Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.07.2006, Az.: 12 LB 116/06
Absehen von einer straßenrechtlichen Einziehung trotz Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen bei Annahme eines atypischen Falls; Städtebauliche Gründe als Gründe des öffentlichen Wohls i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 2. Alt. Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG); Berücksichtigung der von einer Einziehung berührten privaten Interessen; Vorliegen einer zulässigen Ergänzung der Ermessensbegründung bei nachträglicher abwägender Stellungnahme zu Besonderheiten des Falles; Entwidmung einer unter dem Zentrum eines Stadtgebietes unterirdisch angelegten Fußgänger-Passage; Verlust der Verkehrsbedeutung einer unterirdischen Passage durch Einrichtung einer oberirdischen Fußgängerquerung; Einräumung einer Sondernutzung bürgerlichen Rechts; Klagerecht der Anlieger einer einzuziehenden Straße gegen eine straßenrechtliche Einziehungsverfügung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.07.2006
- Aktenzeichen
- 12 LB 116/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 24609
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0718.12LB116.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 19.09.2007 - AZ: BVerwG 9 B 22.06
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- NVwZ-RR 2007, 147-152 (Volltext mit amtl. LS)
- Nds.MBl 2008, 117
- NdsVBl 2007, 73-78
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Nach der Sollvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG ist bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die straßenrechtliche Einziehung regelmäßig vorzunehmen. Ein Spielraum für eine abweichende Entscheidung im Ermessenswege besteht nur dann, wenn - gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar - ein atypischer Fall gegeben ist.
- 2.
Städtebauliche Gründe zählen zu den Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. NStrG.
- 3.
Die tatbeständliche Einziehungsvoraussetzung der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls nach § 8 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. NStrG erfordert nur eine Gewichtung der betroffenen öffentlichen Belange, während die von der Einziehung berührten privaten Interessen auf der Rechtsfolgenseite der Sollvorschrift - insbesondere bei der Frage nach dem Vorliegen eines atypischen Falles - zu berücksichtigen sind.
- 4.
In den Fällen einer Sollvorschrift ist auch dann noch eine nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung der Ermessensbegründung gegeben, wenn die Behörde im Hinblick auf einen zunächst nur unvollständig begründeten Verwaltungsakt, der die regelmäßig vorgesehene Rechtsfolge ausspricht, nachträglich zu Besonderheiten des Falles abwägend Stellung nimmt.
Tatbestand
Die Beteiligten - die Klägerin zu 2. ist im zweiten Rechtszug nicht mehr am Verfahren beteiligt - streiten über die Rechtmäßigkeit der von dem Rat der Beklagten beschlossenen Einziehung (Entwidmung) des größten Teils der unter dem H. im Zentrum des Stadtgebietes der Beklagten unterirdisch angelegten Fußgänger-Passage (H. passage).
Der erste Teil des ca. 3,8 m unter der Geländeoberfläche gelegenen Baukörpers der H. passage wurde in den 1960er Jahren zwischen der I. Straße im Norden und der J. straße im Süden hergestellt. Ende der 1970er Jahre wurde die Passage in nord-östlicher Richtung bis zum K. wall erweitert. Die H. passage wies danach eine Länge von ca. 100 Metern (in west-östlicher Richtung) und eine Breite von ca. 20 Metern (in nord-südlicher Richtung) auf. Die Passage ermöglichte Fußgängern eine flexible Querung des L. und wurde durch eine Vielzahl von in ihr eingerichteten kleineren Verkaufsstätten gewerblich genutzt. Sie wurde von der Beigeladenen namens und im Auftrag der Beklagten verwaltet.
Die Klägerin zu 1. (im Folgenden: Klägerin) ist Eigentümerin der beiden als Kaufhäuser genutzten, an der nord-westlichen bzw. nord-östlichen Ecke des L. gelegenen und auch von der H. passage her unterirdisch zugänglichen Immobilien H. 7 (M.) und H. 3 (Sportarena).
Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin und die Beklagte schlossen zur Regelung der Zugänglichkeit der Geschäftshäuser H. 7 und H. 3 von der H. passage her mehrere Vereinbarungen. Über den Verlauf der zuvor geführten Verhandlungen liegen diverse Unterlagen vor. Mit Vertrag vom 10. Juni 1970 gestattete die Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Unterkellerung des L. zwischen N. Straße und O. straße zum Zweck der Errichtung einer Anschlusspassage für Fußgänger zwischen der H. passage und dem seinerzeit bereits bestehenden Kaufhaus H. 7 in einer Länge von ca. 17 Metern und einer Breite von ca. 7,15 Metern. Die Beklagte erlaubte die Herstellung der Anschlusspassage mit eingebauten Schauvitrinen im öffentlichen Verkehrsraum und den Gebrauch derselben als Sondernutzung für 40 Jahre. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgeltes in Höhe von 4.000,- DM. Dieses Entgelt war bis zu einem Höchstbetrag von 160.000,- DM von den Kosten in Abzug zu bringen, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin nach dem Vertrag für die Umgestaltung eines Zuganges zur H. passage inklusive des Einbaus einer Rolltreppe zu tragen hatte.
Zu diesem Vertrag schlossen die Klägerin und die Beklagte unter dem 15./30. April 1991 einen Nachtragsvertrag. Durch diesen wurde das Vertragsverhältnis bis zum 9. Juni 2020 verlängert. Für die Zeit von Juni 2010 bis Juni 2020 wurde hinsichtlich der Anschlusspassage zum Geschäftshaus H. 7 vereinbart, dass nur für die beiden äußeren Drittel der insgesamt 112,47 qm großen Sondernutzungsfläche ein Nutzungsentgelt zu zahlen sei, da es sich bei dem mittleren Drittel um eine reine Verkehrsfläche handele. Das Gesamtnutzungsentgelt wurde in Höhe von 125.594,04 DM - zahlbar bis zum 31. Dezember 1991 an die Beklagte - kapitalisiert.
Das Grundstück H. 3 erwarb eine Aufbaugemeinschaft, der die Rechtsvorgängerin der Klägerin angehörte, im Jahr 1972 von der Beklagten. In dem notariellen Kaufvertrag vom 10. April 1972 heißt es, die Beklagte sei bereit, einen Anschluss des neu zu errichtenden Geschäftshauses an die H. passage zu gestatten, wenn zu gegebener Zeit über den Anschluss und die finanzielle Beteiligung der Aufbaugemeinschaft am Bau (wohl: der Erweiterung) der H. passage Einvernehmen erzielt werde.
Unter dem 10./27. April 1973 schlossen die Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 und die Beklagte einen ersten Gestattungsvertrag. In dieser Vereinbarung ist niedergelegt, die Aufbaugemeinschaft beabsichtige, das zu errichtende Geschäftshaus später an die H. passage anzuschließen, sofern diese von der Beklagten bis an das Baugrundstück erweitert werde. Die Aufbaugemeinschaft wolle schon bei Errichtung ihres Geschäftshauses ein Schachtbauwerk für die künftigen Rollsteige im öffentlichen Verkehrsraum unter dem Bürgersteig vor dem Geschäftshaus mit herstellen. Die Beklagte gestatte dies gegen Mietzinszahlung. Die Beklagte gestattete überdies, dass die Schaufensteranlage des Geschäftshauses für die Dauer von drei Jahren bis zur Grundstücksgrenze am H. vorgezogen werden könne, die Kosten einer späteren Zurücksetzung habe die Aufbaugemeinschaft zu tragen. Die Beteiligten kamen im Übrigen überein, dass dann, wenn die H. passage derart erweitert werde, dass das Geschäftshaus H. 3 an diese unmittelbar angeschlossen werden könne, die Beklagte die Aufbaugemeinschaft an den für die Herstellung des Anschlusses und der Passagenerweiterung aufgewandten Kosten nach Maßgabe einer noch zu schließenden Vereinbarung beteiligen werde, wobei die von der Aufbaugemeinschaft für die Herstellung des Schachtbauwerkes verausgabten Kosten berücksichtigt würden.
Nach entsprechenden in der Folgezeit geführten Verhandlungen bestätigte die Aufbaugemeinschaft unter dem 4. September 1975 dem Geschäftsführer der Beigeladenen, sie werde sich an der Erweiterung der H. passage finanziell mit 700.000,- DM unter der Voraussetzung beteiligen, dass ihre baulichen und wirtschaftlichen Interessen in vollem Umfang berücksichtigt würden. Diese Interessen erforderten u. a. den endgültigen Verzicht der Beklagten auf den Einbau von Arkaden im Geschäftshaus H. 3, die Genehmigung des jetzigen Verlaufs der Schaufensterfronten, den Anschluss des Untergeschosses an die H. passage für Passantenverkehr sowie eine Einigung über die anstehenden Vermietungen von Ausstellungs- und Verkaufsflächen in der H. passage, die teilweise auch das Geschäftshaus H. 7 beträfen.
Mit Schreiben vom 7. September 1976 sicherte die Beklagte der Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 zu, diese könne das Gebäude nach Fertigstellung der Erweiterung der H. passage und nach Abrechnung der Maßnahme mit den öffentlichen Zuschussgebern an die Passage anschließen. Für das Anschlussrecht sei ein einmaliger, am 31. Dezember 1978 fälliger Betrag in Höhe von 200.000,00 DM zu zahlen. Ein auf diesem Schreiben befindlicher bestätigender Vermerk der für die Aufbaugemeinschaft Handlungsberechtigten ist der Beklagten nach Aktenlage nicht in unterschriebener Form zugegangen. Die Klägerin erkannte mit Schreiben vom 10. September 1976 den Inhalt des Schreibens vom 7. September 1976 als rechtsverbindlich mit der Einschränkung an, dass der zu zahlende Betrag zehn Tage nach dem Anschluss fällig werde, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1978.
