Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.06.2015, Az.: 5 B 2312/15

Bestimmtheit; intendiertes Ermessen; Fahrradverkehr; Fußgängerzone; Insel; Kfz-Verkehr; Lieferverkehr; Teileinziehung; überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
25.06.2015
Aktenzeichen
5 B 2312/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45290
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Teileinziehung von Straßenteilen mit einer Beschränkung der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten und Benutzerkreise setzt lediglich ein Überwiegen der Gründe des öffentlichen Wohls (etwa Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und städtebauliche Gesichtspunkte) voraus, woran sich ein intendiertes Ermessen (Soll) anschließt.
Zur Reichweit der Anliegerrechte.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird in Höhe von 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Teileinziehung (Umwandlung in eine Fußgängerzone) von Teilen der Strandstraße sowie der Wilhelm-Bakker-Straße in der Innenstadt von Borkum.

Die Antragstellerin betreibt eine Bäckerei und Konditorei mit Stammsitz im eigenen Gebäude Wilhelm-Bakker-Straße .. in der Borkumer Innenstadt und diversen Filialen im weiteren Stadtgebiet. Die Wilhelm-Bakker-Straße und die Strandstraße sind seit August 1969 ohne Einschränkungen dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet. Die 554 m lange Strandstraße verbindet in West-Ost-Richtung die Jann-Berghaus-Straße mit der Wilhelm-Bakker-Straße und kreuzt die Goethestraße sowie den Georg-Schütte-Platz. Die 310 m lange Wilhelm-Bakker-Straße beginnt im Einmündungsbereich Norderstraße/Strandstraße und endet in der Einmündung Blumenstraße/Kirchstraße. Da es keine Bürgersteige gibt, grenzt die seit längerem gepflasterte Straßenfläche unmittelbar an die anliegenden Gebäude oder deren teilweise abgestützten Dächer, Vorbauten und Einfriedungsmauern an (vgl. Fotodokumentation im Hauptsacheverfahren, Blatt 71 ff. GA 5 A 1843/14). Die Straßen liegen in der „roten Zone“ einer örtlichen Saisonverkehrsbeschränkung, in der Kraftfahrzeuge - Kfz - 2013/2014 in den Zeiten von 23. März - 3. November sowie vom 26. Dezember bis 7. Januar nur mit Ausnahmegenehmigung (kurzfristig bei An- und Abreise; bei außergewöhnlicher Gehbehinderung) fahren durften. Für 2015/2016 gilt Entsprechendes in den Zeiten vom 25. März - 31. Oktober und vom 26. Dezember - 6. Januar.

Auf der Grundlage eines über ein Planungsbüro eingeholten Verkehrskonzeptes und weitergehender Vorschläge beschloss der Rat der Antragsgegnerin einstimmig zunächst am 24. April 2013 und erneut - nach Überarbeitung und einer Anliegerbefragung (vgl. Vermerk vom 10. Juli 2013) - am 25. Juli 2013 anzukündigen, Teilstücke der Strandstraße sowie der Wilhelm-Bakker-Straße dergestalt einzuziehen, dass der Straßenabschnitt für den Verkehr mit Kfz und Fahrrädern gesperrt wird. Aufgenommen wurde der Hinweis, dass der notwendige Anliegerverkehr zum Be- und Entladen von Kfz werktäglich in der Zeit von 8.00 bis 10.00 Uhr erlaubt bleiben solle. Die Ankündigung der Teileinziehung wurde am 5. September 2013 unter Hinweis auf einen einsehbaren Lageplan (vgl. Blatt 18 BA 5 A 1843/14) in der Borkumer Zeitung öffentlich bekannt gemacht.

