Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.09.2024, Az.: 1 LA 146/23

Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Immissionspegels von nachts 45 dB(A) in einem Kurgebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2024
Aktenzeichen
1 LA 146/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 22348
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0917.1LA146.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 03.11.2023 - AZ: 4 A 3281/19

Amtlicher Leitsatz

Die Zulassung eines Immissionspegels von 45 dB(A) nachts ist mit dem Gebietscharakter eines Kurgebiets als eines der Erholung dienenden Sondergebiets nicht vereinbar (Bestätigung d. Senatsurt. v. 26.3.2014 - 1 KN 1/12 -, juris Rn. 37).

Tenor:

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 3. November 2023 wird abgelehnt.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 60.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung durch den Beklagten zur Errichtung von vier Personalwohnungen in einem bestehenden Hotelgebäude.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit einem Hotel bebauten Grundstücks im Stadtgebiet der Beigeladenen. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 29 "Am Neuen Leuchtturm" in der Fassung der 2004 beschlossenen und 2006 bekannt gemachten 1. Änderung. In dieser ist das Grundstück als sonstiges Sondergebiet SO1 mit der Zweckbestimmung "Kurgebiet / Gebiet für Fremdenbeherbergung" mit einer Geschossflächenzahl von 1,6 festgesetzt. Die textliche Festsetzung Nr. 4 des Plans lautet:

"In den sonstigen Sondergebieten SO1 sind die Orientierungswerte der DIN 18005, Teil 1, für "Allgemeine Wohngebiete" zugeordnet. Es sind die zulässigen Orientierungswerte von tagsüber 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) einzuhalten."

Die 1986 beschlossene und 1987 bekanntgemachte Urfassung des Plans wies das Grundstück ebenfalls als sonstiges Sondergebiet mit gleicher Geschossflächenzahl aus. Die Zweckbestimmung war in der textlichen Festsetzung Nr. 3 dahingehend formuliert, dass das Gebiet "überwiegend kur-, heil- und erholungswirksamen Einrichtungen" dienen sollte. Die textliche Festsetzung Nr. 4 lautete:

"Den Sondergebieten wird ein Planungsrichtpegel (äquivalenter Dauerschallpegel) für ein "Allgemeines Wohngebiet" zugeordnet. Es sind die zulässigen Planungsrichtpegel von tagsüber 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) einzuhalten."

Am 6. November 2014 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den "Einbau von vier Personalappartements mit Gemeinschaftsküche im 4. OG des Hotelgebäudes ...". Kubatur und Erscheinungsbild sollten mit Ausnahme eines Einbaus von zwei zusätzlichen Fenstern unverändert bleiben. Die Geschossflächenzahl stiege durch den Umbau der bisher nicht als Aufenthaltsräume genutzten Flächen von 1,598 auf 1,639. Diesen Bauantrag lehnte der Beklagte unter Verweis auf die Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Geschossflächenzahl ab.

Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 29 sei unwirksam. Der Senat habe mit Urteil vom 26. März 2014 (- 1 KN 1/12 -) den Bebauungsplan der Beigeladenen für das unmittelbar südlich an das hiesige Plangebiet angrenzende Gebiet beanstandet, da eine der textlichen Festsetzung Nr. 4 der ersten Änderung identische Festsetzung nicht hinreichend bestimmt und jedenfalls wegen eines Widerspruchs zwischen der Zweckbestimmung und dem für das Gebiet festgesetzten Schutzanspruch rechtswidrig sei. Das gelte auch für die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 29. Der Ablauf der Jahresfrist nach § 215 BauGB sei unschädlich, da ein Ewigkeitsfehler vorliege. Das Vorhaben sei auch nicht nach der Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. 29 zu beurteilen, da diese funktionslos geworden, hilfsweise mit der 1. Änderung aufgehoben worden sei, unabhängig davon aber unter demselben Mangel leide wie die 1. Änderung. Im mithin vorliegenden unbeplanten Innenbereich sei das Vorhaben zulässig, da es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ergebe sich das daraus, dass sich ausweislich der Planbegründung der 1. Änderung bereits Personalwohnungen in der näheren Umgebung fänden, jedenfalls aber keine städtebaulichen Spannungen verursacht würden. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung gebe es dem Hotel vergleichbare Bauten in der Nachbarschaft. Zudem handele es sich um ein Änderungsvorhaben, das die Kubatur des Bestandsgebäudes unverändert lasse. Auf von außen nicht erkennbare Feinheiten der Geschossflächenzahl komme es nicht entscheidend an. Dass - was zutrifft - die Unwirksamkeit des Plans erst nach Ablauf einer nach § 87b Abs. 1 bzw. 2 VwGO gesetzten Frist geltend gemacht worden sei, schließe eine Berücksichtigung nicht aus, da keine Verfahrensverzögerung eintrete; insbesondere sei für die Beurteilung nach § 34 BauGB keine Ortsbesichtigung nötig gewesen.