Unter dem 14. September 1976 schlossen die Beklagte und die Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 einen zweiten Gestattungsvertrag, der den ersten Vertrag vom 10./27. April 1973 ersetzte. Danach überließ die Beklagte das von der Aufbaugemeinschaft auf städtischem Grund errichtete Schachtbauwerk, das für Zwecke der H. passage nicht mehr benötigt wurde, der Klägerin zur langfristigen und bis zum Jahr 2020 kostenfreien Nutzung. Weiterhin sollte die Aufbaugemeinschaft die vorübergehend in die öffentliche Verkehrsfläche vorgezogene Schaufensteranlage des Hauses H. 3 dort auf Dauer unverändert belassen können. Zu diesem Zweck sei die Planung der H. passage auf Kosten der Beklagten geändert worden. Die Aufbaugemeinschaft verpflichtete sich, einen Betrag in Höhe von 500.000,- DM an die Beklagte als Aufwendungsersatz zu zahlen.
Die Bauarbeiten für die Erweiterung der H. passage waren im Herbst des Jahres 1977 abgeschlossen. Der Anschluss des Hauses H. 3 an die erweiterte Passage erfolgte im Jahr 1979. Obwohl die H. passage in ihrem nicht durch geschäftliche Nutzungen belegten Teil von Anfang an tatsächlich dem Fußgängerverkehr zur Verfügung stand, nahm die Beklagte eine entsprechende straßenrechtliche Widmung für die Passage einschließlich ihrer Zu- und Abgänge erst mit Beschluss ihres Rates vom 14. Dezember 1993 mit Wirkung ab dem Tag der Bekanntmachung, dem 8. Februar 1994, vor.
Im Jahr 2004 gelangte die Beklagte zu der Einschätzung, dass nach der im Jahr zuvor erfolgten Einrichtung einer oberirdischen Fußgängerquerung des L. in Süd-Nord-Richtung und bei ihrer Ansicht nach ausreichenden Wegeverbindungen in Ost-West-Richtung der größte Teil der unterirdischen H. passage seine Verkehrsbedeutung verloren habe. Etwas anderes gelte nur für einen Bereich im Osten der Passage zwischen dem Zugang "Sportarena" im Norden und dem Ausgang "Landgericht" im Süden. Nach vorheriger Bekanntgabe der entsprechenden Absicht zog die Beklagte durch Beschluss ihres Rates vom 7. Dezember 2004, veröffentlicht am 24. Januar 2005, die H. passage mit Ausnahme des oben bezeichneten Bereiches in ihrem östlichen Teil auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 NStrG als öffentliche Verkehrsfläche ein. Dabei sah der Rat der Beklagten Anliegerrechte der Klägerin zwar insoweit betroffen, als das bisher über eine Anschlusspassage auch unterirdisch mit öffentlich gewidmeter Fläche verbundene Geschäftshaus H. 7 nach der Einziehung nur noch oberirdisch an eine öffentliche Straße angeschlossen sei. Durch diese Veränderung werde jedoch der grundrechtlich geschützte Kern des Anliegergebrauchs der Klägerin nicht betroffen. Der Rat der Beklagten beschloss weiterhin, dass die Umgestaltung der H. passage derart erfolgen solle, dass deren Mittelteil geschlossen, der Durchgang im Westen mit den dortigen Geschäften aufgewertet und der Durchgang im Osten bestehen bleiben solle; ein oberirdischer Pavillion solle abgerissen werden.
Unter dem 25./26. April 2005 schlossen die Beklagte und die Beigeladene einen Nutzungsüberlassungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag über die umzugestaltende H. passage. Die Vereinbarung sieht die Verpflichtung der Beigeladenen zur baulichen Umgestaltung der Passage entsprechend einem abgestimmten Konzept und - nach Durchführung des Umbaues - zur einheitlichen Verwaltung und Bewirtschaftung vor. Dabei handelt die Beigeladene jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, soweit die gewerbliche Nutzung betroffen ist. Im Hinblick auf den hoheitlichen Bereich wird sie namens und im Auftrag der Beklagten tätig. Zur Beachtung der zwischen der Beklagten und der Klägerin bestehenden Vereinbarungen ist die Beigeladene verpflichtet.
Unter dem 10. Dezember 2004 erteilte die Beklagte der Beigeladenen eine erste Baugenehmigung zur Umgestaltung der H. passage, die bei einer Vergrößerung der Ladenflächen zu Lasten der Wegeflächen noch die Möglichkeit einer fußläufigen Durchquerung der H. passage in alle Richtungen vorsah. In der Folgezeit passte die Beigeladene ihren Bauantrag der von dem Rat der Beklagten beschlossenen Gestaltungslösung an. Die Beklagte erteilte ihr unter dem 6. Juni 2005 eine Nachtragsbaugenehmigung, wonach die H. passage durch eine in nord-südlicher Richtung verlaufende massive Brandwand in zwei etwa gleich große separate Teile unterteilt wird. Dabei sind in dem westlichen Teil, in den die Anschlusspassage zum Haus H. 7 mündet, insgesamt sieben Läden vorhanden. Der größte Teil der östlichen Hälfte der Passage wird unzugänglich und bleibt ungenutzt, er erstreckt sich von der genannten Brandwand im Westen bis zur Rückwand zweier Läden im Osten, die von dem weiterhin dem öffentlichen Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Durchgang zwischen dem Zugang "Sportarena" (Haus H. 3) und dem K. wall erschlossen werden.
Die Klägerin hat gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung am 19. September 2005 Widerspruch eingelegt. Dieser Rechtsbehelf, dem nach § 212a Abs. 1 BauGB eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt, ist noch nicht beschieden worden. Die bauliche Umgestaltung des westlichen Teils der H. passage mitsamt der Abtrennung von ihrem östlichen Teil ist im Herbst des Jahres 2005 vollendet, die neu eingerichteten Läden sind am 17. November 2005 eröffnet worden.
Am 16. Februar 2005 hat die Klägerin (zusammen mit der im zweiten Rechtszug nicht mehr am Verfahren beteiligten Frau P., der Ehefrau des verstorbenen Herrn Q., als Klägerin zu 2.) Anfechtungsklage gegen die Einziehungsverfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 erhoben.
Die Klägerin hat zur Begründung der Klage geltend gemacht, aus den Verträgen, die sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin mit der Beklagten geschlossen habe, ergäben sich für sie öffentlich-rechtliche Sondernutzungsrechte für den Anschluss ihrer Geschäftshäuser an die H. passage und für Werbung im öffentlichen Verkehrsraum, insbesondere im Hinblick auf die Anschlusspassage zum Haus H. 7. Auch habe die Geschäftsgrundlage für ihre erheblichen finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage darin bestanden, dass die Passage als Einkaufszeile mit einer Vielzahl verschiedener Einzelhandelsgeschäfte habe ausgebildet und eine unterirdische Verbindung zwischen den Kaufhäusern H. 7 und H. 3 habe geschaffen werden sollen. Alles dies vereitele die Beklagte durch die verfügte Einziehung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Verfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, der Rechtsvorgängerin der Klägerin sei durch den Vertrag vom 10. Juni 1970 lediglich ein Recht auf Anschluss des Hauses H. 7 an die vorhandene H. passage eingeräumt worden, das auch zukünftig bestehen bleibe. Die gestattete Sondernutzung habe sich nicht auf den Anschluss an eine öffentlich gewidmete Fläche, sondern nur auf die Unterkellerung einer solchen bezogen. Für den Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage habe es der Einräumung eines Sondernutzungsrechtes schon deshalb nicht bedurft, weil hierfür eine öffentlich gewidmete Fläche nicht habe in Anspruch genommen werden müssen. Im Übrigen lasse sich aus dem für das Haus H. 3 gewährten Anschlussrecht die Garantie einer unterirdischen Querverbindung zu dem Haus H. 7 nicht ableiten.
Die Beigeladene war im ersten Rechtszug noch nicht am Verfahren beteiligt.
Mit Urteil vom 13. September 2005 hat das Verwaltungsgericht die als unzulässig erachtete Klage der vormaligen Klägerin zu 2. abgewiesen und auf die Klage der Klägerin die Einziehungsverfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 aufgehoben. Die Verfügung werde durch die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG nicht getragen und die Klägerin werde durch sie in ihren Rechten verletzt, weil sie sich auch auf die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin auf der Grundlage des Vertrages vom 10. Juni 1970 erstellte Anschlusspassage zu dem Haus H. 7 und die in diesem Bereich aufgestellten Vitrinen und Schaukästen beziehe. Zwar sei der Tatbestand der Einziehungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG erfüllt. Die Anschlusspassage sei als Zugang zur H. passage durch die Widmungsverfügung der Beklagten vom 14. Dezember 1993 erfasst worden und damit wie der Rest der H. passage zur öffentlichen Straße geworden. Entsprechend hätten die Beteiligten - wie die Regelungen des Nachtragsvertrages vom 15./30. April 1991 erwiesen - die Anschlusspassage als öffentlich zugängliche Verkehrsfläche behandelt und bezöge sich die Einziehungsverfügung vom 24. Januar 2005 als actus contrarius der Widmung auch auf den Bereich der Anschlusspassage. Weiterhin sei die Verkehrsbedeutung der H. passage infolge der Einrichtung einer oberirdischen Fußgängerquerung des L. im eingezogenen Umfang entbehrlich geworden. Jedoch sei der Beklagten auf der Rechtsfolgenseite der Norm trotz deren Ausgestaltung als Sollvorschrift Ermessen eröffnet worden, das nicht im Sinne einer regelmäßig vorzunehmenden Einziehung gebunden gewesen sei, weil im Hinblick auf die Klägerin ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Denn der Klägerin stünden auf Grund der Verträge vom 10. Juni 1970 und 15./30. April 1991 im Hinblick auf die Anschlusspassage zum Haus H. 7 Sondernutzungsrechte zu. Diese zunächst in privatrechtlicher Form begründeten Rechte seien spätestens mit der straßenrechtlichen Widmung der H. passage am 14. Dezember 1993 zu - auf Zeit eingeräumten - Sondernutzungen im straßenrechtlichen Sinne erstarkt. Sie seien entsprechend der in § 8 Abs. 4 NStrG für widerrufliche Sondernutzungen getroffenen Regelung in ihrer Existenz an die straßenrechtliche Widmung gebunden. Weil sie diesen Rechten der Klägerin bei ihrer Einziehungsentscheidung nicht Rechnung getragen habe, habe die Beklagte ihr Einziehungsermessen fehlerhaft ausgeübt. Der Rat der Beklagten sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die Einziehung nicht in ihrem grundrechtlich geschützten Anliegergebrauch beeinträchtigt werde, da ihre Geschäftshäuser weiterhin - oberirdisch - von einer öffentlichen Straße aus zugänglich seien. Jedoch habe der Rat weder die subjektiv-öffentlichen Rechte berücksichtigt, die zu Gunsten der Klägerin durch die Verträge vom 10. Juni 1970 und 15./30. April 1991 begründet worden seien, noch die erheblichen Investitionen, die die Klägerin im Hinblick auf die auf Dauer erteilten Sondernutzungserlaubnisse getätigt und die Sondernutzungsgebühren, die sie im voraus entrichtet habe.
