Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.11.2020, Az.: 12 A 2899/17

Akkumulierung; Beweiserhebung; Bioaerosole; Deposition; Drittschutz; Filtererlass; Geruchsimmissionen; Immungeschwächte Personen; Kaltluftabflüsse; Konzentration; Krankenhaus; LAI-Leitfaden; Maximalwerte; re-entrainment; Schutzpflicht; Schweinemastanlage; Staubimmissionen; Summierung; Vorsorgepflicht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.11.2020
Aktenzeichen
12 A 2899/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird der in dem LAI-Leitfaden festgelegte Irrelevanzwert von 1,2 µg/m3 für PM10 eingehalten, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass von einer Schweinemastanlage keine Gefahren für die menschliche Gesundheit in Bezug auf Bioaerosole ausgehen und die den Anlagenbetreiber treffende Schutzpflicht nicht verletzt ist.

2. Diese Annahme kann durch die Berechnung von Depositionen von Bakterien sowie von Maximalwerten der Konzentration und Deposition nicht erfolgreich in Frage gestellt werden (Berufung zugelassen).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die der Beklagte dem Beigeladenen u.a. für die Errichtung und den Betrieb eines Maststalls für 1.200 Schweine erteilt hat.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks F., G., Flurstücke H. und I. der Flur J. der Gemarkung K.. Auf dem Grundstück, das nordwestlich an das Grundstück des Klägers des Verfahrens 12 A 1122/17 anschließt, betreibt die Firma L. (im Folgenden: Firma M.) ein Krankenhaus für Akutpsychosomatik und eine Seniorenresidenz. Die Firma M. ist ihrerseits Eigentümerin des nordöstlich an das Grundstück der Klägerin angrenzenden Grundstücks N., Flurstücke O. und P. der Flur J. der Gemarkung K.. Auf diesem Grundstück betreibt sie eine Rehabilitationsklinik mit den Fachbereichen Psychosomatik und Verhaltensmedizin, Gastroenterologie, Onkologie, HNO-Onkologie sowie Urologie und Nephrologie.

Das Grundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Q.. Dieser setzt dort ein Sondergebiet „Klinik, Pflegeeinrichtungen, betreutes Wohnen“ fest. Zulässig sind Kliniken als Hauptnutzung (§ 1 Abs. 1 der textlichen Festsetzungen).

Ca. 900 m nordwestlich des Grundstücks der Klägerin (Angabe nach Google Maps) liegt in dem nach Norden leicht ansteigenden Gelände der zur Stadt Bad Münder gehörende Ortsteil R.. Hier betreibt der Beigeladene im Haupterwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 130 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Betriebliche Schwerpunkte sind der Ackerbau sowie die Sauenhaltung mit Ferkelaufzucht. Im Bereich seiner Hofstelle, die sich am östlichen Rand der Ortschaft befindet, hält er 35 Sauen auf Stroh. Nordwestlich der Hofstelle befindet sich innerhalb der Ortslage von R. in einer Entfernung von ca. 1,3 km zum Grundstück der Klägerin (Angabe nach Google Maps) ein weiterer Schweinemaststall (Hof S.), in dem 200 Mastschweine bis 120 kg gehalten werden.

Aus betriebswirtschaftlichen Gründen plant der Beigeladene, die von ihm aufgezogenen Ferkel künftig selbst zu mästen. Unter dem 20.08.2009 beantragte er die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Maststalls für 1.200 Schweine sowie die Errichtung von zwei Futtersilos, eines Güllebehälters mit ca. 1.400 m3 Nutzinhalt und diverser Nebenanlagen auf dem Grundstück T., G., Flurstück U. der Flur V. der Gemarkung R.. Das Grundstück liegt ca. 400 m östlich der Hofstelle des Beigeladenen und ca. 900 m nordwestlich des Grundstücks der Klägerin (Angaben nach Google Maps) auf einem Geländerücken. Es befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans W.. Der (einfache) Bebauungsplan bestimmt für die Teilfläche C, zu der das Vorhabengrundstück zählt, u.a., dass Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB von dem ansonsten festgesetzten allgemeinen Bauverbot ausgenommen sind. Ausweislich der Betriebsbeschreibung vom 31.08.2009 handelt es sich bei dem geplanten Standort um die einzige ausreichend große Eigentumsfläche des Betriebes, die aus Gründen des Immissionsschutzes (Geruchsbelastung) für den geplanten Neubau in Betracht kommt.

Der Stall soll im nördlichen Bereich des Vorhabengrundstücks in ca. 10,00 m Entfernung parallel zur östlichen Grundstücksgrenze sowie dem dort verlaufenden Weg errichtet werden. Er hat eine Grundfläche von (31,92 x 43,66 =) 1.393,95 m2. Die Firsthöhe beträgt 7,40 m, wobei die Abluftkamine am südlichen Ende des Stallgebäudes eine Höhe von mindestens 1,50 m über Firsthöhe erreichen. Der Güllebehälter mit einem Durchmesser von 19,40 m und einer Höhe von 5,00 m (2,50 m unterirdisch) soll in unmittelbarer Nähe nordwestlich des Stallgebäudes errichtet werden. Als Ausgleichsmaßnahme für den baulichen Eingriff in den Naturhaushalt ist vorgesehen, dass die baulichen Anlagen von 7,50 bis 10,00 m breiten Pflanzstreifen umgeben werden. Der Stall soll in Eigenarbeit bewirtschaftet werden und ist so ausgelegt, dass 1.200 Mastschweine im sog. Rein-Raus-Verfahren gehalten werden können.

Im weiteren Verlauf des Baugenehmigungsverfahrens reichte der Beigeladene bei dem Beklagten gutachtliche Stellungnahmen der Firma X. zu den Geruchsimmissionen (im Folgenden: Geruchsgutachten) - vom 16.11.2009, 10.05.2010, 29.07.2010, 03.09.2010 und vom 20.10.2010 - ein. Unter dem 23.11.2009 erklärte der Beigeladene zudem, dass er bei Fertigstellung des neuen Stalls und vollständiger Belegung der Buchten die Viehhaltung am Standort der Hofstelle auflösen werde.

Auf Anforderung des Beklagten legte der Beigeladene außerdem eine gutachtliche Stellungnahme der Firma X. zu den Staubimmissionen vom 26.06.2013 (im Folgenden: Staubgutachten vom 26.06.2013) sowie eine von Y. erstellte Prognose der mikrobiellen Zusatzbelastung der Außenluft im näheren Umfeld des geplanten Schweinemastbetriebes vom 09.07.2013 (im Folgenden: Prognose Z.) vor. Aus dem Staubgutachten vom 26.06.2013, das auf der Grundlage der Wetterdaten der Station AA. und unter Zugrundelegung einer Korngrößenverteilung PM2,5 und PM10 im Verhältnis 25:75 erstellt worden ist, ergibt sich, dass auf dem Grundstück der Klägerin mit Staubimmissionen in Höhe von maximal 0,019 µg/m3 zu rechnen ist (vgl. die Abbildung im Anhang des Gutachtens). Nach der Prognose Z., die hinsichtlich der geografischen und orografischen Gegebenheiten auf das Geruchsgutachten vom 16.11.2009 und hinsichtlich der Staubwerte auf das Staubgutachten vom 26.06.2013 verweist, sind gesundheitsschädliche Umwelteinwirkungen für die Anwohner durch Immissionen pathogener Mikroorganismen durch den Stallbau nicht zu erwarten (S. 21 des Gutachtens). Für den Bereich der Kliniken weist die Prognose eine Zusatzbelastung an Gesamt-Bakterien (Jahresmittel) in Höhe von 2 (südwestliches Areal) bzw. 4 (nordöstliches Areal) KBE/m3 aus (vgl. S. 16 des Gutachtens).

Unter dem 17.07.2013 teilte das Gesundheitsamt des Beklagten in einer internen Stellungnahme mit, dass es dieses Ergebnis für nicht belastbar halte, da es sich u.a. auf Untersuchungen aus dem Jahr 1991 in Nordschottland stütze und eine derartige Datenbasis schon aufgrund fehlender regionaler Vergleichbarkeit keine adäquate Grundlage für eine realitätsnahe Beurteilung darstelle.

Zwischenzeitlich hatte die AB. mit AC. einen eigenen Gutachter zur Untersuchung des Risikos von Keimausbreitung im Umfeld der geplanten Schweinemastanlage bestellt. Dieser kommt in der von ihm unter dem 25.07.2013 verfassten „Fachlichen Stellungnahme“ (im Folgenden: Stellungnahme AD.) zu dem Ergebnis, dass Keime aus der geplanten Schweinemastanlage direkt über die Luft und möglicherweise über den Umweg von Deposition und „re-entrainement“ die Klinikstandorte erreichen können. Von diesen Keimen stellten Methicillin resistente Staphylococcus aureus (MRSA) eine erhebliche Gefährdung für die Patienten der Kliniken dar. Keimausträge aus der Schweinemastanlage über die Luft ließen sich durch Einbau einer Abluftreinigungsanlage an dem Stall so erheblich (um 90 %) reduzieren, dass nach menschlichem Ermessen keine Gefährdung mehr bestehe. Das Gesundheitsamt des Beklagten gelangte daraufhin unter dem 23.09.2013 zu der Einschätzung, dass ein „qualitativ nicht fassbares Infektionsrestrisiko“ mit möglichen Auswirkungen auf Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit bestehe. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes werde daher der Einbau einer geeigneten Filteranlage empfohlen.

