Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.03.2019, Az.: 1 A 3844/18

Realverband; Vorkaufsrecht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.03.2019
Aktenzeichen
1 A 3844/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69503
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Erklärung der Beklagten vom 17. Mai 2018 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den beklagten Realverband.

Die Beklagte ist ein Realverband in Form einer Forstgenossenschaft. Zu ihr gehören 371 Verbandsanteile mit insgesamt 679 Stimmrechten. Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und verfügt über zwei Verbandsanteile mit 5,5 Stimmrechten. Er und die Beigeladenen wohnen im Verbandsgebiet der Beklagten. Am 19. März 2018 schloss der Kläger mit den Beigeladenen einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über den Kauf eines weiteren Anteils mit zwei Stimmrechten zu einem Kaufpreis von 17.000 EUR. Am 26. März 2018 übersandte der Notar eine Ablichtung des Kaufvertrages an die Beklagte; das Schreiben hat die Beklagte am 29. März 2018 erhalten. Dort heißt es:

„Ich bitte mir zu bestätigen, dass der Vertrag genehmigt wird und die entsprechenden Anteile auf Herrn A. umgeschrieben werden.“

Am 4. Mai 2018 fand eine Mitgliederversammlung der Beklagten statt. Dort wurde die Ausübung des Vorkaufsrechts beschlossen. Dies teilte die Beklagte dem Notar durch Schreiben vom 17. Mai 2018, eingegangen am 19. Mai 2018, mit. Zur Begründung wird ausgeführt, die Ausübung des Vorkaufsrechts fördere den erstrebten Erfolg zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Realverbandes und diene dem gesetzgeberischen Anliegen, einen einheitlich zusammengesetzten Mitgliederbestand zu erhalten. Ziel sei eine nachhaltige Waldbewirtschaftung über Generationen hinweg und nicht die Gewinnmaximierung zulasten der Nachhaltigkeit. Den Kaufpreis bezahlte die Beklagte an die Beigeladenen. Im Anschluss kam es zum Verkauf weiterer Verbandsanteile zwischen an diesem Verfahren nicht beteiligten Personen, wobei das Vorkaufsrecht durch die Beklagte nicht ausgeübt wurde.

Der Kläger hat am 7. Juni 2018 Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts sei unwirksam, weil sie weder den Beigeladenen noch dem Kläger innerhalb der Frist des § 12 Abs. 3 RealVbG zugegangen sei. Der Notar sei zum Empfang der Erklärung nicht bevollmächtigt gewesen. Nach § 2 des Kaufvertrages habe er nur den Kaufvertrag der Beklagten übersenden sollen. Zudem berücksichtige die Erklärung der Beklagten nicht, dass der Kläger bereits Mitglied des Realverbandes sei. Der einheitlich zusammengesetzte Mitgliederbestand sei nicht gefährdet, weil der Kläger als Mitglied nur weitere Stimmanteile erwerbe. Der Kläger sei von Beruf Landwirtschaftsmeister und habe seinen Wohnsitz im Verbandsgebiet. Dem Interesse der Beklagten an einem ortsbezogenen Mitgliederbestand werde daher Rechnung getragen. Die Zahl der Mitglieder verringere sich durch das „Ausscheiden“ der Beigeladenen sogar. Die Beklagte habe zudem den Sinn des Vorkaufsrechts verkannt. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Kläger eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ablehne; er wolle lediglich Verluste vermeiden. Zudem bringe er sich im Gegensatz zu manch anderen Mitgliedern aktiv bei der Beklagten ein. Er habe sich immer gegen wirtschaftliche Fehlentscheidungen des Vorstandes gewehrt. So komme es durch die Einstellung eines eigenen Revierförsters zu hohen Kosten. Günstiger sei die Beauftragung eines Betreuungsunternehmens. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts gehe es darum, den Kläger für seine Ansichten zu bestrafen.

Der Kläger beantragt,

die Erklärung der Beklagten vom 17. Mai 2018 über die Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich desjenigen Verbandsanteils (Forstanteil) an der Beklagten, den der Kläger mit Vertrag vom 19. März 2018 (Urkundenrollen-Nr. 60/2018 des Notars F. in G.) von den Beigeladenen erworben hat, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich nicht geäußert.