Vor und binnen der dreimonatigen Auslegung der Planungsunterlagen erhoben diverse Anlieger und Bürger, u.a. die Antragstellerin, Einwendungen. Nach einer Informationsveranstaltung am 3. März 2014 und der öffentlichen Sitzung des Verkehrsausschusses vom 2. April 2014 beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 10. April 2014 einstimmig die teilweise Teileinziehung der Wilhelm-Bakker-Straße (zwischen der Einmündung der unbenannten Verbindungsstraße mit der Kirchstraße bis zur Strandstraße - ca. 140 m) und der unteren Strandstraße (von der Wilhelm-Bakker-Straße bis zum Georg-Schütte-Platz - ca. 160 m) dergestalt, dass der Straßenabschnitt für den Verkehr mit Kfz und Fahrrädern gesperrt wird, wobei der Lieferverkehr mit Kfz werktäglich in der Zeit von 8.00 bis 10.00 Uhr zulässig bleibt. Ferner beschloss der Rat „versuchsweise die Freigabe der Fußgängerzone für 2 Jahre für den Radverkehr vom 01.09. bis 30.06. eines jeden Jahres“ und beauftragte die Verwaltung, nach Ablauf des Versuchszeitraums im 1. Quartal 2016 einen Erfahrungsbericht zur Teileinziehung zu erstellen. Die Teileinziehung wurde auf Anordnung des Bürgermeisters vom 28. April 2014 am 5. Mai 2014 in der Borkumer Zeitung mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt gemacht. Die Bäckerei und Konditorei am Stammsitz Wilhelm-Bakker-Straße .. liegt innerhalb der gewidmeten Fußgängerzone (vgl. Blatt 63 BA 5 A 1843/14).

