/Keimbelastung gemäß „Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen“, hilfsweise VDI 4250 Bl. 1, dass diese nur zu irrelevanten Belastungen im Bereich der Wohnhäuser führten.
Der Antragsgegner führte ohne Öffentlichkeitsbeteiligung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 7 Abs. 2 UVPG durch und machte unter dem 28. Januar 2018 öffentlich bekannt, dass im Ergebnis keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei. Die Vorprüfung habe ergeben, dass die prüfrelevanten Schutzgebiete und -objekte ausreichende Abstände aufwiesen, schützenswerte Biotopstrukturen nicht direkt betroffen seien und Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes im Rahmen der Eingriffsregelung behandelt würden.
Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens machte der Antragsteller keine Einwendungen geltend.
Am 26. März 2018 erteilte der Antragsgegner die beantragte Genehmigung. Die immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmung Nr. 1 bestimmt mit den Spiegelstrichen 1 bis 4:
„Immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen:
1. Lüftungsanlage im Hähnchenmaststall:
- Die gesamte Abluft der BE ist zu fassen und vollständig einer DLG-zertifizierten Abluftreinigungsanlage zur Reduzierung von Staub-, Ammoniak- und Geruchsemissionen (hier: 1-stufiger Chemowäscher mit Tropfenabscheider ASA1 DLG-Prüfbericht 6254, Signum Test 07/15) zuzuführen.
Die Abluftreinigungsanlage hat einen Minderungsgrad von ≥ 70 % bezüglich Ammoniak und Gesamtstaub aufzuweisen.
- Die Abluftreinigungsanlage ist so zu konzipieren, dass im Austrittsbereich in die Umwelt kein Rohgasgeruch mehr wahrnehmbar ist. d.h. es darf kein „Geflügelgeruch“ feststellbar sein.
- Die Geruchsstoffkonzentrationen im Reingas dürfen 300 GE/m³ nicht überschreiten.
- Der Eigengeruch der Abluftreinigungsanlage darf nach 100 m nicht mehr wahrnehmbar sein.“
Der Antragsgegner ermittelte und bewertete die Bioaerosolzusatzbelastung und -gesamtbelastung an den Wohnnutzungen unter Berufung auf die vorgesehene Abluftreinigungsanlage und das Unterschreiten des Feinstaub-Irrelevanzwertes nicht.
Gegen die Genehmigung erhob u. a. der Antragsteller mit Schreiben vom 19. April 2018 am 23. April 2018 Widerspruch. Er bemängelte, dass ihm nur völlig unzureichende Unterlagen zur Beurteilung der Ermittlung der Futterfläche zur planungsrechtlichen Beurteilung (Nachweis eines landwirtschaftlichen Betriebes) zur Verfügung ständen. Nach den ihm bekannten Daten genüge die Futtergrundlage nicht, da Pachtflächen nur dann eingestellt werden könnten, wenn die Verträge eine Mindestlaufzeit von 18 Jahren hätten. Eine derartige Laufzeit wiesen die Pachtverträge nicht auf. Damit sei das Vorhaben nicht bauplanungsrechtlich privilegiert. Fehlerhaft seien die Immissionsberechnungen und das Brandschutzkonzept. Die Abluftreinigungsanlage sei nicht zertifiziert. Es fehle ein Nachweis für die Berechtigung und Befähigung der Beigeladenen zum Umgang mit Schwefelsäure aus den Abluftwäschern. Es fehle ein Keimverbreitungsgutachten. Unterblieben sei die Ermittlung der von der Anlage erzeugten Bioaerosolbelastung. Die umweltgerechte Verwertung des in der Anlage anfallenden Festmistes und Abschlämmwassers sei nicht gewährleistet. Zu befürchten sei die Zunahme von Atemwegserkrankungen und zunehmende Antibiotika-Resistenz bei den in der Umgebung lebenden Menschen. Die Tierhaltung sei nicht tierschutzkonform. Es fehle eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung.
lm Rahmen der Anhörung zum Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung durch die Beigeladene hat der Antragsteller mit Schreiben vom 3. August 2018 Stellung genommen.
Unter dem 16. August 2018 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides „vom 19.04.2018“ an.
Mit Schreiben vom 20. August 2018 beantragte der Antragsteller die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. März 2018, was der Antragsgegner mit Schreiben vom 22. August 2018 zurückwies.
Die Bauarbeiten haben mittlerweile begonnen.
Der Antragsteller hat am 29. August 2018 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung vertieft er sein Widerspruchsvorbringen: Der Antrag sei zulässig. Er sei antragsbefugt. Seinem Widerspruch sei eine überwiegende Erfolgsaussicht beizumessen, da die in Rede stehende Genehmigung rechtswidrig sei. Das Vorhaben der Beigeladenen im Außenbereich sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Flächenberechnung der Beigeladenen sei nicht nachzuvollziehen. Der von dem Antragsgegner zugrunde gelegte Flächenertrag sei viel niedriger. Wenn der Antragsgegner nur 7 Wechsel des Tierbesatzes im Jahr zugrunde lege, sei dessen Futterbedarf zu niedrig angesetzt. Pachtflächen mit zu kurzer Pachtlaufzeit seien zu Unrecht berücksichtigt. Es bestünden ferner vernünftige Zweifel an der Sicherstellung der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten. Die Immissionsberechnung der Beigeladenen sei zu beanstanden. Sichergestellt seien nicht die Sicherung vor unzumutbaren Geruchsbelästigungen, vor Bioaerosolen und eine umweltgerechte Abfallverwertung. Zu befürchten sei eine Überdüngung. Tierschutz- und brandschutzrechtliche Vorschriften würden verletzt. Tatsächlich habe die Verpflichtung zu einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls bestanden, die der Antragsgegner unterlassen habe.
Der Antragsteller legt eine Bioaerosolausbreitungsberechnung vom 20.03.2019 vor.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19. April 2018 gegen die vom Antragsgegner erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Hähnchenmastanlage mit 39.900 Tierplätzen nebst Nebeneinrichtungen in der Gemarkung Hohenmoor vom 26. März 2018 (Az.: …) wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Fläche der Beigeladenen reiche aus, um von einer überwiegenden Futtergrundlage auf eigenen Flächen auszugehen. Er verweist darauf, dass die Landwirtschaftskammer bei Haltungsfragen wie auch der Ermittlung der erforderlichen Futtergrundlage von Durchschnittswerten ausgehe. Haltungs- und systembedingt ergebe sich, anders als vom Antragsteller dargestellt, für 7,45 Durchgänge ein faktisch geringerer Energiebedarf pro Stallplatz als für sieben Durchgänge. Die Berechnungsgrundlage und die Annahmen, die zu einem sogenannten höheren Energiebedarf führen sollen, seien nicht Gegenstand der Ausführungen der Landwirtschaftskammer. Es sei nicht der Energieansatz nachwachsender Rohstoffe, sondern der aus Getreide und Mais gewählt worden.
Das Gutachten zu Geruchsimmissionen beruhe auf der Annahme richtiger Rauigkeitslängen. Die Reduktion der Geruchsemissionen durch die Abluftreinigungsanlage beruhe auf Erkenntnissen aus anderen Bauantragsverfahren. Bioaerosolimmissionen seien nicht zu ermitteln gewesen, da nach dem Filtererlass hiervon abgesehen werden könne, wenn eine Abluftreinigung installiert sei. Zur Abfallverwertung habe die Düngebehörde eine Stellungnahme abgegeben. Diese habe ergeben, dass die beantragte Baumaßnahme aus düngerechtlicher Sicht genehmigungsfähig sei. Der im Betrieb der Beigeladenen anfallende Mist werde durch die Abgabe mit einem Abgabevertrag dauerhaft verwertet. Der Nachweis über eine ordnungsgemäße Verwertung werde mit dem Vertrag geführt. Die Düngebehörde überprüfe jährlich, ob die im Verwertungskonzept ermittelte Abgabe des Betriebs der Beigeladenen in der Meldedatenbank für Wirtschaftsgüter gemeldet werde. Der Düngebehörde lägen keine Hinweise vor, dass der Vermittler sowie der Betrieb der Beigeladenen seinen bisherigen Melde- und Berichtspflichten nicht nachgekommen sei. Das Abschlämmwasser solle auf landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs der Beigeladenen gebracht werden. Die Gegenrechnung des Antragstellers sei fehlerhaft.
Tierschutzrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt. Um eine Besatzdichte von 39 kg je Quadratmeter zu erreichen, sei eine Zustimmung des Veterinäramtes einzuholen. Dazu müsse die Absicht mindestens 15 Tage vor Einstallung der Tiere beim Veterinäramt angezeigt werden. Für die nötige Zustimmung seien die Unterlagen von mindestens drei Mastdurchgängen mit maximal 33 kg je Quadratmeter vorzulegen.
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist darauf, dass der Antragsteller als Umweltverband nicht die Befugnis habe, die planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens zu rügen. Belange des Brandschutzes wiesen keinen Bezug zu den satzungsgemäßen Zielen des Antragstellers auf. Auch Belange des Tierschutzes zählten nicht dazu. Sie fänden keine Darstellung im Aufgabenbereich des Antragstellers, die seiner Anerkennung zugrunde gelegen habe. Auch im Übrigen sei der Antrag unzulässig. Denn gemäß § 2 UmwRG sei erforderlich, dass die Vereinigung zur Beteiligung am Verfahren berechtigt war. Dieses Erfordernis der Beteiligungsberechtigung sei auch nicht durch die Gesetzesänderung im Jahre 2017 entfallen. Das Beteiligungsrecht eines Umweltverbandes folge nicht aus dem UmwRG selbst, sondern dem Fachrecht. Für das Immissionsschutzrecht sehe § 10 BImSchG die Beteiligung der Öffentlichkeit grundsätzlich vor. Hier seien anerkannte Umweltvereinigungen Teil der Öffentlichkeit und könnten sich gegen die geplante Anlage wehren. Dagegen bestehe ein solches Beteiligungsrecht im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG nicht. Es sei ein vereinfachtes Verfahren bei der Anlage zur Hähnchenmast mit weniger als 40.000 Mastflügelplätzen durchgeführt worden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass eine Umweltverträglichkeits-Vorprüfung durchzuführen sei. Das Fehlen einer UVP sei dann auch vom Antragsgegner zu Recht festgestellt worden. Insofern stehe dem Antragsgegner eine Einschätzungsprärogative zu, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sei.
Außerdem sei die Genehmigung rechtmäßig. Bei der Beigeladenen handele es sich um einen landwirtschaftlich privilegierten Betrieb, der in ausreichender Menge Futter für die Masthähnchen erzeugen könne. Die Flächenverfügbarkeit sei langfristig gesichert. Die Flächenberechnung des Antragstellers überzeuge nicht. Die erteilte Genehmigung stehe im Einklang mit den brandschutzrechtlichen Vorschriften. Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen tierschutzrechtliche Vorschriften. Es habe auch nicht die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden. Es sei nicht verständlich, weshalb der Antragsteller das Erfordernis dieser Pflicht bejahe, obwohl doch der maßgebliche Schwellenwert von 40.000 Tierplätzen offensichtlich unterschritten werde. Das Genehmigungsverfahren sei beanstandungsfrei durchgeführt worden. Insbesondere leide weder das Ergebnis der standortbezogenen Vorprüfung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, an einem Fehler, noch sei der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozessen durch Zugangsvereitelung zu auszulegenden Unterlagen genommen worden. Soweit der Antragsteller die Belastbarkeit des Gutachtens der Sachverständigen F. rüge, könne er damit nicht durchdringen. Das Gutachten sei im Rahmen der Überprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen durch den Antragsgegner nicht nur nachvollzogen, sondern auch überprüft worden. Demgegenüber habe die zuständige Behörde die Berechnung und Annahme des Gutachters des Antragstellers G. teilweise als „nicht nachvollziehbar“ herausgearbeitet und eigenen Berechnungen gegenübergestellt.
