Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.03.2010, Az.: 3 U 9/10

Mögliche Aufklärungspflichten einer Bank über Rabatte beim Wertpapiereigengeschäft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.03.2010
Aktenzeichen
3 U 9/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 15256
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0304.3U9.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 09.12.2009 - AZ: 11 O 110/09

Fundstellen

  • EWiR 2010, 407
  • Kreditwesen 2010, 731-732
  • ZBB 2010, 260
  • ZIP 2010, 876-878

Amtlicher Leitsatz

Bei einem Rabatt, den die Bank beim Wertpapier-Eigengeschäft von der Emittentin eingeräumt bekommt, handelt es sich um keine Rückvergütung, über die sie bei Weiterveräußerung der Papiere aufzuklären hätte.

In dem Rechtsstreit

C. P., ...

Kläger und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte:

Anwaltsbüro ...

gegen

X.Bank, ...

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:

Anwaltsbüro ...

Tenor:

beabsichtigt der Senat, die Berufung des Klägers gegen das am 9. Dezember 2009 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Gründe

1

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus dem Verkauf von sogenannten Lehman-Zertifikaten in Anspruch.

2

Der Kläger eröffnete am 4. Mai 1998 ein Wertpapierdepot bei der Beklagten und erwarb in der Folgezeit eine Reihe von Wertpapieren sowie Anteile an Aktienfonds, etwa dem Fonds DWS Top Dividende, wofür er einen Ausgabeaufschlag von 5 % zahlte (vgl. Wertpapierorder vom 3. Mai 2006, Anl. B 9, Bl. 103 GA I). Im Verlaufe der Geschäftsbeziehung erstellte die Beklagte mehrfach sogenannte computergestützte Risikoprofile für den Kläger - etwa am 3. Mai 2006 (Anlage B 13, Bl. 135 f. GA I) und bei dem Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und dem bei der Beklagten beschäftigten Anlageberater R. am 9. Januar 2007 (Anl. B 10, Bl. 105 f. GA I), von denen ihm jeweils ein ausgedrucktes Exemplar überlassen wurde. Hiernach wurde er als Anleger mit mittlerer Risikoneigung bei einem maximalen Risikoanteil von 55 % ausgewiesen. In diesem Zusammenhang erhielt der Kläger auch jeweils einen Prospekt ´Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren´ (Anlage B 12, Bl. 112 ff. GA I).

3

Anlässlich des Beratungstermins vom 9. Januar 2007 kaufte der Kläger 15 Stück Bonus Express Offensiv Zertifikate, die von der X.Bank I. p. emittiert wurden, und bekam die entsprechenden Produktinformationen (Prospekt, Anlage B 14, Bl. 138 ff. GA I) ausgehändigt, die Hinweise auf Ausgabeaufschläge und an die Beklagte gezahlte Boni enthielten. Über den Prospektinhalt einschließlich vorstehender Hinweise informierte ihn ferner der Berater R. bei dem Beratungsgespräch.

4

Am 15. Juni 2007 fand - der Anlass ist streitig - ein weiteres Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Berater R. statt, in dessen Folge der Kläger mit Wertpapiersammelorder Alpha Express Zertifikate II (ISIN: DE000A0N7XQ2 = Lehman-Zertifikate) im Gesamtwert von 10.000 € zzgl. Ausgabeaufschlag in Höhe von 2 %, mithin zum Preis von insgesamt 10.200 € (Bl. 7 ff., Anlage B 16, Bl. 149 ff. GA I) erwarb. Ob der Kläger dabei auch einen Produktflyer (Anlage B 17, Bl. 152 ff. GA I) überreicht bekam und anhand dessen über die Risiken der Anlage und die der Beklagten in diesem Zusammenhang gewährte Rabatte - die Beklagte erhielt von der Emittentin für den Ankauf der Zertifikate einen Preisnachlass von 2,2 % - aufgeklärt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Die Emittentin der Alpha Expresszertifikate II - die Lehman Brothers Treasury Co. B.V. - sowie die Garantin - die Lehmann Brothers Holding Inc. - fielen Mitte September 2008 in Insolvenz. Die Zertifikate sind mittlerweile weitgehend wertlos.