Die Beklagte trägt vor, das Vorkaufsrecht sei fristgemäß ausgeübt worden. Der Notar sei zum Empfang der Erklärung berechtigt gewesen. Das ergebe sich aus § 2 des Kaufvertrages und aus dem Schreiben des Notars vom 24. Mai 2018, in welchem die Erklärung des Vorkaufsrechts der Beklagten bestätigt werde. Die Beklagte verfolge mit der Ausübung auch einen legitimen Zweck. Neben dem Erhalt eines ortsbezogenen Mitgliederbestandes seien nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auch weitere Zwecke anerkannt. So hätten Forstgenossenschaften zum Wohle der Allgemeinheit eine nachhaltige Forstwirtschaft sicherzustellen. Zudem müssten Spekulationsgeschäfte mit Verbandsanteilen vermieden werden. Der Kläger werde von den Mitgliedern der Beklagten als ein Verbandsmitglied angesehen, für den das wirtschaftliche Interesse an einer hohen Rendite/Ausschüttung vorrangig gegenüber dem Interesse einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sei. Das habe er in vergangenen Mitgliederversammlungen durch seine Wortbeiträge und sein Abstimmverhalten deutlich gemacht. Deshalb sei für die Ausübung des Vorkaufsrechts gestimmt worden, was der Kläger trotz seiner anderen Auffassung zum Grund der Ausübung des Vorkaufsrechts hinnehmen müsse. Seit Jahren mehren sich Stimmen in der Mitgliedschaft der Beklagten, die sich für kurzfristige Renditeziele und Gewinnmaximierung anstelle einer unter ökologischen Gesichtspunkten nachhaltigen Waldbewirtschaftung stark machen. Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung habe sich die Beklagte in einem „Kriterienkatalog“ im März 2018 zum Ziel gesetzt. Der „Kriterienkatalog“ habe als Entscheidungshilfe bei der Mitgliederversammlung am 4. Mai 2018 gedient. Soweit im angefochtenen Bescheid von einem einheitlichen Mitgliederbestand gesprochen werde, sei damit ein solcher gemeint, der nicht rein wirtschaftliche Interessen vertrete. Der Kläger sei 71 Jahre alt. Er habe seine Hofstelle und Wirtschaftsgebäude verkauft, sodass die Folgegeneration sie nicht aufnehmen werde. Die Beklagte sei auf die Mithilfe von Verbandsmitgliedern angewiesen. Dies sei ebenfalls ein legitimer Zweck zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Eine Mithilfe sei vom Kläger aufgrund seines Ruhestandes und des Verkaufs der Hofstelle nicht mehr zu erwarten. Seine Kinder wohnen weit außerhalb des Verbandsgebietes, sodass seine Verbandsanteile nach seinem Tod nicht an Ortsansässige fallen werden. Dies zu verhindern sei ebenfalls ein nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts anerkannter Grund zur Ausübung eines Vorkaufsrechts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage hat nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 5. Dezember 2018 der Einzelrichter zu entscheiden, § 6 Abs. 1 VwGO. Sie ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt gem. § 42 Abs. 2 VwGO, auch wenn er nicht Adressat der angefochtenen Erklärungen über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist. Denn die Ausübung eines Vorkaufsrechts stellt sich auch gegenüber dem Kläger als Käufer als ein (belastender) Verwaltungsakt dar, weil diesem ein vertragliches Recht auf Eigentumsverschaffung entzogen wird (Nds. OVG, Urteil vom 3. August 2016 – 10 LB 14/16 –, Rn. 43, juris m.w.N.).

Das Vorkaufsrecht wurde gegenüber dem Notar des Klägers und der Beigeladenen ausgeübt. Gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 RealVbG i.V.m. §§ 463, 464 Satz 2 BGB muss die Ausübung des Vorkaufsrechtes jedoch gegenüber dem Verpflichteten, mithin gegenüber den Beigeladenen erfolgen. Ob der Notar zum Erhalt der Erklärung berechtigt war, kann dahinstehen, da die Ausübung des Vorkaufsrechts materiell rechtswidrig ist.

