Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.03.2010, Az.: 10 UF 48/10

Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Genehmigung der Unterbringung eines Minderjährigen durch einstweilige Anordnung durch das Familiengericht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.03.2010
Aktenzeichen
10 UF 48/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 12551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0324.10UF48.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hanover - 621 F 1189/10 - 5.3.2010

Fundstellen

  • FPR 2010, 6
  • FamRZ 2010, 1844-1845
  • FuR 2010, 351
  • MDR 2010, 935
  • ZKJ 2010, 291-292

Amtlicher Leitsatz

Die familiengerichtliche Unterbringungsgenehmigung betreffend einen Minderjährigen durch einstweilige Anordnung ist mit der Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG anfechtbar (entgegen OLG Koblenz - Beschluss vom 14. Dezember 2009 - 11 UF 766/09 - veröffentlicht bei juris).

Tenor:

1. Es wird festgestellt, daß die zulässige Beschwerde des Verfahrensbeistandes gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 5. März 2010 erledigt ist.

2. Gerichtskosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben, Auslagen werden nicht erstattet (§§ 83 Abs 2, 81 Abs. 1, 167 Abs. 1, 159 Abs. 8 FamFG, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 FamGKG).

Verfahrenswert: 1.500 €

Gründe

1

I. Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 5. März 2010 im Wege einstweiliger Anordnung die vorläufige Unterbringung der minderjährigen Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung - befristet bis längstens zum 26. März 2010 - familiengerichtlich genehmigt. die wegen Gefahr im Verzug zuvor nicht erfolgte persönliche Anhörung der Betroffenen ist in Anwesenheit des bestellten Verfahrensbeistandes am 9. März 2010 nachgeholt worden.

2

Gegen diesen Beschluß hat der Verfahrensbeistand mit am 10. März 2010 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 9. März 2010 Beschwerde eingelegt, die dem Oberlandesgericht vorab per Fax am 11. März 2010 und mit der Akte am 12. März 2010 vorgelegt worden ist.

3

Bereits vor einer Entscheidungsmöglichkeit durch den Senat war die Betroffene am 12. März 2010 aus der geschlossenen Einrichtung entlassen worden. Der Verfahrensbeistand hat daraufhin die Beschwerde für erledigt erklärt.

4

II. Nach Erledigung des Verfahrens durch die Entlassung der Betroffenen aus der geschlossenen Einrichtung und da eine Entscheidung nach § 62 Abs. 1 FamFG nicht beantragt ist, ist gemäß § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden. dabei spricht der Senat - nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage der Vergütung des Verfahrensbeistandes - angesichts der diesbezüglichen widersprüchlichen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung ausdrücklich aus, daß die eingelegte Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig war.

5

Gemäß § 151 Nr. 6 FamFG handelt es sich bei der vorliegenden Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen um eine Kindschaftssache und damit gemäß § 111 Nr. 2 FamFG um eine Familiensache. Daraus wird teilweise hergeleitet, daß § 57 Satz 1 FamFG die Beschwerde gegen eine diesbezüglich im Wege einstweiliger Anordnung ergangene Entscheidung ausschließe (so etwa OLG Koblenz - Beschluß vom 14. Dezember 2009 - 11 UF 766/09 - veröffentlicht bei juris), wobei teilweise auch die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei der Unterbringungsgenehmigung um einen Teilbereich der elterlichen Sorge, so daß nur soweit die Entscheidung auf Grund mündlicher Erörterung ergangen ist die Beschwerde gemäß § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG eröffnet sei (so etwa Bruns, Rechtsmittel gegen einstweilige Anordnung zur Genehmigung der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung eines minderjährigen Kindes?, FamFR 2010, 100).

6

Demgegenüber ist der Senat bereits in mehreren Beschlüssen - wenn auch damals ohne vertiefte Auseinandersetzung insbesondere mit der damals noch nicht veröffentlichten abweichenden Auffassung des OLG Koblenz - davon ausgegangen, daß gegen derartige einstweilige Anordnungen unabhängig von einer mündlichen Erörterung die Beschwerde statthaft sei (Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2009 - 10 UF 252/09 - und vom 22. Dezember 2009 - 10 UF 258/09).

7

Daran hält der Senat ausdrücklich fest: Gegen einstweilige Anordnungen über die Genehmigung der Unterbringung Minderjähriger ist die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG ohne weiteres statthaft:

8

§ 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG erklärt in Verfahren nach § 151 Nr. 6 FamFG ausdrücklich die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 1 geltenden Vorschriften (insgesamt) für anwendbar. in derartigen Unterbringungssachen ist aber auch gegenüber einstweiligen Anordnungen, bei denen es sich nach §§ 38 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG um Endentscheidungen handelt, unmittelbar die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG eröffnet. Das Verständnis, daß die umfassende Verweisung für die Verfahrensvorschriften in § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Geltung der Beschwerdeeröffnung in Unterbringungssachen betreffend Erwachsene auch für die entsprechenden Unterbringungssachen betreffend Minderjährige eröffnet, ist dabei schon aus dem Gesichtspunkt verfassungskonformer Auslegung geboten: Es ist kein nachvollziehbarer tragfähiger Grund dafür ersichtlich oder geltend gemacht worden, bei Minderjährigen in dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG besonders geschützten Bereich der persönlichen Freiheit bei im Übrigen ausdrücklich identischer Regelung des Verfahrens allein aufgrund der formalen Bezeichnung als ´Familiensache´ einen wesentlich geringeren Rechtsschutz zu eröffnen als dies bei Volljährigen der Fall ist.

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Borchers
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