6

Der Kläger hat behauptet, der Berater R. habe ihn Anfang Juni 2007 angerufen und ihn unter dem Vorwand, ihm ein persönliches Geschenk übergeben zu wollen, zu einem Besuch in der Filiale der Beklagten in H. veranlasst. Dort habe er ihm eine Flasche Wein überreicht und bei einer bei dieser Gelegenheit vorgenommenen Analyse seines finanziellen Status darauf hingewiesen, dass auf seinem - des Klägers - Girokonto ein freier Betrag von über 10.000 € vorhanden sei. Er habe ihm vorgeschlagen, das Geld in Lehman-Zertifikate zu investieren, wobei er ihm zu verstehen gegeben habe, dass eine realistische Gewinnchance von bis zu 15 % auf das angelegte Kapital bestehe. Auf Nachfrage des Klägers, der sich einer Spekulationsgefahr nicht habe aussetzen wollen, nach den Risiken der Anlage, habe der Berater R. erklärt, das Papier sei sicher, es könne praktisch nichts passieren. Über die Möglichkeit eines Totalverlustes sei er nicht aufgeklärt worden. genau so wenig sei über exakte Provisionssätze der Beklagten gesprochen worden. Vielmehr habe der Berater R. ihm lediglich das übliche Bankagio mitgeteilt und ihm den Eindruck vermittelt, bei der Anlage in Lehman-Zertifikate handele es sich um eine aussichtsreiche Investition, an der er ein persönliches Eigeninteresse nicht gehabt habe. Über seine private Motivation sowie diejenige der Beklagten habe er ihn im Ungewissen gelassen. Tatsächlich habe die Beklagte weitere Rückprovisionen erhalten, über die er, der Kläger, nicht aufgeklärt worden sei. Zur abschließenden Beurteilung des bestehenden Verkaufsinteresses bei der Beklagten wäre dies für ihn jedoch wichtig gewesen. Einen Produktflyer mit entsprechenden Informationen habe er - bezogen auf die Lehman-Papiere - nicht erhalten, auch wenn seine Unterschrift auf der Wertpapierorder einen anderen Eindruck mache. Die Beklagte habe ihm als Anlagemöglichkeit ausschließlich die Lehman-Papiere angeboten, nicht aber andere Anlageformen, insbesondere keine Festgeldanlage.

7

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat eine Pflichtverletzung im Rahmen der Anlageberatung in Abrede genommen. Der Berater R. habe mit dem Kläger die Risiken und die Funktionsweise des erworbenen Zertifikats auf der Grundlage der Produktinformationen, die dem Kläger ausgehändigt worden seien, erörtert. Der Kläger sei bei Zeichnung des Zertifikats auch darüber unterrichtet worden, dass die Beklagte nicht nur einen Ausgabeaufschlag in Höhe von 2,0 %, sondern auch eine weitere Vergütung in Höhe von 2,2 % für den Abschluss von der Emittentin erhalte. Bei dem ihr gewährten Rabatt habe es sich - wie die Beklagte gemeint hat - zudem nicht um eine Rückvergütung gehandelt. Eine Mindestabnahmeverpflichtung gegenüber der Emittentin sei sie - unstreitig - nicht eingegangen. Der an sie geflossene Gesamtbetrag in Höhe von 4,2 % des Nominalbetrags der Anlage liege bei einem auf vergleichbare Produkte bezogenen Marktvergleich überdies eher im unteren bis mittleren Segment. Ein Eigeninteresse an dem Verkauf des Zertifikats habe der Berater R., der keine eigene Provision bekommen habe, nicht gehabt. Nicht die Beklagte habe dem Kläger den Erwerb der Zertifikate, der außerhalb seines Risikoprofils gelegen habe, vorgeschlagen, sondern der Kläger selbst habe den Wunsch nach Erzielung einer höheren Rendite geäußert.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten nicht zu. Zwischen den Parteien sei zwar ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Eine Bank sei grundsätzlich auch verpflichtet, den Anleger über das Bestehen und die Höhe möglicher Rückvergütungen durch die Vermittlung von Zertifikaten zu informieren, damit der Kunde einen möglichen Interessenkonflikt des Beraters erkennen könne. Es fehle aber an einem kausalen Verstoß der Beklagten gegen die Pflicht zur Offenlegung der ihr zugeflossenen Vergütung. Denn nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien sei davon auszugehen, dass der Kläger auch bei ausdrücklicher Information über die der Beklagten zugeflossene Vergütung die fraglichen Zertifikate erworben hätte. Der Kläger habe nicht bestritten, bei Erwerb der Bonus Express Offensiv Zertifikate im Januar 2007 von dem Berater R. ausdrücklich auf die neben dem Ausgabeaufschlag an die Beklagten gezahlten Beträge aufmerksam gemacht worden zu sein. Unstreitig habe er zudem bei Erwerb des DWS Top Dividende-Fonds einen Ausgabeaufschlag von 5 % für die Beklagte akzeptiert. Schließlich sei er vorliegend in der Wertpapiersammelorder auf die Ausgabeaufschläge sowie darauf hingewiesen worden, dass zusätzliche Rückvergütungen bzw. Vertriebsfolgeprovisionen in den ausgehändigten Produktinformationen ausgewiesen seien. Wenn dies für ihn von Bedeutung gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, den Berater hiernach zu fragen, auch wenn der Kläger die Produktinformationen nicht erhalten haben wolle. Auch im Übrigen sei eine Pflichtverletzung nicht zu erkennen. Anlässlich des Erwerbs der Bonus Express Offensive Zertifikate sei der Kläger ferner über alle Risiken, einschließlich des Emittentenrisikos, aufgeklärt worden. Auch die Behauptung des Klägers, der Berater R. habe erklärt, das Papier sei sicher, stelle angesichts des damals durchweg positiven Ratings keine fehlerhafte Information dar.