Der Bescheid vom 17. Mai 2018 ist formell rechtmäßig.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 RealVbG führt der Vorstand die Geschäfte des Realverbandes und vertritt ihn gerichtlich und außergerichtlich. Gem. § 19 Abs. 3 Satz 2 RealVbG sind nur sämtliche Mitglieder des Vorstandes gemeinsam zur Abgabe von Willenserklärungen und zum Abschluss von Verträgen, durch die der Realverband verpflichtet werden soll, befugt. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 RealVbG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten besteht der Vorstand aus dem 1. und 2. Vorsitzenden sowie weiteren fünf Vorstandsmitgliedern.

Im Rahmen der Vertretung des Realverbandes schließt der Vorstand alle Rechtsgeschäfte ab und ist zuständig für alle sonstigen Erklärungen des Verbands, auch wenn im Innenverhältnis die Mitgliederversammlung darüber zu beschließen hat. Er hat die Beschlüsse der Mitgliederversammlung auszuführen. Besteht der Vorstand - wie hier - aus mehreren Personen, sind grundsätzlich alle Mitglieder des Vorstandes gemeinsam befugt. Wird das Prinzip der Gesamtvertretung oder die Modifikation durch die Satzung nicht beachtet, fehlt es an der notwendigen Vertretungsmacht, da die gesetzlich festgeschriebene Grenze überschritten worden ist. Verträge sind nach § 177 BGB schwebend unwirksam, können aber durch den übergangenen Organteil nachträglich genehmigt werden (Thomas/Tesmer, Das niedersächsische Realverbandsgesetz, 10. Auflage 2015, § 19 Ziff. 6; Nds. OVG NJW 1977, 773). Vorliegend gilt gem. § 9 der Satzung der Beklagten, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, durch welche die Beklagte verpflichtet werden soll, vom 1. und 2. Vorsitzenden in der Weise abzugeben sind, dass die Zeichnenden ihren Namen als Unterschrift unter den des Realverbandes setzen. Der Bescheid vom 17. Mai 2018 enthält die Unterschriften des 1. und 2. Vorsitzenden.

Die Beklagte durfte das Vorkaufsrecht nicht ausüben. Der Einzelrichter geht davon aus, dass die Ausübung dieses Vorkaufsrechts zulässig ist, wenn sie auf der Basis sachgerechter Erwägungen erfolgt. Zur Frage zulässiger Erwägungen bei der Ausübung des realverbandsrechtlichen Vorkaufsrechts hat das Nds. OVG in seinem Urteil vom 3. August 2016 – 10 LB 14/16 –, Rn. 52 ff., juris, Folgendes ausgeführt:

„Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (- 10 LC 81/12 -, juris) zu den Beschränkungen der Übertragung von Verbandsanteilen ausgeführt:

„Ferner dürfen mit der satzungsrechtlichen Verfügungsbeschränkung nur die von § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVerbG gesetzlich gedeckten Zwecke verfolgt werden (vgl. Thomas/Tesmer, a. a. O., § 12 Ziffer 2.2). Sinn und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ist es, dem Interesse eines Realverbandes an der Erhaltung eines geschlossenen und einheitlich zusammengesetzten Mitgliederbestandes Rechnung zu tragen (vgl. NdsLT Drs. 6/205 S. 5, 26; Seehusen, Zum Niedersächsischen Realverbandsgesetz, RdL 1970, 309; Thomas/Tesmer, a. a. O., § 12 Ziffer 1; BGH, Urteil vom 17.07.1998 - V ZR 370/97 -, RdL 1998, 299 = NJW-RR 1998, 1627; VG Hannover, Urteil vom 16.07.2008 - 11 A 3910/06 -, juris). Denn § 9 RealVerbG, wonach die Verbandsanteile in Nutzvermögensverbänden selbständig durch Rechtsgeschäft übertragen werden können, entspricht nicht immer dem Interesse der Mitglieder eines Realverbandes an der Erhaltung eines geschlossenen und einheitlichen Mitgliederbestandes (vgl. Flöte, Das Niedersächsische Realverbandsgesetz in der Praxis, AgrarR 1975, 345). Zweck der Vorschrift ist es, einen örtlichen Bezug der Mitglieder zu dem Verbandsvermögen zu erhalten. Nicht geschützt werden sollen der Einfluss und das Stimmgewicht der vorhandenen Mitglieder. Eine Satzungsregelung, wonach Verbandsanteile generell nur noch auf Mitglieder übertragen werden dürfen, würde nicht mehr orts-, sondern ausschließlich personenbezogen den augenblicklichen Mitgliederbestand schützen. Dies wäre mit dem Zweck des § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVerbG nicht mehr vereinbar (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 28.04.1994 - 1 A 1334/92 -, RdL 1995, 17; VG Hannover, Urteil vom 16.07.2008, a. a. O.).“