Mit Bescheid vom 15.10.2013 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung. Zu den grüngestempelten Bauvorlagen zählen u.a. die Erklärung des Beigeladenen vom 23.11.2009 zur Aufgabe der Schweinehaltung auf seiner Hofstelle (vgl. auch Auflage Nr. 30), die Geruchsgutachten vom 16.11.2009 (vgl. auch Auflage Nr. 29), 10.05.2010, 29.07.2010, 03.09.2010 und 20.10.2010 sowie die Prognose Z.. Aus der ebenfalls grüngestempelten Betriebsbeschreibung ergibt sich zudem, dass die Gülle durch eine Strohhäckselabdeckung von der Außenluft getrennt wird. Daneben enthält die Baugenehmigung folgende Bedingung (Nr. 3):

„Vor Ingebrauchnahme des Stalles ist nachzuweisen, dass die Abluft ausschließlich über eine Abscheideanlage mit mindestens 70%-iger Reduktion der Emissionen geführt wird. Der Stall darf erst in Gebrauch genommen werden, wenn diese Nachweise geprüft und durch mich genehmigt sind.“

Unter dem Punkt „Hinweise“ nimmt die Baugenehmigung auch Stellung zu den zahlreichen im Verwaltungsverfahren geäußerten Einwendungen. Im Hinblick auf die Keimbelastung wird dort (Nr. 3.1, S. 15 der Baugenehmigung) Folgendes ausgeführt:

„[…] Bei Ansatz eines proportionalen Verhältnisses von Partikeln/Staub zu den Keimen bzw. den Endotoxinen werden ohne ein im Stall installiertes Abluftwaschsystem maximal 4 KBE/m3 an Bakterien und maximal 0,007 EU/m3 an Endotoxin als Mehrbelastung im Jahresmittel erwartet, was keine signifikante Änderung der Vorbelastung darstellt.

Durch die im Stall zu installierende Abscheideanlage werden die Emissionen um 70% bis 90% reduziert, erfolgt also eine weitere Reduzierung der schon geringen Belastung.“

Um dem mit der Baugenehmigung auferlegten Einbau eines Filtersystems nachzukommen, legte der Beigeladene unter dem 04.12.2013 entsprechend angepasste Bauvorlagen vor. Danach schließt sich an der südlichen Seite des Stalls auf voller Breite mit einer Tiefe von 5,40 m ein Abluftfilter (Hartmann-Biofilter) an. Um den Bereich der Teilfläche C des Bebauungsplans W. nicht zu verlassen, musste das Bauvorhaben ein Stück nach Norden verschoben und der Begrünungsplan entsprechend angepasst werden.

Mit Bescheid vom 17.02.2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen auf dessen Antrag eine Teilbaugenehmigung für die Erd- und Rohbauarbeiten bis Oberkante Unterbau (+ 0,25 m).

Mit Bescheid vom 26.03.2014 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die unter dem 04.12.2013 beantragte Änderungsgenehmigung zu der Baugenehmigung vom 15.10.2013. Bestandteil dieser Genehmigung ist die Anlagenbeschreibung für den Hartmann-Biofilter vom 20.02.2014. Danach hat ein „Fachgutachten NRW“ Reduktionswerte etwa für Bakterien und Staphylococcus aureus von 99,9 % ermittelt (S. 5 der Anlagenbeschreibung). Zu der Filteranlage enthält die Baugenehmigung folgende Bedingungen:

4. Auflösende Bedingung:

Nach Ingebrauchnahme des Stalles ist durch Gutachten eines anerkannten Institutes nachzuweisen, dass die Filteranlage die Emissionen in der Abluft um mindestens 70% reduziert. Die Abluft ist ausschließlich über die Filteranlage zu führen. […]

5. Die Messungen nach Bedingung Ziffer 4 sind durchzuführen

5.1 erstmalig 11 Wochen nach dem ersten Besatz der ersten Abteilung

5.2 am ersten 15.01. nach Inbetriebnahme des Stalles

5.3 am ersten 01.08. nach Inbetriebnahme des Stalles

5.4 wiederholt fünf Jahre nach der letzten Messung
[…]

6. Vorbehalte:

Werden grenzwertige Messergebnisse erzielt, bleibt eine Verkürzung der Messintervalle vorbehalten.

Werden günstige Messergebnisse erzielt, bleibt eine Verlängerung der Messintervalle oder eine Aussetzung vorbehalten.

Die auflösende Bedingung nach Ziffer 4 wird bei Verfehlung der prozentualen Reduktionsvorgabe bei gleichzeitig geringen absoluten Emissionen nicht wirksam.

Gegen diese Nebenbestimmungen erhob der Beigeladene unter dem 25.04.2014 Widerspruch.

Aus einer weiteren, von dem Beklagten in Auftrag gegebenen gutachtlichen Stellungnahme der Firma X. zu den Staubimmissionen vom 09.05.2014 (im Folgenden: Staubgutachten vom 09.05.2014) ergibt sich - wiederum unter Verwendung der Wetterdaten der Station AA., jedoch unter Berücksichtigung der nunmehr geplanten Abluftreinigungsanlage sowie der unter dem 20.02.2014 erhobenen Einwendungen des Gutachters der Klägerin AE. zur Verteilung der Korngrößen (PM2,5 und PM10 im Verhältnis 50:50) - für das Grundstück der Klägerin eine PM10-Schwebstaubkonzentration im Jahresmittel in Höhe von weniger als 0,01 µg/m3 (vgl. die Abbildung im Anhang des Gutachtens).

Unter dem 20.05.2015 erhob die damalige Eigentümerin des Grundstücks, die AF., die sich im Verlauf des Widerspruchsverfahrens in die AG. und während des Klageverfahrens in die Klägerin umfirmiert hat, Widerspruch „gegen alle etwaig erteilte/n Genehmigung/en“. Mit Schreiben vom 10.01.2017 stellte sie klar, dass sich ihr Widerspruch auf „beide“ dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen beziehe.

Mit Bescheid vom 11.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen gegen die Nebenbestimmungen der Baugenehmigung vom 26.03.2014 zurück. Gleichzeitig wurden die angegriffenen Nebenbestimmungen Nr. 4 bis 6 gestrichen und unter Verweis auf die vorliegenden Nachbarwidersprüche sowie unter Berufung auf den sog. Filtererlass (Gem. RdErl. v. 02.05.2013, Nds. MBl. Nr. 29/2013, S. 561) durch folgende Nebenbestimmungen ersetzt:

4. Auflösende Bedingung:

Vor Ingebrauchnahme des Stalles ist nachzuweisen, dass die Abluftfilteranlage entsprechend den Vorschriften des Runderlasses der Niedersächsischen Ministerien, des MU, des MS und des MI vom 23.09.2015 zertifiziert ist oder vergleichbare Prüfungen für das Filtersystem durchgeführt worden sind. Sollte eine solche Zertifizierungsurkunde nicht vorgelegt werden können, ist nach Ingebrauchnahme des Stalles durch Gutachten eines unabhängigen, nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditierten Prüflabors nachzuweisen, dass die Filteranlage folgende Mindest-Abscheide-grade gewährleistet:

· 70 % für Staub, (jeweils für PM10 und PM2,5)

· 70 % für Bioaerosole, Gesamtbakterienzahl, 25° C

· 70 % für Bioaerosole, Mesophile Pilze, 25 ° C

· 70 % für Bioaerosole, Leitkeim (variabel)

Das Messprogramm, bestehend aus einer achtwöchigen Messphase ist erstmalig vier Wochen nach vollständigem Besatz der Stallanlage durchzuführen. Mit einem weiteren Messprogramm ist, bei kontinuierlicher Nutzung des Stalles jeweils in einer achtwöchigen Messphase im ersten Winter nach Inbetriebnahme und einer achtwöchigen Messphase im ersten Sommer nach Inbetriebnahme, die Funktionsfähigkeit der Anlage zu bescheinigen. Im Winter müssen minimale und im Sommer maximale Betriebsbedingungen, bezogen auf Besatzdichte und Außentemperatur, eingeschlossen sein. Dabei sind wöchentlich mindestens folgende Daten zu erfassen:

a) Gesamtstaub

b) Anzahl und Gewicht der Tiere

c) Temperatur im Stall, im Rohgas und im Reingas

d) Relative Feuchte im Stall, im Rohgas und im Reingas

e) Luftvolumenstrom (Kontrolle)

f) Druckverlust der Abluftreinigungsanlage

g) Medienverbräuche bzw. Zählerstände (Frischwasser, Verbrauch an Energie und anderer Stoffe, soweit diese zum Einsatz kommen

Die Staubfraktionen PM10 und PM2,5, sowie die Freisetzung von Bioaerosolen (Gesamtbakterienzahl 25°C, Mesophile Pilze 25°C, Leitkeim), sowie das Vorkommen von multiresistenten Keinem sind jeweils mindestens zweimal im ersten Messprogramm, sowie jeweils mindestens zweimal in der Winter- und der Sommermessung zu erheben. Die Messergebnisse sind erstmals 16 Wochen nach vollständigem Besatz der Stallanlage und danach zum 15. Oktober (Sommermessung) und 15. April (Wintermessung) vorzulegen.