Die Antragstellerin hat am 27. Mai 2014 zusammen mit einer weiteren Anliegerin Klage (5 A 1843/14) erhoben. Weitere fünf Klageverfahren diverser Anlieger sind ebenfalls bei Gericht anhängig. Nachdem die Antragsgegnerin mit Bekanntmachung vom 28. Mai 2015, veröffentlicht in der Borkumer Zeitung am 1. Juni 2015, mit Wirkung vom 1. Juli 2015 die sofortige Vollziehung der Teileinziehung angeordnet hat, hat die Antragstellerin am 10. Juni 2015 zudem um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Teileinziehung sei zu unbestimmt, weil sich die teileingezogenen Straßenstücke weder durch einen Lageplan noch sonst hinreichend erschlössen und auch die zeitweise Ausnahme für „den Lieferverkehr“ unklar geregelt sei. Im Niedersächsischen Straßengesetz - NStrG - finde sich keine Grundlage für die Festlegung bestimmter Benutzungszeiten, etwa für den Lieferverkehr. Die dreiteilige Beschlussfassung über die Teileinziehung und deren inkongruente Bekanntgabe seien rechtlich zu beanstanden. Es fehle zudem an den Voraussetzungen für eine Teileinziehung, weil überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls nicht vorlägen bzw. nicht ordnungsgemäß festgestellt seien. Wegen bestehender Besonderheiten, etwa der Insellage und den saisonal schwankenden Verkehrsverhältnissen, genüge der Hinweis auf typische oder regelmäßig vorliegende Belange nicht. Den Belang „Vermeidung von Gefährdungssituationen“ habe die Antragsgegnerin nicht hinreichend belegt. Das zunächst eingeholte Mobilitätskonzept betreffe schwerpunktmäßig nur die Strandstraße und sei bei Beschlussfassung am 10. April 2014 nicht ausdrücklich Grundlage gewesen. Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen für die gewerblichen Anlieger - wie etwa auf die von ihr betriebene Bäckerei im Stammhaus Wilhelm-Bakker-Straße .. - seien nicht hinreichend aufgeklärt worden. Selbst aufbereitete Einwendungen der Betroffenen sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Auch Alternativen, etwa über eine bloß einschränkende Beschilderung, seien unzureichend erwogen worden. Ebenso wenig überzeuge der zugrunde gelegte Belang „Steigerung der Attraktivität der Straßenzüge“. Lärm und Abgasimmissionen würden eher verstärkt, da kaum Kfz-Verkehr wegfiele, sondern Verkehrsteilnehmer sogar vielfach zu Umwegen - etwa über die ohnehin belastete Kirchstraße - gezwungen seien. Das Konzept sei auch untauglich, da zwingend benötigter Lieferverkehr in vorgesehenen Zeiten oder mit Ausnahmegenehmigungen weiterfahre. Im Rahmen der Ermessensausübung habe die Antragsgegnerin die Anliegerinteressen - und insbesondere die von ihr geltend gemachten Belange aus Anliegergebrauch und Grundrechtsschutz - nicht hinreichend berücksichtigt. Anlässlich diverser eigener Untersuchungen (am 26./27. Februar 2014, vgl. Blatt 25 BA = Blatt 20 GA 5 A 1843/14 und Auswirkungsanalyse im Schriftsatz vom 21. Januar 2015, Blatt 116 ff. GA 5 A 1843/14) habe sie ermittelt, dass sie infolge der Teileinziehung existenzgefährdende Umsatzeinbußen habe, die ihre beachtlichen Investitionen in den Jahren 2010 und 2013 entwerteten. Ganzjährig, aber insbesondere zur Sommerzeit komme ein Großteil (bis zur Hälfte) ihrer Kunden des Stammhauses mit dem Fahrrad. Es mangele an Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in hinreichender Nähe ihres Betriebes. Daher werde eine bedeutsame Zahl von Fahrradkunden ausbleiben. Auch die Zahl der Auto fahrenden Kunden, insbesondere saison- oder wetterbedingt, sei beträchtlich und werde mangels Zufahrtmöglichkeiten und nahe gelegener Parkplätze künftig fernbleiben. Die Teileinziehung sei unverhältnismäßig. Nach ihren Ermittlungen ergebe sich allenfalls ein Regelungsbedarf für maximal acht Wochen während der Hauptsaison im Sommer, der nicht eine ganzjährige Regelung rechtfertige. Ihre Rad fahrenden Kunden würden sich größtenteils anders orientieren. Die zugelassenen Zeiten für den Kfz-Anlieferungsverkehr seien als zu eng gefasst zu beanstanden. Bedingt durch Winterfahrplan, begrenzte Kapazitäten früherer Fähren im Sommerfahrplan und Bedürfnisse ihrer Zulieferer vom Festland kämen viele Transporte erst mit Fähren nach 10.00 Uhr auf Borkum an, was wichtige Anlieferungen verderblicher Waren für den Stammsitz der Bäckerei erschwere. Der Güterumschlag am Hafen habe keine ausreichenden Kapazitäten.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 27. Mai 2014 (5 A 1843/14) gegen die Teileinziehung der Antragsgegnerin durch Ratsbeschluss vom 10. April 2014 und Bekanntmachung vom 28. April 2014 in der Borkumer Zeitung am 5. Mai 2014 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Sie erwidert: Aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere zur Vermeidung von Verkehrsgefährdungen für Radfahrer und Fußgänger, sei die sofortige Vollziehung der Teileinziehung zum Beginn der diesjährigen Hauptsaison erforderlich, zumal das Gericht trotz Anfrage einen zeitnahen Entscheidungstermin des Hauptsacheverfahrens nicht habe in Aussicht stellen können. Angesichts der beschränkten Rechte der Antragstellerin aus dem Anliegergebrauch sei die Teileinziehung nicht zu beanstanden. Wie regelmäßig bei Einrichtung von Fußgängerzonen lägen auch hier überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit für den Ausschluss des Kfz-Verkehrs und des Fahrradverkehrs vor. Zu berücksichtigen seien neben der geringe Länge der teileingezogenen Strecken die räumlichen Verhältnisse. Die Ratsmitglieder seien ortskundig und mit den überschaubaren Verkehrsverhältnissen vertraut. Umfangreiche verkehrstechnische Untersuchungen und Gutachten seien daher nicht erforderlich. Ausreichend sei eine spürbare Verbesserung durch Ausschluss von Kfz- und fließendem Fahrradverkehr. Demgegenüber seien die privaten Interessen der Antragstellerin untergeordnet. Ein Anlieger habe weder Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs noch auf Schutz vor Änderung oder Einziehung. Die Möglichkeit von einzelfallbezogenen und differenziert ausfallenden Ausnahmeregelungen zu Gunsten einzelner Anlieger stünde der Rechtmäßigkeit einer Teileinziehung nicht entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Gerichtsakten der Parallelverfahren 5 A 1621, 1810, 1811, 1850 und 1894/14 Bezug genommen.

II

Der zulässige und statthafte Aussetzungsantrag ist unbegründet.