Auch das Fehlen eines Bioaerosolgutachtens sei unbeachtlich. Es sei keine Genehmigungsvoraussetzung im Landkreis des Antragsgegners, solche Gutachten beizubringen. Tatsächlich beständen auch Zertifizierungsdefizite hinsichtlich der Abluftreinigungsanlage der Beigeladenen nicht. Die Anlage sei ausreichend testerprobt. Für die Beigeladene ergebe sich schon durch den Einsatz eines Abluftreinigers keine Emissionsreduzierungspflicht. Denn weder entspreche die im Genehmigungsbescheid enthaltene Einrichtung einer Abluftreinigung mit einer Staubreduzierung von mindestens 70 % dem Stand der Technik noch seien über den Stand der Technik hinaus Immissionsschutzmaßnahmen verhältnismäßig. Ein pauschaler Gefahrenverdacht reiche nicht aus, um eine Vorsorgeregelung zu treffen. Vielmehr sei eine eingehende Untersuchung notwendig. Eine solche Prüfung der Bioaerosolbelastung habe die Gutachterin F. vorgenommen. Zwar sprächen gegenwärtig Anhaltspunkte durchaus dafür, dass von Tierhaltungsanlagen luftgetragene Schadstoffe wie Stäube, Mikroorganismen und Endotoxine ausgingen, die grundsätzlich geeignet sein könnten, die menschliche Gesundheit zu beeinträchtigen. Nach gegenwärtigen Erkenntnisstand lägen allerdings keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass konkrete Gefahren in Form von Bioaerosolen zu erwarten seien. Gleichwohl werde den Bedenken hinsichtlich luftgetragener Schadstoffe und diesbezüglichen Vorsorgeanforderungen im niedersächsischen Landesrecht durch den sogenannten Filtererlass Rechnung getragen. Nach diesen Grundsätzen bestünde die Konsequenz aus dem Vorsorgeprinzip und der Möglichkeit einer luftgetragenen Schadstoffbelastung lediglich darin, dass von der Beigeladenen ein Sachverständigengutachten eingefordert würde, welches diese allerdings bereits in Gestalt desjenigen der Sachverständigen F. vorgelegt habe. Dem Filtererlass lasse sich entnehmen, dass der Einbau einer Abluftreinigungsanlage das Sachverständigengutachten zu möglichen Bioaerosolemissionen gänzlich entbehrlich mache. Die von dem Antragsteller an dem Gutachten gestreuten Zweifel verfingen nicht.
Dies gelte auch für die Geruchsabscheidung. Die Hofstelle der Beigeladenen befinde sich im Außenbereich, der dort deutlich von landwirtschaftlichen Betrieben geprägt sei. Die Prognose der Gutachterin konstatiere folglich, dass für die relevanten möglichen Belastungsfaktoren aus Geruchs-, Ammoniak-, Staub- und Bioaerosolemission die Grenzen zulässiger Belastung durchweg nicht überschritten werden, teilweise sogar die Relevanzschwelle schon nicht erreicht werde. Die Ermittlung der Geruchsemissionen sei entgegen der Behauptung des Antragstellers auch mittels konkreter Eingangsdaten vorgenommen worden. Die zulässigen Emissionswerte für Gerüche würden auch ohne Ansatz einer Minderung durch die Abluftreinigung eingehalten werden. Auch die Anforderung, insgesamt Abfall zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt zu vermeiden, werde erfüllt. Der Abgabevertrag mit dem Maschinenring sichere die Vorgaben des Runderlasses „Verbesserung der düngergerechten Überwachung durch Zusammenarbeit zwischen Genehmigungsbehörden und Düngebehörden“. Die Düngebehörde überprüfe jährlich, ob die im Verwertungskonzept ermittelte verpflichtende Abgabe des Betriebs der Beigeladenen in der Meldedatenbank für Wirtschaftsdünger gemeldet werde. Das Abschlämmwasser solle auf landwirtschaftlichen Flächen des Betriebs der Beigeladenen ausgebracht werden. Die vom Antragsteller in Ansatz gebrachte Gegenrechnung sei fehlerhaft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
II.
I. Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag des Antragstellers nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von dem Antragsteller erhobenen Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist zulässig. Betroffen ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 26. März 2018. Wenn die Anordnung von deren sofortiger Vollziehung vom 16. August 2018 einen Genehmigungsbescheid vom 19. April 2018 zitiert, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler.
A. Der Antragsteller ist auch antragsbefugt.
In prozessualer Hinsicht sind die Vorschriften anzuwenden, die im Zeitpunkt der Antragstellung am 3. Juli September 2017 in Kraft waren. Soweit maßgeblich, ist daher das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290) – UmwRG – anzuwenden.
Dem Antragsteller steht das Antragsrecht aus § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 UmwRG als Verband zu.
Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1), sie geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2), und sie zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt war (Nr. 3a).
1. Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, dem mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 durch das Umweltbundesamt „die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gemäß § 3 UmwRG in der bis zum 1. März 2010 geltenden Fassung“ erteilt worden ist. Die Anerkennung gilt für den Aufgabenbereich (§ 1 Satz 3 sowie § 2 Satz 1 und 2 der Satzung vom 27. November 2004):
„§ 1
Sein Tätigkeitsbereich umfasst das Land Niedersachsen sowie angrenzende Gebiete.
§ 2
Ziel des Vereins ist die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen durch Naturschutz und Landschaftspflege sowie durch Umwelt- und Lebensschutz.
Hierzu stellt sich der Verein folgende Aufgaben:
- Die Erhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.
- Die Gestaltung einer lebenswerten Umwelt in Städten und Siedlungen.
- Die Förderung staatsbürgerlichen Engagements in Bürgerinitiativen.
- Die Wahrung von Verbraucherinteressen zur Durchsetzung umweltfreundlicher Produkte und Produktionsweisen.“
Diese Anerkennung gilt nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UmwRG fort. Durch die Inbezugnahme der Satzung vom 27. November 2004 in dem Anerkennungsbescheid ist diese maßgeblich (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 UmwRG; BayVGH, Beschl. vom 20.01.2010 – 22 CS 09.2968 –, juris, Rn. 10; OVG Bremen, Urteil vom 04.06.2009 – 1 A 9/09 –, juris, Rn. 79); spätere Satzungsänderungen mit einer Erweiterung des Aufgabenkreises des Antragstellers bleiben deshalb außer Betracht. Wenn der Bescheid vom 28. Oktober 2010 dem Antragsteller den Hinweis erteilt, Satzungsänderungen seien dem Umweltbundesamt mitzuteilen, rechtfertigt das nicht den Schluss, dass solche Änderungen auch von der Genehmigung miterfasst sind (ebenso: Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 88. EL September 2018, UmwRG § 3 Rn. 48). Hiergegen sprechen der Wortlaut und der Sinn der Anerkennungsregelung. Die Anerkennung nach § 3 Abs. 1 Satz 3 UmwRG bezieht sich nicht auf den Verein als solchen, sondern auf dessen Handeln. Wird der Zweck der Vereinigung mit einer Satzungsänderung so geändert, dass die Ziele des Naturschutzes zu nachrangigen Zielen werden, muss die Anerkennung widerrufen werden (Sinn und Zweck des § 3 UmwRG; Wüstenberg, Der satzungsgemäße Zweck der naturschutzrechtlichen Vereinigung, ZStV 2018, 232). Die Mitteilung von Satzungsänderungen gilt damit der Kontrolle der Anerkennungsbehörde, ob die Anerkennungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen, ermächtigt den Verband aber nicht, seine anerkannten Satzungsziele ohne Zutun der Anerkennungsbehörde zu erweitern. Hierzu bedürfte es einer neuen Anerkennung nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz.
2. Die verfahrensgegenständliche Genehmigung vom 26. März 2018 ist ein gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a (a.) bzw. Nr. 5 UmwRG (b.) tauglicher Rechtsbehelfsgegenstand.
a. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG nennt als Antragsgegenstand Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG – über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann.
Die streitgegenständliche Genehmigung ist auf § 19 BImSchG gestützt. Es handelt sich um eine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG über die Zulässigkeit eines Vorhabens. Dafür gilt nach § 7 Abs. 2 UVPG i.V.m. Nr. 7.3.3 (Intensivhaltung oder -aufzucht von Mastgeflügel mit 30.000 bis weniger als 40.000 Plätzen) der Anlage 1 zum UVPG eine Pflicht zur standortbezogenen Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht.
Für das Vorliegen einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG reicht die Möglichkeit einer UVP-Pflicht. Sie eröffnet den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Dies gilt selbst dann, wenn eine Prüfung des Einzelfalls mit dem Ergebnis durchgeführt wurde, dass keine UVP-Pflicht besteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2018 – 5 S 2138/16 –, juris, Rn. 73). Die Möglichkeit einer UVP-Pflicht besteht bei allen Vorhaben, für die nach der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine oder eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorzunehmen ist (VG Hannover, Beschluss vom 27.06.2018 – 12 B 10379/17 –, juris, Rn. 57; VG Darmstadt, Beschluss vom 29.03.2018 – 6 L 3548/17.DA –, juris, Rn. 68).
b. Ansonsten ist die Genehmigung vom 26. März 2018 auch tauglicher Streitgegenstand, weil sie die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfüllt, wonach das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auch anzuwenden ist auf Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden (vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 29.03.2018 - 6 L 3548/17.DA -, juris, Rn. 134; offen gelassen im Fall einer Klagebefugnis wegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2018 – 5 S 2138/16 –, juris, Rn. 73). Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention (s. die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 18/9526, S. 36). Durch die Ergänzung des Anwendungsbereichs mit den Nummern 4 - 6 des § 1 Abs. 1 Satz 1 des UmwRG beabsichtigte der Gesetzgeber die Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention, die bisher noch nicht erfolgt war (vgl. Schlacke, Die Novelle des UmwRG 2017, NVwZ 2017, 905, 907; BT-Drucks. 18/9526 S. 31).
Die Tatsache, dass die Genehmigung vom 26. März 2018 bereits eine solche im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG ist, steht ihrer Einordnung auch unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG nicht entgegen. Die Formulierung, „durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben ... zugelassen werden“, schließt das nicht aus. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG gilt subsidiär zu der (durch die Suspendierung von Präklusionsvorschriften gemäß § 7 Abs. 4 UmwRG oder die erweiterte Aufhebbarkeit von Entscheidungen nach § 4 UmwRG) stärkeren Rechtsposition des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG gerade für die nach § 19 BImSchG vereinfacht genehmigten Vorhaben (vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 87. EL Juli 2018, UmwRG § 1, Rn. 114 unter Hinweis auf BT-Drs. 18/9526, S. 36; Seibert, Die Fehlerbehebung durch ergänzendes Verfahren nach dem UmwRG, NVwZ 2018, 97: „Auffangklausel“).