Sollte eine Zertifizierungsurkunde vorgelegt werden können, ist durch das oben beschriebene Fertigstellungsmessprogramm der ordnungsgemäße Betrieb und die entsprechende Reduktion der Emissionen in der Stallabluft nachzuweisen.

Auflage 4

Die Abluftreinigungsanlage muss über ein elektronisches Betriebstagebuch verfügen. Hierin sind die im Folgenden genannten betriebsrelevanten Daten als Halbstunden-Mittelwerte über die letzten drei Jahre abzuspeichern und auf Anforderung dem Prüflabor und der Genehmigungsbehörde vorzulegen. Zu erfassen sind:

a) Energieverbrauch der Abluftreinigungsanlage / Lüftungsanlage

b) Medienverbrauch der Abluftreinigungsanlage (Frischwasser etc.)

c) Volumenstrom (m3/h)

d) Rohlufttemperatur und Rohluftfeuchte

e) Reinlufttemperatur und Reinluftfeuchte

f) Differenzdruck der Abluftreinigungsanlage

Die Daten des elektronischen Betriebstagebuches sind so aufzubereiten, dass sie tabellarisch lesbar und grafisch darstellbar sind.

Auflage 5

Es ist ein manuelles Betriebstagebuch zu führen, in dem folgende Daten erfasst werden. Das Tagebuch ist auf Anforderung dem Prüflabor und der Genehmigungsbehörde vorzulegen:

a) Einstalltermin

b) Wöchentlich die Anzahl und das Gewicht der eingestellten Tiere

c) Filtermaterialwechsel / Ergänzung von Filtermaterial (Menge und Datum)

d) Besondere Ereignisse wie z. B. Stromausfälle

Auflage 6

Durch eine nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditierte Messstelle ist mindestens einmal jährlich eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktionsfähigkeit der Abluftreinigungsanlage durchzuführen. Im Rahmen dieser Funktionsprüfung ist festzustellen, dass die Anlage seit der letzten Prüfung wie genehmigt betrieben wurde und die erforderliche Reinigungsleistung erbracht hat. Alle zwei Jahre ist die Funktionsprüfung bei einer Anlagenauslastung / Filterflächenbelastung von mindestens 70 % durchzuführen. Die Filterflächenbelastung ergibt sich dabei aus der Luftrate für die maximale Stallbelegung bei maximalem Gewicht der Tiere für die jeweilige Haltungsform nach DIN 18910 und die Anströmfläche.

Die Funktionsprüfung hat folgende Parameter zu umfassen:

a) Reingasfeuchte

b) Bewertung, ob Rohgasgeruch im Reingas wahrnehmbar ist.

Weiter ist das elektronische Betriebstagebuch im Hinblick auf folgende Parameter auszuwerten:

a) Die Nachvollziehbarkeit des Frischwasserverbrauches

b) Die Nachvollziehbarkeit des Stromverbrauches.

c) Die Prüfung auf Plausibilität von Volumenstrom und Druckverlust

d) Die Nutzungsdauer des Filtermaterials.

Die Ergebnisse der Funktionsprüfung sind innerhalb eines Monats nach Prüfung der Genehmigungsbehörde vorzulegen.

Auflage 7

Die Abluftreinigungsanlage ist mindestens einmal jährlich durch den Hersteller der Abluftreinigungsanlage oder von einer vom Hersteller autorisierten Firma warten zu lassen. Eine Bescheinigung über die erfolgte Wartung ist zusammen mit dem Bericht über die Funktionsprüfung einmal jährlich vorzulegen.

Gegen die geänderten Nebenbestimmungen erhob der Beigeladene am 18.03.2016 Klage (Az. 12 A 1839/16). Das Klageverfahren ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens sowie der Verfahren 12 A 1122/17 und 12 A 2898/17 ausgesetzt.

Mit Bescheid vom 27.02.2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom selben Tag setzte er die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 1.503,60 € fest.

Am 06.04.2017 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

Die Baugenehmigungen vom 15.10.2013 und 26.03.2014 verstießen gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gingen schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Bioaerosolen aus. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass in der Stallluft eines Schweinemastbetriebes von - wie hier - mehr als 1.000 Mastplätzen multiresistente Erreger (MRE) in Form von MRSA und Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) vorkämen. Diese Erreger würden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das lediglich 800 m (Grundstücksgrenze Klinikgelände) vom Anlagenstandort entfernte und in Hauptwindrichtung (Windrose AH.) gelegene Klinikgelände verfrachtet und zu einem konkreten Gesundheitsrisiko für die in den Kliniken behandelten Patienten führen.

Da die erforderliche Infektionsdosis für schwerwiegende Erkrankungen durch multiresistente Erreger äußerst gering sei und in den Kliniken jährlich mehrere hundert immunsupprimierte und immungeschwächte Patienten behandelt würden, sei vorliegend bereits ein vergleichsweise geringer Wahrscheinlichkeitsgrad zum Eingreifen des Gefahrentatbestandes ausreichend. Die „Wirkschwelle“, ab deren Überschreiten das Hervorrufen von Gesundheitsschäden wahrscheinlich sei, sei bei diesem Personenkreis in Bezug auf MRSA und Clostridioides difficile (C. difficile) mit der Infektions- bzw. Besiedlungsdosis identisch. Nach den von ihm eingeholten gutachtlichen Stellungnahmen von AI. vom 28.01.2019, 01.04.2019 und vom 25.10.2020 (im Folgenden: Stellungnahmen AJ.) drohten bei einer Infektion schwerwiegende Verläufe mit unter Umständen tödlichem Ausgang. Die konkrete Gesundheitsgefahr werde neben dem hohen Infektionsrisiko auch durch die eingeschränkten Therapiemöglichkeiten bei bestehenden Antibiotikaresistenzen begründet. Hinzukomme, dass alle Personen, die die Kliniken frequentierten, als Akkumulationsträger in Betracht kämen.

Die Prognose Z. sei für eine belastbare Gefährdungsanalyse untauglich. Sowohl bei dem Transmissionsweg „Luftweg-Konzentration“ als auch bei dem Transmissionsweg „Luftweg-Deposition“ komme es mit Blick auf das im Einzelfall bestehende Infektionsrisiko nicht auf den jährlichen Durchschnittswert, sondern auf die Werte während der relevanten Windrichtung und für die Zeiträume der höchsten Tages- und Wochenkonzentrationen an. Für den auf ihrem Grundstück am wenigsten belasteten Monitorpunkt VII habe ihr Gutachter AK. eine Deposition in Höhe von 3.607 KBE/m2 für die am stärksten belastete Jahresstunde, in Höhe von 13.512 KBE/m2 für die höchste Tagesbelastung und in Höhe von 39.619 KBE/m2 für die höchste Wochenbelastung errechnet (vgl. die von der Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 24.01.2019 überreichte Anlagen K8a und K8b). Für einen die Gebäude sowie Teile des Außengeländes umfassenden Bereich von 8.800 m2 ergebe sich somit unter Berücksichtigung einer 70%-igen Reduktion durch eine Abluftfilteranlage eine Belastung in Höhe von ca. 32 Mio. KBE/h, 120 Mio. KBE/d und 350 Mio. KBE/Woche. Ohne die Filteranlage erhöhten sich die Werte für diesen Bereich auf ca. 106 Mio. KBE/h, 376 Mio. KBE/d und 1.222 Mio. KBE/Woche. Der Maximalwert für die Konzentration liege für die Schichthöhe von 1,5 m an dem am stärksten belasteten Monitorpunkt I bei 597 KBE/m3, sodass der Orientierungswert nach dem von der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz erarbeiteten Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen (Stand: 31.01.2014; im Folgenden: LAI-Leitfaden) von 240 KBE/m3 überschritten werde.

