Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.03.2010, Az.: 10 UF 44/10
Vergütung eines berufsmäßigen Verfahrensbeistands
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.03.2010
- Aktenzeichen
- 10 UF 44/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 11677
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0308.10UF44.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - AZ: 603 F 5006/09
Rechtsgrundlagen
- § 158 Abs. 7 FamFG
- § 161 Abs. 1 FamFG
Fundstellen
- FGPrax 2010, 188-189
- FPR 2010, 6
- FamRZ 2010, 1182-1183
- JurBüro 2010, 378-380
- NJW 2010, 2446-2447
- ZKJ 2010, 211-212
Amtlicher Leitsatz
1. Nach § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG erhält der gemäß § 158 Abs. 1 FamFG bestellte Verfahrensbeistand, der die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig führt, als aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für jedes Kind eine Pauschale in Höhe von 350, , auch wenn er für mehrere Kinder in einem Verfahren bestellt ist.
2. Nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG erhöht sich die Pauschale auf 550, für jedes Kind, für das dem Verfahrensbeistand Aufgaben nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFGübertragen worden sind.
3. Das entscheidende Gericht ist nicht gehindert, bei der Festsetzung der Vergütung nach § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFGüber den Antrag des Verfahrensbeistandes hinauszugehen.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Verfahrensbeistand R. P. ist eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.650, € aus der Staatskasse zu zahlen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 07. Oktober 2009 ist der Beschwerdeführer in dem am 2. Oktober 2009 eingeleiteten Verfahren den Kindern J. M., J. M. und J. M. für das Verfahren auf Regelung des Umgangsrechts mit den Kindern zur Wahrnehmung ihrer Interessen als Verfahrensbeistand bestellt worden. Dem Verfahrensbeistand ist gleichzeitig gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG die zusätzliche Aufgabeübertragen worden, Gespräche mit den Eltern zu führen, sowie am Zustandekommen einer einverständlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Es ist festgestellt worden, dass die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt wird.
Mit Schreiben vom 20. November 2009 hat der Beschwerdeführer beantragt, die ihm aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 1.250,€ festzusetzen (für 2 Kinder je eine Fallpauschale in Höhe von 350, €, für ein Kind eine Fallpauschale in Höhe von 550,€).
Dem widersprach die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht H.. Sie ist der Ansicht, dass der Verfahrensbeistand die Fallpauschale trotz des Tätigwerdens für drei Kinder nur einmal (in Höhe von 550,€) erhalten könne.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2010 hat die Rechtspflegerin die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung unter Zurückweisung des weitergehenden Vergütungsantrages auf 550, € festgesetzt.
Dagegen wendet sich der Verfahrenspfleger mit seiner Beschwerde vom 12. Januar 2010, beim Amtsgericht am 14. Januar 2010 eingegangen, soweit sein Vergütungsantrag zurückgewiesen worden ist.
II. Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.
Die dem berufsmäßigen Verfahrensbeistand aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung beträgt 1.650, €. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Gemäß § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG bei berufsmäßiger Führung der Verfahrensbeistandschaft - wie im vorliegenden Fall - in jedem Rechtszug eine einmalige Vergütung in Höhe von 350, €, die sich gemäß § 158 Abs. 7 S. 4 FamFG im Falle der Übertragung von Aufgaben nach Abs. 4 Satz 3 FamFG - wie im vorliegenden Fall - auf 550, € erhöht.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob bei der Bestellung als Verfahrensbeistand für mehrere Kinder in ein und demselben Verfahren die Vergütung nur einmal oder für jedes Kind gesondert anfällt. Die Pauschalierung der Vergütung für berufsmäßig geführte Verfahrensbeistandschaften wurde in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens überraschend durchgesetzt (vgl. Schumann in Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, Band 4 FamFG, 2010, § 158 Rdn. 46 m.w.N.). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls nicht, ob die Fallpauschale für jedes Kind anzusetzen ist.
In der Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - erst eine Entscheidung zu dieser Frage veröffentlicht. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart erhält der bestellte berufsmäßige Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG als aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung bei Bestellung für mehrere Geschwister für jedes Kind die Fallpauschale des § 158 Abs. 2 S. 2 FamFG, weil die Bestellung des Verfahrensbeistandes für das minderjährige Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, erfolge. Dass die Fallpauschale für jedes einzelne Kind anfalle, sei auch deshalb gerechtfertigt, weil auch bei Geschwistern die Interessen nicht identisch sein müssten, sondern die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes festzustellen seien (OLG Stuttgart, 8 WF 14/10, Beschluss vom 21. Januar 2010, zitiert nach juris. so auch Stötzel, Das Familienverfahrensrecht -FamFG, 2009, § 158 Rdn.34. Engelhardt in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009,§ 158 Rdn. 47).