Nach Ergehen des verwaltungsgerichtlichen Urteils hat die Klägerin am 16. September 2005 bei dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die von der Beklagten im Juni 2005 angeordnete sofortige Vollziehung des Einziehungsbescheides vom 24. Januar 2005 gestellt. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2005 (Az.: 1 B 49/05) hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Einziehungsverfügung der Beklagten wiederhergestellt und der Beklagten aufgegeben, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache eine mindestens zwei Meter breite, dem Fußgängerverkehr zugängliche Verbindung zwischen den Teilpassagen "Sportarena-K. wall" und "J. straße-N. Straße" zu gewährleisten. Dabei hat das Verwaltungsgericht die Maßgabe des vorläufigen Offenhaltens einer Verbindung zwischen den beiden Teilen der H. passage auf Grund der Einschätzung angeordnet, im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes könne es jedenfalls nicht von vornherein als abwegig abgetan werden, dass die Gewährleistung einer unterirdischen Verbindung zwischen den beiden Geschäftshäusern H. 7 und H. 3 zur Geschäftsgrundlage der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen geworden sei. In dem Verfahren über die von der Beklagten bei dem Senat anhängig gemachte Beschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss (Az.: 12 ME 467/05) hat der Berichterstatter des Senats am 29. März 2006 vor Ort einen Erörterungs- und Beweistermin durchgeführt. Im Anschluss daran haben die Klägerin und die Beklagte das Eilverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss des Senats vom 2. Mai 2006 ist die Unwirksamkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2005 festgestellt und das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingestellt worden.
Auf den frist- und formgerecht gestellten Berufungszulassungsantrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 31. März 2006 (Az.: 12 LA 466/05) die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2005 wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen.
Nach Anhängigkeit des Verfahrens im zweiten Rechtszug hat der Rat der Beklagten mit Beschluss vom 8. November 2005 seine Einziehungsentscheidung vom 7. Dezember 2004 nach einer Abwägung der für die Entwidmung von Teilflächen der H. passage sprechenden öffentlichen Belange mit den Rechten der Klägerin bestätigt und das Vorliegen eines atypischen Falles, der es rechtfertige, von der Einziehung abzusehen, verneint. Ausweislich der Beschlussvorlage vom 3. November 2005 hat der Rat dabei Folgendes erwogen:
In dem Vertrag vom 10. Juni 1970 sei der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Hinblick auf die gestattete Herstellung der Anschlusspassage kein öffentlich-rechtliches Sondernutzungsrecht, sondern eine Sondernutzung bürgerlichen Rechts im Sinne des § 23 NStrG eingeräumt worden. Der Bezugspunkt des Sondernutzungsrechtes sei nicht die unterirdische H. passage, sondern der oberirdisch für den öffentlichen Verkehr gewidmete H. gewesen. Wegen der oberirdisch bestehenden Widmung habe die unterirdische Inanspruchnahme des Straßengrundstückes der privatrechtlichen Gestattung bedurft. Dieses privatrechtliche Recht habe sich ausschließlich auf die Fläche der Anschlusspassage und nicht auf die H. passage im Übrigen bezogen. Die private Berechtigung sei weder durch die im Jahre 1994 erfolgte Widmung der H. passage, noch durch die am Anfang des Jahres 2005 erfolgte Entwidmung von Teilen dieser Passage berührt worden. Die Anschlusspassage sei von der Widmungsentscheidung gar nicht erfasst worden. Sie habe von jeher eine Privateinrichtung der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin dargestellt. An ihr habe zu keiner Zeit ein straßenrechtlicher Gemeingebrauch bestanden. Entsprechend sei die Anschlusspassage außerhalb der Geschäftszeiten des Hauses H. 7 stets geschlossen gehalten worden. Die Beklagte habe für sie auch nicht die Straßenbaulast getragen. Auch nach der verfügten Einziehung sei die Klägerin berechtigt, das privatrechtliche Straßeneigentum der Beklagten für den Gebrauch der Anschlusspassage und für die eingebauten Schauvitrinen in Anspruch zu nehmen. Die Anschlusspassage grenze nach wie vor an die H. passage an. Ein Recht der Verbindung mit einer öffentlich-rechtlich gewidmeten H. passage habe niemals bestanden. Dass die H. passage nach ihrer Umgestaltung außerhalb der Geschäftszeiten nicht mehr zugänglich sei, beeinträchtige die Klägerin nicht, da sie selbst seit jeher die Anschlusspassage außerhalb ihrer Geschäftszeiten schließe.
Weiterhin könne nicht angenommen werden, dass die Herstellung bzw. der Erhalt einer unterirdischen Verbindung der beiden Geschäftshäuser H. 7 und H. 3 zur Geschäftsgrundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten geworden sei. Denn zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung hinsichtlich des Hauses H. 7 habe die Erweiterung der H. passage bzw. der Bau des Geschäftshauses H. 3 überhaupt noch nicht zur Debatte gestanden. Auch werde die Möglichkeit einer unterirdischen Verbindung zwischen den beiden Geschäftshäusern in keinem der anderen geschlossenen Verträge erwähnt, es könne allenfalls eine entsprechende einseitige Erwartung der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin bestanden haben. Darüber hinaus habe es sich für die Beklagte ersichtlich verboten, sich in ihrer Stadtentwicklungspolitik durch die Einräumung langfristiger strikter Berechtigungen vollständig zu binden. Letztlich könne auch die finanzielle Beteiligung der Klägerin an den Kosten der Erweiterung der H. passage im Zusammenhang mit der Errichtung des Hauses H. 3 nicht als Indiz für das Bestehen einer Geschäftsgrundlage in Form der unterirdischen Verbindung der Häuser H. 7 und 3 durch die H. passage gewertet werden. Die Zahlungen seien seinerzeit nur deshalb erfolgt, weil die Beklagte eine von der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin gewünschte Ausbauvariante ins Werk gesetzt habe, die mit erheblichen Mehrkosten für die Beklagte und mit großen wirtschaftlichen Vorteilen für die Klägerin - etwa in Form der Überlassung des für die H. passage nicht mehr benötigten Schachtbauwerkes und des Erhalts der vorgezogenen Schaufensterfläche des Hauses H. 3 - verbunden gewesen sei.
Selbst wenn man jedoch der von dem Verwaltungsgericht in den Gründen seines Urteils vom 13. September 2005 vertretenen Einschätzung folge, dass die Berechtigung der Klägerin im Hinblick auf die Anschlusspassage zum Haus H. 7 mit der Widmungsentscheidung des Jahres 1994 zu einem öffentlich-rechtlichen Sondernutzungsrecht erstarkt sei, bedeute dies nicht, dass die ausgesprochene Entwidmung des größten Teils der H. passage nicht möglich sei. Vielmehr sei dieses Recht der Klägerin dann mit dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin an der Entwidmung abzuwägen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass sich lediglich die Rechtsqualität des Nutzungsrechtes der Klägerin von einem - angenommenen - öffentlich-rechtlichen Sondernutzungsrecht in eine privat-rechtliche Gestattung umwandle. Rein tatsächlich bleibe die Benutzbarkeit der Anschlusspassage und deren Anbindung an den auch weiterhin - während der allgemeinen Geschäftszeiten - begehbaren westlichen Teil der H. passage erhalten. Bei dieser Sachlage gebühre dem öffentlichen Interesse an der verfügten Entwidmung der H. passage der Vorrang. Deren Umgestaltung sei aus städtebaulichen Gründen zwingend erforderlich. Nur durch eine gestalterische Aufwertung der H. passage durch ein neues Geschäftskonzept, das die Inanspruchnahme von bisher dem Fußgängerverkehr gewidmeten Flächen erfordere, sei es möglich, die Attraktivität des L. und seines Umfeldes sicherzustellen. Das neue Gestaltungskonzept bringe es überdies mit sich, dass bestimmte Bereiche der H. passage nachts abschließbar seien und führe so zu einer Verbesserung der Sicherheitslage. An der derart vorzunehmenden Gewichtung ändere auch der Umstand nichts, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin erhebliche Investitionen im Hinblick auf die Dauer der erteilten Sondernutzungserlaubnisse getätigt und Nutzungsentgelte im voraus entrichtet hätten. Diese Aufwendungen hätten ihren Sinn nicht verloren, da die der Klägerin zustehenden Nutzungsmöglichkeiten der Anschlusspassage - wenngleich auf anderer Rechtsgrundlage - weiterhin gegeben seien.