Da AK. - insoweit in Übereinstimmung mit den Immissionsprognosen der Firma X. - weder die für den Vorhabenstandort charakteristischen Wetterdaten der Station AH. noch Kaltluftabflüsse berücksichtigt habe, sei davon auszugehen, dass die Belastung mit Bioaerosolen tatsächlich nochmals höher sei. Nach den Daten der Wetterstation AH. sei die hier maßgebliche Windrichtung mit 30 % - und nicht lediglich mit 13 bis 17 % (Station AA.) - der Jahresstunden belegt. Die in der „Qualifizierten Prüfung“ (QPR) vom 08.06.2010 ausgesprochene Empfehlung des Deutschen Wetterdienstes, die Daten der Station AA. auf den Vorhabenstandort zu übertragen, sei unplausibel. Eine weitere Erhöhung der Belastung ergebe sich durch den „re-entrainment-Effekt“. Dabei würden zwischen dem Klinikgelände und der Schweinemast bereits deponierte Keime durch Wind oder mechanische Einwirkungen erneut aufgewirbelt und in Richtung Klinikgelände verfrachtet. Dieser Effekt trete auch für bereits auf dem Klinikgelände deponierte Keime auf.

Der für den Biofilter zugrunde gelegte Wirkungsgrad von 70 % für die Abscheidung von MRSA bzw. Bakterien sei nicht gesichert. Eine entsprechende DLG-Zertifizierung sei bisher nicht erfolgt. Dies bedeute, dass der Filter unter Inkaufnahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Patienten im Feldversuch getestet werde, was die Prüfung des Immissionsschutzes im Genehmigungsverfahren auf den Kopf stelle. Bei Wartungs- und Desinfektionsmaßnahmen werde die Abluft zudem ungefiltert ins Freie abgegeben.

Die Zulässigkeit einer durch den Anlagenbetrieb hervorgerufenen konkreten Gesundheitsgefahr könne auch nicht damit begründet werden, dass Patienten auch durch andere Wirkpfade in Kontakt mit MRA kommen könnten. Dabei werde verkannt, dass mit der Schweinemastanlage eine dauerhaft emittierende MRA-Quelle zugelassen werde.

Neben der Immissionsbelastung führe das Vorhaben zu psychischen Belastungen der Patienten, die als unzumutbar anzusehen seien. Nach den planerischen Festsetzungen sei hierbei auf die individuelle Personengruppe der in den Kliniken behandelten immungeschwächten und immunsupprimierten Patienten abzustellen. Bestandteil des Rehabilitationsprogramms sei die Bewegung der Patienten an der frischen Luft. Dies führe aufgrund der „aufsummierten Deposition von Keimen“ und dem mittlerweile in der Bevölkerung vorhandenen (offenbar gemeint: Gefahren-) Bewusstsein selbst bei Unterschreiten der Gefahrenschwelle zu einer erheblichen psychischen Belastung.

Für die Aufhebung des Kostenbescheides zum Widerspruchsbescheid bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Kostenerstattung zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht für sämtliche in Betracht kommenden Verfahrenskonstellationen gewährleistet sei.

Die Klägerin beantragt,

die Baugenehmigungen des Beklagten vom 15.10.2013 und vom 26.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2017 sowie den Kostenfestsetzungsbescheid zum Widerspruchsbescheid vom 27.02.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angegriffenen Bescheide. Das Grundstück der Klägerin werde durch das Vorhaben des Beigeladenen keinen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt.

Ausweislich des Geruchsgutachtens vom 29.07.2010 verursache das Vorhaben ohne Abluftreinigungsanlage auf dem Grundstück der Klägerin eine Gesamtbelastung von weniger als 3,5 % der Jahresstunden, sodass selbst der für Kurgebiete vorgesehene Maximalwert von 6 % der Jahresstunden eingehalten werde. Diese Annahme werde durch das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt, das auf konservativen Schätzungen beruhe und unter Berücksichtigung des Hartmann-Filters, der Kaltluftabflüsse, des verkleinerten Geländemodells, des Rechengitters von 50 x 50 m sowie der Daten beider Wetterstationen des Deutschen Wetterdienstes erstellt worden sei.

Im Hinblick auf Bioaerosole sei ungewiss, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen sei. Es fehle an wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnissen darüber, von welcher Wirkschwelle an eine allgemeine Gefährdung in eine konkrete Gesundheitsgefahr für bestimmte Personengruppen umschlage. Auch könne nicht mit Bestimmtheit davon ausgegangen werden, dass bei einer Entfernung von 500 m gesundheitsgefährdende Konzentrationen zu erwarten seien. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greife daher als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein. Sofern es hinreichende Gründe für die Annahme gebe, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führten, sei es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Aufgabe der Vorsorge, solche Risiken unterhalb der Gefahrengrenze zu minimieren.

Dem Vorsorgegedanken sei im Genehmigungsverfahren durch die vorgeschriebene Abluftreinigungsanlage Rechnung getragen worden. Bei genehmigungskonformem Betrieb bestehe nach Einschätzung seines Gesundheitsamtes kein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko. Vielmehr sei zu erwarten, dass auf dem Klinikgelände die von der Anlage ausgehende Keimbelastung die Hintergrundbelastung nicht übersteige. Dies werde auch durch das Staubgutachten vom 09.05.2014 bestätigt. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Abluftfilters werde auf die Erkenntnisse des entsprechenden DLG-Merkblattes verwiesen. Dieses gehe von hohen bis sehr hohen (> 80%), wenngleich schwankenden Rückhaltegraden aus. Auch wenn nach aktuellem Kenntnisstand nicht von einer vollständigen Abscheidung von Bioaerosolen auszugehen sei, sei zu erwarten, dass der Biofilter die geforderten Abscheidegrade einhalte. Sofern für den Filter bis zur Inbetriebnahme der Stallanlage keine ausreichende Zertifizierung vorliegen sollte, werde dessen Wirksamkeit über die in der Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen gesichert.

Eine „0-Emission und 0-Immission“, wie sie die Klägerin verlange, lasse sich aus § 22 BImSchG nicht ableiten. Ob die von der Klägerin angeführte „Wahrscheinlichkeitskette“ zutreffend sei, sei mangels entsprechender Forschungsergebnisse fraglich. Hinzu komme, dass auch ein Keimeintrag aus anderen Quellen denkbar sei. Eine Hochrechnung der für einen Immissionspunkt ermittelten Werte auf eine bestimmte Fläche sei unzulässig, weil die Belastung für jeden Immissionsort durch Ausbreitungsberechnung zu ermitteln sei. Das Bauvorhaben solle auch nicht in Hauptwindrichtung (Windrose AH.) zum Klinikgelände errichtet werden. Die Kliniken befänden sich vielmehr um ca. 30° nach Süden versetzt. Dadurch verringere sich die Verfrachtungswahrscheinlichkeit von Geruch, Staub und Keimen um ca. 60%. Die Auswahl der Wetterstationen und die Nichtberücksichtigung von Kaltluftabflüssen hätten die Gutachter im Genehmigungsverfahren begründet.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Drittschützende Vorschriften würden durch die angefochtene Baugenehmigung nicht verletzt.

Über die bereits getroffenen Vorkehrungen hinausgehende Vermeidungsmaßnahmen könne die Klägerin nicht verlangen. Die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen sei nicht den drittschützenden Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den nicht drittschützenden Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Andere drittschützende Vorschriften kämen nicht in Betracht. Gesetzlich festgelegte Grenzwerte für Bioaerosolimmissionen in der Abluft von Stallanlagen fehlten. Drittschützende Vorgaben für die Bewertung von Bioaerosolbelastungen ließen sich auch nicht aus der Geruchsimmissionsrichtlinie, der TA Luft oder aus sonstigen technischen Regelwerken herleiten. Zwar könnten in Ausnahmefällen auch Vorsorgevorschriften Drittschutz entfalten. Da es für Bioaerosole sowohl an rechtlich bindenden Standards als auch an allgemeingültigen Aussagen zu ihrem Einfluss auf die Gesundheit fehle, lägen die dafür geltenden Voraussetzungen jedoch nicht vor.

Eine Einzelfallbetrachtung in Bezug auf die von den Bioaerosolen betroffenen Menschen sei hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erforderlich. Eine solche Betrachtung lasse sich auch nicht auf die Festsetzungen des Bebauungsplans AL. stützen. Danach könne die von der Firma M. betriebene Klinik lediglich den Schutz eines allgemeinen Krankenhauses beanspruchen. Ein darüber hinausgehender Anspruch an die Luftqualität und an eine Keimfreiheit des Umfeldes lasse sich auch deshalb nicht begründen, weil das Grundstück der Klägerin im Westen und Süden an die freie Landschaft und damit an Flächen grenze, die landwirtschaftlich bewirtschaftet werden dürften. Von der nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO bestehenden Möglichkeit, abweichende Immissionswerte festzulegen, sei kein Gebrauch gemacht worden.