3. Der Antragsteller macht im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG geltend, dass die verfahrensgegenständliche Genehmigung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG).
Er trägt Umstände vor, die die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und die dadurch bewirkte Verletzung der von ihm rügbaren Rechte im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 UmwRG zumindest als denkbar erscheinen lassen. Er rügt insbesondere Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche und die Umwelt schützende bauplanungsrechtliche Vorschriften, die allesamt für die Genehmigung der Masthähnchenanlage von Bedeutung sind.
4. Der Antragsteller macht im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend, dass er durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen überwiegend in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt ist.
a. Die Rüge der fehlenden baurechtlichen Privilegierung und damit eines Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 201 BauGB weist einen ausreichenden Zusammenhang zu seiner Satzung vom 27. November 2004 und dem dort beschriebenen Aufgabenbereich auf. Danach setzt sich der Antragsteller die „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen durch Naturschutz und Landschaftspflege sowie durch Umwelt- und Lebensschutz“ zum Ziel und stellt sich die Aufgabe der „Erhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes“.
Die Beigeladene kann nicht darauf verweisen, dass die Frage der Privilegierung eines Außenbereichsvorhabens als solche nicht zu den von anerkannten Vereinigungen rügefähigen umweltbezogenen Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG gehört. Das ist zwar im Grundsatz richtig, heißt allerdings nicht, dass sich Umweltvereinigungen schlechthin nicht auf eine fehlende Privilegierung berufen könnten. Ob dies der Fall ist, hängt nämlich davon ab, ob die öffentlichen Belange, die dem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen bzw. das Vorhaben nach § 35 Abs. 2, 3 BauGB beeinträchtigen, umweltbezogen sind. Ist das der Fall, kann die Vereinigung geltend machen, die Behörde habe mangels zutreffender Beurteilung der Privilegierung des Vorhabens zu Unrecht angenommen, eine Beeinträchtigung des Belangs sei für die Zulässigkeit des Vorhabens unschädlich. Dies gilt auch für Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (zu allem: Nds. OVG, Beschluss vom 04.09.2018 – 1 ME 65/18 –, juris, Rn. 8). § 35 BauGB schützt den Außenbereich vor baulicher Inanspruchnahme insbesondere wegen dessen erheblicher Bedeutung für den Umweltschutz (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Insoweit ist er auch eine Vorschrift für einen ressourcenschonenden Umgang mit Grund und Boden (vgl. VG München, Beschluss vom 23.03.2018 – M 19 SN 17.4631 –, juris, Rn. 51; bestätigt von BayVGH, Beschluss vom 06.08.2018 – 22 CS 18.1097 –, juris, Rn. 28).
Außerdem macht der Antragsteller geltend, das angegriffene Vorhaben beeinträchtige den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Boden durch die Emissionen der genehmigten Anlage. Damit berühre es auch bauplanungsrechtliche Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Diese Versagungsgründe betreffen umweltbezogene Vorschriften i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V. m. § 1 Abs. 4 UmwRG, da Luft und Boden wie auch die Landschaft zu den Umweltbestandteilen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG gehören. Naturschutz und Landschaftspflege gehören zu den satzungsgemäßen Zielen des Antragstellers.
b. Außerdem rügt der Antragsteller die Verletzung von immissionsschutzrechtlichen Vorschriften. Der Schutz von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG erfasst alle Vorschriften, die zumindest auch dem Umweltschutz - einschließlich der Gesundheit von Menschen - zu dienen bestimmt sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 – juris, Rn. 28 m.w.N.). Hierzu zählen insbesondere auch die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (vgl. § 1 BImSchG), auf deren Verletzung sich der Antragsteller unter anderem beruft (vgl. VG Weimar, Beschluss vom 13. März 2017 – 7 E 155/17 We –, juris, Rn. 82).
5. Der Antragsbefugnis des Antragstellers steht auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a UmwRG entgegen. Danach muss der Antragsteller bei einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG zur Beteiligung berechtigt sein. Soweit der Antragsteller seinen Rechtsbehelf auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG stützt, ist die Voraussetzung zwar nicht erfüllt (a.); soweit der Antragsteller seinen Rechtsbehelf mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG begründet, muss er die Voraussetzung aber auch nicht erfüllen (b.).
a. Ist das Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG einzuschätzen (siehe oben 2. a.), beantwortet sich die Frage, ob der Antragsteller im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3a UmwRG im Verwaltungsverfahren zur Beteiligung berechtigt war, danach, was das Fachrecht bestimmt (Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 87. EL Juli 2018, UmwRG § 2 Rn. 25-27). Bei der standortbezogenen Vorprüfung der Umweltverträglichkeit war der Antragsteller nicht zu beteiligen.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BImSchG kann durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 BImSchG vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. § 1 der 4. BImSchV sieht nach Nr. 7.1.3.2 der Anlage zu § 1 für Mastgeflügelställe mit 30.000 bis weniger als 40.000 Mastgeflügelplätzen ein vereinfachtes Verfahren (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) nach § 19 BImSchG vor.
Nach § 10 Abs. 3a BImSchG sollen zwar im Genehmigungsverfahren die nach dem UmwRG anerkannten Vereinigungen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen, im vereinfachten Verfahren gilt gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG die Bestimmung aber ebenso wenig wie Vorschriften über die Bekanntmachung der Genehmigung an die Öffentlichkeit und deren Beteiligungsmöglichkeiten (§ 10 Abs. 3 BImSchG). Deshalb besteht kein Beteiligungsrecht im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG (Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, 87. EL Juli 2018, UmwRG § 2 Rn. 25-27 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 07.10.2009 – 7 B 28/09 –, juris, Rn. 12):
„Der Senat hat für das förmliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG bereits entschieden, dass naturschutzrechtliche Verfahrensvorschriften im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren aufgrund der von § 13 BImSchG bezweckten Verfahrensvereinheitlichung unanwendbar sind, und zwar unabhängig davon, ob die immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften den verdrängten Regelungen funktionell entsprechen (Beschluss vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2). Dies gilt auch und gerade für das vereinfachte Genehmigungsverfahren. Daraus, dass es im vereinfachten Genehmigungsverfahren an einem funktionalen Pendant für die Öffentlichkeitsbeteiligung im förmlichen Verfahren fehlt, folgt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Die Vorschrift des § 19 BImSchG zielt auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für solche Anlagen, deren Genehmigung nach ihrer Art oder ihrem Umfang kein förmliches Verfahren erfordert. Dieser Zweck würde verfehlt, wollte man den anerkannten Naturschutzverbänden gerade im vereinfachten Genehmigungsverfahren ein Mitwirkungs- und Klagerecht einräumen.“
Diese Auffassung deckt sich mit der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 469/12 S. 38):
„Im Hinblick auf die Voraussetzung von § 2 Absatz 1 Nummer 3 UmwRG für den Rechtsbehelf einer Umweltvereinigung wird darauf hingewiesen, dass eine Berechtigung einer Umweltvereinigung zur Beteiligung an einem fachrechtlich geregelten Zulassungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG nur dann bestehen kann, wenn dieses Zulassungsverfahren als ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung ausgestaltet ist. Sofern ein fachrechtliches Zulassungsverfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG im Einzelfall keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht (z.B. bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 16 Absatz 2 BImSchG), kann auch die Voraussetzung von § 2 Absatz 1 Nummer 3 UmwRG nicht erfüllt werden.“
Wenn der Antragsteller darauf verweist, er habe im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3a UmwRG ein Beteiligungsrecht, weil ungeachtet der Bestimmung von § 1 4. BImSchV i.V.m. Nr. 7.1.3.2 der Anlage der 4. BImSchV der Antragsgegner hätte kein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchführen dürfen, weil europarechtlich (wenigstens) eine allgemeine Vorprüfung vorgesehen sei, überzeugt der Einwand das Gericht nicht. Der Antragsteller stellt darauf ab, der Antragsgegner habe bei der Prüfung, ob eine allgemeine oder standortbezogene Vorprüfung stattfinden müsse, nicht die tatsächliche Zahl der Tiere (39.900) zugrunde legen dürfen. Tatsächlich sei nach der Größe der Stallfläche von in Schwermastplätze umgerechneten 42.850 – und damit allgemein vorprüfungspflichtigen – Tierplätzen auszugehen. Der Antragsteller geht davon aus, dass europarechtlich nach dem UVPG keine pauschale Betrachtung vorgenommen werden dürfe. Er leitet dies aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Umweltverträglichkeitsprüfung zur Erweiterung des Salzburger Flughafens ab (EuGH, Urteil vom 21.03.2013 – C-244/12 –, juris).
Der EuGH hat Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 97/11 geänderten Fassung (jetzt: Richtlinie 2011/92) entnommen, dass diese einer nationalen Regelung entgegen stehen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen, ausschließlich davon abhängig macht, dass durch diese Projekte eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist. Ein Mitgliedstaat, der die Kriterien und/oder Schwellenwerte so festlegen würde, dass in der Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wäre, würde dann die Grenzen des Spielraums überschreiten, über den er nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 verfügt, sofern nicht aufgrund einer pauschalen Beurteilung aller ausgenommenen Projekte davon auszugehen ist, dass bei ihnen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Bei der Festlegung von Schwellenwerten oder Kriterien, um zu bestimmen, ob ein solches Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, räumt Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 den Mitgliedstaaten zwar einen Wertungsspielraum ein. Dieser Spielraum wird jedoch durch die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie festgelegte Pflicht begrenzt, die Projekte, bei denen u. a. aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen.
Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 haben die Mitgliedstaaten bei der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III dieser Richtlinie zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 28.02.2018 – C-117/17 –, juris, Rn. 38)
Die Kammer kann nicht erkennen, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Festlegung der Grenze zwischen der Verpflichtung zur allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung den ihm europarechtlich eingeräumten Wertungsspielraum zulasten der allgemeinen Vorprüfung verlassen hat. Der Entscheidung des Gerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass die Bestimmung der maßgeblichen Umweltauswirkungen nicht anhand einer pauschalen Betrachtung allein der Tierplätze erfolgen kann. Die Umweltauswirkungen eines Masthähnchentierplatzes lassen sich – und das zu entscheidende Verfahren ist gerade ein Beispiel dafür – durch tag- und mengengenaue Einstallung, Futterzugabe und Entnahme des Tieres wie in einem Industriebetrieb von vornherein abschätzen und planen. Wenn der Gesetzgeber dabei auf die Tierzahl und nicht eine andere Umrechnung der Umweltauswirkungen abstellt, bewegt er sich innerhalb seines Wertungsspielraums, sofern diese die Legalisierung gestattenden nationalen Vorschriften den Betreffenden nicht die Gelegenheit bieten, das Unionsrecht zu umgehen oder nicht anzuwenden (EuGH, Urteil vom 28.02.2018, a.a.O. Rn. 42). Hierzu hat der Antragsteller nichts vorgetragen.
b. Allerdings kann der Antragsteller sich darauf berufen, dass sein Rechtsbehelf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (s. 2. b.) nicht unter der Einschränkung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG stehe. Nach dem Oberverwaltungsgericht B-Stadt-Brandenburg (Beschluss vom 22.08.2018 – OVG 11 S 10.18 –, juris, Rn. 4), dem das Gericht folgt, ist § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG auch anwendbar auf Verwaltungsakte, durch die andere als die in den Nr. 1 bis 2b genannten Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Und damit werden beispielsweise auch nicht UVP-pflichtige Anlagengenehmigungen, wie immissionsschutzrechtliche Genehmigungen nach § 19 Abs. 1 BImSchG, erfasst (vgl. Schlacke, Die Novelle des Umweltrechtsbehelfsgesetzes 2017, NVwZ 2017, 905, 908).
B. Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO entgegen. Der dortige Verweis auf die „entsprechende“ Anwendung von § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO darf nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ein Dritter, der gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt Widerspruch eingelegt hat, dem kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt, verpflichtet wäre, nach Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde gemäß § 80a Abs. 2 Nr. 1 VwGO, aber vor Antragstellung bei Gericht nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO bei der Behörde einen Antrag auf „vorläufigen Rechtsschutz“ zu stellen (Nds. OVG, Beschluss vom 31.05.2018 – 12 ME 64/18 –, juris, Rn. 21).
II. Der Antrag ist begründet.
A. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Schreiben des Antragsgegners vom 16. August 2018 ist formell ordnungsgemäß ergangen. Nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich und auf den konkreten Fall abstellend, mithin nicht lediglich "formelhaft" zu begründen. Die Begründungspflicht soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert.
Das besondere Interesse an dem Sofortvollzug des Verwaltungsakts begründete der Antragsgegner hinreichend damit, dass er für den Einzelfall der Beigeladenen davon ausgeht, dass ihr die Nutzung der Genehmigung nicht verwehrt werden dürfe, nachdem die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers geprüft und verneint worden seien. Die von dem Antragsgegner im Bescheid angegebenen Gründe lassen damit in nachvollziehbarer Weise und nicht nur formelhaft die konkreten Erwägungen erkennen, die ihn dazu veranlasst haben, von seiner Anordnungskompetenz Gebrauch zu machen.
B. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist materiell aber nicht rechtmäßig.
Maßgebliches Kriterium innerhalb der im Rahmen des §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind regelmäßig die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird der Antragsteller hierdurch in seinen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz rügefähigen Rechten verletzt, weshalb er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch erfolgreich wird durchsetzen können, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich demgegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, weshalb der vom Antragsteller eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache erfolglos bleiben wird, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse.
Danach verstößt die Errichtung und der Betrieb der der Beigeladenen genehmigten Hähnchenmastanlage voraussichtlich gegen umweltbezogene materiell-rechtliche Genehmigungsvorschriften, so dass sich der Widerspruch vom 19. April 2018 als (derzeit) voraussichtlich begründet erweist.
Gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG sind Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 1 UmwRG begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG betrifft das Rügerecht des Antragstellers (nur) Verwaltungsakte, durch die Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Umweltbezogene Rechtsvorschriften sind nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 des Umweltinformationsgesetzes beziehen. Nach der Vorschrift sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen.
Das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung abzusehen, folgt weder aus von dem Antragsteller behaupteten Verfahrensfehlern (1.), noch aus materiellen Fehlern wegen der fehlerhaften Annahme einer bauplanungsrechtlichen Privilegierung des Vorhabens (2.) oder dessen Geruchsemissionen (3.). Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner jedoch die Immissionsbelastung wegen des Ausscheidens von Bioaerosolen fehlerhaft eingeschätzt, was zum Erfolg des Antrags führt (4.). Damit kommt es nicht darauf an, ob die übrigen Beanstandungen des Vorhabens hinsichtlich der Missachtung von Düngebestimmungen, einer unzulänglichen Abfallentsorgung oder nicht eingehaltenen Brand- und Tierschutzbestimmungen durchgreifen.
1. Verfahrensfehler bei der Umweltverträglichkeits(vor)prüfung kann der Antragsteller nicht rügen.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG kann der Antragsteller die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b UmwRG verlangen, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist, wobei eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Absatz 3 Satz 2 UVPG genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gleich steht.
Die angefochtene Genehmigung betrifft zwar eine Zulassungsentscheidung i.S.d. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG, aber der Antragsteller kann Verfahrensmängel mangels der Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a UmwRG (s. I. A. 5. a.) nicht rügen.
2. Der Einwand des Antragstellers, dem Vorhaben der Beigeladenen fehle die bauplanungsrechtliche Privilegierung, ist unberechtigt.
Wie bereits ausgeführt betrifft die Rüge einer fehlenden bauplanungsrechtlichen Privilegierung nach § 35 BauGB, die dazu führt, dass das Vorhaben umweltbezogene Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt, zwar eine umweltbezogene Vorschrift. Das Gericht geht aber davon aus, dass die streitgegenständliche Erweiterung der Tierhaltung der Beigeladenen ein im Rahmen der der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu prüfendes bauplanungsrechtlich privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB ist. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB fordert einen „landwirtschaftlichen Betrieb“. § 201 BauGB bestimmt „Landwirtschaft“ im Sinne des BauGB, soweit im Falle der Beigeladenen einschlägig, mit Ackerbau einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.
Dass die Beigeladene einen „Betrieb“ im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB besitzt, steht außer Zweifel. Ein „Betrieb“ fordert (vgl. BayVGH, Urteil vom 14.07.2011 - 14 B 09.2291 –, juris, Rn. 35 – 37 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) ein nachhaltiges, ernsthaftes, auf Dauer angelegtes und lebensfähiges Unternehmen mit einer gewissen Organisation. Zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit kommt es auf eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls an. Dabei hat der mehr oder minder dauernd gesicherte Zugriff auf die nutzbare Fläche, die in landwirtschaftlicher Weise Gegenstand der unmittelbaren Bodenertragsnutzung sein soll, und die Wirtschaftlichkeit (Rentabilität) der Betätigung eine gewichtige Bedeutung für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit und der Beständigkeit des Vorhabens. Anhand von schematischen oder abstrakten Berechnungsformeln kann die Einordnung als landwirtschaftlicher Betrieb nicht vorgenommen werden. Deshalb haben auch die Laufzeiten von Pachtverträgen lediglich Indizwirkung. Von den mit der Pacht zusammenhängenden Ungewissheiten kann abgesehen werden, wenn Gegenstand eines Pachtvertrags ein bereits bestehender landwirtschaftlicher (Nebenerwerbs-)Betrieb ist oder wenn andere Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise für die Dauerhaftigkeit des Betriebs sprechen. Allein die Umstände, dass der Betrieb seit mehreren Jahrzehnten besteht und der Sohn der Beigeladenen – als möglicher Betriebsnachfolger – eingebunden ist, dass nicht unerhebliche Eigentumsflächen des Betriebs bestehen und auch „eine hohe Pachtquote“ können vielleicht abstrakt nicht das Gewicht entwickeln, Zweifel an der notwendigen Dauerhaftigkeit des Unternehmens auszuräumen (BayVGH, Beschluss vom 06.08.2018 – 22 CS 18.1097 –, juris, Rn. 31). Doch dass der gut hundertjährige Hof, dessen zukünftiger Betriebsinhaber eine landwirtschaftliche Ausbildung macht, Zweifel daran lässt, dass er künftig – wenn vielleicht auch weiterhin im Nebenerwerb – nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, kann das Gericht nicht ausmachen.
Das Vorhaben der Beigeladenen genügt wohl auch den Anforderungen des § 201 BauGB an die „Landwirtschaft“, da das für Ackerbau und Tierhaltung benötigte Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.
Der Antragsteller meint zu Unrecht, die der Beigeladenen zur Verfügung stehenden Flächen könnten größenmäßig den notwendigen Futterbedarf nicht zu mehr als der Hälfte decken. Die der Beigeladenen gehörenden Eigentumsflächen genügen hierfür nicht, aber es sind angepachtete Flächen mit zu berücksichtigen. Die Gesamtfläche von 78,039 ha (a.) genügt zur hälftigen Futterproduktion (b.).
a. Die Beigeladene besitzt Eigentum in einer Größe von 35,676 ha Ackerland. Hinzu kommen Pachtflächen in einer Größe von (43 – 0,637 =) 42,363 ha.
Hinsichtlich von Pachtflächen ist (vgl. VG München, Beschluss vom 23.03.2018 – M 19 SN 17.4631 –, juris, Rn. 113 – 118) zur Ermittlung der dauerhaft zur Verfügung stehenden Pachtfläche eine einzelfallbezogene Prognose notwendig. Eine allgemein gültige Berechnungsformel existiert ebenso wenig (BayVGH, Urteil vom 14. Juli 2011 – 14 B 09.2291 –, juris, Rn. 37) wie eine pauschale Untergrenze (Mindestquote) für das Verhältnis von Eigentums- zu Pachtflächen (BayVGH, Beschluss vom 04.01.2015 – 1 CS 04.1598 –, juris, Rn. 22). Die Rechtsprechung fällt bei der Beantwortung der Frage, welche Pachtflächen im jeweiligen Fall als dauerhaft verfügbar angesehen werden können, sehr heterogen aus (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 – 4 C 62/78 – juris, Rn. 19; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2015 – 8 A 10945/14 –, juris, Rn. 37; BayVGH, Beschluss vom 01.06.2012 – 1 ZB 11.189 –, juris, Rn. 3).
Die Pachtflächen sind – mit Ausnahme des Pachtvertrags NLF über eine zum Ackerbau untaugliche Wiesenfläche mit einer Größe von 0,637 ha – zu berücksichtigen. An die Prognose der dauerhaften Verfügbarkeit der Pachtflächen sind, je höher die Pachtquote ist, umso strengere Anforderungen zu stellen. Denn die Prognose ist tendenziell umso ungünstiger, je umfangreicher die Hinzupacht ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.05.1991 – 4 B 66/91 –, juris, Rn. 3). Die nur kurzfristige Verfügbarkeit über die benötigten Flächen genügt gar nicht. Mit den Erwägungen des VG München (Beschluss vom 23.03.2018 – M 19 SN 17.4631 –, juris, Rn. 113 – 118) geht das Gericht dabei von einem Prognosezeitraum von 30 Jahren aus. Für diesen Prognosezeitraum entscheidend ist die zu erwartende Nutzungsdauer der Anlage (vgl. NdsOVG, Urteil vom 30.08.1988 – 1 A 164/86 –, juris, Rn. 31). Legt man das zugrunde, genügt es angesichts einer Pachtquote von (nur) 55 % bei Annahme einer dreißigjährigen Verfügbarkeit im zu entscheidenden Fall, wenn eine Restlaufzeit bei mindestens 1/3 der erwartbaren Nutzungsdauer, d.h. bei rund zehn Jahren, liegt. Hierbei stellt das Gericht ein, dass kaum ein Grundstückseigentümer angesichts der Chancen, den Pachtzins zu erhöhen, sehr langfristige Pachtverträge zu schließen bereit ist. Damit erscheint eine gewisse Dauerhaftigkeitsprognose als gerechtfertigt.