Selbst wenn man noch weitergehend die Auffassung vertreten wolle, dass die ungehinderte Durchgängigkeit der H. passage zwischen den Häusern H. 7 und H. 3 zur Geschäftsgrundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten geworden sei, ändere dies nichts daran, dass dem öffentlichen Interesse an der Entwidmung des in Rede stehenden Teils der H. passage der Vorrang vor den Interessen der Klägerin gebühre. Denn in diesem Falle könne die Beeinträchtigung von Rechten der Klägerin durch das Zahlen einer Entschädigung ausgeglichen werden, wobei allerdings die Summe der von der Klägerin geleisteten Zahlungen, die durch die Einziehung tatsächlich entwertet worden seien, nicht hoch sei.
Diese Erwägungen, die dem Beschluss ihres Rates vom 8. November 2005 zugrunde gelegen haben, wiederholt und vertieft die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung. Abgesehen davon, dass durch die teilweise Einziehung der H. passage Rechte der Klägerin nicht verletzt würden, habe jedenfalls der Rat die möglichen Berechtigungen der Klägerin mit dem öffentlichen Interesse an der verfügten Einziehung im Rahmen seines Beschlusses vom 8. November 2005 abgewogen. Insoweit handele es sich um eine nach § 114 Satz 2 VwGO zu berücksichtigende ergänzende Ermessensausübung. Denn der Rat habe bereits in seiner ursprünglichen Entscheidung vom 7. Dezember 2004 Ermessen ausgeübt und eine Abwägung öffentlicher Interessen mit privaten Belangen in Form der allgemeinen Anliegerrechte vorgenommen. Er habe seinerzeit lediglich die der Klägerin vertraglich eingeräumten Rechtspositionen nicht in die Abwägung eingestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. September 2005, soweit dieses die Einziehungsverfügung vom 24. Januar 2005 auf die Klage der Klägerin aufgehoben hat, zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet, dass die Verkehrsbedeutung der H. passage für den den H. in West-Ost-Richtung passierenden bzw. auf den dortigen zweigeteilten Busbahnhof ausgerichteten Fußgängerverkehr entfallen sei. Auch sprächen nicht überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für eine Umgestaltung der H. passage, denn die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Einziehungsverfügung über kein geschlossenes städtebauliches Konzept für die Umgestaltung des gesamten Bereiches des L. verfügt, sondern nähere sich einem solchen erst in Gestalt des Beschlusses ihres Rates vom 13. Juni 2006 über die Aufstellung eines Bebauungsplans für diesen Bereich. Die Klägerin verteidigt im Übrigen das verwaltungsgerichtliche Urteil im Hinblick auf die Annahme, ihr stehe für den Bereich der Anschlusspassage zum Haus H. 7 seit der im Jahr 1994 erfolgten Widmung der H. passage ein öffentlich-rechtliches Sondernutzungsrecht zu. Sie vertritt weiterhin unter Verweis auf ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten vom 22. Februar 2006 die Ansicht, aus einer Gesamtschau des Schreibens der Beklagten vom 7. September 1976, ihres eigenen Schreibens vom 10. September 1976 und des zweiten Gestattungsvertrages vom 14. September 1976 ergebe sich, dass sie und die Beklagte einen zivilrechtlichen Vertrag über den Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage geschlossen hätten. Dabei umfasse das vereinbarte Anschlussrecht nach dem Sinn, der den seinerzeitigen Erklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont beizumessen sei, den Anspruch auf die Erhaltung der H. passage in ihrer ursprünglichen Ausdehnung und Ausstattung und damit einer unterirdischen Verbindung zwischen ihren Häusern H. 7 und H. 3. Bereits aus dem in dem Schreiben der Beklagten vom 7. September 1976 verwandten Begriff der Tunnelerweiterung ergebe sich zwanglos, dass die Gewährleistung der unterirdischen Querungsmöglichkeit zwischen den Häusern H. 7 und H. 3 zum Vertragsinhalt und damit zur Vertragspflicht der Beklagten geworden sei. Der nach der Einziehungsverfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 als zum öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche bestehen gebliebene Restteil im Osten der ehemaligen H. passage stelle sich demgegenüber als eine separate Unterführung zwischen dem Gebäude H. 3 und dem Ausgang "Landgericht" und mithin als ein völlig anderes Bauwerk dar. Beziehe man - wie dies erforderlich sei - den Ablauf der jahrelangen intensiven Verhandlungen zwischen ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten in die Betrachtung ein, liege es gleichsam auf der Hand, dass sie den seinerzeitigen Baukostenzuschuss in Höhe von 700.000,- DM nicht nur für den bloßen Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage als einer irgendwie gearteten Unterführung, sondern für die Herstellung und die Erhaltung einer attraktiv gestalteten Querungsmöglichkeit zwischen den beiden Geschäftshäusern H. 7 und H. 3 als eines wertbildenden und verkaufsfördernden Faktors geleistet habe. Insbesondere dem Schreiben der Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 vom 4. September 1975 lasse sich entnehmen, dass die Aufbaugemeinschaft ihre große finanzielle Beteiligung von einer Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen abhängig gemacht habe, wobei es um die in der Passage einzurichtenden Ausstellungs- und Verkaufsflächen, den Passantenverkehr zum Untergeschoss des Hauses H. 3, aber auch um die Interessen des Hauses H. 7 gegangen sei. Die derart beschriebene Zweckgebundenheit des für die Erweiterung der H. passage geleisteten Baukostenzuschusses habe nicht ein nur einseitiges Motiv für sie und ihre Rechtsvorgängerin bzw. die seinerzeitige Aufbaugemeinschaft dargestellt, vielmehr sei diese Intention der Beklagten auf Grund der jahrelangen kooperativen Zusammenarbeit bekannt gewesen. Die Gewährleistung der Querungsmöglichkeit durch die Geschäftswelt der H. passage sei zur Geschäftsgrundlage der geschlossenen Verträge geworden. Die Klägerin meint schließlich, dass die von dem Rat der Beklagten unter dem 8. November 2005 nachträglich angestellten Ermessenserwägungen nicht in das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingeführt werden könnten, da die hierfür nach § 114 Satz 2 VwGO geltenden Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2006 zwei förmliche Beweisanträge der Klägerin durch einen mit Gründen versehenen Beschluss abgelehnt. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie zu dem abgeschlossenen Verfahren des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes (Az. des Verwaltungsgerichts: 1 B 49/05; Az. des Senats: 12 ME 467/05) sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Die Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen.
Entscheidungsgründe
Die nach Zulassung durch den Senat gemäß § 124 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Einziehungsbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2005 auf die Klage der Klägerin zu Unrecht aufgehoben. Zwar ist die von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage zulässig, sie ist aber unbegründet, denn die mit ihr angefochtene Einziehungsverfügung ist entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach dem Vortrag der Klägerin ist die - für die Annahme der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis ausreichende - Möglichkeit gegeben, dass sie durch die angefochtene Einziehungsverfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 in den von ihr beanspruchten Rechten im Hinblick auf die Anschlusspassage zu dem Haus H. 7 und die Verbindung der Häuser H. 7 und H. 3 durch die H. passage verletzt ist. Weiterhin liegt zumindest das Haus H. 7 an dem nunmehr eingezogenen Teil der H. passage an. Die Anlieger einer einzuziehenden Straße haben nach der in Rechtsprechung und Literatur überkommenen Ansicht wegen des ihnen zuerkannten sog. gesteigerten Gemeingebrauchs bzw. Anliegergebrauchs - anders als die Teilnehmer am bloßen schlichten Gemeingebrauch - ein Klagerecht gegen eine straßenrechtliche Einziehungsverfügung (BVerwG, Urt. v. 25.6.1969 - BVerwG IV C 77.67 -, BVerwGE 32, 222, 225 f. [BVerwG 25.06.1969 - IV C 77/67]; Urt. d. erk. Senats v. 24.11.1994 - 12 L 5104/93 -, Nds. VBl. 1995, 75 f.; Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 10, Rn. 12.42; Grupp, in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl. 1998, § 7, Rn. 30 f.; Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Aufl. 2000, § 8, Rn. 6; vgl. allerdings ablehnend zur Verortung des Anliegergebrauchs in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts:Beschl. v. 11.5.1999 - BVerwG 4 VR 7.99 -, Buchholz 407.4, Nr. 11 zu § 8 a FStG).
In der Sache wird der Einziehungsbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2005 von der Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 1 bis 3 NStrG getragen.
Bei der H. passage handelt es sich um eine Gemeindestraße im Sinne des § 47 Nr. 1 NStrG. Die Beklagte ist gemäß § 48 Satz 1 NStrG der für Gemeindestraßen zuständige Straßenbaulastträger und als solcher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG auch für deren Einziehung zuständig. Mit dem Rat der Beklagten hat das nach der innergemeindlichen Kompetenzordnung nach § 40 Abs. 2 Satz 3 NGO zuständige Organ gehandelt, denn der Verwaltungsausschuss der Beklagten hat die Angelegenheit der teilweisen Einziehung der H. passage dem Rat unter dem 16. Dezember 2003 bzw. dem 7. Dezember 2004 zur Beschlussfassung vorgelegt. Die Absicht der Einziehung ist am 15. Juli 2004 und damit innerhalb der von § 8 Abs. 2 Satz 1 NStrG vorgeschriebenen Frist von mindestens drei Monaten vor der Einziehung in der Neuen R. Zeitung ortsüblich bekannt gegeben worden. Ebenso ist am 24. Januar 2005 die Einziehungsentscheidung selbst gemäß § 8 Abs. 3 NStrG öffentlich bekannt gemacht worden.
Die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG bestehenden tatbestandlichen Voraussetzungen für eine straßenrechtliche Einziehung sind für sämtliche Teile der H. passage, auf die sich die Verfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 bezieht, erfüllt.