Soweit die Klägerin der Auffassung sei, die Beurteilung der Immissionen habe anhand von Konzentrations- und Depositionsspitzen zu erfolgen, überzeuge dies nicht. Zum einen fehle es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Zum anderen trage die übliche Messung jährlicher Durchschnittswerte gerade der Tatsache Rechnung, dass Immissionen stark schwanken könnten. Die Notwendigkeit eines abweichenden Messverfahrens ergebe sich auch nicht daraus, dass sich Patienten eines Klinikums meist nicht ein ganzes Jahr lang in diesem aufhielten. Potentielle Ungleichheiten der Betroffenheit glichen sich im Jahresmittel aus. Da es bereits jetzt andere dauerhafte Emissionsquellen in der Umgebung gebe, lasse sich eine Sonderbetrachtung auch nicht mit dem dauerhaften Betrieb der Schweinemastanlage begründen.

Mangelnde Kenntnisse hinsichtlich der Verbreitung und Schädlichkeit von Keimen könnten nicht zulasten des Anlagenbetreibers gehen. Hinzukomme, dass die Anlage erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens genehmigt worden sei; dies obwohl die Entfernung zum Klinikgelände mehr als 900 m betrage und nach der für Geflügelhaltung geltenden Erlasslage ein solches Gutachten nur dann notwendig sei, wenn der Abstand zwischen der Anlage und der nächsten Wohnbebauung bzw. dem nächsten nicht nur vorübergehenden Aufenthaltsort für Menschen weniger als 500 m betrage.

Soweit die Klägerin in ihren Prognosen zu anderen Ergebnissen als die im Genehmigungsverfahren eingeholten Gutachten komme, beruhe dies darauf, dass sie andere meteorologische Daten und ein anderes Berechnungsmodell zugrunde gelegt habe. Das Bauvorhaben solle auch nicht in Hauptwindrichtung (Windrose AH.) zum Klinikgelände errichtet werden. Die Kliniken befänden sich vielmehr um ca. 30° nach Süden versetzt. Dadurch verringere sich die Verfrachtungswahrscheinlichkeit von Geruch, Staub und Keimen um etwa 60 %. Auch der Abstand zwischen den Klinikgebäuden und dem Stallgebäude betrage nicht - wie von der Klägerin behauptet - 800 m, sondern mehr als 900 m. Die Ausbreitungsberechnung des Beigeladenen habe der Deutsche Wetterdienst qualifiziert geprüft. Die zugrundeliegenden Wetterdaten seien nicht anzuzweifeln.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Geruchsimmissionen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der AM. vom 29.05.2020 (im Folgenden: AN.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Soweit sich die Klägerin gegen die Baugenehmigungen vom 15.10.2013 und 26.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2017 wendet, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 75 NBauO a.F. (vgl. § 86 Abs. 1 NBauO n.F.) nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung entfaltet (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 06.06.1997 - 4 B 167.96 -, juris Rn. 8).

Eine Verletzung von hier allein in Betracht kommenden nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts liegt nicht vor.

Da das Vorhaben des Beigeladenen nicht im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB und auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt, richtet sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB. Ob das Vorhaben ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB darstellt, welches erst dann nicht mehr zuzulassen ist, wenn öffentliche Belange entgegenstehen, oder ob es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handelt, dessen Ausführung öffentliche Belange bereits nicht beeinträchtigen darf, bedarf hier keiner Entscheidung, weil eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nicht gegeben ist.

1. Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Die Vorschrift ist als gesetzliche Ausformung des allgemeinen baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nachbarschützend (vgl. z.B. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorb. §§ 29-38 Rn. 72). Sie regelt - ebenso wie der wortgleiche § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG - die Verpflichtung des Bauherrn, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Sie regelt dagegen nicht die - den Betreiber einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungspflichtigen Anlage ohnehin auch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG nicht treffende (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 22.06.2010 - 12 LB 213/07 -, juris Rn. 46; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 22 Rn. 29 m.w.N.) - Verpflichtung, gegen schädliche Umwelteinwirkungen Vorsorge zu treffen (Nds. OVG, Urt. v. 16.08.2018 - 1 LC 180/16 -, juris Rn. 27). Auf die Frage der Verletzung der zuletzt genannten - nicht nachbarschützenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, juris Rn. 11 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) - Verpflichtung des Bauherrn kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.

Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB heranzuziehenden Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Solche Immissionen ruft das Vorhaben des Beigeladenen weder in Gestalt von Gerüchen noch in Form von Bioaerosolen hervor.

a) Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen fehlen untergesetzliche rechtsverbindliche Konkretisierungen. Anhaltspunkte für die Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen bieten im Bereich der Landwirtschaft zunächst die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und bei der Schweinmast speziell die Abstandsregelungen der VDI Richtlinie 3894 Blatt 2, die die Vorgänger-Richtlinie 3471 ersetzt hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.05.2006 - 7 ME 6/06 -, juris Rn. 15). Die TA Luft ist hier allerdings nicht anzuwenden, weil sie gemäß Nr. 1 Abs. 3 TA Luft nur die - nicht drittschützende - Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen, nicht aber den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen regelt. Auch die VDI Richtlinie 3894 Blatt 2 ist nicht einschlägig, da ihr Geltungsbereich sich nur auf Einzelanlagen bezieht, hier jedoch weitere Anlagen von anderen Betrieben zu berücksichtigen sind.

Scheiden die TA Luft und die VDI Richtlinie 3894 Blatt 2 als Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus, ist für die Beurteilung der Erheblichkeit bzw. der Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL), hier in der Fassung vom 13.07.2009 (Gem. RdErl. v. 23.07.2009, Nds. MBl. Nr. 36/2009, S. 794), als Orientierungshilfe heranzuziehen. Diese stellt nach verbreiteter Auffassung zwar keine Rechtsquelle und auch kein rechtlich verbindliches Regelwerk dar. Sie ist jedoch als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten anzusehen, das auf den Erkenntnissen und den Erfahrungen von Sachverständigen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind (Nds. OVG, Beschl. v. 09.04.2014 - 1 LA 60/13 -, juris Rn. 13 m.w.N.).

Nach der GIRL sind Geruchsbelästigungen als erheblich für die Nachbarschaft zu werten, wenn die Gesamtbelastung die in der Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW), die die relative Häufigkeit der Geruchsstunden beschreiben, überschreitet (Nr. 3.1 GIRL). Dahinstehen kann, ob für das Grundstück der Klägerin die Werte für ein Wohngebiet (IW 10%) oder die noch strengeren Werte für ein Kurgebiet in Ansatz zu bringen sind. Denn selbst der für das letztgenannte Gebiet maßgebliche Wert von 6 % der Jahresstunden (vgl. die Auslegungshinweise zu Nr. 5 GIRL in der Anlage 2 der GIRL) wird nach sämtlichen vorliegenden Gutachten deutlich unterschritten. So kommt das vom Gericht eingeholte AN. zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück der Klägerin maximal - unter Berücksichtigung der Daten der Wetterstation AA. und ohne Ansatz einer Abluftreinigung von 70 % - an 2 % der Jahresstunden Gerüche auftreten. Bei Zugrundelegung der Daten der von der Klägerin favorisierten Wetterstation AH. ist nach dem AN. mit einer Belastung von maximal 1 % der Jahresstunden zu rechnen (vgl. die Tabelle 9 auf S. 44 f. des Gutachtens). Einwände gegen das Gutachten, das - abgesehen von den Daten beider in Betracht kommender Wetterstationen - Kaltluftabflüsse berücksichtigt und anstelle des Programms AUSTAL 2000 das Programm LASAT sowie kleinere Beurteilungsflächen verwendet, hat die Klägerin nicht erhoben.

b) Auch durch Immissionen in Form von Bioaerosolen wird das Grundstück der Klägerin keinen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt.

aa) Anzuerkennen ist, dass Bioaerosole grundsätzlich geeignet sind, z.B. als Auslöser von Atemwegserkrankungen und Allergien nachteilig auf die Gesundheit zu wirken (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 20.11.2014 - 7 B 27/14 -, juris Rn. 15). Die Eignung von einwirkenden Luftverunreinigungen im Sinne des § 3 Abs. 4 BImSchG, einen Schaden herbeizuführen (sog. Besorgnispotential), genügt jedoch nicht, um Schutzansprüche gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 (- 7 C 19.02 -, juris Rn. 12 f.) Folgendes aus:

„Sie [die Schutzpflicht] dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. Ob Umwelteinwirkungen im Einzelfall geeignet sind, Gefahren herbeizuführen, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Prüfung (BVerwGE 55, 250 <253>). Eine Gefahr liegt nach der klassischen Begriffsdefinition dort vor, wo "aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden" (PrOVG, Urteil vom 15. Oktober 1894, PrVBl 16, 125 <126>). Daran fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein, sofern diese nach Art und Umfang verhältnismäßig sind. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen erfasst mithin mögliche Schäden, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, weshalb noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht (BVerwGE 72, 300 <315>). Gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, ist es Aufgabe der Vorsorge, solche Risiken unterhalb der Gefahrengrenze zu minimieren (vgl. BVerwGE 69, 37 <43, 45>; Beschluss vom 30. August 1996 - BVerwG 7 VR 2.96 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 3). Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang zwischen Umwelteinwirkungen und Schäden eine Gefahr oder ein Besorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab.“