Der beantragten Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin bedurfte es hier nicht, weil der Bevollmächtigte der Antragstellerin bereits im Klageverfahren Akteneinsicht genommen (sowie daraufhin umfangreich vorgetragen) hatte und keine weiteren Verwaltungsvorgänge vorgelegt worden sind.

Die Antragstellerin ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, weil sich im Straßenrecht Eigentümer und auch berechtigte Besitzer von Grundstücken, die an einer Straße liegen, auf den sog. Anliegergebrauch berufen können (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, Rn. 346; Axer, Der Anliegergebrauch an Straßen, DÖV 2014, 323), der es gebietet, deren schützenswerte Belange u.a. bei Entscheidungen über Teileinziehungen zu berücksichtigen.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft, weil die Klage der Antragstellerin gegen die Teileinziehung vom 10. April 2014 (Ratsbeschluss) infolge der nachträglichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit Wirkung zum 1. Juli 2015 (Bekanntmachung vom 28. Mai 2015, veröffentlicht in der Borkumer Zeitung am 1. Juni 2015) keine aufschiebende Wirkung (mehr) entfaltet.

Die Begründung des Sofortvollzuges der Teileinziehung zum 1. Juli 2015 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ein besonderes öffentliches Interesse daran, zum Beginn der diesjährigen Hauptsaison Verkehrsbeschränkungen in Teilen der Borkumer Innenstadt aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vorzunehmen, insbesondere zur Vermeidung von Verkehrsgefährdungen für Radfahrer und Fußgänger, hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar und plausibel begründet. Zutreffend verweist sie u.a. darauf, dass eine Verzögerung um weitere Jahre bis zur Entscheidung über mögliche Klagen gegen die Teileinziehung wegen der negativen Auswirkungen für die Verkehrssicherheit im überwiegenden öffentlichen Interesse nicht hinzunehmen sei. Mit dieser Begründung dokumentiert die Antragsgegnerin, dass ihr hier der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst war. Die zunächst wohl bestehende Erwartung der Antragsgegnerin, das Gericht werde in der Hauptsache binnen Jahresfrist zu einer Entscheidung kommen und insofern könnten die straßenrechtlichen Belange nochmals für eine überschaubare Zeit hingenommen werden, hat sich nach dem Hinweis des Gerichts auf eine belastungsbedingte Verzögerung und eine nicht absehbare Terminierung nicht erfüllt. Außerdem belegt die eingereichte Fotodokumentation der verkehrlichen Verhältnisse zur Hauptsaison 2014, dass ein weiteres Zuwarten aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht mehr hinnehmbar wäre.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Teileinziehung wiederherstellen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit eines sie belastenden Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin ist indessen zu verneinen, wenn die im Eilrechtschutzverfahren allein gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der eingelegte Rechtsbehelf aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. In diesem Fall steht der Antragstellerin kein Schutz für ihr Interesse daran zu, die Vollziehung der Teileinziehung bis zur Hauptsacheentscheidung über ihren voraussichtlich unbegründeten Rechtsbehelf zu verzögern. Ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage hingegen, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs offen sind, ist die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung gleichwohl gerechtfertigt, wenn aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen folgt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Hiernach bleibt der Aussetzungsantrag erfolglos, weil sich die Teileinziehung vom 10. April 2014 (Ratsbeschluss) voraussichtlich als rechtmäßig erweist und auch sonst das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.

Die darlegungspflichtige Antragsgegnerin hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die angefochtene Teileinziehung vorliegen und auch Anliegerrechte, wie die der Antragstellerin, kein Absehen von der Schaffung einer Fußgängerzone in den widmungsbeschränkten Straßenteilen erfordern.

Die angefochtene Teileinziehungsverfügung findet ihre rechtliche Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 2 des NStrG. Danach soll die Teileinziehung einer Straße angeordnet werden, wenn nachträglich Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzerkreise aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls festgelegt werden. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Teileinziehung sind hier erfüllt.

