Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.07.2018, Az.: 4 A 1590/17

Dorfgebiet; Etikettenschwindel; Geruch; Kleinsiedlungsgebiet; Rücksichtnahmegebot; Verbesserungsgenehmigung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.07.2018
Aktenzeichen
4 A 1590/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74192
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur hinzunehmenden Geruchsbelastung seitens eines Landwirts mit bestandsgeschützter Tierhaltung in einem laut Bebauungsplan als Kleinsiedlungsgebiet, tatsächlich aber wegen Etikettenschwindel als Dorfgebiet zu betrachtenden Wohngebiet.

Tenor:

Die Bescheide des Beklagten vom 01.02.2017 und 07.02.2017 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung der Rücknahme einer Baugenehmigung.

Der Kläger bewohnt und bewirtschaftet eine Hofstelle A. in einer Gemeinde der Samtgemeinde {Siedenburg} unter der im Rubrum angegebenen Anschrift. Für die Hofstelle zwischen 1969 und 1990 erteilte Genehmigungen legen einen Viehbesatz zugrunde. Das Grundstück des Klägers liegt in einem unbeplanten Bereich, für den der Flächennutzungsplan ein Dorfgebiet darstellt.

Unmittelbar südlich der Hofstelle verläuft eine Straße. Hiervon südlich liegt ein durch Bebauungsplan 1974 festgesetztes Kleinsiedlungsgebiet (Bebauungsplan Nr. 1), in dem die Beigeladenen wohnen, und weiter südlich ein Allgemeines Wohngebiet. Westlich des Kleinsiedlungsgebietes liegt eine Betriebszweigaussiedlung des Hofs des Klägers. Östlich des dargestellten Dorfgebiets umschließen das Kleinsiedlungsgebiet weitere Hofstellen mit Tierhaltung. In der Gemeinde befinden sich zahlreiche, ehemals landwirtschaftlich genutzte Grundstücke.

Am 13.04.2010 beantragte der Kläger für die Hofstelle die Genehmigung von Umnutzungen vorhandener Stallanlagen

… in Betriebseinheit

… dort war bis 1990 ein Bestand genehmigt von ….

… und wird von dem Kläger die neue Nutzung geplant mit ….

Stall BE 1

25 niedertragende Sauen

22 Jungsauen, 40 – 100 kg Lebensgewicht

Stall BE 2

96 Endmastschweine. 40 – 110 kg Lebendgewicht

280 abgesetzte Ferkel, 8 – 28 kg Lebendgewicht

Stall BE 3

18 ferkelführende Sauen mit Saugferkel bis 18 kg Lebendgewicht, 45 abgesetzte Ferkel bzw. Vormastschweine von 18 – 40 kg Lebensgewicht

39 ferkelführende Sauen

Stall BE 4

Keine Tierhaltung genehmigt

29 niedertragende Sauen

Stall BE 5

59 männliche Rinder im Alter von 1 – 2 Jahren

120 abgesetzte Ferkel, 8 – 28 kg Lebendgewicht, 2 Eber

Stall BE 6

260 Legehennen

Keine Tierhaltung

Fahrsiloanlage

Kein Fahrsilo

Der Kläger legte ein Gutachten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 09.06.2010 vor, wonach sich auf den Grundstücken der Beigeladenen im Planzustand die nach den Geruchsimmissionsrichtlinien (GIRL) ermittelten Belastungen gegenüber dem genehmigten Istzustand verringerten.

Mit Bescheid vom 05.06.2013 erteilte der Beklagte dem Kläger die beantragte Genehmigung, wogegen die Beigeladenen am 04.07.2013 Widerspruch erhoben. Im Laufe des Widerspruchsverfahren erstellte die Landwirtschaftskammer Hannover eine Beurteilung vom 20.07.2015 zu den Geruchsemissionen. Sie legte ihren Berechnungen die Emissionen des Hofes des Klägers aus den bestandskräftig genehmigten Nutzungen zugrunde und berücksichtigte die Anlage eines anderen Landwirts als Emissionsquelle. Daraus ergibt sich eine Geruchsbelastung an Jahresstunden

… für das Wohnhaus des/der

… statt des genehmigte Istzustands von ….