Die gesamte bisherige, nicht durch geschäftliche Nutzungen belegte Fläche der H. passage hatte den Rechtscharakter einer für den Fußgängerverkehr öffentlich-rechtlich gewidmeten Straße im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG. Dies ist zwischen den Beteiligten hinsichtlich des größten Teiles des unterirdischen Areals zu Recht unstreitig. Lediglich die 17 x 7,15 m große Anschlusspassage zum Haus H. 7 sieht die Beklagte im Gegensatz zu der Klägerin, die auch insoweit von einer dem Fußgängerverkehr öffentlich-rechtlich gewidmeten Fläche ausgeht, nicht von der Widmungsverfügung des Rates der Beklagten vom 14. Dezember 1993 - veröffentlicht am 8. Februar 1994 - erfasst.
Der Senat vermag sich der Sicht der Beklagten insoweit nicht anzuschließen. Denn die vom Rat der Beklagten am 14. Dezember 1993 beschlossene Widmung bezog sich ausdrücklich auf die "S. tpassage einschl(ießlich) Zu - und Abgänge(n)". Dass es sich bei der Anschlusspassage zum Haus H. 7 wenn nicht um einen Teil der H. passage selbst, so doch jedenfalls um einen Zugang zu ihr handelt, stellt auch die Beklagte nicht in Frage. Dass sich gleichwohl - wie die Beklagte meint - der Widmungswille ihres Rates nicht auf die Anschlusspassage bezogen haben soll, kann in objektivierbarer Weise nicht nachvollzogen werden, da ein entsprechender Vorbehalt einen Niederschlag in den Widmungsunterlagen nicht gefunden hat. Objektiv zum Ausdruck gelangt ist der Regelungswille des Rates der Beklagten demgegenüber im Zusammenhang mit der angefochtenen Einziehungsentscheidung vom 24. Januar 2005. Denn hier ist sowohl in den Unterlagen, die dem Rat der Beklagten vorlagen, als auch auf dem Plan, der mit der Einziehungsentscheidung bekannt gemacht wurde, die Anschlusspassage deutlich als Bestandteil der eingezogenen öffentlichen Verkehrsfläche zu erkennen. Dieser Umstand rechtfertigt den Schluss, dass die seinerzeitige Widmung in identischem Umfang erfolgt ist, denn die Einziehung einer Straße ist der actus contrarius des Widmungsaktes (vgl. nur: Nedden/ Mecke, Handbuch des Niedersächsischen Straßenrechts, 1964, § 8, Anm. 1; Grupp, a. a. O., § 2, Rn. 66). Gegen eine Widmung auch der Anschlusspassage zum Haus H. 7 spricht entgegen der Ansicht der Beklagten schließlich nicht der von dieser angeführte und von dem Berichterstatter des Senats bei der Durchführung des Erörterungs- und Beweistermins vom 29. März 2006 im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes bestätigt gefundene Umstand, dass die Klägerin die Anschlusspassage mittels einer außerhalb der Geschäftszeiten des Hauses H. 7 verschlossenen Tür schon seit längerem nahezu vollständig in die Geschäftsräume des Kaufhauses integriert hat. Wenn auch dieser Zustand einer gemeingebräuchlichen Straßennutzung, deren Eröffnung eine straßenrechtliche Widmung in erster Linie dient, im Grundsatz widerspricht (vgl. nur: Grupp, a.a.O., Kap.. 24, Rn. 2; Wendrich, a.a.O., § 6 Rn. 1), steht er gleichwohl der Annahme einer straßenrechtlichen Widmung nicht entgegen. Denn zum einen ist nicht feststellbar, dass die nahezu ausschließlich geschäftliche Nutzung der Anschlusspassage bereits zum Zeitpunkt der Widmung im Jahr 1994 gegeben war. Zum anderen stellte diese Art der Nutzung für die Zeit des Bestehens der straßenrechtlichen Widmung der Anschlusspassage eine straßenrechtliche Sondernutzung dar, die für den Fall, dass ihr eine entsprechende öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis im Sinne des § 18 NStrG nicht zu Grunde lag, als unerlaubte Benutzung einer Straße im Sinne des § 22 NStrG zu qualifizieren gewesen wäre.
Der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die H. passage in ihren durch die Verfügung der Beklagten vom 24. Januar 2005 erfassten Teilen zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einziehung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. NStrG keine Verkehrsbedeutung mehr hatte, weil die Beklagte für die fußläufige Überquerung des L. in Süd-Nord-Richtung einen Ersatzweg in Form eines ampelgeregelten Fußgängerüberweges zwischen J. straße und T. Straße geschaffen hatte, oder ob für eine Kreuzung des L. in Ost-West-Richtung bzw. für das Erreichen des zweigeteilten Busbahnhofes weiterhin ein Verkehrsbedürfnis bestand, braucht der Senat nicht näherzutreten. Der Problematik kommt eine Entscheidungserheblichkeit nicht zu, weil die Beklagte ihre Einziehungsentscheidung in erster Linie städtebaulich unter Verweis auf eine erforderliche Umgestaltung der H. passage begründet hat. Diese städtebaulichen Gründe erfüllen zur Überzeugung des Senats die selbständige materielle Einziehungsvoraussetzung des Vorliegens von überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. NStrG.
Dass städtebauliche Gründe überhaupt zu den Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne der genannten Vorschrift gehören können, folgt daraus, dass es einen abschließenden Katalog der eine straßenrechtliche Einziehung rechtfertigenden öffentlichen Interessen nicht gibt und es auch vor dem Hintergrund der rechtshistorischen Entwicklung dieses Rechtsinstituts (vgl. dazu: Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 8 ff) nur auf die Gewichtigkeit des konkreten Interesses ankommen kann (für eine Berücksichtigungsfähigkeit von Gründen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ausdrücklich auch: Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 10.3). Hier hatte der Rat der Beklagten, als er die Entscheidung über den Einzug des größten Teils der H. passage traf, die städtebaulichen Gründe, die die Beklagte im Berufungsverfahren nochmals zusammenfassend dargestellt hat, klar vor Augen: Das Bedürfnis nach einer Neukonzeption und Umgestaltung der mit ihrer Funktionsvermengung von Fußgängerverkehrsverbindung und Einkaufspassage konzeptionell aus den 1960er und 1970er Jahren stammenden, wirtschaftlich und gestalterisch unattraktiven und mit Sicherheitsproblemen belasteten Passage.
Diese städtebauliche Einschätzung der Beklagten erachtet der Senat - auch vor dem Hintergrund der Feststellungen, die er durch seinen Berichterstatter im Rahmen des in dem vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführten Erörterungs- und Beweistermins getroffen hat - für nachvollziehbar und in der Sache überzeugend. Der Senat geht dabei davon aus, dass - obwohl beide in § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG enthaltenen Tatbestandsalternativen gerichtlich voll nachprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen (Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 12.2) - bereits bei der Konkretisierung der als Gründe des öffentlichen Wohls zu verfolgenden städtebaulichen Gründe ein planerischer Spielraum für den zuständigen Träger besteht. Ein solcher Spielraum ist darüber hinaus und erst recht im Hinblick auf die Frage gegeben, ob die für die Einziehung einer Straße herangezogenen Gründe des öffentlichen Wohls andere Belange überwiegen, weil die insoweit anzustellende Abwägung ein Wesensmerkmal staatlicher Planung darstellt.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten bei der Ermittlung, Bewertung und Gewichtung anderer von der teilweisen Einziehung der H. passage berührter öffentlicher Belange ein Fehler unterlaufen wäre. Insbesondere war die Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin an der Umgestaltung und städtebaulichen Aufwertung der unterirdischen H. passage nicht dadurch gehindert, dass sie sich, was die Gestaltung des oberirdischen H. areals anbelangt, zum Zeitpunkt ihrer Einziehungsentscheidung noch nicht abschließend für eine umfassende Konzeption entschieden hatte und eine solche Entscheidung auch derzeit noch nicht getroffen hat. Denn die beiden Planungs- und Gestaltungsebenen des L. sind, obwohl sie - etwa in Gestalt der Zugänge zur H. passage - Berührungspunkte aufweisen, grundsätzlich voneinander unabhängig. Da ersichtlich der für die H. passage bestehende Umgestaltungsbedarf drängender und der für die Umgestaltung erforderliche Aufwand geringer als für das oberirdische Areal des L. war, durfte die Beklagte die gestalterische Neuausrichtung der Passage vorrangig betreiben.
Der Senat hält dafür, dass das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls eine Gewichtung nur der öffentlichen Belange erfordert, während die von der Einziehung berührten privaten Interessen auf der Rechtsfolgenseite der Sollvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG berücksichtigt werden können (in diesem Sinne: Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 12.2 u. 12.3; für eine Abwägung auch der Interessen der Anlieger im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls: Grupp, a.a.O., § 2 Rn. 78; Wendrich, a.a.O., § 8 Rn. 3). Diese Aufteilung liegt deshalb nahe, weil anderenfalls in den Konstellationen, in denen eine straßenrechtliche Einziehung ausschließlich auf die Tatbestandsalternative des Wegfalls der Verkehrsbedeutung gestützt werden könnte, ein Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung privater Interessen nicht vorhanden wäre. Allerdings wird durch die anderweitige dogmatische Verortung der Berücksichtigung der durch die Einziehung berührten privaten Interessen deren Wirkkraft weder gemindert noch gestärkt. Darauf wird zurückzukommen sein.