Die Teileinziehung ist hinreichend bestimmt, weil sich die teileingezogenen Straßenstücke ausreichend deutlich durch die Angabe der Anfangs- und Endpunkte („Wilhelm-Bakker-Straße zwischen der Einmündung der unbenannten Verbindungsstraße mit der Kirchstraße bis zur Strandstraße und die untere Strandstraße bis zur Kreuzung Georg-Schütte-Platz“) erschließen. Bei etwa verbleibenden Zweifeln bietet der anlässlich der Ankündigung der Teileinziehung für drei Monate ausgelegte Lageplan (vgl. Hinweis in der Borkumer Zeitung vom 5. September 2013, Blatt 17 und 18 BA 5 A 1843/14) Auslegungshilfe. Die Bezeichnung „untere“ Strandstraße ist unschädlich, weil sie bei verständiger Würdigung keine begründeten Zweifel an der Reichweite der Teileinziehung aufwirft.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch hinreichend bestimmbar, was unter „Lieferverkehr“ zu verstehen ist, der ausnahmsweise werktäglich in der Zeit von 8.00 bis 10.00 Uhr von den Beschränkungen freigestellt wird. Zur Regelung solcher Benutzungszeiten ermächtigt - trotz einer fehlenden ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz, die sich in anderen Landesstraßengesetzen (etwa Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG) findet - der weit gefasste § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG mit seiner Befugnis für den Träger der Straßenbaulast, ggf. bestimmte Benutzungsarten und Benutzerkreise - nach Maßgabe der zu beachtenden Verhältnismäßigkeit - zu regeln.

Die Beschlussfassung des Rates der Antragsgegnerin vom 10. April 2014 über die Teileinziehung in drei Teilen und deren Bekanntgabe (am 5. Mai 2014 in der Borkumer Zeitung auf Anordnung des Bürgermeisters vom 28. April 2014) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das gewollte Regelungskonzept des Rates (Beschluss Nr. 1: unbefristete Beschränkung des Kfz- und Fahrradverkehrs mit zeitlicher Ausnahme für werktäglichen Lieferverkehr, Beschluss Nr. 2: zweijährige versuchsweise Freigabe für den Radverkehr in der Zeit vom 1. September - 30. Juni eines jeden Jahres und Beschluss Nr. 3: Erstellung sowie Vorlage eines Erfahrungsberichts zur versuchsweisen Freigabe) erschließt sich hinreichend deutlich für Dritte und insbesondere auch für eine anknüpfende straßenverkehrsrechtliche Beschilderung der gewollten Fußgängerzone. Unschädlich ist, dass die versuchsweise zweijährige Freigabe für den Radverkehr in der Bekanntgabe mit dem Zusatz „Hinweis“ angefügt ist. Der Ratsbeschluss Nr. 2 wird inhaltlich korrekt wiedergegeben und lässt die gewollte verbindliche Regelung für den Versuchszeitraum deutlich erkennen. Verfahrensrechtlich ist es vertretbar, das Regelungskonzept aufzugliedern und künftige Freigaben für den Radverkehr von der Auswertung der Erfahrungen während des Versuchszeitraumes abhängig zu machen.

Die vom Rat der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung der Gründe des öffentlichen Wohls (hier die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie städtebauliche Gesichtspunkte) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die gegenteilige Auffassung der Antragstellerin verkennt, dass die Teileinziehung der Straßenteile mit einer Beschränkung der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzerkreise lediglich ein Überwiegen der Gründe des öffentlichen Wohls voraussetzt, woran sich ein intendiertes Ermessen („Soll“) anschließt; mithin ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Abwägungsprozess und das Handlungsermessen des Straßenbaulastträgeres auch zu einem anderen Ergebnis (entsprechend der Vorstellung der Antragstellerin) hätten gelangen können.

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen und dem daran anknüpfenden intendierten Ermessen hat das Nds. OVG (Beschluss vom 10. November 2006 - 12 LA 292/05 -) Folgendes ausgeführt:

„Die Regelungen in § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG zur Einziehung und in Satz 2 zur Teileinziehung einer Straße stellen sog. Soll-Vorschriften dar, die dadurch gekennzeichnet sind, dass bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen die vorgesehene Rechtsfolge in der Regel ausgesprochen werden soll und Abweichungen nur in atypischen Fällen gestattet werden (BVerwG, Urt. v. 17.9.1987 - 5 C 26.84 -, BVerwGE 78, 105; Wolff, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rdnrn. 138 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 Rdnr. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 40 Rdnr. 26). In Bezug auf die Einziehung einer Straße hat der Senat in seinem Urteil vom 18. Juli 2006 - 12 LB 116/06 -, V.n.b.) ausgeführt, dass die in § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG genannten beiden Tatbestandsalternativen, nämlich die mangelnde Verkehrsbedeutung oder die für eine Beseitigung sprechenden überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls, gerichtlich voll überprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe sind (vgl. auch Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 10 Rdnr. 12.2) und dass im Rahmen der zweiten Alternative auch städtebauliche Gründe verfolgt werden können, die dem zuständigen Straßenbaulastträger einen planerischen Spielraum eröffnen. Ein solcher Spielraum besteht auch für die Frage, ob die für die Einziehung einer Straße herangezogenen Gründe des öffentlichen Wohls andere Belange überwiegen. Denn die insoweit anzustellende Abwägung stellt ein Wesensmerkmal staatlicher Planung dar. Das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls erfordert dabei eine Gewichtung und Abwägung nur der öffentlichen Belange, während die von der Einziehung berührten privaten Interessen auf der Rechtsfolgenseite der Sollvorschrift berücksichtigt werden können (in diesem Sinne: Herber, a.a.O., Kap. 10 Rdnrn. 12.2 und 12.3; für eine Abwägung auch der Interessen der Anlieger im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls: Grupp, in: Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 78; Wendrich, Nds. Straßengesetz, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 3). Diese Aufteilung liegt deshalb nahe, weil anderenfalls in den Konstellationen, in denen eine straßenrechtliche Einziehung ausschließlich auf die Tatbestandsalternative des Wegfalls der Verkehrsbedeutung gestützt werden könnte, ein Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung privater Interessen nicht vorhanden wäre.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch im Zusammenhang mit einer Teileinziehung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG davon auszugehen, dass die privaten Interessen des Straßenanliegers nicht schon auf der Tatbestandsseite, sondern auf der Rechtsfolgenseite der Vorschrift zu berücksichtigen sind. Dafür spricht, auch wenn § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG als alternatives Tatbestandsmerkmal den Wegfall der Verkehrsbedeutung nicht enthält, dass die Vorschrift in Bezug auf die überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls dem Aufbau des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG entspricht und die Teileinziehung im Übrigen auch als - im NStrG gesetzlich geregelter - Unterfall der Volleinziehung anzusehen ist (vgl. Herber, a.a.O., Kap. 10 Rdnrn. 15 f).“

Hiervon ausgehend erweist sich die vorgenommene Abwägung der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls als rechtlich fehlerfrei. Unabhängig davon, dass in aller Regel bei der Einrichtung von Fußgängerzonen überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit den Ausschluss des Kfz-Verkehrs erforderlich machen (vgl. Sauthoff, a.a.O., Rn. 257 unter Hinweis auf VGH BW, Urteil vom 23. September 1993 - 5 S 2092/92 -, juris und VG Freiburg, Beschluss vom 31. August 2009 - 1 K 1055/09 -, juris), hat der Rat der Antragsgegnerin bezogen auf die örtlichen Besonderheiten und die Verhältnisse der streitigen Straßenteile gewichtige Gründe des öffentlichen Wohls für einen weitgehenden Ausschluss des Kfz- und Fahrradverkehrs benannt und abgewogen:

Aus der Vorlage vom 8. April 2014 für die Ratssitzung am 10. April 2014, aber auch aus dem vorausgegangenem Verfahren wird deutlich, dass die Einrichtung der Fußgängerzone hier der Entflechtung der bestehenden Verkehrssituation (Vermeidung von Konfliktsituationen zwischen Fußgängern, Hunderten von Fahrrädern und diversen Kfz, insbesondere Lieferfahrzeuge) und - zusätzlich - der Steigerung der Attraktivität der Straßenzüge (Vermeidung von unzumutbaren Lärm- und Abgasbelästigungen sowie Verkehrsberuhigung) dient. Rechtlich zutreffend hat sie dabei in Abstimmung mit der Straßenverkehrsbehörde eine alternative Lösung bloß über Straßenverkehrsschilder verworfen, weil vielfach dauerhaft verwendete Verbotsschilder - wie beispielsweise das Verkehrszeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) mit entsprechenden Zusatzschildern für den Lieferverkehr - ebenfalls eine Teileinziehung voraussetzt. Keineswegs erscheint es unvertretbar, wenn der Rat unter Hinweis auf weitere Besucherwellen, etwa nach Weihnachten, zur Karnevalszeit und zu Ostern einen ganzjährigen Handlungsbedarf annimmt und nicht nur einen solchen für die Sommermonate Juli und August, wie ihn die Antragstellerin mit eigenen Beobachtungen und Aufzeichnungen (vgl. eingereichte CD-ROM mit Aufnahmen, Blatt 121 und 134 GA 5 A 1843/14) zu belegen versucht.