…. im 2013 genehmigten Zustand von …

Beigeladenen zu 1)/2)

bis 29,4 %

bis 19,1 %

Beigeladenen zu 3)

bis 26,5 %

bis 21,3 %

Beigeladenen zu 4)/5)

bis 27,9 %

bis 19,9 %

Der Beklagte half dem Widerspruch der Beigeladenen mit Bescheid vom 01.02.2017 ab, weil das Bauvorhaben des Klägers die nach GIRL zulässigen Grenzwerte für Immissionen nicht einhalte und die Baumaßnahme daher nicht dem öffentlichen Baurecht entspreche. Mit Schreiben vom 07.02.2017 stellte der Beklagte dem Kläger den Abhilfebescheid zu. Das Schreiben teilt dem Kläger mit, die „am 04.07.2013 erteilte Baugenehmigung“ werde aufgehoben. Es belehrt den Kläger darüber, er könne dagegen Klage erheben.

Am 17.02.2017 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, dass die Beigeladenen trotz der Lage ihrer Wohnhäuser in einem Kleinsiedlungsgebiet Belästigungen aus landwirtschaftlichen Betrieben hinzunehmen hätten, weil dort auch landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen zulässig seien. Die Beigeladenen müssten sich diese Vorbelastung schon wegen der unzähligen landwirtschaftlichen Betriebe in der Umgebung ihres Baugebiets zurechnen lassen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07.02.2017 und den Abhilfebescheid des Beklagten vom 01.02.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass den Beigeladenen nur eine Geruchsbelastung wie in einem allgemeinen Wohngebiet mit bis zu 10 % der Jahresstunden zuzumuten sei. Diese Vorgabe halte die Baugenehmigung nicht ein. Dass sie die Geruchsbelastung der Beigeladenen verbessere, sei aufgrund der Rechtsprechung des VG Hannover (vgl. VG Hannover, Urteil vom 14.01.2013 – 4 A 205/12) sowie deren Bestätigung durch das OVG Lüneburg (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 09.04.2014 – 1 LA 60/13) in Niedersachsen unbeachtlich. In Folge dessen sei der zulässige Grenzwert nach der GIRL in jedem Fall einzuhalten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur „Verbesserungsgenehmigung“ (Urteil vom 27.06.2017 – 4 C 3/16) sei nicht anwendbar, weil der Betrieb des Klägers „seit der Baumaßnahmen bis heute“ illegal sei.

Die Beigeladenen verteidigen den Abhilfebescheid des Beklagten und stellen keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Sie richtet sich gegen zwei gegenüber dem Kläger ergangene Bescheide. Gegenstand der Klage ist zunächst der Abhilfebescheid vom 01.02.2017 (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Das Schreiben vom 07.02.2017 konnte der Kläger, selbst es auch nur der Zustellung des Abhilfebescheids vom 01.02.2017 bezweckte, ebenfalls als Verwaltungsakt auffassen, da es die Aufhebung der Baugenehmigung tenoriert und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist. Allein der „böse Schein“ des Schreibens wäre ein Anlass, dessen Aufhebung zu verlangen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 04. November 1976 – V C 73.74 –, juris, Rn. 19).

Die auch ansonsten zulässige Klage ist begründet, denn der Abhilfebescheid vom 01.02.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung vom 05.06.2013 ist rechtmäßig. Zu Unrecht gehen der Beklagte und die Beigeladenen davon aus, die von der Hofstelle des Klägers in der genehmigten Form unzumutbare Geruchsbelästigungen ausgehen und deshalb die Baugenehmigung das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 2 BauGB, § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO verletzt.

Zu Unrecht gehen der Beklagte und die Beigeladenen davon aus, dass die Wohngrundstücke der Beigeladenen lediglich eine Geruchsbelastung von höchstens 10 % der Jahresstunden wie Wohngebiete hinzunehmen haben. Das Gericht geht davon aus, dass die Beigeladenen in ihrer besonderen Wohnlage gegenüber der Hofstelle des Klägers Geruchsemissionen von – im Falle des Beigeladenen zu 3) – bis zu 22 % der Jahresstunden hinzunehmen haben.

Die Berechnung der Landwirtschaftskammer vom 20.07.2015 ist nicht zu beanstanden. Sie hat bei ihrer Berechnung sowohl die Betriebszweigstelle als auch die Hofstelle des Klägers sowie den weiter östlich liegenden landwirtschaftlichen Betrieb einbezogen. Dass weitere Emittenten zu berücksichtigen sind, tragen die Beteiligten nicht vor. Die Landwirtschaftskammer hat augenscheinlich entsprechend Punkt 4.4.2. der Anlage 1 zur GIRL das Beurteilungsgebiet eines jeden Emissionsschwerpunkts mit einem Radius von 600 m zutreffend bestimmt.