9

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seinen zuletzt gestellten erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Landgericht habe, indem es Beweis über das Beratungsgespräch nicht erhoben habe, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass es zu dem Gespräch in der Filiale der Beklagten nur aufgrund des Lockangebots in Form einer Flasche Wein gekommen sei. Im Rahmen des Beratungsgesprächs habe es der Berater R. unterlassen, ihn auf das wirtschaftliche Interesse der Beklagten am Verkauf der Lehman-Papiere zu unterrichten. Überdies habe das Landgericht die Erwerbssituationen im Zusammenhang mit dem Ankauf von Wertpapierfonds mit der in Rede stehenden Situation bei Kauf der Lehman-Papiere vermengt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 11. Februar 2010 Bezug genommen.

10

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Sache kommt zudem weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts geboten. Der Senat hält daher die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben.

11

Ein Schadensersatzanspruch, der sich nur vorliegend nur aus § 280 Abs. 1 BGB im Zusammenhang mit einem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag ergeben kann, steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nicht zu. Weder lässt sich eine Beratungspflichtverletzung feststellen noch kommt eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung (§ 311 Abs. 2 BGB) in Betracht.

12

1. Unstreitig ist zwischen den Parteien zumindest stillschweigend ein Beratungsvertrag in Bezug auf das Anlagegeschäft zustande gekommen, wobei es keine Rolle spielt, ob es die Beklagte war, die mit einer entsprechenden Empfehlung an den Kläger herangetreten ist, oder ob der Kläger seinerseits an einer Beratung hinsichtlich des auf dem Girokonto liegenden Geldbetrages von 10.000 € interessiert war. Tatsächlich hat jedenfalls eine Beratung stattgefunden (vgl. BGHZ 123, 126, 128). Der Berater schuldet dem Kunden eine zutreffende, vollständige und verständliche Mitteilung von Tatsachen sowie darüber hinaus auch eine fachmännische Bewertung, um eine dem Anleger und der Anlage gerecht werdende Empfehlung abgeben zu können (BGHZ, aaO., 129. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303, 2304 m. w. N.).

13

2. Eine Pflichtverletzung der Beklagten, vertreten durch ihren Berater R., ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen.

14

a) Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Der Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 2006 - XI ZR 63/05, WM 2006, 851 ff., hier zitiert nach juris Rn. 12. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009, aaO., 2305).

