Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.03.2019, Az.: 10 A 6986/18
Folgeantrag; Folgenatrag; Gambia; Homosexualität; männlich; Präklusion; unglaubhaft; Wiederaufgreifensgründe
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 13.03.2019
- Aktenzeichen
- 10 A 6986/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69489
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 71 Abs 1 AsylVfG 1992
- § 51 Abs 1 VwVfG
- § 51 Abs 2 VwVfG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise internationalen subsidiären Schutz oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen.
Er ist eigenen Angaben zufolge 1999 geboren und gambischer Staatsangehöriger. Er reiste nach ebenfalls eigenen Angaben im Juni oder Juli 2016 auf dem Landweg über Italien, Schweden und Dänemark in das Bundesgebiet ein. Der Amtsvormund des Klägers beantragte für diesen am 8. September 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) schriftlich die Anerkennung als Asylberechtigter, ohne den Antrag über die Minderjährigkeit des Klägers hinaus näher zu begründen.
In seiner Anhörung am 11. Mai 2017 gab der Kläger an, dass er Gambia Anfang 2014 verlassen habe, weil er homosexuell sei. Homosexualität sei in Gambia nicht akzeptiert, man werde komisch angeschaut. Der Großteil der Gambier sei muslimischen Glaubens und teile die religiösen Vorbehalte gegen Sexualität. Homosexualität sei komplett verboten. Er habe es in der Schule schwer gehabt. Er habe eine Gruppe gehabt, damit meine er sich und seinen Freund, und die Leute hätten mit dem Finger auf sie gezeigt. Er habe gedacht, dass er in Gefahr sei. Er habe mit seiner Familie über seine Homosexualität gesprochen, die nicht begeistert gewesen sei. Er habe seine sexuelle Ausrichtung nie öffentlich gemacht, aber drei Beziehungen zu Männern gehabt, die jeweils etwa ein halbes Jahr gedauert hätten. Die erste Beziehung habe er im Alter von 14 Jahren gehabt. Weil Homosexualität gesellschaftlich nicht akzeptiert sei, habe er mit seinem Freund per SMS kommuniziert. Manchmal habe er ihn zuhause besucht, manchmal habe sein Freund ihn besucht. In Deutschland lebe er unter Afrikanern und könne seine Sexualität wiederum nicht ausleben. Wenn es herauskomme, dass er homosexuell sei, zeige man auch hier mit dem Finger auf ihn. Er habe hier einen Freund, der in derselben Stadt lebe wie er. In der Schule und in der Nachbarschaft sei seine Sexualität bekannt gewesen. Er sei jedoch nie bedroht oder direkt verfolgt worden. Ein Umzug sei für ihn nicht in Frage gekommen, weil er in seinem sozialen Umfeld bekannt sei. An die Polizei habe er sich nicht wenden können.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag und den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und von subsidiärem Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Gleichzeitig forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm die Abschiebung nach Gambia oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an. Das im Falle der Abschiebung eintretende gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG befristete die Beklagte auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 23. Juli 2018 hat der Kläger einen schriftlichen Folgeantrag gestellt und in der Antragsschrift sein Vorbringen aus der Anhörung umfangreich ergänzt. Er habe zwischenzeitlich Anschluss an eine Gruppe homosexueller Flüchtlinge und Deutscher gefunden, die ihn ermutigt habe, seine Sexualität offen zu leben und sich zu akzeptieren, wie er sei. Er sei in der Anhörung vor dem Bundesamt nicht gut vorbereitet und stark verunsichert gewesen, zudem sei er gerade erst 18 Jahre alt gewesen.
Der Kläger hat am 30. Oktober 2018 Klage erhoben. Er hält die Ablehnung seines Folgeantrags für rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien erfüllt, weil sich die Sachlage zu seinen Gunsten geändert habe und er neue Beweismittel vorlegen könne, die zu einer ihm günstigen Entscheidung geführt hätten. Er sei im Ausgangsverfahren jung und verunsichert gewesen, außerdem sei er weder in Italien noch in Schweden zu seinen Asylgründen angehört worden. Erst seit der Kontaktaufnahme zu der Queer Refugee Group sei er gestärkt und selbstbewusst genug, um offen und ausführlich über seine Homosexualität zu berichten. Er habe jetzt detailliert und ohne Widersprüche vorgetragen.