Angezeigt ist auch eine Betrachtung der „Vergangenheit“ eines Vertragsverhältnisses (Zahl der Verlängerungen, abgelaufene Vertragsdauer; vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 28.01.1997 – 4 A 402/05 –, LKV 1997, 380/381 f.; Bedenken an diesem Gedanken äußert: BayVGH, Beschluss vom 06.08.2018 – 22 CS 18.1097 –, juris, Rn. 36 - 38). Sie kann die Annahme stärken, dass ein zukunftsträchtiges Pachtverhältnis vorliegt, bei dem die Bereitschaft von Verpächter und Pächter zu Vertragsverlängerungen bereits dokumentiert ist.
Einzelfallbezogen geht das Gericht dabei davon aus, dass einzelne Pachtflächen bereits seit Jahrzehnten im Besitz der (Rechtsvorgänger der) Beigeladenen sind, andere wieder erst in jüngerer Zeit geschlossen wurden. Fast alle (außer dem bis 2023 laufenden Vertrag Bitter) geschlossenen Pachtverträge geben der Beigeladenen bis wenigstens zum Jahr 2029 Rechtssicherheit, über die Flächen verfügen zu können. Der Betrieb der Beigeladenen besteht schon über 100 Jahre und betreibt Ackerbau mit Tierhaltung, nutzt seine Flächen also für den Betrieb. Der Sohn der Beigeladenen lässt sich ganz zielgerichtet für den Betrieb des Hofes ausbilden.
Soweit der Antragsteller von den Flächen Abzüge vornehmen will, indem er nur diejenigen berücksichtigt, auf denen derzeit Pflanzen stehen, die er als für das Verfüttern an Hähnchen als tauglich erachtet, überzeugt das nicht. Die streitgegenständliche Genehmigung geht davon aus, dass auf den Ackerflächen der Beigeladenen zu 75 % Körnermais und zu 25 % Weizen/Gerste angebaut wird. Der Antragsteller beanstandet diesen Ansatz, er kann sich aber nicht darauf berufen, derzeit seien die Anbauanteile anders. Zu Recht verweist die Beigeladene darauf, dass nicht maßgeblich ist, was derzeit auf den Flächen der Beigeladenen angebaut wird, sondern der genehmigte Zustand. Bei der Betrachtung, ob auf einer Fläche ausreichend Futter erzeugt werden kann, ist eine abstrakte Betrachtungsweise nach der Gesetzesbegründung zu § 201 BauGB maßgeblich (BT-Drs. 15/2250, S. 62):
„Mit der vorgesehenen Regelung soll in Anpassung an die geänderten landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen der Begriff der Landwirtschaft verdeutlicht werden.
Nach der geltenden und insoweit inhaltlich unverändert beizubehaltenden Regelung in § 201 liegt Landwirtschaft im Zusammenhang mit Tierhaltung und Tierzucht nur vor, wenn sie „auf überwiegend eigener Futtergrundlage“ erfolgt. Daraus wird teilweise gefolgert, dass nicht nur das Futter für die Tiere zu mehr als der Hälfte auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen erzeugt (flächenbezogene Tierzucht), sondern auch tatsächlich verfüttert werden muss (konkrete Betrachtungsweise).
Diese Betrachtung entspricht nicht den heutigen Abläufen in der Landwirtschaft. Auch in flächenbezogenen Tierhaltungen wird das erzeugte Futter verarbeitet, bevor es an die Tiere verfüttert wird. Die vorgeschlagene Änderung soll dies berücksichtigen. Es soll ausreichen, wenn genügend landwirtschaftlich genutzte Flächen, die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören, zur (überwiegenden) Futtererzeugung vorhanden sind. Auf die unmittelbare Verfütterung des erzeugten Futters an die Tiere soll es für den baurechtlichen Begriff der Landwirtschaft nicht ankommen (abstrakte Betrachtungsweise).“
Das Gericht teilt diesen Ansatz.
b. Die damit zur Verfügung stehende Fläche von 78 ha reicht hin, darauf das für die Tierhaltung der Beigeladenen erforderliche Futter überwiegend zu erzeugen. Die Bedenken des Antragstellers daran greifen nicht durch.
Zu Gunsten des Antragstellers geht das Gericht davon aus, dass jährlich statt 7 nunmehr – wie in der Betriebsbeschreibung mit „7 – 7,4“ umschrieben – 7,4 Wechsel des Tierbesatzes („Durchgänge“) in dem Stall der Beigeladenen zugrunde zu legen sind. Die Landwirtschaftskammer kommt zu einem Gesamt-Energiebedarf von 7.788,281 MJ ME (ME - Umsetzbare Energie; MJ - Megajoule), legt dabei einen „Durchgang“ von 7 im Jahr zugrunde und errechnet einen Energiebedarf von 390 MJ ME je Stallplatz/Jahr. Geht man von 7,4 „Durchgängen“ aus, bestimmt sich der Gesamtenergiebedarf wie folgt: Der Bedarf pro Tier für eine (angesichts des Vorgriffs von 30 % leichterer Tiere mit einem Energiebedarf von 339 MJ ME und dem Erreichen höherer Gewichte der zuletzt ausgestallten 70 % der Tiere mit einem Energiebedarf von 456 MJ ME: durchschnittliche) Gewichtszunahme von 2,6 kg bestimmt die Landwirtschaftskammer mit 4,29 kg. Bei einem Energiegehalt pro kg Futter von 13 MJ ME ergibt sich ein Energiebedarf pro Tier von (4,29 x 13 MJ ME =) 55,77 MJ ME. Bezogen auf 7,4 „Durchgänge“ sind dies für einen Stallplatz (412.698 ME MJ x 7,4 =) 412,698 ME MJ. Der Energiebedarf von allen Tieren in dem Stall pro Jahr beträgt damit (412.698 MJ ME x 39.900 =) 16.466.650,2 MJ ME. Damit der durch die Flächen der Beigeladenen zu deckende Bedarf „überwiegend“ ist, muss er mehr als die Hälfte des Gesamtbedarfs, also (16.466.650,2 MJ ME : 2 =) 8.233.325,1 MJ ME, decken.
Dies ist der Fall.
Das Gericht legt seiner Berechnung zugrunde, dass die Beigeladene auf ihren Flächen laut Genehmigung zu 75 % (Körner-)Mais und zu 25 % Weizen/Gerste anbauen wird. Der Einwand des Antragsstellers, nicht dieses Verhältnis, sondern das bisherige Anbauverhältnis, sei heranzuziehen, verfängt angesichts der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise (s. II. B. 2. a.) nicht. Wenn der Antragsteller meint, für die Hähnchenmast seien auch eiweißhaltige Pflanzen vonnöten, müssen diese nicht auf den Flächen der Beigeladenen wachsen, sondern können angekauft werden. Der Antragsteller kann auch nicht darauf verweisen, dass die Flächen der Beigeladenen zu reduzieren seien, weil der Anbau nur von Weizen/Gerste und Mais gegen „die gute fachliche Praxis“ verstoße, weil § 7, § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BBodSchG die Beigeladene zu einer dreijährigen Fruchtfolge verpflichte. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BBodSchG gehört zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung, die biologische Aktivität des Bodens durch entsprechende Fruchtfolgegestaltung zu erhalten oder fördern. Diese Grundsätze sind nach § 7 Satz 5 BBodSchG Teil der Erfüllung der Vorsorgepflicht bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung. In diesem Sinne begründet § 17 BBodSchG zwar eine Vorsorgepflicht, gibt aber dem Antragsgegner keine Instrumente an die Hand, diese Pflicht zwangsweise durchzusetzen (Nies, in: Landmann/Rohmer UmweltR, 87. EL Juli 2018, BBodSchG § 7 Rn. 24).
Orientiert sich das Gericht nicht an den von der Landwirtschaftskammer ermittelten, auf den Flächen der Beigeladenen erzielbaren Energiegehalten von 15,06 MJ ME für Weizen/Gerste und 16,02 MJ ME für Körnermais, sondern legt die vom Antragsteller behaupteten Wert von 13,15 MJ ME für Weizen/Gerste und 13,29 MJ ME für Mais zugrunde und geht von den laut Antragsteller erzielbaren Erträgen aus, ergibt sich folgendes Rechenwerk: Für Winterweizen/Gerste ergibt sich eine Flächenleistung von (13,15 x 6.700 kg/ha =) 88.105, hiervon 25 % = 22.026,25 MJ ME. Für den Mais ergibt sich eine Flächenleistung von (13,29 MJ ME x 8.400 kg/ha =) 111.635, hiervon 75 % = 83.726 MJ ME. Hieraus errechnet sich eine Gesamtflächenleistung pro Hektar in Höhe von 105.752 ME MJ. Dies ergibt einen Flächenbedarf von (8.233.325,1 MJ ME : 105.752 ME MJ =) 77,85 ha. Die Beigeladene verfügt über 78 ha.
3. Der Antragsteller kann sich mit einem Vortrag nicht durchsetzen, die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG seien für das Vorhaben der Beigeladenen nicht sichergestellt, was den Schutz der Nachbarschaft vor Geruchsimmissionen angeht.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, das schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
Grundlage der Genehmigung ist eine gutachterliche Stellungnahme von Frau F. vom 10. Juli 2017, die für den geruchsempfindlichsten IP 4, ein allein stehendes Wohnhaus im Außenbereich, eine bisherige Geruchsbelastung von 19 % der Jahresstunden ermittelt, die durch das streitbefangene Vorhaben auf 20 % der Jahresstunden gesteigert wird. Hierdurch wird das Wohngrundstück nicht unzumutbar belastet, denn die Steigerung der Belastung ist irrelevant.
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen ist die niedersächsische Geruchsimmissions-Richtlinie – GIRL – in der Fassung vom 23. Juli 2009 (Nds. MBl. Nr. 24/2006) heranzuziehen. Der GIRL kommt dabei kein Rechtsnormcharakter zu. Sie ist jedoch als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten anzusehen, welches auf den Erkenntnissen und den Erfahrungen von Sachverständigen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse beruhen auf fachwissenschaftlichen Gutachten und Untersuchungen; sie geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (Nds. OVG, Urteil vom 09.06.2015 - 1 LC 25/14 -, juris, Rn. 23). Die GIRL sieht zur Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchseinwirkungen – in Abhängigkeit von verschiedenen Nutzungsgebieten – unterschiedliche Immissionswerte in relativen Häufigkeiten der Jahresgeruchsstunden als regelmäßigen Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission sowie Gewichtungsfaktoren für verschiedene Tierarten vor. Für Dorfgebiete ist ein Immissionswert von 0,15 festgelegt (vgl. Nr. 3.1, Tabelle 1). Ein Immissionswert für den Außenbereich ist nicht ausdrücklich geregelt. Nach den Auslegungshinweisen zu Ziffer 3.1 der GIRL kann jedoch unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich – wo Bauvorhaben nur ausnahmsweise zulässig sind – ein Wert von bis zu 25% für landwirtschaftliche Gerüche herangezogen werden.