II.

Der gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 5 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angegriffenen Entscheidung derart mit plausiblen Gegenargumenten in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich; es genügt, wenn sich diese auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens als offen erweisen. Das ist hier nicht der Fall.

a)

Das gilt zunächst, soweit die Beigeladene die Würdigung des Verwaltungsgerichts angreift, die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 29 sei unwirksam. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass Besonderheiten des vorliegenden Plans die Übertragbarkeit der Einschätzung des Senats in seinem Urteil vom 26. März 2014 (- 1 KN 1/12 -, juris Rn. 22), es sei bereits unklar, ob der Plan einen Emissions- oder einen Immissionswert festsetze, ausschlössen, geht ins Leere; denn das Verwaltungsgericht hat insoweit lediglich die damaligen Erwägungen des Senats wiedergegeben, sie sich aber nicht zu Eigen gemacht. Vielmehr geht es selbst davon aus, dass hier Überwiegendes für eine immissionsbezogene Festsetzung spreche.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht indes die damalige Erwägung des Senats, im Falle der Festsetzung eines Immissionswerts stehe dieser jedenfalls im Nachtzeitraum im Widerspruch zur Zweckbestimmung des Gebiets, für auf den Bebauungsplan Nr. 29, 1. Änderung, übertragbar gehalten. Die diesbezügliche Kritik der Beigeladenen greift nicht durch.

Ihr Vortrag, sie habe - anders als möglicherweise im vom Senat entschiedenen Fall - kein klassisches Kurgebiet, sondern eine Art "lebhafteres Tourismusgebiet" mit einem einem Allgemeinen Wohngebiet vergleichbaren Charakter und Schutzanspruch festgesetzt, überzeugt nicht. Solche Gebiete, in denen bei der Beherbergungszwecksetzung nicht die Erholung, sondern die Übernachtung in der Nähe von Freizeitangeboten im Vordergrund steht, mag es geben. Allerdings geht aus der Planbegründung eindeutig hervor, dass die Zweckbestimmung des Gebiets die eines echten Kurgebiets ist. So heißt es auf S. 9 der Planbegründung: "Nach den allgemeinen Zielen und Zwecken des Bebauungsplanes soll das Plangebiet grundsätzlich dem Fremdenverkehr vorbehalten bleiben. Er besteht im Wesentlichen aus Kuren, Heilbehandlungen und sonstigen Erholungsaufenthalten." Auf S. 10 der Planbegründung wird die Zweckbestimmung entsprechend definiert: "Die festgesetzten sonstigen Sondergebiete gemäß § 11 BauNVO dienen der Unterbringung von kur-, heil- und erholungswirksamen Einrichtungen." Emittierende Nutzungen werden - dies geht aus der auf S. 6 in der Zulassungsbegründung selbst zitierten Passage hervor - nur aufgrund einer dieser Zweckbestimmung dienenden Funktion, ausnahmsweise und auf den Umfang des Bestandes reduziert zugelassen. Vor diesem Hintergrund sind die rechtlichen Überlegungen, die der Senat in seinem Urteil vom 26. März 2014 (- 1 KN 1/12 -, juris Rn. 40 f.) angestellt hat und von denen abzuweichen kein Anlass besteht, auch hier anwendbar:

Der Senat hat es zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, die Schutzbedürftigkeit eines Sondergebietes durch die Festsetzung von Immissionsrichtwerten zu definieren (Senatsurt. v. 26.3.3014 - 1 KN 1/12 -, juris Rn. 37 unter Verweis u.a. auf BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 - 4 N 6.88 -, NVwZ 1991, 881 = BRS 50 Nr. 25 = juris Rn. 16). Die Festsetzung der Schutzbedürftigkeit eines Sondergebietes findet indes seine Grenze in der gebotenen Kongruenz von zulässiger Nutzung und definiertem Schutzanspruch. Dem Plangeber ist es nicht gestattet, schutzbedürftige Nutzungen mit deutlich dahinter zurückbleibenden Schutzansprüchen auszustatten. Nr. 6.1 TA-Lärm und § 2 Abs. 2 Nr. 5 18. BImSchV legen für Kurgebiete einen Nachtwert von maximal 35 dB (A) fest. Zwar können Überschreitungen von 5 dB (A) oder mehr im Einzelfall gerechtfertigt sein. Eine Überschreitung von 10 dB (A), welche zu einer möglichen Lärmbelastung mit einer etwa doppelten Lautstärke des in einem Kurgebiet im Ansatz Zulässigen und zu einer mischgebietstypischen Immissionssituation führt, ist mit der Festsetzung eines Kurgebiets jedoch schlechthin nicht mehr vereinbar. Auf den Vortrag der Klägerin, in welchem Umfang im Plangebiet zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses emittierende Nutzungen vorhanden gewesen seien, kommt es angesichts dessen nicht an. Verursachten diese Nutzungen einen Nachtlärmpegel von 45 dB(A), so hätte die Beigeladene entweder Maßnahmen zur Emissionsminderung vorsehen oder ein Gebiet mit einer emissionstoleranteren Zweckbestimmung festsetzen müssen.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vorstehend genannte Mangel sei nicht nach § 215 BauGB unbeachtlich geworden. Er besteht nicht darin, dass die Beigeladene es versäumt hat, hinreichende städtebauliche Gründe für die Festsetzung eines Immissionspegels von 45 dB(A) nachts zu anzuführen, obwohl solche Gründe in der Sache zu finden waren, mithin in einem bloßen Fehler im Abwägungsvorgang. Vielmehr ist die Festsetzung eines Sondergebiets mit einer einen besonders hohen Lärmschutzanspruch implizierenden Zweckbestimmung einerseits und die gleichzeitige Herabsetzung des Lärmschutzanspruchs auf das mit einer Wohnnutzung gerade noch Vereinbare andererseits bereits in sich widersprüchlich und daher - gleich aus welchen Erwägungen sie getroffen wird - unzulässig.

Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 4 führt zur Unwirksamkeit der gesamten 1. Änderungsfassung des Bebauungsplanes Nr. 29 "Am Neuen Leuchtturm". Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen führt nur dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 19.9.2002 - 4 CN 1.02 -, BVerwGE 117, 58 = juris Rn. 12; Beschl. v. 22.1.2008 - 4 B 5.08 -, BRS 73 Nr. 22 = juris Rn. 8). Die Teilunwirksamkeit stellt damit zur Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme dar. Die Lärmpegelfestsetzung stellt ausweislich der Planbegründung (S. 11) ein wesentliches Element zur Vermeidung von Nutzungskonflikten dar; bestanden diese, bedurften sie im Übrigen auch objektiv einer Regelung. Es ist daher entgegen dem Vortrag der Beigeladenen nicht davon auszugehen, dass der Rat der Beigeladenen, den Plan ohne die Bestimmung unverändert beschlossen hätte. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dass er die Zweckbestimmung des Sondergebiets SO1 geändert hätte, was wiederum Anlass gegeben hätte, auch den Nutzungskatalog zu überdenken. Entfällt jedoch die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung, stehen auch alle übrigen Festsetzungen in Frage.

b)

Die Beurteilung der Zulässigkeit des klägerischen Bauvorhabens richtet sich aufgrund der Gesamtunwirksamkeit der 1. Änderungsfassung des Bebauungsplanes Nr. 29 nach § 34 Abs. 1 BauGB und nicht wie von der Beigeladenen angenommen nach den Festsetzungen des Ursprungsplanes. Es ist dabei unerheblich, ob der ursprüngliche Bebauungsplan in Teilen oder insgesamt seit seiner Bekanntmachung am 3. August 1987 funktionslos geworden ist und ob das Wiederaufleben des ursprünglichen Planes vom planerischen Willen der Beigeladenen gedeckt wäre. Das Verwaltungsgericht hat selbständig tragend festgestellt, dass der Plan nicht für eine baurechtliche Zulässigkeitsprüfung herangezogen werden kann, da er bei vergleichbarer Begründung ebenfalls eine textliche Festsetzung enthält, die für das Sondergebiet in Gestalt eines Kurgebietes einen einem Mischgebiet entsprechenden Schutzanspruch von nachts 45 dB (A) bestimmt und damit ebenfalls unwirksam ist. Soweit die Beigeladene diese Feststellung unter Bezugnahme auf ihre "voranstehenden Gründe" angreift, wird auf die Ausführungen unter a) verwiesen. Dass - wie die Beigeladene weiter ausführt - die Unwirksamkeit des Ursprungsplans ihrer damaligen Intention, eine weitere Ansiedlung von Wohnbebauung zu verhindern, zuwiderliefe, mag sein, führt aber nicht zur Wirksamkeit des Plans.

c)