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Gemäß § 158 Abs. 1 FamFG wird der Verfahrensbeistand dem minderjährigen Kind in einer Kindschaftssache bestellt. Er hat gemäß § 158 Abs. 4 S. 1 u. 2 FamFG das Interesse des Kindes festzustellen, im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen und das Kind über Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens zu informieren. Entgegen der Ansicht der Bezirksrevisorin ist das nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, dass ein Rechtsanwalt in einem Verfahren mehrere Mandanten vertritt, ohne deshalb seine Gebühren mehrfach zu verdienen. Einem Rechtsanwalt ist die Vertretung mehrerer Mandanten in einem Verfahren nur dann gestattet, wenn deren Interessen sich nicht widersprechen, denn ansonsten könnte er entweder eine ordnungsgemäße Vertretung aller Mandanten nicht gewährleisten oder er würde Parteiverrat begehen. Anders liegt es beim Verfahrensbeistand. Er hat - bei Bestellung für mehrere Kinder - die Interessen jedes einzelnen Kindes festzustellen und zur Geltung zu bringen, auch wenn diese einander widersprechen. Das bedeutet, dass der Verfahrensbeistand für jedes Kind grundsätzlich in gleichem Umfang tätig werden muss. Er mag eine gewisse Zeitersparnis dadurch haben, dass er mehrere Kinder in einem Haushalt, in Einzelfällen auch gemeinsam - anhören kann. Die wesentliche Arbeit muss der Verfahrensbeistand aber für jedes Kind leisten. Da es sich bei einer Fallpauschale um eine Mischkalkulation ohne jeden Bezug zum tatsächlichen Aufwand des Einzelfalles handelt, kann es nicht darauf ankommen, dass der Verfahrensbeistand durch zufällige Konstellationen im Einzelfall Arbeitserleichterungen hat. Dem entspricht es auch, dass der Gesetzgeber festgelegt hat, dass die Fallpauschale für jede Instanz in gleicher Höhe zu zahlen ist, obwohl im Durchschnitt der Aufwand des Verfahrensbeistandes in der Beschwerdeinstanz geringer sein dürfte als in der ersten Instanz.
Darüber hinaus verbietet es das Gesetz auch nicht, dass bei mehreren in einem Verfahren beteiligten Kindern für jedes Kind ein anderer Verfahrensbeistand bestellt wird. Die Bestellung verschiedener Verfahrensbeistände kann vielmehr sogar geboten sein, wenn die Interessen der Kinder so gegensätzlich sind, dass eine gemeinsame Vertretung nicht vertretbar erscheint.
III. Zu Recht und auch antragsgemäß festgesetzt ist die Vergütung für ein Kind gemäß § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG auf 550, € erhöht worden, weil dem Beschwerdeführer zusätzliche Aufgaben nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFGübertragen worden sind. Da sich die Übertragung dieser Aufgaben aber auch auf jedes einzelne Kind bezieht, ist - unabhängig davon, ob für den Verfahrensbeistand mehrfach Fahrtkosten entstanden sind - konsequenterweise die erhöhte Pauschale für alle drei Kinder, insgesamt also dreimal 550,€ gleich 1.650, € festzusetzen.
Daran ist der Senat auch nicht dadurch gehindert, dass er mit der Festsetzung über den Antrag des Verfahrensbeistandes hinaus geht. Gemäß § 158 Abs. 7 S. 6 FamFG gilt § 168 Abs. 1 FamFG entsprechend. Eine Entscheidung nach § 168 Abs. 1 FamFG kann sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen erfolgen, wenn Ungewissheit über die festzusetzende Vergütung besteht (vgl. Engelhardt in Keidel, FamFG, § 168 Rdn. 8). Wenn aber eine Einleitung von Amts wegen möglich ist, ist das entscheidende Gericht auch nicht daran gehindert, über die vom Verfahrensbeistand selbst veranschlagte Vergütung hinauszugehen, wenn ihm nach dem Gesetz eine höhere Vergütung zusteht und - wie im vorliegenden Fall - davon auszugehen ist, dass auf entsprechenden Hinweis der Antrag entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts erweitert werden würde.
IV. Der Senat hat zwar Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG (vgl. dazu ´Rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vergütungsregelung´, erstattet von Prof. Dr. Christofer Lenz, veröffentlicht im Internet unter www.vak.de). Dennoch ist das vorliegende Verfahren nicht auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen, denn verfassungsrechtliche Bedenken bestehen lediglich insoweit, als die Grundrechte der Verfahrensbeistände betroffen sind (vgl. Lenz aaO.). Die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06. November 2009, 2 BvL 4/07, zitiert nach juris). Eine entscheidungserhebliche Verfassungswidrigkeit könnte aber nur dann vorliegen, wenn der Beschwerdeführer im konkreten Falle durch die zu beanstandende Norm betroffen würde, weil er dadurch geringere Ansprüche gegen die Staatskasse geltend machen könnte (vgl. Beschluss des BVerfG vom 09. Februar 2010, 1 BvL 1/09, Rdn. 125, zitiert nach juris). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall, weil nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer höhere Ansprüche gegen die Staatskasse hätte, wenn § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG nicht anwendbar wären. Denn dann dürfte sich sein Anspruch nach § 277 Abs. 1 FamFG richten, der gemäß § 158 Abs. 7 S. 1 FamFG für den nicht berufsmäßigen Verfahrensbeistand entsprechend gilt. Bei einer Abrechnung nach Stundensätzen ist aber nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer für die Tätigkeit im vorliegenden Verfahren eine höhere Vergütung erhalten würde als vom Senat festgesetzt.
V. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, denn bei der Frage, ob dem Verfahrensbeistand bei der Bestellung für mehrere Kinder in einem Verfahren die Pauschale nach § 158 Abs. 7 FamFG mehrfach zusteht, handelt es sich um eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, dieüber den konkreten Einzelfall hinaus in einer unbestimmten, d.h. quantitativ nicht überschaubaren Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, weil ihre Beantwortung ausweislich des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts zweifelhaft ist und zu ihr - wie die von der Bezirksrevisorin zitierte Literatur zeigt - unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.