Weitergehende verkehrstechnische Untersuchungen oder Gutachten (etwa Unfall- oder Gefährdungsstatistiken oder eine Auskunft der örtlichen Polizeidienststelle) waren nicht geboten. Es ist ausreichend, dass der Rat wegen der offensichtlich mehrheitlich gesehenen Konfliktlage im Innenstadtbereich ein Verkehrskonzept eines Planungsbüros eingeholt und die Verkehrssituation in den Gremien sowie mit Anlieger- und Bürgerbeteiligung über einen längeren Zeitraum näher untersucht hat. Keineswegs ist der Rat an von der Verwaltung, den Gremien oder eingebundenen Externen vorgeschlagene Verkehrskonzepte gebunden, sondern darf diese - wie hier ab April 2013 - im Zuge der Entscheidungsfindung modifizieren, verringern und erweitern. Insofern ist unschädlich, dass das zunächst eingeholte Mobilitätskonzept schwerpunktmäßig nur die Strandstraße betraf und bei Beschlussfassung am 10. April 2014 nicht ausdrücklich als Grundlage benannt wurde. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich um überschaubare Verhältnisse innerhalb einer relativ kleinen Stadt und begrenzt auf kurze Teilstrecken im Ortskern handelt. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass die Ratsmitglieder ortskundig und mit den Verhältnissen über längere und unterschiedliche Zeiträume (etwa in der touristischen Hauptsaison) vertraut sind. Dies gilt sowohl für die räumlichen Verhältnisse der teileingezogenen Straßenteile (Straßenbreite, Straßenverlauf, dichte Bebauung, Pflasterung, fehlende Bürgersteige, hereinragende Dächer, Vorbauten und Einfriedungsmauern, Park- und Fahrradabstellmöglichkeiten) als auch für Art und Umfang der Verkehre. Die Einschätzung, Ausweichmöglichkeiten beim Begegnungsverkehr sind äußerst gering, so dass eine unübersichtliche Verkehrslage besteht, ist offenkundig zutreffend. Zusätzlich wurde eine Anliegerbefragung durchgeführt (vgl. Vermerk vom 10. Juli 2013, Blatt 11 ff. BA 5 A 1843/14), bei der ein Teil der Anlieger die Verkehrssituation im Verhältnis Fußgänger, Radfahrer und Kfz-Verkehr ebenfalls ausdrücklich beanstandete.

Die vor und nach Ankündigung der Teileinziehung eingegangenen Einwendungen wurden aufgelistet, bewertet (hier etwa: Blatt 21 a BA 5 A 1843/14) und in den Gremien vorgestellt. Dabei stimmte die Antragsgegnerin straßenverkehrsrechtliche Fragestellungen mit der Straßenverkehrsbehörde beim Landkreis Leer ab, ohne dass sich aus den Akten ein Widerspruch erschließt. Anlässlich eines Informationsabends am 3. März 2014 wurde das gesamte Mobilitätskonzept einschließlich der geplanten Fußgängerzone Bürgern und Anliegern vorgestellt. Der Arbeitskreis „Mobilitätskonzept“ und der Ausschuss für Verkehr, Umwelt-, Feuer- und Katastrophenschutz befassten sich mehrfach, letzterer etwa am 2. April 2014 in öffentlicher Sitzung, mit den Streitfragen. Die Antragstellerin stellt dem lediglich ihre eigene Sichtweise entgegen, ohne die Begründung des Rates der Antragsgegnerin nachhaltig zu erschüttern. Die Forderung nach noch weitergehender Aufklärung bezüglich konkreter Verkehrsgefährdungen geht auch deshalb fehl, weil die zum Anlass der Teileinziehung genommene verkehrliche Konfliktsituation wegen der räumlichen Verhältnisse und des überwiegend vorausschauenden und angepassten Verhaltens der Verkehrsteilnehmer größtenteils unterhalb der Schwelle von registrierten Unfällen oder konkreten Gefährdungen bleiben dürfte, gleichwohl aber einen straßenrechtlichen Handlungsbedarf begründet. Ausreichend für einen hinreichend gewichtigen Gemeinwohlbelang ist nämlich bereits eine spürbare Verbesserung der verkehrlichen Verhältnisse durch Ausschluss von Kfz- und fließendem Fahrradverkehr.