Über die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts durch Bioaerosole lassen sich weiterhin keine hinreichend sicheren Aussagen treffen. Ausbreitung und kausale Verursachungszusammenhänge sind ebenso wenig bekannt wie die Wirkschwelle, oberhalb derer mit Gesundheitsschäden beim Menschen zu rechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.11.2014 - 7 B 27/14 -, juris Rn. 16 m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung; Nds. OVG, Urt. v. 16.08.2018 - 1 LC 180/16 -, juris Rn. 27; Hess. VGH, Urt. v. 03.07.2018 - 4 C 531/17.N -, juris Rn. 41 m.w.N.). Es gibt dementsprechend derzeit auch keine wissenschaftlich überprüften Konzentrationswerte für Bioaerosole in der Nachbarschaft von Tierhaltungen, bei deren Auftreten gesundheitliche Beeinträchtigungen entstehen. Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist (Nds. OVG, Urt. v. 16.08.2018 - 1 LC 180/16 -, juris Rn. 27; OVG NRW, Urt. v. 30.01.2014 - 7 A 2555/11 -, juris Rn. 95; VG Hannover, Beschl. v. 28.03.2019 - 4 B 5526/18 -, juris Rn. 137).

Der Einschätzung, dass der Schutz vor Bioaerosolen lediglich dem Bereich der Vorsorge unterfällt, folgt auch der Filtererlass, der Regelungen zur Durchführung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für zwangsbelüftete Schweinehaltungsanlagen und für zwangsbelüftete Anlagen für Mastgeflügel im Hinblick auf den Einsatz der Abluftreinigungsanlagen sowie hinsichtlich der Bioaerosolproblematik enthält. Danach (Nr. 5) spricht zwar „Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe, wie insbesondere Stäube, Pilzsporen oder ähnliche Mikroorganismen und Endotoxine, ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit der benachbarten Anwohnerinnen und Anwohner einer Anlage einzuwirken.“ Im Einzelfall gebotene Maßnahmen ordnet der Filtererlass jedoch ebenfalls dem Bereich der Vorsorge (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) zu.

Dass Vorsorgevorschriften, insbesondere Vorsorgegrenzwerte (Emissionsgrenzwerte oder Abstandsvorschriften) ausnahmsweise drittschützenden Charakter haben, lässt sich allenfalls dort annehmen, wo sich ein individualisierbarer Personenkreis im Einwirkungsbereich der Anlage befindet und wenn ein Gesundheitsrisiko hinreichend feststeht (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 02.11.2010 - 2 K 138/10 -, juris Rn. 69 zu krebserregenden Stoffen). Jedenfalls Letzteres ist in Bezug auf Bioaerosole nicht der Fall. Soweit die Klägerin sinngemäß vorträgt, dass prinzipiell jede Erhöhung der Bioaerosol-Belastung für die auf ihrem Grundstück behandelten Patienten gefahrerhöhend sei, lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ebenfalls nicht auf der Grundlage wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse beurteilen. Die von ihr vorgelegten Stellungnahmen AJ. zur Einschätzung des Risikos, dass auf ihrem Grundstück behandelte Patienten infolge der Einrichtung einer konventionellen Schweinemastanlage in der Umgebung an einer Infektion mit MRSA bzw. C. difficile erkranken, helfen über das Fehlen wissenschaftlich akzeptierter Grenzwerte für Bioaerosole - auch solcher in Bezug auf eine Gefährdung immungeschwächter und immunsupprimierter Personen - nicht hinweg.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Festsetzungen des Bebauungsplans Q.. Zwar kommt den Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zu (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -, juris Rn. 12). Zum einen enthält der Bebauungsplan AO. jedoch keine Festsetzungen speziell zum Schutz von immungeschwächten und immunsupprimierten Personen, sondern setzt lediglich ein Sondergebiet „Klinik, Pflegeeinrichtungen, betreutes Wohnen“ fest. Zum anderen scheitert die Anerkennung einer Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen jedenfalls auch hier am Fehlen eines wissenschaftlich akzeptierten - gebietsbezogenen - Grenzwertes für Bioaerosole.

Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, die danach bestehenden fachwissenschaftlichen Wissenslücken zu schließen.

bb) Allerdings sieht Nr. 4.8 TA Luft vor, dass bei luftverunreinigenden Stoffen, für die keine Immissionswerte festgelegt sind, eine Sonderfallprüfung erforderlich ist, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Da die TA Luft in Nr. 4 Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen regelt, ist in den Fällen, in denen trotz Vorliegens hinreichender Anhaltspunkte keine Sonderfallprüfung durchgeführt wird, von einer Verletzung der immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht auszugehen (so wohl auch OVG NRW, Urt. v. 30.01.2014 - 7 A 2555/11 -, juris Rn. 88; ungenau OVG LSA, Beschl. v. 13.06.2013 - 2 M 16/13 -, juris Rn. 17, wonach in „Ausnahmefällen“ - etwa bei einem besonders hohen Infektionsrisiko - eine Verletzung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole in Betracht kommt).

Ob hinreichende Anhaltspunkte im Sinne von Nr. 4.8 TA Luft bestehen, wird in der Rechtsprechung anhand des „Leitfadens zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz“ (Stand: 31.01.2014; im Folgenden: LAI-Leitfaden) überprüft (vgl. z.B. Hess. VGH, Urt. v. 03.07.2018 - 4 C 531/17.N -, juris Rn. 42). Zwar stellt der LAI-Leitfaden, dessen Vorgehensweise im Wesentlichen dem im Anhang 10 zu 4.8 des Entwurfs der Neufassung der TA Luft vom 16.07.2018 vorgesehenen Prüfungsschema entspricht, keine Rechtsquelle oder ein sonst rechtlich verbindliches Regelwerk dar. Ebenso wie die GIRL ist er jedoch als antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen, das auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet (Hess. VGH, Urt. v. 03.07.2018 - 4 C 531/17.N -, juris Rn. 44). Soweit zum Teil in Frage gestellt wird, ob die Vorgehensweise des LAI-Leitfadens bei der Prüfung der Verletzung der Vorsorgepflicht den Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der TA Luft entspricht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.12.2019 - 12 ME 87/19 -, juris Rn. 82 f.), bedarf dies hier keiner näheren Erörterung, da sich nach dem LAI-Leitfaden bereits keine Anhaltspunkte für eine Schutzpflichtverletzung ergeben.

Die Prüfung, ob nach Nr. 4.8 TA Luft hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Sonderfallprüfung erforderlich ist, erfolgt nach dem LAI-Leitfaden in zwei Stufen und auf Stufe 2 in mehreren Schritten:

Auf Stufe 1 ist zu prüfen, ob eines der dort (S. 4 f. LAI-Leitfaden) in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 genannten Kriterien für die Notwendigkeit einer Prüfung auf Bioaerosolbelastungen erfüllt ist. Ist dies der Fall, ist auf Stufe 2 in einem ersten Schritt die durch die Anlage entstehende Zusatzbelastung an Feinstaub PM10 (Jahresmittelwert) auf Überschreitung des Irrelevanzwertes von (3 % von 40 µg/m3 =) 1,2 µg/m3 gemäß Nr. 4.2.1 und 4.2.2 Buchst. a TA Luft zu überprüfen. Wird der Irrelevanzwert überschritten, handelt es sich bei dem Vorhaben um eine Geflügelanlage oder befinden sich mehrere Bioaerosol-emittierende Anlagen in der Nähe, so ist nach dem Wortlaut des Leitfadens (S. 5) weiter zu prüfen. Nach dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Beschl. v. 16.12.2019 - 12 ME 87/19 -, juris Rn. 84) kann sogar im Regelfall davon ausgegangen werden, dass von der Anlage keine Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen, wenn die Kenngröße der Gesamtzusatzbelastung für PM10 an keinem Beurteilungspunkt 1,2 μm überschreitet. Nur wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, ist in einem zweiten Schritt die Gesamtbelastung durch Bioaerosole durch eine Ausbreitungsberechnung für die anlagenbezogenen Leitparameter abzuschätzen. In einem dritten Schritt sind die prognostizierten Belastungen (Gesamtbelastung als Jahresmittelwert) für die Leitparameter mit den in der Tabelle auf S. 7 des Leitfadens genannten Orientierungswerten für Pilze (150 KBE/ m³, 300 KBE/ m³, 900 KBE/ m³) und Bakterien (240 KBE/m3) zu vergleichen. Sofern die Orientierungswerte nicht eingehalten werden, hat in einem vierten Schritt eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft zu erfolgen. Wird der Orientierungswert für einen anlagenspezifischen Bioaerosol-Leitparameter um den Faktor 2 bis 3 oder wird der maximale Wert von 10³ KBE/m³ überschritten, so ist dies nach dem LAI-Leitfaden (S. 9) im Rahmen dieser Prüfung als „sehr kritisch“ zu bewerten; schädliche Umwelteinwirkungen könnten dann nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