Der Ansatz des Beklagten, nur eine Geruchsbelastung von höchstens 10 % sei den Beigeladenen zuzumuten, beruht darauf, dass er allgemein ein Kleinsiedlungsgebiet, in dem die Beigeladenen wohnen (sollen), den Wohn- und Mischgebieten gleichstellt. Nach der Tabelle 1 der Anlage 1 zur GIRL sind in Wohn-/ Mischgebieten Geruchsstundenhäufigkeiten von bis zu 10 % zulässig, in Dorfgebieten bis zu 15 %. Kleinsiedlungsgebiete erwähnt die GIRL nicht. Da aber in Kleinsiedlungsgebieten anders als in Wohn- und Mischgebieten landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen – auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans 1974 nach der BauNVO 1968 – grundsätzlich zulässig (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), dagegen sonstige Wohngebäude nur ausnahmsweise zugelassen sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO), verkennt der Beklagte, dass die Schutzwürdigkeit eines Kleinsiedlungsgebietes gegenüber Immissionen aus der Massentierhaltung niedriger einzustufen ist, als die eines allgemeinen Wohngebietes und deshalb die Schutzwürdigkeit eines Kleinsiedlungsgebietes wegen der gebietstypischen Geruchseinwirkungen durch Kleintierhaltung gegenüber einem allgemeinen Wohngebiet zu reduzieren ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30.05.2001 – 1 K 389/00, juris, Rn. 16).

Welche Belastungen ein Wohngrundstück in einem Kleinsiedlungsgebiet hinzunehmen hat, hat das Gericht aber nicht zu entscheiden, denn die Planung der Gemeinde im Jahr 1974 leidet jedoch an einem zur Teilnichtigkeit des Planes führenden Abwägungsfehler. Denn die Festsetzung eines Kleinsiedlungsgebiets war nach Würdigung aller Umstände nicht darauf gerichtet, ein „kleinsiedlerisches Wohnen“ mit Garten-, Gartenbau- oder landwirtschaftlicher Nebenerwerbsnutzung von einigem Gewicht zu ermöglichen, sondern eine Art allgemeines Wohngebiet zu schaffen. Damit ist die Planfestsetzung „Kleinsiedlungsgebiet“ ein „Etikettenschwindel“ und verstößt gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 08.02.2000 - 4 BN 1/00 -, juris, Rn. 10; OVG Koblenz, Urt. v. 21.10.2009 - 1 C 10150/09 -, juris, Rn. 25). Sie sollte nur einen weichen Übergang zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und dem – eigentlich gewollten – allgemeinen Wohngebiet vorgeben, kann aber den erst durch den Bebauungsplan geschaffenen Immissionskonflikt nicht lösen (vgl. zu dem Problem: Nds. OVG, Urteil vom 30.05.2001, a.a.O. Rn. 22). Dies bestätigt auch die Begründung des Bebauungsplans Nr. 1, die sich zwar dazu verhält, dass die ortsansässigen Bevölkerung, jüngere Bauanwärter und aus der Landwirtschaft freiwerdende Arbeitskräfte Bauland erhalten sollen, aber vollkommen unerwähnt lässt, warum hierfür die Form des Kleinsiedlungsgebiets gewählt wurde. Dass der Plan darauf abzielt, die typischen Nutzungen in einem Kleinsiedlungsgebiet zu verwirklichen, ist nicht erkennbar. Dagegen spricht, dass der Plan Bauplätze für (so die Begründung) „Einfamilienhäuser“ schafft und in deren Mitte einen Spielplatz vorsah. Die Baugenehmigungen für die Grundstücke der Beigeladenen geben auch keinen Hinweis darauf, dass auf ihren Grundstücken mehr als nur Wohnhaus und Garage mit Klärgrube errichtet werden sollen. Der Zuschnitt der Grundstücke der Beigeladenen ist von vornherein so gewählt, dass eine Gartenbau- oder landwirtschaftliche Nebenerwerbsnutzung nicht den notwendigen Raum gefunden hätte. Die Festsetzung eines Spielplatzes kann nicht der kleinsiedlerischen Nutzung dienen. Den Beteiligten ist kein Fall bekannt, in dem im Baugebiet diese Nutzung ausgeübt wird. Außerdem sah die Gemeinde davon ab, für das Plangebiet Raum für die auch im Kleinsiedlungsgebiet grundsätzlich zulässigen, der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) zu schaffen, wenn es nur um die Schaffung von Einfamilienhausgrundstücken gehen sollte.