Die insoweit tragenden Überlegungen zur Auslegung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVbG gelten auch für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 RealVbG, d.h. auch sie muss dem legitimen Interesse des Verbandes an einem möglichst ortsbezogenen Mitgliederbestand dienen, darf aber nicht allein dem gegenwärtigen Mitgliederbestand zu Gute kommen oder lediglich deren wirtschaftlichen Interessen nutzen. Insoweit ist die frühere Rechtsprechung des vormals für das Realverbandsrecht zuständigen 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts fortzuentwickeln, in der eine begrenzte Zweckbestimmung des Vorkaufsrechts noch nicht gesondert herausgearbeitet worden war (vgl. Urt. v. 11.2.1988 - 3 A 130/85 - zum Realverband Forstgenossenschaft „J.“ und Urt. v. 22.11.1993 - 3 L 1343/91 - zum Realverband Forstgenossenschaft „K.“). Dabei kann offen bleiben, ob in dieser Begrenzung der Ausübung des Vorkaufsrechts auf einen legitimen Zweck bereits eine ungeschriebene gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung liegt oder lediglich eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes, dass ein Ermessen - welches dem Realverband insoweit jedenfalls im Übrigen eröffnet ist (vgl. dazu, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, nochmals: Nds. OVG, Urt. v. 22.11.1993, a.a.O.) - stets zweckgerecht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) auszuüben ist.

Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts insoweit den gleichen Grenzen unterliegt wie eine satzungsrechtliche Beschränkung der Übertragbarkeit von Verbandsanteilen, folgt systematisch schon aus der einheitlichen Ermächtigung an den Realverband als Satzungsgeber in § 12 Abs. 1 RealVbG, die insoweit auch im Gesetzgebungsverfahren in Anknüpfung an historische Vorbilder (vgl. dazu Seehusen, a.a.O., RdL 1970, 311) weitgehend einheitlich diskutiert worden ist (vgl. PlProt 6/4887; Niederschrift über die 82. Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 5. Dezember 1968, S. 11 ff.). Die einheitliche Begrenzung der beiden dem Verband nach § 12 Abs. 1 RealVbG eröffneten Optionen liegt zudem deshalb nahe, weil es sich dabei um alternative oder ergänzende Möglichkeiten handelt, um auf diese Weise entweder allein - wie hier in der ursprünglichen Fassung der VBS, die in § 4 Abs. 2 zunächst nur ein Vorkaufsrecht vorsah - oder gemeinsam mit Übertragungsbeschränkungen das gleiche Ziel eines möglichst ortsbezogenen Mitgliederbestandes zu erreichen. Außerdem entspricht eine Beschränkung der Ausübung des Vorkaufsrechts auf die Durchsetzung der gesetzlichen Verbandsaufgaben bei gesetzesübergreifender Betrachtung auch dem Ziel vergleichbarer, etwa bau- oder naturschutzrechtlicher, Vorkaufsrechte. Eine solche Beschränkung ist - wie vom Senat in seinem o.a. Urteil vom 17. Juni 2014 ausführlich begründet worden ist - schließlich verfassungsrechtlich geboten, damit sich die damit verbundene Einschränkung des Eigentums für die Kaufvertragsparteien als verhältnismäßig darstellt.

