Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.03.2019, Az.: 13 A 1468/18

AsylG § 4; Ausländerbehörde; Bekanntgabe; Flüchtlingsanerkennung; Hisbollah; Libanon; Schii; Zustellung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.03.2019
Aktenzeichen
13 A 1468/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69484
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaften. Es handelt sich bei ihm um einen libanesischen Staatsbürger.

Nach eigenen Angaben reiste er über die Türkei und Griechenland auf den Landweg in Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Er gab an, seine Ausweise bei der Fahrt über das Meer verloren zu haben.

Der Kläger wurde Ende August 2017 angehörte. Er trug vor, in Beirut Schwierigkeiten gehabt zu haben und deswegen nach Tripoli gegangen zu sein. Er habe bereits Verwandte in Deutschland, einer dieser Verwandten habe sogar die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Lage im Libanon sei immer schlechter geworden. Auch die Arbeit sei immer weniger geworden. Als Sunnit sei er Angehöriger einer Minderheit in dem Stadtbezirk Aldahia gewesen. Es habe Probleme zwischen Schiiten und Sunniten gegeben. Die Schiiten hätten sie angegriffen. Es habe auch Probleme mit der Hisbollah gegeben. Ein Cousin von ihm sei verletzt worden. Er sei auch angegriffen worden. Er habe sich dann bei einer Tante aufgehalten. Seinem Bruder sei aber gesagt worden, wenn man ihn, den Kläger, sehen würde, würde man ihn umbringen. Finanziell habe er es sich nicht leisten können in andere Landesteile des Libanon auszuweichen

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 02.11.2017 lehnte die Beklagte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und Gewährung des subsidiären Schutzstatus ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz, forderte den Kläger zur Ausreise auf und drohte seine Abschiebung in den Libanon an. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate befristet.

Der Kläger war seit dem 01.11.2017 unter der Anschrift gemeldet, an dem auch versucht wurde, in diesem Bescheid zuzustellen. Eine Zustellung scheiterte. Der Postbote vermerkte auf der Postzustellungsurkunde, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei. Über die Ausländerbehörde hat der Kläger dann vom ablehnenden Bescheid erfahren und diesen erhalten (Schriftsatz vom 08.02.2018 der Region Hannover).

Der Kläger hat am 20.02.2018 Klage erhoben

Er trägt vor, der Bescheid sei ihm niemals zugestellt worden. In der Sache erfolgte kein weiterer Vortrag. Die Frist des § 74 Abs. 2 AsylG ist abgelaufen. Eine ordnungsgemäße Zustellung oder Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides sei nicht erfolgt. Im Libanon werde er als Sunnit von der Hisbollah verfolgt.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass eine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides vom 02.11.2017 nicht erfolgt ist;

2. unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2017 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen, hilfsweise, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen.

Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Über die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 06. 12.2018, zugestellt am 20.12.2018 entschieden. Der Kläger hat hiergegen am 28.12.2018 Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde fristgerecht gestellt. Der Gerichtsbescheid vom 06.12.2018 gilt als nicht ergangen, § 84 Abs. 3, 2. Halbsatz VwGO.

Die Klage ist zulässig. Offensichtlich erfolgte kein korrekter Zustellungsversuch. Der Kläger war unter der angegebenen Anschrift wohnhaft. Gleichwohl wurde der angefochtene Bescheid nicht zugestellt. Damit wurde auch keine Klagefrist in Lauf gesetzt.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Auch asylrechtlich relevante Abschiebungsverbote sind bei ihm nicht ersichtlich. Die Befristungsentscheidung ist nicht zu beanstanden.

Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die Gründe des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG. Dem Kläger ist es nicht gelungen, diese Gründe zu entkräften.

Soweit nunmehr in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 ergänzend beantragt wurde, festzustellen, dass der Bescheid des Bundesamtes vom 02.11.2017 nicht ordnungsgemäß den Kläger zugestellt oder bekannt gegeben wurde, kann dies der Klage nicht – auch nicht teilweise – zum Erfolg verhelfen.

Wie oben schon ausgeführt, ist die Klage nicht verfristet, sondern zulässig, weil der Postzusteller fehlerhaft den Kläger unter der nach wie vor gültigen Anschrift nicht ermitteln konnte.

Wirksam geworden ist der mit der Klage angegriffene Verwaltungsakt trotz der fehlgeschlagenen Zustellung gleichwohl. Gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, indem er bekannt gegeben wird. Bekanntgabe ist dabei die Eröffnung des Inhaltes des Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen. Grundsätzlich ist es zwar dazu erforderlich, dass die Bekanntgabe mit Wissen und Willen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, geschieht. Es ist jedoch nicht notwendigerweise eine Bekanntgabe durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, selbst vorzunehmen. Hier hat die Region Hannover als zuständige Ausländerbehörde den Bescheid des Bundesamtes durch Übersendung einer Kopie mit Schriftsatz vom 08.02.2018 den Kläger bekannt gegeben. Zwar handelte die Ausländerbehörde nicht im ausdrücklichen Auftrag der Beklagten. Ihr Handeln ist vielmehr als Geschäftsführung ohne Auftrag für die Beklagte anzusehen. Die Beklagte hatte auch einen Bekanntgabewillen, der sich in der fehlgeschlagenen Zustellung manifestierte. Dieser Bekanntgabewillen war damit nicht erloschen; er umfasst auch die spätere Bekanntgabe durch die Region Hannover.

Zwar verfügt § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG, dass Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen (wie der hier streitige Bescheid), unverzüglich zuzustellen sind. Ein Zustellungsversuch wurde unternommen, scheiterte letztendlich aber an einen Fehler des Postzustellers. Dies führt jedoch nicht zu einer fehlenden Wirksamkeit des Bescheides, der lediglich in der Folge nur bekannt gegeben wurde. Zweck der Gesetzesvorschrift ist, zu gewährleisten, dass Entscheidungen des Bundesamtes den betroffenen Ausländer unverzüglich erreichen und der Zugang im Hinblick auf die Wahrung von kurzen Rechtsmittelfristen nachgewiesen werden kann. Das Gesetz macht die Wirksamkeit der Entscheidung nicht von einer förmlichen Zustellung abhängig.

Im Übrigen fehlt den Kläger das Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung. Unabhängig davon, ob der Bescheid den Kläger nun ordnungsgemäß bekannt gegeben oder zugestellt worden ist oder nicht, hat das Gericht – da eine Klageabweisung wegen Unzulässigkeit infolge Fristversäumung nicht im Raume steht - in eigener Zuständigkeit über den geltend gemachten Anspruch des Klägers in der Sache zu entscheiden. Dafür kommt es jedoch auf die Frage einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht weiter an.

In der Sache hat der Kläger jedoch die Gründe des Gerichtsbescheides und die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 2. November 2017, die sich das Gericht zu eigen macht, nicht entkräften können. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit des Vorbringens kann der Kläger sich in Landesteile des Libanons begeben, die nicht von der Hisbollah beherrscht werden. Ihm ist zuzumuten, dort seinen Lebensunterhalt durch Arbeit sicherzustellen.