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aa) Dass der Kauf der Zertifikate nicht anlegergerecht war, lässt sich nicht feststellen. Das zuletzt im Januar 2007 erstellte Risikoprofil des Klägers wies eine ausgewogene Anlagestrategie, mithin eine mittlere Risikobereitschaft mit einem maximalen Risikoanteil von 55 % aus. Ein entsprechendes Risikoprofil war bereits im Jahr 2006 erstellt worden. Die Risikoprofile hatte der Kläger selbst unterschrieben. Überdies hatte der Kläger seit Beginn der Beratung durch die Beklagte im Jahr 1998, in dem er ein Wertpapierdepot eröffnet hatte, verschiedene Anlagegeschäfte, auch risikoreicherer Natur, getätigt und etwa Anteile an dem Fidelity European Growth Fund und an dem Fonds DWS Top Dividende erworben, ferner Anfang 2007 die Bonus Express Offensiv Zertifikate auf den Dow Jones Euro STOXX 50. Der Erwerb der Lehman-Zertifikate wich daher nicht von der bisherigen Geschäftsstrategie des Klägers ab. Dem steht nicht entgegen, dass der Risikoanteil der zuletzt georderten Lehman-Zertifikate aus dem Risikoprofil heraus fiel. Dem Kläger war vielmehr daran gelegen, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, wozu die Anlage grundsätzlich geeignet war. Auf das mit dem Erwerb der Lehman-Papiere weiter gestiegene Risiko ist er mit der von ihm unterzeichneten Sammelorder ausdrücklich mit dem Bemerken, der Risikoanteil sei zu hoch und die Risikoanlage erfolge auf eigenen Kundenwunsch, hingewiesen worden (Anlage B 16 Bl. 149 GA I). Schon bei Kauf der Bonus Express Offensiv Zertifikate hatte der Kläger trotz einer entsprechenden Aufklärung seinen Risikoanteil auf 65 % erhöht (Anlage B 15, Bl. 146 GA I). Dass der Kläger stattdessen an der Zeichnung einer Festgeldanlage interessiert gewesen wäre, erscheint vor diesem Hintergrund fern liegend.

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bb) Auch über die Risiken des Geschäfts war der Kläger hinreichend informiert. Ihm stand Prospektmaterial - insbesondere die Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren (Anlage B 12, Bl. 112 ff. GA I) - zur Verfügung, aus dem sich detaillierte Informationen über die Grundlagen des Wertpapiergeschäfts, die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Chancen und Risiken - insbesondere auch zu Zertifikaten im Allgemeinen - ergaben. So heißt es auf S. 108 der Basisinformationen, mit dem Erwerb der Zertifikate sei kein Anrecht auf einen schon heute feststehenden Abrechnungsbetrag am Fälligkeitstag verbunden. Der Abrechnungsbetrag könne erheblich unter dem Erwerbspreis liegen, was im Extremfall bis zum vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals führen könne. Ferner wird auf das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Emittenten hingewiesen (S. 109 des Prospekts). Die allgemeinen und speziellen Risken von Zertifikaten waren dem Kläger zudem aus dem Verkaufsprospekt über die Bonus Express Offensiv Zertifikate bekannt, insbesondere waren das Totalausfallrisiko und das Bonitätsrisiko des Emittenten, der für die Zahlungsverpflichtung der Zertifikate verantwortlich ist (S. 13 und 15, Anl. B 14, Bl. 138 ff., Bl. 144, 146 GA I), hervor gehoben worden. Der Berater R. durfte mithin im Hinblick auf den beabsichtigten Kauf der Lehman-Zertifikate davon ausgehen, dass der Kläger ausreichend informiert war. Dass der Kläger darüber hinaus anlässlich des Erwerbs der Zertifikate erneut über die Risiken des Geschäfts aufgeklärt worden ist, ergibt sich auch daraus, dass in der Wertpapiersammelorder vom 15. Juni 2007 unter der Rubrik "Risikohinweis" angekreuzt worden ist, mit dem Kunden seien die Risiken und die Funktionsweise der Anlage besprochen worden. Ferner findet sich der allgemeine Hinweis, Einlagen in diese Produkte seien keine Bankeinlagen und nicht durch die X.Bank/X.BankGroup, deren Töchter oder den Einlagensicherungsfonds garantiert. Die Performance in der Vergangenheit lasse keine Rückschlüsse auf die zukünftige Wertentwicklung zu. Der Wert der Anlage unterliege den Schwankungen des Marktes, welche zum ganzen oder teilweisen Verlust des Investments führen könnten. Es kommt daher im Ergebnis - jedenfalls in diesem Zusammenhang - nicht darauf an, dass der Kläger behauptet, den Prospekt über die Alpha Express Zertifikate II nicht erhalten zu haben, obwohl seine Unterschrift auf der Wertpapiersammelorder anderes nahe legt, was zu widerlegen Sache des Klägers wäre (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - XI ZR 205/05). Sein bloßes Bestreiten wäre daher nicht erheblich.