Ein Vorkaufsrecht kann also nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 RealVbG jedenfalls ausgeübt werden, wenn ein Verbandsanteil sonst an einen Auswärtigen übergeht, der weder einen Bezug zum Verbandsgebiet noch zu der Tätigkeit des Realverbandes hat, und insoweit - anders als vorliegend nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VBS n. F. - auch keine sonstigen satzungsrechtlichen Beschränkungen i. S. d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVbG bestehen oder diese umgangen (vgl. nochmals Nds. OVG, Urt. v. 22.11.1993, a.a.O.) werden sollen (zuvor noch offen gelassen von OVG Lüneburg, Urt. v. 11.2.1988 - 3 A 130/85 -, S. 10). Legitime personenbezogene Gründe gegen den Übergang eines (weiteren) Verbandsanteils an einen im Verbandsgebiet wohnhaften Grundeigentümer und damit für eine so begründete Ausübung des Vorkaufsrechts sind hingegen grundsätzlich nicht ersichtlich, insbesondere reicht eine daraus folgende Kumulation von Stimmrechten nicht aus; denn insoweit hat bereits der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 RealVbG eine Grenze gezogen, die durch den jeweiligen Realverband nicht herabsetzbar ist.“

Dem schließt sich der Einzelrichter an. Der Kläger wohnt innerhalb des Verbandsgebietes und besitzt bereits Verbandsanteile. Dadurch, dass er weitere Anteile erwirbt, verringert sich der Mitgliederbestand der Beklagten. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Interesse der Beklagten an der Erhaltung eines geschlossenen und einheitlich zusammengesetzten Mitgliederbestandes durch den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und den Beigeladenen gefährdet oder gar berührt würde. Der örtliche Bezug der Mitglieder zu dem Verbandsvermögen bleibt erhalten.

Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 – 10 LC 81/12 –, Rn. 50, juris, vorträgt, geschützt werde durch die Vorschrift des § 12 RealVbG zudem, dass ein Realverband zugunsten der Allgemeinheit eine nachhaltige Forstwirtschaft sicherzustellen habe und dass der Kläger von den Mitgliedern der Beklagten als ein Verbandsmitglied angesehen werde, für den das wirtschaftliche Interesse an einer hohen Rendite/Ausschüttung vorrangig gegenüber dem Interesse einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sei, so verkennt sie, dass dies bei typisierender Betrachtung lediglich ein Argument für die Möglichkeit der Wahrung des örtlichen Bezuges der Mitglieder durch satzungsrechtliche Vorgaben ist. Der örtliche Bezug des Klägers ist aber gerade gegeben. Selbst wenn man davon ausginge, dass das zu fürchtende hohe Renditeinteresse eines Käufers ein Argument für die Ausübung des Vorkaufrechts sein könnte, ist eine damit einhergehende Gefährdung des Interesses an einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung durch den Kläger nicht erkennbar. Die Beklagte hat hierzu auch nichts Substantiiertes vorgetragen. Zur Beklagten gehören 371 Verbandsanteile mit 679 Stimmrechten. Der Kläger verfügt über 5,5 Stimmrechte, durch den Ankauf der Verbandsanteile der Beigeladenen werden es 7,5 Stimmrechte. Hierbei handelt es sich um 1,1 Prozent der Stimmrechte. Selbst wenn der Kläger an einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung kein Interesse hätte und es ihm einzig um einen kurzfristigen Gewinn ginge, so ist eine Gefährdung des besagten Interesses der Beklagten nicht gegeben. Zudem gilt wie bereits ausgeführt, dass der Einfluss und das Stimmgewicht der vorhandenen Mitglieder im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechts durch einen Realverband gerade nicht geschützt werden sollen (Nds. OVG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 LC 81/12 –, Rn. 40, juris). Beim Übergang eines (weiteren) Verbandsanteils an einen im Verbandsgebiet wohnhaften Grundeigentümer und damit für eine so begründete Ausübung des Vorkaufsrechts reicht eine daraus folgende Kumulation von Stimmrechten nicht aus; denn insoweit hat bereits der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 RealVbG eine Grenze gezogen, die durch den jeweiligen Realverband nicht herabsetzbar ist (Nds. OVG, Urteil vom 3. August 2016 – 10 LB 14/16 –, Rn. 56, juris). Eine Konsolidierung des Mitgliederbestandes durch den Ankauf von Verbandsanteilen seitens des Realverbandes ähnlich wie bei einem „Aktienrückkauf“ kann zwar unter Umständen dann legitim sein, wenn der Verband über eine seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigende Vielzahl von Mitgliedern verfügt und einer dieser Missstände durch den Ankauf behoben werden kann (Nds. OVG, Urteil vom 3. August 2016 – 10 LB 14/16 –, Rn. 58, juris). Doch auch für einen derartigen Ausnahmefall finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Es ist weder anhand des Vortrages der Beteiligten noch anhand des Verwaltungsvorgangs ersichtlich, dass es in der Vergangenheit durch das Abstimmverhalten einzelner Mitglieder zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Beklagten gekommen wäre. Die Beklagte wird es schlicht aushalten müssen, dass im Rahmen eines demokratisch organisierten Realverbandes unterschiedliche Ansichten vertreten werden und entsprechend abgestimmt wird.