Die Schutzansprüche der Beigeladenen können damit nicht aus der Ausweisung als Kleinsiedlungsgebiet abgeleitet werden, sondern müssen sich danach richten, wie ihr Baugebiet ohne diese planerische Festsetzung anzusehen ist. Die Siedlungsstruktur der Gemeinde, in der ein mit Einfamilienhäusern besetztes Baugebiet im Osten, Norden und Westen ganz überwiegend, wie die Einsichtnahme in die Baupläne in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, von teilweise aktiv betriebenen und teilweise nachgenutzten landwirtschaftlichen Hofstellen umgeben ist, spricht für die Einordnung der Grundstücke der Beigeladenen in ein Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) wie ihre Umgebung im Osten, Norden oder Westen. Diesen Bereich mit dem Grundstück des Klägers stellt der Flächennutzungsplan als Dorfgebiet dar. In ihm ist unter Beachtung von § 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO auf landwirtschaftliche Betriebe vorrangig Rücksicht zu nehmen.

Wegen der besonderen Situation ihrer Grundstücke können die Beigeladenen nicht beanspruchen, dass sie – im Falle des Beigeladenen zu 3) – weniger als die genehmigten Geruchsimmissionen von bis zu 22 % der Jahresstunden hinzunehmen haben. Die Tabelle 1 der Anlage 1 zur GIRL sieht für Dorfgebiete (nur) eine Geruchsbelastung von höchstens 15 % der Jahresstunden als zumutbar an. Mit diesem Wert wird nach den Erläuterungen zu Nr. 3.1 der GIRL dem Umstand Rechnung getragen, dass Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, daneben auch dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen und dort auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. In begründeten Einzelfällen soll es dieser Erläuterung zufolge allerdings zulässig sein, zwischen Dorfgebieten und dem Außenbereich Zwischenwerte zu bilden, was zu Werten von bis zu 20 % am Rand des Dorfgebietes führen könne (Nds. OVG, Urteil vom 09.06.2015 – 1 LC 25/14 –, juris Rn. 24).

Die Grundstücke der Beigeladenen liegen am Rand des Dorfgebiets, im Westen schließt sich der Außenbereich an ihr Baugebiet an. Dass deshalb eine höhere Belastung der Beigeladenen als 15 % der Jahresstunden gerechtfertigt ist, folgt daraus, dass in der Gemeinde, die offensichtlich und auch laut Begründung des Bebauungsplans Nr. 1 eine „Agrargemeinde“ ist, jedenfalls flächenmäßig betrachtet die (nach)landwirtschaftlichen Nutzungen wie diejenige des Klägers die nicht landwirtschaftlichen, d.h. die allgemeine Wohnnutzungen, im Verhältnis weit überwiegen, selbst wenn das Gericht die südlich des Kleinsiedlungsgebietes festgesetzte Allgemeine Wohngebietsnutzung berücksichtigt. Hinzu kommt, dass schon bei Planung des Kleinsiedlungsgebietes in unmittelbarer Umgebung der Grundstücke der Beigeladenen auf der anderen Straßenseite Flächen der Tierhaltung des Klägers dienten. Das Gewicht des Interesses, auf landwirtschaftliche Tierhaltung des Klägers im besonderen Umfang Rücksicht zu nehmen, wird durch die Wohnbebauung nicht deutlich gemildert. Es ergibt sich vielmehr der Eindruck, dass eine reine Wohnnutzung einen störenden Faktor im sonst landwirtschaftlich geprägten Umfeld darstellt. Damit ist in jedem Fall den Beigeladenen zu 1) und 2) die prognostizierte Belastung mit höchstens bis 19,1 % und die des Beigeladenen zu 5) mit höchstens 19,9 % der Jahresstunden zuzumuten, da diese die Grenze von 20 % nicht erreichen.