Homosexualität sei in Gambia weiterhin strafbar. Verhaftungen und Verurteilungen seien in den Jahren 2012 und 2014 erfolgt. Auch der Wechsel im Amt des Staatspräsidenten habe nicht dazu geführt, dass das Gesetz aufgehoben worden sei. Homosexuelle seien einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt, angegriffen, erniedrigt oder getötet zu werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich und unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I. Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 30. November 2018 zur Entscheidung übertragen hat (§ 76 Abs. 1 AsylG). Sie kann trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten form- und fristgerecht geladen worden sind und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Fall des Ausbleibens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie als Anfechtungsklage statthaft, soweit der Kläger sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig wendet (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – BVerwG 1 C 4.16 –, juris), und als Verpflichtungsklage statthaft, soweit der Kläger die Feststellung von Abschiebungshindernissen begehrt, die die Beklagte entgegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG nicht erneut geprüft hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.2017 – BVerwG 1 C 9.16 –, juris Rn. 10).
III. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Ebenso wenig hat er Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Der ablehnende Bescheid erweist sich insoweit als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
1. Die Beklagte stützt die Ablehnung des Schutzgesuchs als unzulässig auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
Nach § 71 AsylG ist auf einen nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten neuerlichen Asylantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte rechtsfehlerfrei verneint.
Der Kläger stützt sein Schutzgesuch in materieller Hinsicht weiterhin darauf, dass er homosexuell sei und in Gambia deshalb zumindest nicht-staatlicher Verfolgung ausgesetzt sei. Insoweit macht er keine geänderte Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG geltend. Er beruft sich lediglich auf neue Beweismittel, die er darin sieht, dass er sich zwischenzeitlich der Gruppierung „Queer Refugees“ angeschlossen habe, deren Mitglieder seine Homosexualität oder zumindest über seine Teilnahme an den Treffen dieser Gruppe bezeugen könnten, und in einem Schreiben eines Vertreters der Gruppe, der seine Teilnahme an Gruppentreffen und sein Übriges Vorbringen im Wesentlichen bestätigt. Der Zeugenbeweis durch bisher nicht zur Verfügung stehende Zeugen und die vorgelegte Urkunde sind dem Grunde nach Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG.
Die angebotenen Beweismittel sind jedoch unerheblich, soweit sie sich auf den bloßen Umstand richten, dass sich der Kläger der Gruppe Queer Refugees angeschlossen hat, weil der bloße Besuch der Gruppentreffen naturgemäß allenfalls eine Indiztatsache darstellen kann und keinen Rückschluss auf die Motivation des Klägers zulässt, diese Gruppe aufzusuchen. Soweit der Kläger die Zeugen zum Beweis dafür anbietet, dass er sich der Gruppe offenbart hat und infolge innerer Hemmnis bisher nicht offen über seine sexuelle Orientierung hat sprechen können, sind sie als Beweismittel ungeeignet, weil sie nur darüber berichten können, was ihnen der Kläger zuvor berichtet hat. Gleiches gilt für die schriftliche Erklärung des Vertreters der Gruppe; es zeigt sich exemplarisch daran, dass in der Erklärung die Beziehung des Klägers ausdrücklich erwähnt wird, obgleich der Kläger selbst erklärt hat, dass ihn sein Freund seit 2016 nicht besucht hat und der Verfasser des Schreibens den Kläger demnach mit seinem Freund nicht zusammen gesehen haben kann. Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger aufgrund innerer Hemmnisse und Scham bisher nicht über seine sexuelle Orientierung hat berichten können, sind die angebotenen Beweismittel ungeeignet, weil – soweit vorgetragen und ersichtlich – kein Angehöriger der Gruppe die fachliche Qualifikation besitzt, solche inneren Tatbestände aufgrund der Äußerungen des Klägers valide zu beurteilen.
Unabhängig davon steht dem Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen, dass der Kläger den Grund für das Wiederaufgreifen innerhalb des früheren Verfahrens, insbesondere durch Rechtsbehelf hätte geltend machen können. Das ist hier der Fall, weil der Kläger, wenn er sich in der Anhörung bei der Schilderung seiner sexuellen Orientierung und der Darstellung von Einzelheiten seines Sexuallebens unwohl und gehemmt gefühlt hat, dies schon nach dem Ende der Anhörung hat wissen können und müssen. Selbst wenn ihm selbst diese Hemmung erst dadurch offenbar geworden sein sollte, dass die Beklagte seinen Schilderungen keinen Glauben geschenkt hat, hätte der Kläger seine Hemmungen noch im Rechtsmittelverfahren vorbringen können. Dass er dagegen selbst bis zum Kontakt mit der Gruppe Queer Refugees selbst nicht gemerkt habe, dass er bei der Anhörung Hemmungen oder Scham verspürt hat und infolgedessen die Entscheidung des Bundesamtes so nachvollziehbar und richtig fand, dass er einem Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht beigemessen hat, hat der Kläger weder behauptet noch wäre das plausibel. Es sind auch sonst keine Gründe dafür ersichtlich, dass der Kläger unverschuldet außerstande gewesen wäre, ein Rechtsmittel einzulegen und darüber eine neue Anhörung zu begehren. Er hat hierzu selbst erklärt, dass er die Rechtsmittelfrist unglücklicherweise verpasst habe, weil er sich gerade bei einem Freund in Italien aufgehalten habe, als ihm der Bescheid zugestellt worden sei.