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Eines neuerlichen ausdrücklichen Hinweises auf das Totalausfallrisiko hätte es aus vorstehenden Gründen ohnehin nicht bedurft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmen sich Inhalt und Umfang der Beratungspflicht nicht schematisch, sondern nach dem individuellen Beratungsbedarf des Anlegers, dessen Wissensstand, seiner Risikobereitschaft und den von ihm verfolgten Anlagezielen (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009, aaO., 2305).

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Soweit der Kläger demgegenüber behauptet, der Berater R. habe die Papiere als "sicher" dargestellt und ausgeführt, es könne praktisch nichts passieren, ist dies vor dem vorstehend geschilderten Hintergrund zu betrachten. Insbesondere durfte der Kläger die Bemerkung des Beraters R. - sollte sie tatsächlich gefallen sein - nicht in dem Sinn verstehen, dass sein eingesetztes Kapital sicher sei. Schon mit Blick auf den als möglich angesehenen Ertrag von bis zu 15 % und aufgrund der ihm - regelmäßig - erteilten Informationen musste dem in Anlagedingen nicht ganz unerfahrenen und in gewissem Umfang durchaus risikobereiten Kläger klar sein, dass ein solcher nur mit einem entsprechenden Risiko möglich war. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die angebliche Aussage des Beraters R. vielmehr im Lichte der damals als berechtigt anzusehenden Prognose über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts zu sehen. Mit einem Totalausfall war aus damaliger Sicht keineswegs zu rechnen. Die Emittentin der Papiere, die Lehman Brothers Treasury Co. B.V. war ein angesehenes und erfolgreiches amerikanisches Unternehmen. Dass sich dessen Insolvenz im Herbst 2008 als Folge der weltweiten Finanzkrise schon im Juni 2007 abgezeichnet hätte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wiesen die Zertifikate damals ein positives Rating der im Wertpapierhandel maßgeblichen Standardagenturen (etwa Moody's oder Standard & Poor's) auf. Dass hinsichtlich der Bonität der Garantin, der Lehman Brothers Holding Inc., etwas anderes gegolten hätte, ist nicht ersichtlich. Überdies gab der Umstand, dass neben der Emittentin noch die Garantin haften sollte, dem Investment eine gewisse Sicherheit.

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b) Auch eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf etwaige verschwiegene Rückvergütungen ist nicht anzunehmen.

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aa) Die Beklagte hat vorliegend bereits keine aufklärungspflichtigen Rückvergütungen erhalten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, sodass diese ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 338/08, WM 2009, 2306, 2307).

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Die hier in Rede stehende Rückvergütung ist keine im vorstehenden Sinn. Sie ist unstreitig von der Emittentin an die Beklagte geflossen und zwar in Form eines der Beklagten eingeräumten Rabatts auf den von dieser ihrerseits zu leistenden Ausgabepreis. D.h. die Beklagte hat die Zertifikate zu einem günstigeren Preis von der Emittentin erworben und sie teurer weiterverkauft. Es gibt mithin keinen Ansatzpunkt dafür, dass aus den von dem Kläger geleisteten Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren, die er aus seiner Sicht zunächst an die Emittentin geleistet hat, Beträge hinter seinem Rücken an die Beklagte zurückgeflossen sind.

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Dagegen ist die Bank - auch nach der Rechtsprechung des Senats - nicht verpflichtet, im Rahmen einer ordnungsgemäßen anleger- und objektgerechten Beratung über ihren Gewinn bzw. die Gewinnmarge aufzuklären, da es offensichtlich ist, dass die Bank mit Gewinnerzielungsabsicht handelt (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2009 - 3 U 45/09, Umdruck S. 14 f.. vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 29. Juli 2009 - 23 U 76/08, WM 2009, 1563 ff., hier zitiert nach juris Rn. 18 sowie OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2009 - 9 U 187/08, WM 2009, 1410 ff., hier zitiert nach juris Rn. 24). Zwar ist zutreffend, dass der Anleger das Interesse der beratenden Bank am Vertrieb eines Wertpapiers bei Kenntnis der Gewinnmarge besser einschätzen könnte. Die Belange des Kunden werden aber - ohne dass es dieser Offenlegung bedürfte - bereits durch das Erfordernis der anleger und objektgerechten Beratung gewahrt. Die Empfehlung eines überteuerten oder unwirtschaftlichen Produkts wird diesen Anforderungen nicht genügen. Über diese Grenze hinaus ist ein Interesse des Anlegers an der Offenlegung der internen Kalkulation indes nicht anzuerkennen (OLG Düsseldorf, aaO.). Dem steht das Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 (3 U 86/09) nicht entgegen. Dort ging es um eine Aufklärungspflicht für Rückvergütungen, die im Rahmen der Zeichnung eines Medienfonds geflossen sind. Im Übrigen hatte sich die Beklagte der Emittentin gegenüber nicht durch eine Mindestabnahmepflicht o.ä. gebunden, weshalb auch aus diesem Grund ein besonderes Absatzinteresse der Beklagten nicht angenommen werden kann.