Dafür, dass der Beigeladene zu 3) eine Belastung von bis zu 21,3 % hinzunehmen hat, spricht Folgendes: Rücksichtnahme auf die Geruchsemissionen des Klägers verlangt von den Beigeladenen auch ab, dass der Nutzung der Hofstelle des Klägers grundsätzlich Bestandsschutz zukommt. Denn erst nachdem ihm die Massentierhaltung auf seinem Grundstück genehmigt wurde, setzte die Gemeinde in unmittelbarer Nähe zu seinem Grundstück das Kleinsiedlungsgebiet fest. Dies führt zu einer weiteren Schutzminderung für die Nachbarn. Müsste wie oben ausgeführt schon die Belastungsgrenze von den für ein Dorfgebiet regelmäßig hinzunehmenden 15 % der Jahresstunden auf 20 % der Jahresstunden angehoben werden, ist noch Punkt 5 der GIRL (am Ende) zu berücksichtigen. Hiernach ist außerdem „zu berücksichtigen, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, die u. a. dazu führen kann, dass die oder der Belästigte in höherem Maße Geruchseinwirkungen hinnehmen muss. Dies wird besonders dann der Fall sein, soweit einer emittierenden Anlage Bestandsschutz zukommt. In diesem Fall können Belästigungen hinzunehmen sein, selbst wenn sie bei gleichartigen Immissionen in anderen Situationen als erheblich anzusehen wären.“ Der Bestandschutz der Nutzung des Grundstücks des Klägers ergibt sich aus den in den Jahren 1964, 1969, 1972 und 1990 erteilten Tierhaltungsgenehmigungen.

Selbst wenn das Gericht davon ausgehen müsste, dass die zulässige Geruchsstundenhäufigkeit für die Grundstücke der Beigeladenen überschritten wird, war die Baugenehmigung jedenfalls als „Verbesserungsgenehmigung“ rechtmäßig. So sind bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Belästigungen etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort vorfindet, der durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2017 – 4 C 3716; Juris). Im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots ist dafür der in § 6 Abs. 3 BImSchG verankerte Rechtsgedanke heranzuziehen (vgl. VG Hannover, Urteil vom 14.01.2013 – 4 A 205/12, Juris). Hiergegen spricht nicht die Rechtsprechung des OVG Lüneburg, es würde sich bei der Verbesserungsgenehmigung um eine nicht verallgemeinerungsfähige Sonderregelung handeln (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 09.04.2014 – 1 LA 60/13, juris, Rn. 29). Entgegen dem dort zu entschiedenen Sachverhalt finden die Beigeladenen auf Seiten des Klägers nicht eine ungenehmigte, der baurechtlichen Ordnung bedürfte Tierhaltung vor.

Auch bei Überschreitung des maßgeblichen Immissionswerts ist in einem erheblich vorbelasteten Gebiet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulassung eines weiteren emittierenden Vorhabens jedenfalls dann möglich, wenn hierdurch die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das - immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige - Vorhaben den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG genügt (BVerwG, Urteil vom 27.06.2017 - 4 C 3.16 -, juris, Rn. 13; vgl auch VG Hannover, Urteil vom 15.02.2018 – 12 A 7782/17 –, juris, Rn. 34; folgendes nach BVerwG):

Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Belästigungen sind etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort vorfindet, der durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist (BVerwG, Urteile vom 14. Dezember 1979 - 4 C 10.77 - BVerwGE 59, 253 <260>, vom 22. März 1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150 <155 ff.>, vom 22. Mai 1987 - 4 C 33-35.83 - BVerwGE 77, 285 <292 ff.>, vom 23. Mai 1991 - 7 C 19.90 - BVerwGE 88, 210 = juris Rn. 10, vom 21. Dezember 2010 - 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 = juris Rn. 28 ff. und vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 16). Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Juni 1990 - 4 C 6.87 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261, vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <357> und vom 23. Mai 1991 - 7 C 19.90 - BVerwGE 88, 210). Soll in einem erheblich vorbelasteten Gebiet ein weiteres emittierendes Vorhaben zugelassen werden, ist das nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann möglich, wenn hierdurch die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 = juris Rn. 31), sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das - immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige - Vorhaben den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG genügt (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 - ZfBR 1983, 139 <140> = juris Rn. 14 und vom 22. Juni 1990 - 4 C 6.87 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 261 = juris Rn. 29 ff.). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, steht § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB dem Vorhaben nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Anlass, die Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), bestand nicht, da sie mit ihrem Anliegen in der Sache unterlegen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 S. 2 ZPO.