Auch dass der Kläger erst nach dem Ende der Rechtsmittelfrist Kontakt zu der Gruppe Queer Refugees aufgenommen und nach eigenem Bekunden erst dort gelernt hat, über seine Sexualität zu sprechen, gebietet angesichts dessen keine andere Beurteilung. Denn auch diese oder entsprechende Hilfe hätte der Kläger bereits nach der Anhörung suchen können, wenn er dort tatsächlich Schwierigkeiten gespürt hätte, seine Ausreisegründe zu schildern. Dass er solche Hilfe aktiv gesucht hat, hat er mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht nahegelegt; er hat dort lediglich gesagt, dass ihm die Gruppe empfohlen worden sei und er gefragt worden sei, ob er nicht Interesse daran habe.
Nach alledem vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass der Kläger tatsächlich unverschuldet unfähig war, über seine Sexualität zu sprechen, bis der zufällige Kontakt zu der Gruppe dies ermöglicht hat. Das Gericht sieht diese Beurteilung auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Zwar kann danach wegen des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens nicht allein deshalb verneint werden, dass diese Person zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren und ihre Homosexualität nicht sofort preisgibt (vgl. EuGH, Urteil vom 2.12.2014 – C-148/13 bis C-150/13 –, juris). Diese Rechtsprechung beschreibt aber schon nicht die Situation, in der sich der Kläger befand; er hat bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt seine Homosexualität von sich aus geltend gemacht und nach eigenem Bekunden schon in Schweden einen Asylantrag auf seine Homosexualität gestützt. Er hat auch bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt die Tatsachen dargelegt, die er mit dem Folgeantrag geltend macht; er hat zudem angegeben, dass er bereits in Gambia mit seiner Familie und mit seinem Freund über seine sexuelle Orientierung gesprochen habe. Sein Vorbringen beschränkt sich vielmehr auf die eigene Einschätzung, dass er dieselben Tatsachen nunmehr anschaulicher und glaubhafter vortragen könnte. Allein darauf kann der Kläger sein Wiederaufnahmebegehren nicht stützen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen, weil er nicht glaubhaft den Eindruck hat vermitteln können, dass er die Homosexualität nicht allein aus asyltaktischen Erwägungen geltend macht, sondern tatsächlich homosexuell ist und ihm infolgedessen in Gambia eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte. Auch dass die dortige Gesellschaft ihm Homosexualität zuschreibt, hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht.
Er hat bei der Schilderung seiner Situation in Gambia zwar erkennbar auf den Erkenntnishorizont zurückgegriffen, den er sich zwischenzeitlich angeeignet hat. Gleichwohl hat er seine eigenen Erlebnisse nicht so unmittelbar und anschaulich schildern können, wie es bei Umständen zu erwarten wäre, die er selbst erlebt hat. So hat er sowohl seine Freundschaft mit drei anderen Schülern, von denen zwei „allgemein bekannt homosexuell“ gewesen seien, als auch die Konfrontation durch seine Mutter nur sehr oberflächlich und in zusammengefassten Handlungssträngen geschildert. Seine Schilderung, dass seine Mutter ihn schon lange mit der Gruppe hat herumhängen sehen und Verdacht geschöpft habe, steht dabei im Widerspruch zu seiner ebenfalls geschilderten Wahrnehmung, dass sein Verhältnis zu seiner Mutter bis zu der Konfrontation sehr innig gewesen sei und plötzlich vollständig gekippt sei. Diesen Widerspruch konnte der Kläger auf Nachfrage nicht plausibel erklären, sondern nur relativieren. Er hat außerdem, wie schon in der Anhörung vor dem Bundesamt, auf Fragen nach konkreten Ereignissen mehrfach und in auffälliger Weise die allgemeine Situation Homosexueller in Gambia geschildert und musste auf die Frage hingewiesen werden. Eigene Eindrücke und konkrete Situationen, etwa bei Besuchen seines Freundes in der Wohnanlage der Familie, hat der Kläger nur allgemein beschrieben. Auf die Frage, ob und ggf. wie er im Kindesalter Homosexualität als Begriff, dessen tatsächliche Bedeutung und die Einstellung der Gesellschaft zur Homosexualität kennengelernt und ggf. wahrgenommen habe, hat der Kläger eine abgewogene und empathische Position geschildert, die Kinder in diesem Alter normalerweise nicht entwickelt haben und die der Kläger in seiner Situation weder von der umgebenden Gesellschaft noch von seiner Familie vermittelt bekommen haben kann, und auch auf Vorhalt an dieser Darstellung festgehalten. Eine eigene, persönliche Wahrnehmung des gesellschaftlichen Umgangs mit Homosexualität hat er damit wiederum mit allgemeinen Aussagen ohne konkrete Erlebnisse geschildert. Die angeblich schon im Kindesalter eingenommene reflektierte Position steht im Übrigen in Widerspruch zu den Hemmungen, die der Kläger bei der Anhörung vor dem Bundesamt verspürt haben will.