Für den - hier vorliegenden - Fall, dass die materiellen Voraussetzungen einer straßenrechtlichen Einziehungsverfügung erfüllt sind, ordnet § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG auf der Rechtsfolgenseite der Norm an, dass die Straße eingezogen werden soll. Für die in der Literatur (Nedden/Mecke a.a.O., § 8, Amn.1; Wendrich, a.a.O., § 8 Rn. 3) vertretene Ansicht, bei Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine straßenrechtliche Einziehung habe diese stets zwingend zu erfolgen, sieht der Senat keine Grundlage. Vielmehr wird in § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG (Grote, a.a.O., Kap. 10, Rn. 12.32) wie durch Sollvorschriften allgemein (vgl. dazu: BVerwG, Urteile v. 17.9.1987 - BVerwG 5 C 26.84 -, BVerwGE 78, 101, 105 f [BVerwG 17.09.1987 - 5 C 26/84] undv. 2.7.1992 - BVerwG 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275, 278, 280 f [BVerwG 02.07.1992 - 5 C 39/90]; BSG, Urt. v. 16.1.1986 - 4 b RV 25/85 -, DVBl. 1987, 242, 243 f; Wolff, in: Sodan/ Ziekow <Hrsg.>, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 114, Rn. 138 ff; Gerhardt, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner <Hrsg.>,VwGO, Loseblattsammlung, Stand: Juli 2005, § 114, Rn. 16; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 40, Rn. 44) eine strikte Bindung der Behörde für den Regelfall statuiert, so dass Abweichungen nur in atypischen Fällen gestattet sind. Die Behörde darf danach von der Regel nur in Fällen abweichen, in denen die für den Normalfall geltende Regelung von deren ratio legis offenbar nicht mehr gefordert wird. Die Feststellung eines atypischen Falles unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, für die Ermessenskontrolle im Übrigen gelten die Maßstäbe des § 114 VwGO. Hier ist auch unter Berücksichtigung der von der Einziehung von großen Teilen der H. passage betroffenen privaten Interessen der Klägerin bereits eine atypische Fallkonstellation nicht gegeben, so dass die Beklagte in dem demnach vorliegenden Regelfall mit der verfügten Einziehung die von § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG vorgesehene Rechtsfolge herbeigeführt hat. Einen Spielraum für eine abweichende Entscheidung im Ermessenswege hatte sie nicht.
Ein atypischer Fall liegt hier entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht deshalb vor, weil das Sondernutzungsrecht, das die Beklagte der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin im Zusammenhang mit der Anschlusspassage zum Haus Neumarkt 7 durch die Verträge vom 10. Juni 1970 und vom 15./ 30. April 1991 eingeräumt und für das die Klägerin ein Nutzungsentgelt im voraus entrichtet hat, eine auf Zeit erteilte öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis darstellte, die mit der verfügten Einziehung erlöschen würde. Dem kann zwar nicht entgegen gehalten werden, dass § 8 Abs. 4 NStrG ein Erlöschen als Rechtsfolge einer straßenrechtlichen Einziehung ausdrücklich nur für widerrufliche öffentlich-rechtliche Sondernutzungen anordnet, denn auch die auf Zeit erteilten öffentlich-rechtlichen Sondernutzungen verlieren mit der Aufhebung der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft der Straße ihre Grundlage (Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 7.4; Grupp, a.a.O., § 2, Rn. 68). Gemäß § 18 Abs. 3 NStrG wäre darüber hinaus ein Ersatzanspruch gegen den Träger der Straßenbaulast ausgeschlossen. Es handelt sich bei der der Klägerin zustehenden Berechtigung jedoch nicht um eine öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis, sondern um die privatrechtliche Gestattung einer Nutzung, die von der straßenrechtlichen Einziehungsverfügung unberührt bleibt (vgl. in diesem Sinne für zivilrechtlich begründete Nutzungsmöglichkeiten allgemein: Grupp, a.a.O., § 2 Rn. 68; Nedden/Mecke, a.a.O., § 9, Anm. 6). Dies bedeutet, dass die Klägerin nach Wirksamkeit der streitigen Einziehungsentscheidung der Beklagten dieselbe Rechtsstellung wie zuvor inne hat, ihre in Form des im voraus entrichteten Nutzungsentgeltes erbrachten Aufwendungen nicht frustriert sind und deshalb aus dem Sondernutzungsrecht der Klägerin an der Anschlusspassage zum Haus H. 7 die Annahme eines atypischen Falles nicht abgeleitet werden kann.
Der privatrechtliche Charakter dieser Berechtigung der Klägerin lässt sich allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit der Erwägung begründen, der Bezugspunkt des Sondernutzungsrechtes, das sie der Klägerin durch die Verträge vom 10. Juni 1970 und 15./30. April 1991 eingeräumt habe, sei nicht die unterirdische H. passage, sondern die oberirdisch für den öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche des L., für deren den oberirdischen straßenrechtlichen Gemeingebrauch nicht beeinträchtigende Unterkellerung bzw. unterirdische Inanspruchnahme es - nur - einer privatrechtlichen Gestattung bedurft habe. Zwar ist es ein allgemeiner, in Niedersachsen in § 23 NStrG zum Ausdruck gelangender straßenrechtlicher Grundsatz, dass der Sondergebrauch einer Straße - das heißt die über den Gemeingebrauch hinausgehende Straßenbenutzung - dann nicht dem öffentlichen Sondernutzungsrecht, sondern dem bürgerlichen Recht unterstellt wird, wenn durch die Nutzung der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird (Grote, a.a.O., Kap. 26, Rn. 9; Wendrich, a.a.O., § 23, Rn. 1). Hier hat jedoch die Beklagte nicht nur die oberirdische Fläche des Neumarktes öffentlich-rechtlich dem Straßenverkehr gewidmet, sondern im Jahr 1994 ein entsprechendes öffentlich-rechtliches Regime auch für die unterirdische H. passage errichtet, von dem wie dargelegt auch die Anschlusspassage zum Haus H. 7 erfasst wurde.
Dagegen kann - was auch das Verwaltungsgericht nicht in Frage stellt - das der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vertraglich eingeräumte Sondernutzungsrecht jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Entstehung im Jahr 1970 und während des sich daran anschließenden Zeitraumes von 24 Jahren bis zur Widmung der H. passage inklusive der Anschlusspassage zum Haus H. 7, die ohne Rückwirkung (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Widmung: 9. Senat des erkennenden Gerichts, Urt. v. 23.3.1988 - 9 A 146/86 -, Nds.Rpfl. 1988, 173 f) im Jahr 1994 erfolgte, bereits deshalb allein privatrechtlichen Charakter gehabt haben, weil während dieser Zeit ein Anknüpfungspunkt für eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis der Sondernutzung nicht bestand.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts konnte das durch privatrechtliche Verträge eingeräumte und bestätigte Sondernutzungsrecht der Klägerin sich auch nicht mit der von der Beklagten im Jahr 1994 ausgesprochenen Widmung quasi automatisch in eine öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis umwandeln bzw. zu einer solchen erstarken. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, aus den in den Neukodifikationen des Landesstraßenrechts der 1960er Jahren enthaltenen Übergangsvorschriften für die vor Inkrafttreten der Gesetze nach bürgerlichem Recht eingeräumten Sondernutzungen - in Niedersachsen in Gestalt des mittlerweile aufgehobenen § 66 Abs. 2 NStrG a.F. - lasse sich der Rechtsgedanke ableiten, dass privatrechtlich eingeräumte Rechte jedenfalls dann, wenn eine Straße später gewidmet werde, dem öffentlich-rechtlichen Straßenrecht unterfallen sollen, kann nicht überzeugen. Ein derartig weit reichender Regelungsgehalt kann den genannten Übergangsvorschriften nicht entnommen werden. So sah § 66 Abs. 2 NStrG a.F. eine Umwandlung der privatrechtlich gestatteten Straßennutzungen in öffentlich-rechtlich erlaubte Sondernutzungen nach den §§ 18 ff NStrG nur ab dem Zeitpunkt vor, zu dem die zivilrechtlichen Verträge erstmals nach dem Inkrafttreten des Gesetzes kündbar waren. Im vorliegenden Fall ist nach § 1 des Vertrages vom 15./ 30. April 1991 die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung bis zum 9. Juni 2020 ausgeschlossen. Weiterhin betraf § 66 Abs. 2 NStrG a.F. seinem Rechtscharakter als Übergangsregelung entsprechend nur Verträge, bei deren Abschluss den Beteiligten die Rechtsinstitute des später kodifizierten Straßenrechtes nicht bekannt sein konnten. In einer derartigen Situation befanden sich die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin und die Beklagte bei Abschluss des Vertrages vom 10. Juni 1970 oder gar bei dessen Bestätigung im April 1991 nicht.