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bb) Dass die Beklagte den Ausgabeaufschlag (= Agio) in Höhe von 2 %, mithin einen Betrag von 200 € erhalten würde, ergab sich im Übrigen schon aus der Wertpapiersammelorder vom 15. Juni 2007. Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, dies nicht gewusst zu haben.

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cc) Des Weiteren ist eine "Rückvergütung" in Höhe von 2,2 % in dem Verkaufsprospekt (Anlage B 17, S. 14, Bl. 155 R GA I) offen ausgewiesen. Soweit der Kläger bestritten hat, den Verkaufsprospekt erhalten zu haben, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Hinzu kommt, dass in der Wertpapierorder die Möglichkeit weiterer Vergütungen der Beklagten erwähnt worden ist. All dies kann aber aus obigen Gründen letztlich dahin stehen. Demzufolge kommt es auch auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Berater R. den Kläger ausdrücklich auf die weitere Vergütung in Höhe von 2,2 % des Nominalbetrages des Investments hingewiesen hat oder nicht, nicht an.

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dd) Dafür, dass der Berater R. persönlich eine Provision erhalten hat und damit ein besonderes eigenes Interesse am Verkauf der Papiere hatte, ist der Kläger beweisfällig geblieben.

26

3. Ferner hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass im vorliegenden Fall die Kausalität einer - unterstellten - Pflichtverletzung mit Blick auf geleistete Rückvergütungen nicht festgestellt werden könnte. Die bei Aufklärungspflichtverletzungen an sich bestehende tatsächliche Vermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07) wird durch die hier bestehenden Besonderheiten widerlegt. Denn es ist unstreitig, dass der Kläger schon bei Erwerb der Bonus Express Offensiv Zertifikate im Januar 2007 ausdrücklich auf den neben dem Ausgabeaufschlag an die Beklagte zu zahlenden Betrag aufmerksam gemacht worden ist, was ihn jedoch nicht vom Kauf der Zertifikate abgehalten hat. Warum sich der Kläger im Juni 2007 bei einem ähnlichen Produkt anders hätte verhalten sollen, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass er auch bei früheren Anlageentscheidungen, etwa dem Erwerb des DWS Top Dividende Fonds, einen Ausgabeaufschlag in Höhe von 5 % für die Beklagte akzeptiert hat, obwohl allein aufgrund der Höhe des Ausgabeaufschlags das Verkaufsinteresse der Beklagten für ihn ersichtlich gewesen sein muss. Es ist deshalb anzunehmen, dass er eine darunter liegende Vergütung der Beklagten - wie hier in Höhe von 4,2 % - ebenfalls nicht beanstandet hätte. Warum aus diesem früheren Verhalten des Klägers keine Rückschlüsse für die in Rede stehende Erwerbssituation gezogen können werden sollen, ist nicht ersichtlich. Eine "Vermengung der Erwerbssituationen" liegt darin nicht.

27

Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die Vergütung der Beklagten insgesamt lediglich 420 € betragen hat, wobei der Kläger die Vergütung in Höhe von 200 € unstreitig gekannt hat. Das Eigeninteresse der Beklagten an dem Geschäft dürfte daher ohnehin nicht besonders hoch gewesen sein. Da dem Kläger nach eigenem Vortrag nur der Differenzbetrag in Höhe von 220 € unbekannt war, konnte auch aus seiner Sicht angesichts des geringen Volumens ein gesteigertes Eigeninteresse der Beklagten an dem Geschäft nicht bestehen.

28

III. Der Kläger erhält Gelegenheit, zur beabsichtigten Zurückweisung seines Rechtsmittels binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder auch, insbesondere zur Vermeidung weiterer Gerichtskosten, seine Berufung zurückzunehmen.