Auch hinsichtlich der Würdigung des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, bestehen keine ernstlichen Richtigkeitszweifel. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung kann - das hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt - schon deshalb von einem Einfügen ausgegangen werden, weil sich die Kubatur des Hotelgebäudes durch den Einbau der Personalwohnungen nicht und das äußere Erscheinungsbild nur unwesentlich, nämlich durch den Einbau zweier Fenster, ändert. Insoweit hat das für die Beurteilung maßgebliche geänderte Gebäude im Bestandsgebäude stets ein das "Einfügen" indizierendes Vorbild, wenn nicht das Bestandsgebäude bereits bisher in der näheren Umgebung einen Fremdkörper darstellte (BVerwG, Urt. v. 23.3.1994 - 4 C 18.92 -, BVerwGE 95, 277 = juris Rn. 8). Dass letzteres hier der Fall sein könnte, ist fernliegend und behauptet auch die Beigeladene nicht. Weiterer Aufklärungsbedarf ergab sich vor diesem Hintergrund nicht.

Nichts anderes gilt hinsichtlich des Einfügens nach der Art der baulichen Nutzung. Dass das Verwaltungsgericht sich für seine Auffassung, in der näheren Umgebung des Vorhabens fänden sich Vorbilder für eine Wohnnutzung, auf die Bestandsdarstellung in der 20 Jahre alten Begründung der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 29 gestützt hat, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Angesichts der Tatsache, dass der Bebauungsplan gerade einer weiteren Ausbreitung der Wohnnutzung entgegenwirken sollte, musste das Gericht ohne gegenteilige Anhaltspunkte nicht mit deren Zurückgehen rechnen. Die Beigeladene, die mit der Nutzungssituation in ihrem überschaubaren Stadtgebiet vertraut sein dürfte, hat im Übrigen auch im Zulassungsverfahren nicht einmal behauptet, die in der Planbegründung angesprochenen Gebäude - Viktoriastraße 1a, Strandstraße 34 und Strandstraße 41 - würden nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt. Im Gegenteil macht sie auf S. 14 der Zulassungsbegründung selbst geltend, es gebe "bereits vorhandene Wohnbebauung". Ob die in der Planbegründung angesprochenen Personalwohnungen in einem weiteren Hotel, die - darin ist der Beigeladenen zuzustimmen - damals nur in Planung waren, verwirklicht wurden, kann dahinstehen; denn das Verwaltungsgericht hat sie nur ergänzend angeführt.

2.

Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat weder seine Amtsermittlungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt noch das rechtliche Gehör.

Wie zuvor bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die vom Verwaltungsgericht verwendete Beurteilungsgrundlage nicht zu beanstanden ist. Hinsichtlich des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung folgt das schon daraus, dass das bestehende Hotelgebäude, in dem die Änderung vorgenommen werden soll, sich selbst Vorbild ist. Weitergehende Ermittlungsmaßnahmen wie beispielsweise ein Ortstermin waren insofern von vornherein entbehrlich. Zur Art der baulichen Nutzung versäumt es die Beigeladene - wie zuvor bereits dargelegt - substantiiert vorzutragen, in welchen Punkten das Verwaltungsgericht falsche Schlüsse gezogen haben soll. Da bereits die Beigeladene selbst nicht konkret bestreitet, dass im Plangebiet (Betriebs-)Wohnnutzung zu finden ist, bestand auch für das Verwaltungsgericht kein Anlass, am Vortrag der Klägerin zu zweifeln oder noch weitere Nachforschungen anzustellen.

Die Beigeladene rügt weiterhin, dass das Verwaltungsgericht sie nicht zu der Frage angehört habe, ob im Falle der Unwirksamkeit der 1. Änderungsfassung des Bebauungsplanes der Urplan wiederaufleben sollte. Ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da dieser Aspekt aufgrund der ohnehin gegebenen Unwirksamkeit des Ursprungsplanes nicht entscheidungserheblich war. Eine Überraschungsentscheidung liegt darüber hinaus nicht vor. Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschl. v. 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 -, NJW 2012, 2262 = juris Rn. 18). Dadurch, dass die mögliche Konsequenz einer Unwirksamkeit der 1. Änderungsfassung des Bebauungsplanes bereits im erstinstanzlichen Verfahren von den Parteien thematisiert wurde, war hinreichend deutlich, dass sie entscheidungserheblich sein könnte. Laut eigenem Vortrag konnte sich die anwaltlich vertretene Beigeladene dazu erklären und hat dies mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 (Seite 2 f.) auch getan.

3.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG und richtet sich nach den Ziffern 1 e) und 1 f) der Streitwerttabelle der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 01.06.2021 eingegangene Verfahren (NdsVBl. 2021, 247).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).