Der Senat hält es allerdings für naheliegend, dass sich den privatrechtlichen Verträgen vom 10. Juni 1970 und vom 15./ 30. April 1991 bei einer Auslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB für den Zeitraum beginnend mit der Widmung der H. passage im Februar 1994 und endend mit der straßenrechtlichen Einziehung im Januar 2005 die vertragliche Nebenpflicht der Beklagten hätte entnehmen lassen, der Klägerin auf Antrag eine dem eingeräumten privatrechtlichen Sondernutzungsrecht entsprechende Sondernutzungserlaubnis nach § 18 NStrG zu erteilen. Denn die Klägerin lief während dieses Zeitraumes, in dem ein straßenrechtlicher Gemeingebrauch auch an der Anschlusspassage zum Haus H. 7 eröffnet war, Gefahr, wegen ihrer den Gemeingebrauch überschreitenden, durch eine öffentlich-rechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht gedeckten Straßenbenutzung nach § 22 NStrG in Anspruch genommen zu werden. In rechtssystematisch vergleichbarer Weise hat der Bundesgerichtshof (Urteile vom 3.2.1989 - V ZR 224/87 -, NJW 1989, 1607, 1608 [BGH 03.02.1989 - V ZR 224/87] undvom 3.7.1992 - V ZR 218/91 -, NJW 1992, 2885) den Eigentümer eines durch eine privatrechtliche Grunddienstbarkeit belasteten Grundstückes aus dem durch die Grunddienstbarkeit geschaffenen Schuldverhältnis heraus für verpflichtet erachtet, durch die Bestellung einer deckungsgleichen öffentlich-rechtlichen Baulast - in Niedersachsen nach § 92 NBauO - die Bebaubarkeit des herrschenden Grundstückes zu ermöglichen. Die Klägerin hat jedoch bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis (vgl. zur Rechtsqualität der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis als eines auf Antrag zu erteilenden Verwaltungsaktes nur: Grote, a.a.O., Kap. 26, Rn. 14; Wendrich, a.a.O., § 18, Rn. 3) für die ihr privatrechtlich gestattete Sondernutzung zu keinem Zeitpunkt gestellt. Nachdem die Beklagte nunmehr durch die angefochtene Einziehungsverfügung das auf den hier interessierenden Teilen der H. passage inklusive der Anschlusspassage zum Haus H. 7 lastende öffentlich-rechtliche Straßenregime wieder aufgehoben hat, besteht ein rechtlich anerkennenswertes Bedürfnis der Klägerin auf Erteilung einer solchen öffentlich-rechtlichen Sondernutzungserlaubnis nicht mehr.
Weitere Gesichtspunkte, aus denen sich im Hinblick auf das Sondernutzungsrecht der Klägerin an der Anschlusspassage zum Haus H. 7 ein atypischer Fall ergeben könnte, der im Rahmen des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG ein Einziehungsermessen der Beklagten in vollem Umfang eröffnen würde, sind nicht ersichtlich.
Die Annahme eines solchen atypischen Falles vermag auch der Vortrag der Klägerin über eine zu ihren Gunsten rechtlich abgesicherte unterirdische Verbindung ihrer Geschäftshäuser H. 7 und H. 3 in Form der H. passage in ihrer ursprünglichen Form und Ausstattung nicht zu begründen.
Indizielle Bedeutung hierfür hat bereits der Umstand, dass sich die von der Klägerin reklamierte Berechtigung straßenrechtlich lediglich dem Rechtsinstitut des schlichten Gemeingebrauchs zuordnen ließe, auf dessen Aufrechterhaltung gemäß § 14 Abs. 2 NStrG kein Anspruch besteht. Wenn Besucher der Geschäftshäuser der Klägerin vor Entwidmung und Umgestaltung der H. passage unterirdisch von einem Geschäftshaus zum anderen wandeln konnten, geschah dies im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 NStrG im Rahmen der straßenrechtlichen Widmung und der Verkehrsvorschriften und stellte keinen Sondergebrauch der Straße im Sinne einer Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus dar, der, wenn er zu einer Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs hätte führen können, einer öffentlich-rechtlichen Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 1 NStrG bzw. bei Ausschluss einer solchen Beeinträchtigung einer privatrechtlichen Gestattung nach § 23 Abs. 1 NStrG bedurft hätte (vgl. zur Abgrenzung der verschiedenen gesetzlich geregelten Rechtsformen des Straßengebrauchs: Grote, a.a.O., Kap. 24, Rn. 1.1; Kap. 26, Rn. 9 ff; Kap. 27, Rn. 1 ff.). Auch der Rechtsfigur des sog. gesteigerten Gemeingebrauchs bzw. Anliegergebrauchs unterfiele die von der Klägerin beanspruchte Rechtsposition nicht. Denn die gegenüber dem schlichten Straßenbenutzer gefestigtere Rechtsposition des Straßenanliegers reicht jedenfalls nur soweit, wie eine angemessene Nutzung des Eigentums am Anliegergrundstück die Benutzung der Straße erfordert (vgl. nur: BVerwG, Urteil vom 15.12.1972 - BVerwG IV C 112.68 -, DVBl. 1973, 496, 497;Beschluss vom 2.8.1989 - BVerwG 7 B 62.89 -, Buchholz 442.151, Nr. 19 zu § 45 StVG; Grote, a.a.O., Kap. 25, Rn. 29 f; Wendrich, a.a.O., § 14 Rn. 10; ablehnend zur Ableitung des Anliegergebrauchs aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerwG, Beschl. v. 11.5.1999, a.a.O.). Die Klägerin ist jedoch auf eine unterirdische, als öffentliche Verkehrsfläche gewidmete Verbindung ihrer beiden Geschäftshäuser bereits deshalb nicht angewiesen, weil eine solche Verbindung oberirdisch zur Verfügung steht. Die unterirdische Querungsmöglichkeit, deren Erhaltung die Klägerin beansprucht, stellt sich mithin nach allgemeinen straßenrechtlichen Kategorien lediglich als nicht geschützter Lagevorteil (hierzu: Grupp, a.a.O., § 7 Rn. 32) dar.
Die Annahme, dass im Hinblick auf die Einziehungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG gleichwohl ein atypischer Fall vorliegt, lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht unter Verweis auf ein bestehendes besonderes Rechtsverhältnis (vgl. dazu allgemein: Herber, a.a.O., Kap. 10, Rn. 12.4, 12.45) in Gestalt der Abreden begründen, die sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin und die Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 mit der Beklagten im Zusammenhang mit der Erweiterung der H. passage und dem Anschluss dieses Hauses an die Passage in den 1970er Jahren getroffen haben.
Die Klägerin beruft sich zur Untermauerung der von ihr beanspruchten Rechtsposition auf zwei im Hinblick auf Entstehung und Rechtsfolgen gänzlich unterschiedliche, im Ergebnis einander ausschließende zivilvertragliche Begründungen. Einerseits macht sie geltend, in den seinerzeit mit ihr, ihrer Rechtsvorgängerin und der Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 getroffenen Abreden habe die Beklagte gegen Leistung eines Baukostenzuschusses von insgesamt 700.000,00DM die vertragliche Verpflichtung übernommen, die H. passage als attraktiv gestaltete Querungsmöglichkeit zwischen den Geschäftshäusern H. 7 und H. 3 nicht nur herzustellen, sondern auch zu erhalten. Diese Rechtsansicht wird auch in dem von der Klägerin vorgelegten Rechtsgutachten vom 22. Februar 2006 vertreten. Andererseits meint die Klägerin, der Ausbau und Erhalt der H. passage als unterirdische Querungsmöglichkeit in Form einer attraktiven Geschäftspassage sei die Geschäftsgrundlage der seinerzeitigen Abmachungen mit der Beklagten gewesen.
Eine vertragliche Leistungspflicht der Beklagten mit dem von der Klägerin reklamierten Inhalt müsste sich aus den Abreden im Zusammenhang mit der Erweiterung der H. passage - jedenfalls im Wege der Auslegung - bestimmt oder eindeutig bestimmbar entnehmen lassen (zum Bestimmtheitserfordernis im Vertragsrecht allgemein: BGH, Urt. v. 27.1.1971 - VIII ZR 151/69 -, BGHZ 55, 248 ff [BGH 27.01.1971 - VIII ZR 151/69]; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, Band 1, 1. Aufl. 2003, § 241, Rn. 39; Palandt-Heinrichs, 62. Aufl. 2003, § 241, Rn. 3). Rechtsfolge wäre ein entsprechender Erfüllungsanspruch. Demgegenüber ermöglichen die Grundsätze der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138) in § 313 Abs. 1 BGB kodifiziert worden sind, dann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten, die Anpassung des Vertrages, wenn ein Festhalten am unveränderten Vertragsinhalt nicht zugemutet werden kann. Sofern eine Vertragsanpassung nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann der benachteiligte Teil gemäß § 313 Abs. 3 BGB vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen kündigen. Der Senat kann nach dem Vortrag der Beteiligten und dem Inhalt der Akten weder eine vertragliche Leistungspflicht der Beklagten in dem von der Klägerin beschriebenen Sinne erkennen, noch vermag er festzustellen, dass eine entsprechende Erwartungshaltung der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in den 1970er Jahren derart zur Geschäftsgrundlage der getroffenen Vereinbarungen geworden wäre, dass hieraus noch für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Einziehungsverfügung im Januar 2005 Rechtsfolgen abgeleitet werden könnten.
Es ist bereits schwierig, rechtskonstruktiv überhaupt eine vertragliche Abrede zwischen der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten über den Anschluss des Hauses H. 3 an die - erweiterte - H. passage festzustellen. Aus den vorliegenden Vertragsurkunden ergibt sich eine solche bindende Abrede nicht. Dies verwundert für den Vertrag vom 10. Juni 1970 nicht, denn zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. die Aufbaugemeinschaft für das Grundstück H. 3 jenes Grundstück noch nicht erworben und die Möglichkeit einer Erweiterung der H. passage in östlicher Richtung hatte sich ersichtlich noch nicht konkretisiert. Durch den Vertrag vom 15./30. April 1991 sollte lediglich der Vertrag vom 10. Juni 1970 modifiziert und im Übrigen bestätigt werden, so dass auch diese Regelung keine Aussage über den Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage enthält. In dem notariellen Kaufvertrag über das Grundstück H. 3 vom 10. April 1972 wird im Hinblick auf die Fragen eines Anschlusses des auf diesem Grundstück zu errichtenden Geschäftshauses an die möglicherweise zu erweiternde H. passage und einer finanziellen Beteiligung der Aufbaugemeinschaft für das Geschäftshaus an dem Erweiterungsbau auf eine zu gegebener Zeit zu schließende weitere Vereinbarung verwiesen. Eine solche Vereinbarung lässt dann jedoch der erste Gestattungsvertrag vom 10./27. April 1973 vermissen, obwohl er u.a. die Errichtung eines seinerzeit im Zusammenhang mit einem späteren Anschluss des Geschäftshauses H. 3 an die H. passage für erforderlich gehaltenen Schachtbauwerkes regelt. Auch aus dem zweiten Gestattungsvertrag vom 14. September 1976, der den Vertrag vom 10./27. April 1973 ersetzte, ergibt sich zwar, dass das Schachtbauwerk für Zwecke der H. passage nicht mehr benötigt wurde, der Vertrag nimmt aber jedenfalls nicht ausdrücklich Bezug auf einen Anschluss des Geschäftshauses H. 3 an die Passage.