Geschwächt wäre die Position der Nachbarn dann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 25.07.2002 – 1 LB 980/01 –, RdL 2002, 313; vom 26.11.2014 – 1 LB 164/13 –, RdL 2015, 41), wenn (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 04.02.2019 - 1 LA 19/18 -, V.n.b.) das betroffene Grundstück Teil einer Bebauung war, in der sowohl gewohnt als auch landwirtschaftliche Tierhaltung betrieben worden war. Zu einer Schicksalsgemeinschaft wurde diese Bebauung dadurch, dass ihre Bewohner die landwirtschaftlichen Tierhaltungsgerüche als ortsüblich hinnahmen, obwohl sie die Orientierungswerte zum Teil sehr weit überschritten. Dem Gericht ist nicht bekannt, dass am IP 4 jemals landwirtschaftliche Tierhaltung betrieben wurde und dadurch die Rechtsposition des Grundstücks geschwächt wäre.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist dem Grundstück IP 4 allerdings nicht ein Schutz wie ein Grundstück im Dorfgebietes von 15 % der Jahresgeruchsstunden zubilligen, sein Schutzanspruch ist geringer. Die Tabelle 1 der Anlage 1 zur GIRL sieht für Dorfgebiete (nur) eine Geruchsbelastung von höchstens 15 % der Jahresstunden als zumutbar an. Mit diesem Wert wird nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL dem Umstand Rechnung getragen, dass Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, daneben auch dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen und dort auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. In begründeten Einzelfällen soll es dem Auslegungshinweis zufolge allerdings zulässig sein, zwischen Dorfgebieten und dem Außenbereich Zwischenwerte zu bilden, was zu Werten von bis zu 20 % am Rand des Dorfgebietes führen kann (Nds. OVG, Urteil vom 09.06.2015 – 1 LC 25/14 –, juris, Rn. 24; VG Hannover, Urteil vom 20.07.2018 – 4 A 1590/17 –, juris, Rn. 26). Liegt das Wohngrundstück vollständig im Außenbereich, kann der Schutzanspruch nicht weiter gehen. Das Gericht geht davon aus, dass angesichts der Prägung der näheren Umgebung durch Tierhaltungsanlagen selbst ein Wert über 20 % der Jahresgeruchsstunden, jedenfalls solange er nicht die „Schmerzgrenze“ von 25 % der Jahresgeruchsstunden erreicht, von dem IP 4 hinzunehmen ist.
Die Zulassung der Häufigkeit landwirtschaftlicher Gerüche im Außenbereich bis zu einem Immissionswert von 25 % der Jahresgeruchsstunden nach Ziffer 3.1 der Auslegungshinweise zur GIRL setzt allerdings das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus. Erforderlich ist danach eine Prüfung und Darlegung der maßgeblichen Zumutbarkeitsaspekte des konkreten Einzelfalls und eine wertende Gewichtung aller speziellen Randbedingungen, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.04.2018 – 12 LA 83/17 –, juris, Rn. 50). Auch das Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.06.2017 - 4 C 3/16 -, BauR 2017, 1978) stellt darauf ab, dass bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Belästigungen etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen sind, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort vorfindet, der durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist, und im Umfang der Vorbelastung Immissionen zumutbar seien, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sind sogar über 25 % liegende Belastungen zumutbar i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB, falls sich die über 25 % der Jahresstunden liegende und damit „zu hohe“ Geruchsbelastung durch das betreffende Vorhaben vermindere oder allenfalls „nicht wahrnehmbar“ erhöhe (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 09.06.2015 - 1 LC 25/14 -, juris, Rn. 21 ff.; vgl. auch Beschluss des 12. Senats vom 26.04.2018 – 12 LA 83/17 –, juris, Rn. 53).
Die Umgebung des IP 4 ist stark landwirtschaftlich geprägt. Er liegt mitten zwischen dem Vorhaben der Beigeladenen im Westen und der Ansiedlung H.. Darin unterhalten zwei Landwirte emittierende Anlagen: Der Hof H. mit 13.000 Mastputen und der Hof I. mit gut 2.100 Schweinen. Westlich davon liegen der Hof J. mit ca. 250 Schweinen und nördlich von dem Vorhaben der Beigeladenen der Hof K. mit ca. 410 Schweinen. Der IP 4 ist damit in allen Himmelrichtungen von Tierhaltungsbetrieben umgeben. Der Eigentümer hat zudem „sehenden Auges“ sein Wohnhaus zwischen die landwirtschaftlichen Betriebe gefügt.
Überschreitet damit die dem IP 4 zugemutete Belastung von 20 % der Jahresstunden schon deshalb die Zumutbarkeit nicht, weil ihm eine noch höhere zugemutet werden kann, stellt sich die von dem streitgegenständlichen Vorhaben erzeugte Zusatzbelastung als irrelevant heraus. Nach Nr. 3.3 der GIRL soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der Geruchsimmissions-Richtlinie nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung nach Nummer 4.5) auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten (vergleiche Nummer 3.1), den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung – Irrelevanzkriterium). Eine Steigerung der Geruchsbelastung von 19 auf 20 % der Jahresstunden fällt darunter.
Der IP 4 kann nicht eine strengere Bewertung der Irrelevanz einfordern. Nach der Bestimmung „Anwendung des Irrelevanzkriteriums im Außenbereich“ in Nr. 3.3 der Auslegungshinweise zur GIRL reagiert der niedersächsische Verordnungsgeber auf die Situation, dass um ein Wohngebiet herum eine Vielzahl von Anlagen existiert bzw. gebaut oder erweitert wird, deren Beitrag zur Geruchsimmissionssituation in der Wohnbebauung jeweils irrelevant ist, aber eine beträchtliche Kumulationen nach sich ziehen, so dass Immissionswertüberschreitungen in diesen Fällen nicht auszuschließen sind. Wegen dieser Problematik sehen die Hinweise vor, dass eine sogenannte „kleine" Irrelevanzregelung gilt, die davon ausgeht, dass nur eine berechnete Geruchshäufigkeit von 0,004 noch als irrelevant gelten kann. Voraussetzung für die Anwendung der sogenannten „kleinen“ Irrelevanz ist jedoch eine Überschreitung der Immissionswerte. Dies ist im streitigen Fall bei einer Geruchsbelastung von weniger als 25 % der Jahresstunden nicht gegeben.
Die Einwände des Antragstellers an dem Gutachten der Sachverständigen führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
Sein Einwand, die Sachverständige habe die bisherige Geruchssituation übertrieben, überzeugt nicht. Der Antragsteller verweist darauf, dass die Sachverständige in ihrem Bericht (auf S. 13) von bisher auf dem Hof der Beigeladenen gehaltenen 750 „Mastschweinen bis 120 kg“ ausgegangen, während ihre Betriebsbeschreibung „Mastschweine bis 110 kg“ nenne. Entscheidend ist die genehmigte Situation. Die Beigeladene nennt bei der „Darstellung der Tierplätze“ „Mastschweine 30 – 120 kg“. Dies entspricht nach der Auskunft des Antragsgegners der Baugenehmigung. Auch der Einwand des Antragstellers, die Gutachterin setze zu Unrecht keine Geruchsminderung durch eine Schwimmdecke auf dem Güllebehälter an, überzeugt nicht. In den Behältern lagert die Beigeladene die eigene Schweinegülle und nicht ganzjährig auch Rindergülle. Emissionsmindernde Vorkehrungen hat sie nicht getroffen.
Die Bedenken an dem Rechenweg der Sachverständigen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die streitige Anlage mehr als eine irrelevante Zusatzbelastung erzeugt. Der Antragsteller fordert, die Sachverständige hätte die Zusatzbelastung ohne Berücksichtigung anderer Geruchsemittenten berechnen müssen (a.), sie statt mit einer Rauigkeitslänge von 0,05 mit einer solchen von 0,2 oder 0,5 rechnen müssen (b.) und keine Minderung der Geruchsemissionen wegen ihrer Passage durch den Chemowäscher annehmen dürfen (c.)
Zur mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene verschiedene Rechenläufe der Gutachterin vorgelegt, die hier nur für den IP 4 betrachtet werden.
a. Soweit der Antragsteller einfordert, die Ermittlung einer Zusatzbelastung für den IP 4 hätte die Sachverständige ohne Berücksichtigung anderer Geruchsquellen vornehmen müssen, waren sich der Sachverständige des Antragstellers und die Sachverständige der Beigeladenen darüber einig, dass das Ergebnis nicht von der Berechnung der Gutachterin der Beigeladenen abweicht.
b. Legt die Gutachterin der Beigeladenen eine Rauigkeitslänge von 0,2 zugrundet, liegt die Istbelastung bei 20,5 % der Jahresstunden und im Planzustand bei 20,9 %. Dasselbe zur Irrelevanz führende Ergebnis wird erreicht, wenn eine Rauigkeitslänge von 0,5 zugrunde gelegt wird. Hier würde die Planbelastung auf 21 % der Jahresstunden gesteigert. Da die Bestimmung der Rauigkeitslänge sowohl für die Bestimmung der Ist- wie der Plansituation maßgebend ist, kann ein Fehler bei ihrer Bestimmung allenfalls bei einem Überschreiten der zumutbaren Immissionswerte, aber nicht für die Irrelevanzbestimmung maßgeblich sein. Wohl unberücksichtigt ist zugunsten des IP 4 geblieben, dass die der Beigeladenen erteilte Genehmigung noch eine Grünpflanzung als Ausgleichsmaßnahme zwischen dem IP 4 und dem Vorhabengrundstück vorsieht.
c. Am Ergebnis ändert sich nichts, wenn das Gericht in die Berechnung einstellt, dass der geplante Chemowäscher nicht geruchsmindernd eingreift. Das Gericht unterstellt zugunsten des Antragstellers diesen Fall, obwohl der Hersteller des Chemowäschers eine Geruchsminderung von wenigstens 50 % garantiert und dies Genehmigungsbestandteil ist. Dies mag noch nicht, weil das Zertifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, „amtlich“ von der DLG überprüft sein. Eine Abscheidewirkung ist jedoch anzunehmen. Das Umweltbundesamt geht von einem Abscheidegrad im Mittel von über 50 % aus, betont starke Schwankungen und hält einen „sicheren“ Abscheidegrad 30 – 40 % für realistisch (Umweltbundesamt, Aktuelle Entwicklung – Kosten-Nutzenanalyse und Vollzugsempfehlungen für den Einsatz von Abluftreinigungsanlagen in der Tierhaltung, Texte 61/2016, S. 65).
Nach den Berechnungen der Gutachterin erhöht sich ohne Berücksichtigung des Chemowäschers die Zusatzbelastung durch das geplante Vorhaben um ca. 1,3 % der Jahresstunden. Sie liegt damit noch unter der Irrelevanz.