Auch vor dem Hintergrund der Argumentation der Beklagten, die Kinder des Klägers wohnen weit außerhalb des Verbandsgebietes, sodass seine Verbandsanteile nach seinem Tod nicht an Ortsansässige fallen werden, kann die Erklärung vom 17. Mai 2018 keinen Bestand haben, denn auf die Erbfolge können Realverbände grundsätzlich keinen Einfluss nehmen. Für die Übertragbarkeit von Realverbandsanteilen gilt nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVbG, dass der Realverband in seiner Satzung grundsätzlich die Übertragbarkeit eines selbständigen Verbandsanteils beschränken kann, wobei der gesetzliche Erbfall keiner Einschränkung unterworfen werden kann. Die Ausnahme des gesetzlichen Erbfalls von der Beschränkung der Übertragbarkeit von Verbandsanteilen geht darauf zurück, dass das Realverbandsgesetz den Satzungsgeber in § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVbG lediglich dazu ermächtigt, die „Übertragbarkeit“ eines selbständigen Verbandsanteils zu beschränken. Das Wort Übertragung ist sowohl nach allgemeinem als auch rechtlichem Sprachgebrauch als Synonym zu dem Wort Rechtsgeschäft zu verstehen. Nicht gemeint ist der Erbfall, da dort eine Übertragung nicht im Sinne eines rechtsgeschäftlichen Handelns vorgenommen wird; es findet beim Eintritt des Erbfalls ein Erwerb per Gesetz statt. Aufgrund dieser Regelung ist es der Beklagten nicht möglich, den gesetzlichen Erbfall einer Beschränkung zu unterwerfen (Nds. OVG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 LC 81/12 –, Rn. 59, juris). Es ist bereits dargelegt worden, dass die tragenden Überlegungen zu § 12 Abs. 1 Nr. 1 RealVbG auch für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 RealVbG gelten. Ein Realverband kann daher nicht über die Ausübung des Vorkaufsrechts die gesetzliche Erbfolge unterbinden, wenn dies der einzige Zweck für die Ausübung des Rechtes ist. Die Tatsache, dass Verbandsanteile nach dem Tod des Klägers nicht an Ortsansässige fallen, muss daher ebenso wie das Alter des Klägers unberücksichtigt bleiben. Es ließe sich anhand objektiver Kriterien auch kaum bemessen, bis zu welchem Alter ein Käufer Verbandsanteile erwerben darf, wenn dessen Erben keinen Bezug zur örtlichen Verbandsgemeinschaft haben bzw. nicht innerhalb des Verbandsgebietes leben. Die Lebenserwartung eines einzelnen Menschen lässt sich nicht prognostizieren; sie ist zudem schlichtweg nicht geeignet, rechtliche Handlungsbefugnisse einzuschränken.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und den Beigeladenen entspreche nicht den Reglungen des Beurkundungsgesetzes und sei daher nicht formwirksam, so ist dies rechtlich nicht von Bedeutung. Sollte das zutreffen, ginge die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte ins Leere.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.