Die Beklagte und die Klägerin sehen denn auch übereinstimmend einen Anschlussvertrag lediglich in Gestalt der Schreiben der Beklagten vom 7. September 1976 mit der Zusicherung eines Anschlussrechtes gegen Zahlung eines zum 31. Dezember 1978 fälligen Betrages in Höhe von 200.000,- DM und dem bestätigenden Schreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 10. September 1976 begründet. Das letztgenannte Schreiben enthielt allerdings wegen des Passus über die Fälligkeit des zu zahlenden Betrages - zehn Tage nach Anschluss des Geschäftshauses, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1978 - eine abändernde Annahme im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB. Das hiermit verbundene neue Vertragsangebot dürfte die Beklagte dann aber - konkludent, und deshalb wegen § 57 VwVfG nicht in Form eines öffentlich-rechtlichen, sondern eines privatrechtlichen Vertragsschlusses - mit Abschluss des zweiten Gestattungsvertrages wegen der dort immerhin enthaltenen Regelung über das für die H. passage nicht mehr benötigte Schachtbauwerk angenommen haben (insoweit überzeugend das von der Klägerin beigebrachte Rechtsgutachten vom 22. Februar 2006).
Ist es mithin nur unter erheblichem Auslegungsaufwand möglich, überhaupt eine vertragliche Abrede zwischen der Beklagten und der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin über den Anschluss des Hauses H. 3 an die erweiterte H. passage festzustellen, besteht für die weitere, hier entscheidungserhebliche Annahme, die Beklagte sei auf Grund dieser Abrede auch noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der angefochtenen Einziehungsverfügung im Januar 2005 verpflichtet gewesen, die H. passage im Wesentlichen in der Gestalt, die diese Ende der 1970er Jahre gefunden hatte, bzw. in Form einer attraktiven Geschäftspassage als Querungsmöglichkeit zwischen den Geschäftshäusern H. 7 und H. 3 zu erhalten, keine tragfähige Grundlage.
Eine derartig weitgehende Leistungspflicht lässt sich nach dem konkludent geschlossenen Anschlussvertrag für das Haus H. 3 auch nach den Grundsätzen der (ergänzenden) Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht hinreichend bestimmbar nachweisen. Ein solcher Nachweis kann bereits deshalb nicht gelingen, weil die Attraktivität der H. passage als Geschäftspassage für die Beteiligten ersichtlich nicht allein in der Hand der Beklagten lag, sondern ganz wesentlich von dem wirtschaftlichen Erfolg der in der Passage eingerichteten Ladengeschäfte abhing. Auch gibt es keinen objektivierbaren Anhaltspunkt über die Dauer, für die die Beklagte der von der Klägerin reklamierten Verpflichtung hätte unterliegen sollen. Für die Annahme eines Planungshorizontes der Beteiligten von 40 bis 50 Jahren (so das von der Klägerin vorgelegte Rechtsgutachten vom 22. Februar 2006, unter Verweis auf Einzelbestimmungen der Verträge vom 10. Juni 1970 und 14. September 1976) sieht der Senat keine Grundlage. Schließlich kann die Annahme einer derartig strikten, die Reaktionsmöglichkeit auf städtebauliche Erfordernisse weitgehend ausschließenden Verpflichtung der Beklagten auch im Hinblick auf die von der Klägerin im Zusammenhang mit dem Anschluss des Hauses H. 3 erbrachte Gegenleistung als nicht interessengerecht erscheinen. Denn diese Gegenleistung beschränkte sich zur Überzeugung des Senats letztlich auf die in den Schreiben vom 7. und 10. September 1976 genannten 200.000,- DM. Den Differenzbetrag von 500.000,- DM - bezogen auf die in dem Schreiben der Aufbaugemeinschaft für das Haus H. 3 vom 4. September 1975 an den Geschäftsführer der Beigeladenen genannte Summe von 700.000,- DM - zahlte die Klägerin nach den Bestimmungen des zweiten Gestattungsvertrages vom 14. September 1976 im Wesentlichen für das Zugeständnis der Beklagten, die zunächst durch den ersten Gestattungsvertrag vom 10./27. April 1973 nur befristet gestattete Ausgestaltung der Schaufensteranlage des Hauses H. 3 und die damit verbundene größere Geschäftsfläche auf Dauer beibehalten zu dürfen bzw. für die langjährige unentgeltliche Nutzungsüberlassung des für die H. passage nicht mehr benötigten Schachtbauwerkes.
Vor dem Hintergrund der bisherigen Darlegungen vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass der Geschäftswille der seinerzeit an den Verhandlungen über den Anschluss des Hauses H. 3 an die H. passage Beteiligten darauf hätte aufbauen können, dass die H. passage dauerhaft als Querungsmöglichkeit zwischen den Geschäftshäusern H. 7 und H. 3 im Sinne einer attraktiv gestalteten Geschäftspassage erhalten bleiben würde und dies deshalb die Geschäftsgrundlage des geschlossenen Anschlussvertrages gebildet hätte. Zwar mag eine solche Erwartung in Bezug auf einen zeitlich überschaubaren Zeitraum bestanden haben. Die Vertragspartner mussten jedoch von Anfang an in ihre Überlegungen einbeziehen, dass auf längere Sicht andere Belange auftreten und an Gewicht gewinnen und insbesondere städtebauliche Missstände, wie sie die Beklagte beschrieben hat, im Laufe der Jahre eintreten und Umgestaltungsmaßnahmen erfordern konnten.
Selbst wenn jedoch von einer Geschäftsgrundlage in dem beschriebenen Sinne auszugehen wäre, bestünde für die Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit, eine Vertragsanpassung bzw. eine Lösung vom Vertrag zu erreichen. Hat die Klägerin aber die Möglichkeit, auf diese Weise auf eine nachträgliche Entwertung des geschlossenen Vertrages, die aus ihrer Sicht mit der von der Beklagten verfügten Einziehung verbunden ist, zu reagieren, kann ein atypischer, von der ratio legis der Einziehungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG nicht erfasster Fall nicht gegeben sein.
Eine solche Atypik lässt sich schließlich nicht durch den bloßen Verweis auf ein vorhandenes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung einer attraktiven unterirdischen Verbindung zwischen ihren Geschäftshäusern begründen. Denn dieses Interesse ist nach den bisherigen Ausführungen rechtlich nicht (mehr) abgesichert, so dass ihm ein entscheidendes Gewicht nicht mehr zukommen kann.
Selbst wenn man jedoch zu Gunsten der Klägerin annehmen wollte, auf Grund der von ihr beanspruchten Rechtspositionen sei ein atypischer Fall gegeben, und weiterhin davon ausginge, der Rat der Beklagten habe bei der Ausübung seines ihm dann zustehenden Ermessens im Rahmen seiner Beschlussfassung vom 7. Dezember 2004 nur die Rechte der Anlieger der eingezogenen Teile der H. passage im allgemeinen, nicht jedoch die von der Klägerin geltend gemachten besonderen Rechtspositionen berücksichtigt, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn einen - unterstellten - Ermessensfehler hätte der Rat dann durch seine ergänzenden Ermessenserwägungen vom 8. November 2005 gemäß § 114 Satz 2 VwGO geheilt.
Nach dieser Vorschrift kann eine Behörde auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich eines Verwaltungsaktes mit heilender Wirkung ergänzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteile v. 16.6.1997 - BVerwG 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55, 59 [BVerwG 16.06.1997 - 3 C 22/96] undv. 5.5.1998 - BVerwG 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351, 363 [BVerwG 05.05.1998 - 1 C 17/97]; vgl. auch: Kuntze, in: Bader, VwGO, 3. Aufl. 2005, § 114, Rn. 53; Wolff, a.a.O., § 114, Rn. 202 ff) setzt dies - wie allgemein ein Nachschieben von Gründen - voraus, dass die nachträglich angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, ihre Heranziehung keine Wesensänderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bewirkt und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird.
Hinsichtlich des hier allein problematischen Merkmals der Veränderung der angefochtenen Einziehungsverfügung in ihrem Wesen ist der Klägerin zuzugestehen, dass der Verweis auf die allgemeinen Anliegerrechte, auf den sich der Rat der Beklagten am 7. Dezember 2004 zunächst beschränkt hat, qualitativ etwas anderes darstellt als seine sorgfältigen und für sich gesehen nicht zu beanstandenden und auch von der Klägerin nicht im einzelnen angegriffenen Erwägungen vom 8. November 2005. Der Klägerin muss jedoch auch hier entgegengehalten werden, dass es sich bei § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG um eine Sollvorschrift handelt, die lediglich ein in Richtung auf eine regelmäßig auszusprechende Rechtsfolge gebundenes Ermessen einräumt. In derartigen Fällen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.6.1997, a.a.O.; im gleichen Sinne auch: Kuntze, a.a.O., § 114, Rn. 54; jew. für das sog. intendierte Ermessen) selbst dann noch eine nach § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung der Ermessensbegründung gegeben, wenn ein zunächst nicht begründeter Bescheid, der die regelmäßig vorgesehene Rechtsfolge ausspricht, nachträglich zu individuellen oder sonstigen Besonderheiten abwägend Stellung nimmt. Hier hatte weitergehend der Rat der Beklagten, obwohl er die bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG regelmäßig anzuordnende Einziehung beschloss, auch bereits anfänglich jedenfalls teilweise Ermessen ausgeübt.