4. Allerdings hat der Antrag des Antragstellers deshalb Erfolg, weil der Antragsgegner nach dem aktuellen Kenntnisstand die von dem Vorhaben der Beigeladenen ausgehenden Bioaerosolbelastungen verkannt hat. Dies führt zwar nicht zu einer Beanstandung der streitgegenständlichen Verfügung aus Gefahrabwehrgründen (a.), aber wegen einer Verletzung des Vorsorgegrundsatzes (b.).
a. Die Verfügung des Antragsgegners leidet nicht daran, dass der Antragsgegner die Betreiberpflichten der Beigeladenen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht sicherstellt, was den Schutz der Nachbarschaft vor Bioaerosol-Immissionen angeht.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, das schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Grundsätzlich gilt aber, dass aus Gründen der Gefahrenabwehr Bioaerosol-Immissionen nicht ermittelt werden müssen. Denn (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.04.2012 – 4 CN 3.11 -, BVerwGE 143, 24; Nds. OVG, Urteil vom 16.08.2018 – 1 LC 180/16 –, juris, Rn. 27; HessVGH, Urteil vom 03.07.2018 – 4 C 531/17.N –, juris, Rn. 41) über die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von außerhalb des Stallgebäudes verbreiteten Bioaerosolen sind nach wie vor medizinisch begründete Immissionsgrenzwerte für Bioaerosole nicht bekannt, so dass der Schutz vor ihnen nicht in den Bereich der Gefahrenabwehr fällt.
b. Der Antragsteller kann als Umweltvereinigung aber einfordern, dass der Antragsgegner aus Vorsorgegründen jedenfalls selbst eine Begutachtung vornimmt/vornehmen lässt, wenn er sich schon nicht von der von dem Antragsteller vorgelegten Begutachtung leiten lässt.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen. Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sind vor allem durch Maßnahmen an der Quelle, also durch Emissionsbegrenzungen, zu treffen. Sie sollen unabhängig von geltenden Schädlichkeitsgrenzen das an Umweltqualität durchsetzen, was im Hinblick auf ein vorhandenes Potential an Vermeidungstechnologie realisierbar erscheint (BVerwG, Urteil vom 17.02.1984 - BVerwG 7 C 8.82 -, juris, Rn. 17). Dementsprechend kann eine Maßnahme zur Emissionsbegrenzung eine erforderliche und wirtschaftlich zumutbare Vorsorgemaßnahme sein, und zwar auch dann, wenn sie zur Emissionsminderung praktisch geeignet ist, aber aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht dem Stand der Technik entspricht (BVerwG, Urt. v. 23.07.2015, a. a. O., Rdn. 16).
Den von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG geforderten Stand der Technik im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beschreibt § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG als den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Es handelt sich um einen (gerichtlich voll überprüfbaren) unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. Jarass, BImSchG-Kommentar, 12. Auflage 2017, § 3 Rn. 117), bei dessen Auslegung gemäß § 3 Abs. 6 Satz 2 BImSchG die in der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen sind. Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 BImSchG i. V. m. der Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG sind bei der Bestimmung des Standes der Technik die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen möglicher Maßnahmen und der Grundsatz der Vorsorge und der Vorbeugung zu berücksichtigen. Die Anlage listet mehrere Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik auf. Dazu gehören insbesondere vergleichbare Verfahren, Vorrichtungen und Betriebsmethoden, die mit Erfolg im Betrieb erprobt wurden (Nr. 4), Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen (Nr. 5) sowie Art, Auswirkungen und Menge der jeweiligen Emissionen (Nr. 6). Der Stand der Technik ist ein genereller Maßstab, für den die Umstände des jeweiligen Einzelfalls grundsätzlich keine Rolle spielen, sodass es auf die wirtschaftliche Lage des betroffenen Betreibers ebenso wenig ankommt wie auf die örtlichen Gegebenheiten in der Nachbarschaft seiner Anlage (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 23.07.2015 – 7 C 10/13 –, juris, Rn. 18; Jarass, BImSchG-Kommentar, 12. Auflage 2017, § 3 Rn. 118).
Damit übereinstimmend wird in der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 für den Fall der (möglichen) Überschreitung der Hintergrundkonzentration durch die anlagenbedingte Konzentration von Bioaerosol-Immissionen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Durchführung von Emissionsminderungsmaßnahmen zur Einhaltung der Hintergrundkonzentration für notwendig gehalten, wobei für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf die in der VDI-Richtlinie 4255 Blatt 2 beschriebenen Emissionsminderungsmaßnahmen, insbesondere Abluftreinigungsmaßnahmen, verwiesen wird. Dem entspricht auch die Bestimmung in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft a. E., wonach bei Tierhaltungsanlagen die Möglichkeiten zu prüfen sind, die Emissionen an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern.
Der Antragsteller kann sich auf die Einhaltung des Vorsorgegrundsatzes durch das Vorhaben der Beigeladenen berufen (aa.), er legt eine Belastung des IP 2 durch Staphylokokkenimmissionen nahe, die die Nachbarschaft über Gebühr belasten würde (bb.). Dies spricht dagegen, dass der Antragsgegner nach niedersächsischer Erlasslage auf eine Begutachtung der Immissionen verzichtet (cc.).
aa. Der Antragsteller darf eine Verletzung des Vorsorgegrundsatzes rügen.
Aus § 3 Abs. 1 BImSchG ergibt sich, dass nicht jeder Nachteil oder jegliche Belästigung, sondern nur „erhebliche“ Beeinträchtigungen zu Abwehransprüchen führen können. Hiernach muss auch nicht jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 – 1 C 102.76 –, juris, Rn. 33). Eine Gefahr liegt nach der klassischen Begriffsdefinition dort vor, wo „aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden“. Daran fehlt es zwar bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt (OVG LSA, Urteil vom 06.07.2016 -- 2 L 84/14 –, juris, Rn. 266). Die immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG greift aber für – wie hier – nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen (Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 5, Rn. 9, 49).
Ihre Einhaltung kann der Antragsteller rügen. Er kann als Umweltvereinigung unmittelbar aus Art. 10 a der UVP-Richtlinie das Recht herleiten, eine Verletzung des Vorsorgegrundsatzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG als einer aus dem Unionsrecht hervorgegangenen umweltschützenden Vorschrift zu rügen, obwohl das nationale Recht diese Möglichkeit im Hinblick auf die Subjektivität des Rechtsschutzes ausschließt (VGH Mannheim, Urteil vom 20.07.2011 – 10 S 2102/09 -, ZUR 2011, 600 [VGH Baden-Württemberg 20.07.2011 - 10 S 2102/09] nach EuGH, Urteil vom 12.05.2011 – C-115/09 –, ZUR 2011, 368 - Trianel). Damit ist die Verbandsklage gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auf sämtliche Vorschriften erstreckt, die dem Umweltschutz dienen (BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 – BVerwG 7 C 36.11 –, juris, Rn. 22; OVG LSA, Beschluss vom 18.04.2016 – 2 M 89/15 –, juris, Rn. 9).
bb. Der Vorsorgegrundsatz ist nicht eingehalten, wenn sich die Belastungen des IP 2 bewahrheiten, die sich aus der von dem Antragsteller vorgelegten Ausbreitungsberechnung vom 20.03.2019 ergeben.
Den Stand der Technik kann die TA Luft nicht durch festgesetzte Konzentrationswerte abbilden. Ihr sind unmittelbar keine Konzentrationswerte zu entnehmen, die einzuhalten sind, um dem Vorsorgeprinzip zu genügen (aaa.). Der für die Abluftreinigung vorgesehene Chemowäscher reduziert die Ausbreitung von Bioaerosolen aus dem genehmigten Vorhaben nach summarischer Prüfung nicht so effektiv, dass sie in ausreichendem Maß begrenzt wird (bbb.). Nach der von dem Antragsteller vorgelegten Ausbreitungsberechnung überschreitet die zu erwartende Ausbreitung von Staphylokokken das dem IP 2 zumutbare Maß (ccc.).
aaa. Für Bioaerosole gibt es keine rechtlich verbindlich festgelegten Immissionsgrenzwerte. Weder sind sie ein Anwendungsfall der GIRL (vgl VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.10.2017 – 3 S 1457/17 –, juris, Rn. 46 m.w.N.), noch bestimmt die TA Luft solche nach Nrn. 4.2 bis 4.5
bbb. Nach dem in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG normierten Vorsorgegebot ist insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen. Diesem Stand der Technik entspricht nach summarischer Prüfung der Chemowäscher nicht, der der Bioaerosolausbreitung Einhalt gebieten soll.
Die Besorgnis, von Hähnchenmastställen gingen luftgetragene Schadstoffe aus, die geeignet seien, sich nachteilig auf die menschliche Gesundheit auszuwirken, kann grundsätzlich Anlass zu Vorsorgemaßnahmen geben (Nds. OVG, Beschluss vom 13.03.2012 – 12 ME 270/11 –, juris, Rn. 13).
Der Chemowäscher für das streitige Vorhaben der Beigeladenen ist zwar hinsichtlich einer Staubreduzierung zertifiziert. Das bedeutet aber nicht, dass er auch sicher zu einer Reduktion der Staphylokokken beiträgt.
Das Gericht kann nicht davon ausgehen, dass eine Staubbelastung einen Indikator dafür bilden kann, welche gesundheitlichen Wirkungen bzw. Gefahren von Staub von Bioaerosolen in Form von Staphylokokken drohen. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Anteil an Bioaerosolen wie etwa Staphylokokken umso geringer ist, je mehr der Staubausstoß verringert wird (vgl. Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Bioaerosole in Immissionsschutzbegutachtungen, November 2017, https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/technik/pdf/grundlagen-bioaerosole.pdf mit Zitat einer mündlichen Mitteilung von Prof. Dr. Dott, Aachen). Hinzu kommt, dass eine Berechnung der Staphylokokken nur anhand der Verbreitung der Körner der PM10-Fraktion bedenklich ist. Entsprechend sieht auch der Entwurf der Neufassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes–Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft; Stand 16.07.2018 – EntwTALuft-VwV; https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Glaeserne_Gesetze/19._Lp/ta_luft/entwurf/ta_luft_180716_refe_bf.pdf) eine Sonderfallprüfung der zusätzlichen Bioaerosolbelastung zwar anhand der Zunahme der PM10-Fraktion vor, kommt dabei aber nur „im Regelfall“ dazu, dass von der Anlage keine Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Immissionen von Bioaerosolen ausgehen, wenn die Kenngröße der Gesamtzusatzbelastung für Partikel (PM10) an keinem Beurteilungspunkt 1,2 µg/m³ überschreitet (Seite 495). Tatsächlich ist aus massenbezogenen Emissionsmessungen aus Anlagen zur Geflügelhaltung nach dem LANUV-Fachbericht 80 („Bioaerosole aus der Tierhaltung, 2017, https://www.lanuv.nrw.de/landesamt/veroeffentlichungen/publikationen/fachberichte/?tx_cart_product%5Bproduct%5D=176&cHash=38b0a683390c262e9232071bb04f662f) bekannt, dass der freigesetzte Staub nur etwa zur Hälfte aus Partikeln der PM10-Fraktion besteht. Hinzu kommen etwa mit einem Anteil von 25 % Staubkörner mit einer Größe von 2,5 bis 10 µm; im Übrigen entsteht auch Staub mit einer Größe bis zu 2,5 µm (auf Größenverteilung nach LANUV-Fachbericht Seite 24). Eine ähnliche Verteilung der Korngrößen, an der sich der Gutachter des Antragstellers orientiert, legte das VG Oldenburg seinem Urteil vom 27.09.2017 – 5 A 3664/15 –, juris, Rn. 61) zugrunde.