(1) Da sich mit den von der Firma M. betriebenen Kliniken empfindliche Nutzungen im potentiellen Einwirkungsbereich des Vorhabens befinden, ist hier nach dem LAI-Leitfaden eine Irrelevanzprüfung vorzunehmen. Aus dem Staubgutachten vom 26.06.2013, das auf der Grundlage der Wetterdaten der Station AA. und ohne Berücksichtigung der nunmehr vorgesehenen Abluftreinigungsanlage erstellt worden ist, lässt sich entnehmen, dass auf dem Grundstück der Klägerin mit Staubimmissionen in Höhe von maximal 0,019 µg/m3 (vgl. die Abbildung im Anhang des Gutachtens) und damit weit unterhalb des Irrelevanzwertes von 1,2 µg/m3 zu rechnen ist. Zu einem ähnlich deutlichen Ergebnis gelangt das Staubgutachten vom 09.05.2014, aus dem sich - wiederum unter Verwendung der Wetterdaten der Station AA., jedoch unter Berücksichtigung der Abluftreinigungsanlage sowie der Einwendungen von AE. zur Verteilung der Korngrößen (PM10 und PM2,5 im Verhältnis 50:50) - für das Grundstück der Klägerin eine PM10-Schwebstaubkonzentration im Jahresmittel in Höhe von weniger als 0,01 µg/m3 ergibt (vgl. die Abbildung im Anhang des Gutachtens). Selbst der in dem zuletzt genannten Gutachten für den dort nicht näher eingegrenzten „Bereich des Geländes der Kliniken“ errechnete höchste Stundenwert bleibt mit 1,1 µg/m3 unter dem Irrelevanzwert.

Ausdrückliche Einwendungen gegen die Staubgutachten hat die Klägerin, die sich vielmehr grundsätzlich gegen die Heranziehung des Irrelevanzwertes für PM10 wendet (dazu unten), nicht erhoben. Soweit sie indirekt die Verwendung der Wetterdaten der Station AA. bemängelt, fehlt es an substantiierten Ausführungen dazu, inwieweit sich unter Zugrundelegung anderer Wetterdaten eine Überschreitung des Irrelevanzwertes ergeben würde. Letzteres liegt auch deshalb fern, weil sich nach dem Ergebnis des AP. unter Zugrundelegung der Wetterdaten der von der Klägerin favorisierten Station AH. eine geringere Geruchsbelastung für ihr Grundstück ergibt (vgl. die Tabelle 9 auf S. 44 f. des Gutachtens). Weshalb sich dies in Bezug auf Bioaerosole grundlegend anders darstellen sollte, legt die Klägerin nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die von ihr gerügte Außerachtlassung von Kaltluftabflüssen, deren Berücksichtigung nach den - nachvollziehbaren - Ausführungen im AN. aufgrund der geringen Kaltluftschichtdicke (unterhalb von 10 m) und der nach Südwesten ausgerichteten Fließrichtung eher zu einer Minderung der Immissionen im Bereich der beurteilten Immissionsorte führt (vgl. S. 38 des Gutachtens).

Soweit die Klägerin einwendet, die auch in dem Staubgutachten vom 09.05.2014 zugrunde gelegte - und in der Baugenehmigung vom 15.10.2013 vorgeschriebene - Abluftreinigungsanlage stelle eine effektive Abscheidung von Bioaerosolen nicht sicher, verkennt sie, dass nach den mit Bescheid vom 11.02.2016 geänderten Nebenbestimmungen bei fehlender DLG-Zertifizierung die Wirksamkeit der Anlage durch Gutachten nachzuweisen ist. Dass die vorgeschriebenen jährlichen Wartungen und Funktionsüberprüfungen, die den Vorgaben des Filtererlasses (Nr. 3.1) für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen entsprechen, nicht geeignet wären, möglichen Ausfällen der Abluftreinigungsanlage vorzubeugen, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Irrelevanzwert nach dem Ergebnis des Staubgutachtens vom 26.06.2013 - wenn auch unter Zugrundelegung einer anderen Korngrößenverteilung (PM2,5 und PM10 im Verhältnis 25:75) - auf dem Grundstück der Klägerin selbst ohne Filter deutlich unterschritten wird. Deshalb kann von der „Inkaufnahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung im Feldversuch“ keine Rede sein. Der die Wirksamkeit des Filters betreffende Beweisantrag Nr. 3 der Klägerin war daher als unerheblich abzulehnen.

(2) Überschreitet die Kenngröße der Gesamtzusatzbelastung für PM10 - wie hier - im Jahresmittel an keinem Beurteilungspunkt 1,2 µg/m3, so kann nach dem LAI-Leitfaden im Regelfall - und unabhängig von weiteren Parametern - davon ausgegangen werden, dass von der Anlage keine Gefahren für die menschliche Gesundheit in Bezug auf Bioaerosole ausgehen (siehe oben). Der LAI-Leitfaden folgt damit der in der Wissenschaft anerkannten Annahme, dass die Belastung mit Bioaerosolen mit denen durch Staub korreliert. Da es sich bei dem Vorhaben des Beigeladenen nicht um eine Geflügelanlage handelt und sich keine weitere Bioaerosol-emittierende Anlage in der Nähe (1000 m Radius) des Grundstücks der Klägerin befindet, ist nach dem LAI-Leitfaden auch nicht ausnahmsweise trotz Einhaltung des Irrelevanzwertes weiter zu prüfen.

Gleichwohl hat die Klägerin hier eine Ausbreitungsberechnung durchführen lassen. Die gutachtliche Stellungnahme von AE. vom 12.02.2018 kommt auf der Grundlage der Daten der Wetterstation AA., unter Anwendung der VDI-Richtlinie 4255 Blatt 4 (zum Ausbreitungsverhalten) und ohne Berücksichtigung von Kaltluftabflüssen für den Planzustand ohne und mit der Abluftreinigung mit 70%-iger Abscheidung zu dem Ergebnis, dass die von der Firma MediClin betriebenen Kliniken unter Verwendung des nach dem LAI-Leitfaden auch hier anzusetzenden Jahresmittelwertes „so gut wie gar nicht beaufschlagt“ werden (S. 13 des Gutachtens). Für den Maststall wurden Emissionen in Höhe von 113,53 KBE/m3 (ohne Filter) bzw. 34,06 KBE/m3 (mit Filter), für den Güllebehälter Emissionen in Höhe von 4,95 KBE/m3 eingestellt (vgl. die Tabelle auf S. 8 des Gutachtens), wobei dieser fälschlich nicht so wie genehmigt - nämlich mit einer Strohhäckselabdeckung -, sondern mit einer Schwimmdecke eingestellt wurde. Für das Grundstück der Klägerin ergeben sich ohne Filter im Jahresmittel Immissionen zwischen 0 bis maximal 9,9 KBE/m3, mit Filter wird das Grundstück im Jahresmittel überhaupt nicht belastet (vgl. die Karten auf S. 12 f. des Gutachtens). Der in dem LAI-Leitfaden genannte Orientierungswert für Bakterien von 240 KBE/m³ wird damit (mit Filter) mindestens um das 24-fache unterschritten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der LAI-Leitfaden - im Rahmen der bei Überschreitung des Orientierungswertes durchzuführenden Sonderfallprüfung - erst eine Überschreitung um den Faktor 2 bis 3 als sehr kritisch bewertet (vgl. S. 9 LAI-Leitfaden).

Dass die Tiere der geplanten Schweinemastanlage mit MRSA besiedelt sein können und zudem MRSA sowohl in der Stallluft als auch im Stallstaub wahrscheinlich enthalten sein wird, kann die Kammer vor diesem Hintergrund ebenso als wahr unterstellen wie die Tatsache, dass Staphylokokken und MRSA über die Abluftführung aus der Anlage in die Umgebung verfrachtet werden können. Die Beweisanträge Nr. 1 und 2 der Klägerin waren daher wegen Unerheblichkeit abzulehnen.