Sodann hat der Kläger, obgleich er selbst angegeben hat, sich mit der Situation Homosexueller in Gambia auch gegenwärtig intensiv auseinanderzusetzen und hierzu zu recherchieren, die Situation in Gambia und die Position des jetzigen Staatspräsidenten nur vage und mit umfangreichen Nachfragen und Erinnerungen einigermaßen beschreiben können; eine mit großem Medienecho wahrgenommene Äußerung des Staatspräsidenten am Rande eines Staatsbesuchs im Vereinigten Königreich konnte er mit Mühe wiedergeben, ohne ihren Kontext einordnen zu können.
Dass er seine Homosexualität in Deutschland auslebt, hat der Kläger zwar dem Grunde nach behauptet; die Beziehung, die er mit seinem Freund führen will, hat er jedoch vage als eine Art Fernbeziehung beschrieben, in der er seinen Partner seit Ende 2016 nicht mehr gesehen hat und bisher auch selbst kein Bedürfnis verspürt hat, ihn in Bayern zu besuchen. Dabei hat er selbst lediglich „fehlende Zeit“ als Hindernis genannt und auch nicht plausibel erklären können, dass er zwar nach Italien reisen konnte, nicht aber zu seinem Partner. Konkrete persönliche Kontakte über die Gruppierung Queer Refugees hat der Kläger auf Befragen nur bejaht, ohne sie näher zu schildern. Obwohl er eine homosexuelle Beziehung nicht offen führt, hat er beschrieben, dass er die gambische oder afrikanische Community in Deutschland meide, die mehrheitlich homophob eingestellt sei wie die Gesellschaft in Gambia selbst. Zugleich hat er geschildert, dass „ein paar Gambier“ seine erste Anlaufstelle in Hamburg gewesen seien, die ihm die Orientierung erleichtert hätten – nicht dagegen konkrete Erlebnisse der Diskriminierung durch andere Landsleute.
Auch das Verhalten des Klägers vor der Asylantragstellung in Deutschland lässt nicht erkennen, dass der Kläger Gambia aus tatsächlicher Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Er hat den Ausgang seines Asylverfahrens in Italien nicht abgewartet, ist dann statt in ein Nachbarland nach Schweden gezogen, hat dort ein Schutzgesuch angebracht und ist nach dessen Ablehnung im Dublin-Verfahren, anstatt sein Schutzgesuch in Italien als dem zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nach Dänemark und Deutschland weitergezogen. Auch im Bundesgebiet hat er nicht unmittelbar um internationalen Schutz nachgesucht, sondern sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen außerstande gesehen, Behörden in Hamburg anzugehen, sondern sich nach Bremen begeben.
Dass er in Deutschland die Rechtsmittelfrist für seinen Bescheid versäumt hat, weil er sich (freiwillig) nach Italien begeben hat, lässt wiederum erkennen, dass ihm der Ausgang des Verfahrens gleichgültig war, und an einer ernsthaften Verfolgungsfurcht zweifeln. Keinen dieser Umstände hat der Kläger plausibel mit Hemmungen oder Scham aufgrund seiner sexuellen Orientierung erklären können.
Soweit der Kläger schließlich behauptet, dass er seinen Folgeantrag selbst formuliert und lediglich Hilfe beim Übersetzen in Anspruch genommen hat, erachtet das Gericht das als nachweislich unwahr, weil in diesem Schreiben, neben auffälligen genderneutralen Formulierungen, Worte wie der Begriff der Heteronormativität verwendet worden sind, den der Kläger nach eigenem Bekunden nicht kennt und auf Nachfrage nicht erklären konnte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden aufgrund von § 83 b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Im Hinblick auf den durch Generalerklärung erklärten Verzicht der Beklagten auf die Geltendmachung außergerichtlicher Kosten sieht das Gericht vom Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit und zu deren Abwendung durch Sicherheitsleistung ab.