In einem Verfahren vor dem VG Oldenburg (Urteil vom 27.09.2017, a.a.O, –, juris, Rn. 46) führte der dortige Sachverständige aus, dass zertifizierte Anlagen zur Abluftreinigung an Tierhaltungsanlagen zwar den Staubgehalt der Abluft und damit die Emissionen bei vorschriftsmäßigem Betrieb deutlich reduzierten. Allerdings könne die Passage der Stallabluft durch eine Abluftreinigungsanlage die Größe der Staubpartikel in ihrem aerodynamischen Durchmesser verkleinern, wodurch sich die Ausbreitungsentfernung vergrößern könne. Im Jahr 2014 sei eine Untersuchung an einer einstufigen Reinigungsanlage für Hühnermastställe durchgeführt worden. Der Abscheidegrad der untersuchten Anlage habe dabei für Gesamtbakterien und Enterokokken etwas mehr als 70 % betragen. Für einen weiteren Leitkeim nach der VDI-Richtlinie, Staphylokokken, sei jedoch eine Erhöhung der Konzentrationen um mehr als 10 % gefunden worden.
Eine nur auf die Reduktion der Partikel der PM10-Fraktion durch den Chemowäscher beschränkte Betrachtung kann damit keine Grundlage für eine rechtssichere Betrachtung der Staphylokokken-Ausbreitung sein (vgl. zu Zweifeln diesbezüglich bereits: Nds. OVG, Beschluss vom 09.08.2011 - 12 LA 55/10 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 10.05.2010 - 8 B 992/09 -, juris, Rn. 72). Damit entspricht diese Abluftreinigungsanlage nicht dem in § 3 Abs. 6 BImSchG (in Verbindung mit der Anlage dazu) näher umschriebenen Stand der Technik. Dieser verlangt die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden. Die Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG konkretisiert die Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik, die denen des Anhangs III der IVU-Richtlinie weitgehend entsprechen. Zu berücksichtigen sind vor allem vergleichbare Verfahren, Vorrichtungen oder Betriebsmethoden, die mit Erfolg im Betrieb erprobt wurden (Nr. 4), Fortschritte in der Technologie und in den wissenschaftlichen Erkenntnissen (Nr. 5), Art, Auswirkung und Menge der jeweiligen Emissionen (Nr. 6), die Notwendigkeit, die Gesamtwirkung der Emissionen und die Gefahren für den Menschen und die Umwelt so weit wie möglich zu vermeiden oder zu verringern (Nr. 10) und Informationen, die in BVT-Merkblättern enthalten sind (Nr. 13). Es fehlen sowohl Erkenntnisse über Art, Auswirkung und Menge der Emissionen als auch eine Beurteilung der Gesamtwirkung der Emissionen. Ein wichtiges Indiz für den Stand der Technik wäre es, wenn der Chemowäscher zur Staphylokokkenreduktion in einem Betrieb mit Erfolg erprobt worden wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.08.1992 - 4 B 150.92 -, juris, Rn. 4). Hierzu ist dem Gericht nichts bekannt. Dass das Bundesverwaltungsgericht die praktische Eignung des Chemowäschers bereits mit Urteil vom 23.07.2015 (- 7 C 10/13 -, juris, Rn. 17) bestätigte, ist nicht der Fall. Die Entscheidung stellt ausdrücklich fest, dass es für das Revisionsverfahren die Eignung unterstellt; sie trifft aber keine Feststellungen dazu.
Aus der Einhaltung des Irrelevanzwertes für Feinstaub ist nicht ohne weiteres auf die Irrelevanz einer Bioaerosol-Zusatzbelastung zu schließen (BVerwG, Urteil vom 23.07.2015 – 7 C 10/13 –, juris, Rn. 30).
ccc. Nach der von dem Antragsteller vorgelegten Ausbreitungsberechnung überschreitet die bei dem IP 2 zu erwartenden Staphylokokken-Immissionen das hinzunehmende Maß.
Die Berechnung führt auf der Grundlage des (nicht nach Anhang 3 der TA Luft referenzimplementierten, aber vom Umweltbundesamt zur Verfügung gestellten) Rechenprogramms AUSTAL2000N zu einer gezielten Bioaerosolausbreitungsberechnung. Diese ermöglicht das referenzimplementierte Rechenprogramm AUSTAL2000 nicht. Der Gutachter des Antragstellers hat aber die Ausgangsparameter dieses Programms für das Vorhaben der Beigeladenen in das Rechenprogramm AUSTAL2000N eingestellt. Seine Berechnung prognostiziert für den IP 2 eine Bioaerosolkonzentration von 2.904 KBE/m³. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung überzeugt die Ausbreitungsberechnung vom 20.03.2019 stärker als die von der Sachverständigen F. vorgelegte Berechnung.
Die Gutachterin geht entsprechend der LANUV-Arbeitshilfe (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Essen, „Bioaerosole aus Tierhaltungsanlagen“, Fassung vom 08.08.2013, abgelöst durch Fassung vom 10.12.2015, Az. V-6-9620.1.2) und dem LAI-Leitfaden („Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz“, Stand 31.01.2014) lediglich von dem Irrelevanzwert für Staub (PM10) aus der TA Luft aus und legt diesen bei 3 % vom PM10-Immissionswert von 40 µg/m³ fest. Den so ermittelten Grenzwert von 1,2 µg/m³ für PM10 sieht die Gutachterin mit 0,2 µg/m³ für PM10 am IP 2 als gewahrt an. Das Gericht kann – wie schon ausgeführt – nicht davon ausgehen, dass die so errechnete Staubbelastung einen Indikator dafür bilden kann, welche gesundheitlichen Wirkungen bzw. Gefahren von Staub von Bioaerosolen drohen. Hiervon geht auch der Entwurf der Neufassung der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes–Immissionsschutzgesetz nur „im Regelfall“ aus, wenn er feststellt, dass von der Anlage keine Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Immissionen von Bioaerosolen ausgehen, wenn die Kenngröße der Gesamtzusatzbelastung für Partikel (PM10) an keinem Beurteilungspunkt 1,2 µg/m³ überschreitet (Seite 495). Ein solcher „Regelfall“ dürfte nach der vorgelegten Ausbreitungsberechnung bei dem Vorhaben der Beigeladenen nicht vorliegen, da eine Vielzahl anderer Bioaerosole emittierender Betriebe den IP 2 in einem Maße belasten, dass dies (entsprechend der Anwendung der Geruchsimmissionsschutzrichtlinie GIRL in Niedersachsen zur Anwendung der „großen“ Irrelevanz im Außenbereich) in die Beurteilung einzufließen hat, ob eine Zusatzbelastung irrelevant ist.
Das Gericht kann das dem IP 2 zumutbare Maß an Staphylokokken-Belastung nicht allein danach ausrichten, ob das Irrelevanzkriterium für Staub erfüllt ist. Vielmehr geht es angesichts der Prognose des Antragstellers im Rahmen der summarischen Prüfung von einer Belastung des IP 2 mit einer konzentrierten Staphylokokken-Konzentration von 2.904 KBE/m³ aus. Die übrigen Beteiligten haben die Ausbreitungsberechnung des Gutachters des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung nicht im Einzelnen beanstandet. Eine solche Konzentration ist nach Vorsorgegrundsätzen nicht hinnehmbar. Der LAI-Leitfaden (Seite 7) weist einen Orientierungswert von 240 KBE/m³ für Staphylokokken aus. Ist dieser überschritten, solle eine Sonderfallprüfung, d. h. eine Gesamtwürdigung der vorhandenen Erkenntnisse innerhalb eines Fachgutachtens, nach Nr. 4.8 TA Luft erfolgen.
Eine Sonderfallprüfung nahm der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren nicht vor. Sie ist nach der von dem Antragsteller vorgelegten Ausbreitungsberechnung auch nicht offensichtlich entbehrlich. Der LAI-Leitfaden betrachtet bereits eine Überschreitung des Orientierungswertes um den Faktor 2 bis 3 als „sehr kritisch“. Schädliche Umwelteinwirkungen könnten dann nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden (Seite 9). Vorliegend werden diese Werte um mehr als das Zehnfache überschritten. Das Gericht kann die Empfehlungen des LAI-Leitfadens nicht als rechtlich nicht bindend abtun. Jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung des Eilantrages kann sich ein Gericht daran orientieren (ebenso VG Oldenburg, Urteil vom 27.07,2017, a.a.O., juris, Rn. 61). Andere LAI-Empfehlungen akzeptiert die Rechtsprechung bedenkenfrei (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 – 4 A 1001/04, juris, Rn. 42).
cc. Der Antragsgegner durfte nach der niedersächsischen Erlasslage nicht auf eine Begutachtung der Bioaerosolemissionen verzichten. Der Antragsgegner beruft sich auf den Gemeinsamen Erlass des MU, des MS und des ML vom 02.05.2013, in der Fassung vom 23.09.2015, zur „Durchführung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren; Abluftreinigungsanlagen in Schweinehaltungsanlagen und Anlagen für Mastgeflügel sowie Bioaerosolproblematik in Schweine- und Geflügelhaltungsanlagen“ (Filtererlass – Nds. MBl. 2013, S. 561 und Nds. MBl. 2015, S. 1226). Dieser bestimmt in Nr. 5 (am Ende):
Im Hinblick auf die Begrenzung relevanter Emissionen von Bioaerosolen orientiert sich die Darstellung und Bewertung derzeit häufig an anerkannten Maßnahmen zur Staubreduzierung gemäß der VDI-Richtlinie 4255. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass Systeme, die ihre Wirksamkeit in Bezug auf eine Partikel- bzw. Staubabscheidung bewiesen haben, auch geeignet sind, Bioaerosole abzuscheiden. Insofern können durch eine Abluftreinigungsanlage, die der Staubabscheidung dient und die für den Einsatz im Bereich von Schweine- und Geflügelhaltungsanlagen grundsätzlich geeignet ist, nach dem aktuellen Stand die Möglichkeiten zur Reduzierung der Bioaerosolemissionen ausgeschöpft werden. Im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für eine Schweine- oder Geflügelhaltungsanlage kann von der zuständigen Genehmigungsbehörde auf die Forderung eines Sachverständigengutachtens zu Keimemissionen verzichtet werden, wenn der Antragsteller für eine solche Tierhaltungsanlage eine für die Partikel- bzw. Staubabscheidung geeignete Abluftreinigungsanlage vorsieht.
Der Filtererlass soll die nach dem Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie des Standes der Technik zu fordernden Vorsorgemaßnahmen gegenüber einer (möglichen) Beeinträchtigung durch Bioaerosole konkretisieren. Er geht von der – wie oben dargelegt: unzutreffenden – Annahme aus, dass aus einer Reduktion des Staubausstoßes einer zertifizierten Abluftreinigungsanlage auch eine Reduktion der Ausbreitung von Bioaerosolen wie Staphylokokken folgt. Dies ist – wie bereits ausgeführt – naturwissenschaftlich nicht gesichert. Der Filtererlass kann deshalb keine Handhabe bieten, auf eine Ausbreitungsberechnung von Staphylokokken ungeachtet der Eignung des Chemowäschers zur Bioaerosolreduktion zu verzichten (ebenso VG Oldenburg, Urteil vom 27.09-2017, a.a.O. juris, Rn. 39 - 47).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 Hs. 1, § 159 VwGO, § 100 ZPO. Die Beigeladene und der Antragsgegner tragen danach für die Verfahrenskosten jeweils zur Hälfte.