Soweit die Klägerin bzw. ihr Sachverständiger AK. zur Begründung einer Gesundheitsgefährdung auf Depositionen von Stäuben und Bakterien, auf maximale Stunden-, Tages- oder Wochenwerte von Konzentrationen und Depositionen sowie auf Effekte wie „re-entrainment“, Akkumulierung und Summierung abstellen, kommt es darauf nach der Methodik des LAI-Leitfadens weder für die Ermittlung der Irrelevanz (Stufe 2, 1. Schritt) und der bereits daraus abzuleitenden gesundheitlichen Unbedenklichkeit des Vorhabens in Bezug auf Bioaerosole noch für den Vergleich der prognostizierten Belastungen für die Leitparameter mit ihren Orientierungswerten (Stufe 2, 3. Schritt) an. Erst recht lassen sich die auf diese Weise ermittelten Werte nicht mit der Fläche, auf der sich Patienten bewegen, multiplizieren. Eine Gesamtwürdigung der Belastungssituation, die dann auch eine nähere Analyse der durch die Ausbreitungsberechnung gewonnenen Immissionsdaten sowie eine Bewertung der Kurz- und Langzeitexposition (Jahresmittel- und höchste Tagesmittelwerte, Häufigkeit des Überschreitens der Orientierungswerte) umfassen kann, sieht der LAI-Leitfaden erst im Rahmen der - hier aus den dargelegten Gründen nicht vorzunehmenden - Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft vor.

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf immungeschwächte oder immunsupprimierte Personen. Zwar ist allgemein bekannt, dass solche Personen im Fall einer Besiedlung mit krankmachenden Keimen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erkranken, als dies bei gesunden Menschen der Fall ist. Ebenso allgemein bekannt ist, dass die Besiedlung mit MRSA und C. difficile bei dieser Personengruppe zu lebensbedrohlichen Infektionen führen kann. Die auf die Beantwortung dieser Fragen zielenden Beweisanträge Nr. 19, 20 und 22 waren daher - abgesehen davon, dass sie sich nicht konkret auf das Vorhaben des Beigeladenen beziehen - wegen Offenkundigkeit abzulehnen. Dem Vorhandensein empfindlicher Nutzungen ist jedoch nach dem LAI-Leitfaden - abgesehen von der Prüfung auf Stufe 1, ob überhaupt Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung auf Bioaerosolbelastungen bestehen - im Rahmen der Sonderfallprüfung (vgl. Nr. 4.1 LAI-Leitfaden, 4. Spiegelstrich) und nicht durch eine Abweichung von den zuvor zu durchlaufenden - sich zunehmend verdichtenden - Prüfschritten Rechnung zu tragen.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung am 04.11.2020 eingewandt hat, der LAI-Leitfaden betrachte nur den Wirkpfad „Inhalation“ und nicht den seiner Auffassung nach (jedenfalls) im Fall von immungeschwächten und immunsupprimierten Personen maßgeblichen Wirkpfad der „Aufsummierung durch Kontakt“, verkennt er zum einen, dass es auch im Rahmen dieses Wirkpfades als Vorfrage entscheidend darauf ankommt, ob und in welchem Umfang krankmachende Keime auf das betreffende Grundstück verfrachtet werden (vgl. auch die Ausführungen auf S. 2 seines Schriftsatzes v. 16.02.2018). Indem der LAI-Leitfaden als Beispiel für empfindliche Nutzungen auf Krankenhäuser verweist (vgl. Stufe 1, 4. Spiegelstrich), wird zum anderen deutlich, dass seine Verfasser die im Einzelfall bestehende besondere Sensibilität von Krankenhauspatienten erkannt haben. Gleichwohl haben sie sich für ein Verfahren entschieden, in dem es auf den Wirkpfad „Aufsummierung durch Kontakt“ nicht ankommt. Schließlich hat die Klägerin keine (andere) - wissenschaftlich erarbeitete und akzeptierte - Orientierungshilfe benannt, die eine Beurteilung der Belastung durch Bioaerosole in Bezug auf immungeschwächte und immunsupprimierte Personen anhand der von ihr geforderten Kriterien vorgeben würde.

Die auf Depositionen von Staphylokokken, MRSA und C. difficile bezogenen Beweisanträge Nr. 4, 9, 13, 14, 15, 18, 21, 23, 24 und 25 der Klägerin waren daher als unerheblich abzulehnen. Mit ihren Beweisanträgen Nr. 18, 23, 24 und 25, die auf die nicht näher konkretisierte Wahrscheinlichkeit bzw. auf die Möglichkeit einer Besiedlung der Patienten mit krankmachenden Keimen abstellen, hat die Klägerin zudem keine bestimmte Tatsache unter Beweis gestellt. Die Beweisanträge Nr. 5, 6, 7, 10, 11 und 12 der Klägerin waren ebenfalls als unerheblich abzulehnen, weil der Irrelevanzwert für PM10 hier eingehalten ist und daher nach den vorangehenden Ausführungen davon ausgegangen werden kann, dass von dem Vorhaben des Beigeladenen keine Gefahren für die menschliche Gesundheit in Bezug auf Bioaerosole - egal in welcher Form - ausgehen.

2. Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin geltend gemachten psychischen Auswirkungen des Vorhabens auf die auf ihrem Grundstück behandelten Patienten. Zwar ist das Gebot der Rücksichtnahme nicht auf die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB genannten Immissionskonflikte beschränkt, sondern erstreckt sich als unbenannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch auf sonstige nachteilige Auswirkungen eines Vorhabens. Zu diesen Auswirkungen gehören auch Belastungen psychischer Art (BVerwG, Beschl. v. 11.12.2006 - 4 B 72/06 -, juris Rn. 8). Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch psychische Belastungen liegt jedoch nicht vor.

Dass die Bewegung an der frischen Luft als Teil des Rehabilitationsprogramms durch das Vorhaben aufgrund der „aufsummierten Deposition von Keimen“ und dem mittlerweile in der Bevölkerung vorhandenen entsprechenden Bewusstsein selbst bei Unterschreiten der Gefahrenschwelle zu einer erheblichen psychischen Belastung der Patienten führen würde, stellt lediglich eine - unsubstantiierte - Behauptung dar. Im Übrigen erscheint fraglich, ob die Patienten genaue Kenntnis über die nähere Umgebung und den fast 1 km entfernt gelegenen - vom Klinikgelände aus durch den an der nordwestlichen Grundstücksgrenze vorhandenen Baumbestand ohnehin nicht sichtbaren - Stall besitzen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, dürfte bei den Patienten die Sorge vor einer Infektion mit multiresistenten Krankenhauskeimen (HA-MRSA) im Vordergrund stehen, zumal die Ausbreitung von LA-MRSA im Krankenhaus selbst (Mensch-Mensch; Mensch-Umgebung-Mensch) im Vergleich zu den HA-MRSA nur selten erfolgt (vgl. die von der Klägerin zitierte Stellungnahme des Robert Koch-Instituts v. 02.05.2016).

II. Soweit sich die Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbescheid zum Widerspruchsbescheid vom 27.02.2017 wendet, ist die Klage bereits unzulässig. Die Aufhebung des Bescheides würde ihr keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil verschaffen, sodass es insoweit an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Die bei Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens zu treffende Kostengrundentscheidung umfasst auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens (vgl. § 162 Abs. 1 VwGO) und ersetzt damit die im Widerspruchsbescheid getroffene Kostengrundentscheidung. Zu den Kosten des Widerspruchsverfahrens gehören auch die von der Widerspruchsbehörde erhobenen Gebühren und Auslagen (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 162 Rn. 16). Wenn und soweit das Gericht die Kosten eines Verfahrens dem Beklagten auferlegt, hat dieser die - möglicherweise - von dem jeweiligen Kläger bereits beglichenen Gebühren und Auslagen zu erstatten. Soweit die Klägerin argumentiert, es sei nicht für jeden Ausgang des Verfahrens (z.B. Hauptsacheerledigung oder Vergleich) sichergestellt, dass die gezahlten Widerspruchsgebühren erstattet würden, überzeugt dies nicht. Auch im Fall der Hauptsacheerledigung entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens (vgl. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), wenn nicht die Beteiligten zuvor eine Einigung über die Kostentragung erzielt haben. Im Falle eines Vergleichs - ob gerichtlich oder außergerichtlich - hat der Kläger es dagegen in der Hand, die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Widerspruchsverfahrens sicherzustellen.

Ungeachtet dessen wäre die Klage auch insoweit unbegründet. Der dem Kostenfestsetzungsbescheid zugrundeliegende Widerspruchsbescheid vom 27.02.2017 ist nach den Ausführungen unter I. rechtmäßig. Einwände gegen die Kostenhöhe hat die Klägerin nicht erhoben. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil er einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Berufung wird zugelassen, weil die Kammer der Frage, ob die Annahme, dass von einer Schweinemastanlage bei Einhaltung des in dem LAI-Leitfaden festgelegten Irrelevanzwertes von 1,2 µg/m3 für PM10 keine Gefahren für die menschliche Gesundheit in Bezug auf Bioaerosole ausgehen und die den Anlagenbetreiber treffende Schutzpflicht nicht verletzt ist, durch die Berechnung von Depositionen von Bakterien sowie von Maximalwerten der Konzentration und Deposition erfolgreich in Frage gestellt werden kann, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124