Der Belang „Entflechtung der Verkehrssituation“ ist auch hinreichend widerspruchsfrei. Wenn auch Konflikte anderer Verkehrsteilnehmer mit Kfz, insbesondere mit Lieferfahrzeugen, schon infolge der lokalen Saisonverkehrsbeschränkungen in der „roten Zone“ gemindert sein mögen, bleiben potentielle Konflikte durch ausnahmsweise zugelassene Kfz ein bedeutsamer Belang der gesamten Verkehrssituation. Was die Beeinträchtigungen anderer Verkehrsteilnehmer durch Radfahrer anbelangt, hat die Antragsgegnerin insbesondere auf Einwendungen gewerbetreibender Anlieger hin beschlossen, versuchsweise für zwei Jahre zeitweise (1. September bis 30. Juni) den Radverkehr doch zuzulassen. Diesbezüglich hat sie sich aber ausdrücklich vorbehalten, die mit der Öffnung verbundenen Erfahrungen näher zu untersuchen und bei konkreten Gefährdungen auch schon vorzeitig über eine Verschärfung zu entscheiden. Tragfähig ist diesbezüglich etwa die Erwägung, dass in der Hochsaison eine Vielzahl nicht ortskundiger Gäste zusätzlich am Radverkehr teilnimmt.

Im Übrigen verkennt die Antragstellerin die Anforderungen an die Systemstimmigkeit der erforderlichen überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls. Im Hinblick auf einen verhältnismäßigen Interessenausgleich im Einzelfall können Ausnahmen geboten sein, ohne das Regelungskonzept in Frage zu stellen. So ist anerkannt, dass aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit erforderliche Ausnahmen für den Anliegerverkehr (etwa Sondernutzungserlaubnisse oder straßenrechtliche Genehmigungen) von den straßenrechtlichen Beschränkungen einer Fußgängerzone erteilt werden können (vgl. Sauthoff, a.a.O., Rn. 257 und Stahlhut, in: Kodal/Krämer, 7. Auflage 2010, Kapitel 25 Rn. 65.1).

Die vorstehenden Erwägungen gelten umso mehr, als der Rat der Antragsgegnerin zusätzlich auch den städtebaulichen Belang „Steigerung der Attraktivität der Straßenzüge“ erwogen hat. Gerade hier kommt ihr ein planerischer Spielraum zu. Zu Recht hat sie auch das Gewicht der Erholungsfunktion von Inselstädten bzw. -gemeinden betont, die auch nach den Erfahrungen benachbarter ostfriesischer Inseln gestärkt würde. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die streitige Fußgängerzone nicht mit bereits vorhandenen Fußgängerzonen (etwa Bismarckstraße/Franz-Habich-Straße) unmittelbar zusammenhängt. Im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums steht es dem Rat der Antragsgegnerin frei, auch kleinteilige Einzelbereiche zu regeln oder schrittweise ein Verkehrskonzept zu verwirklichen. Anders als die Antragstellerin meint, obliegt ihm dabei maßgeblich die Beurteilung und Abwägung von Fernwirkungen der Teileinziehung, etwa für Ausweich- und Umgehungsverkehre und damit ggf. verbundene Lärm- und Abgasimmissionen anderenorts. Mithin setzt die Antragstellerin auch beim zweiten Gemeinwohlbelang ihre eigene Wertung an die Stelle der maßgeblichen Beurteilung des Rates.

Die gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung des Rates der Antragsgegnerin erweist sich als fehlerfrei und verhältnismäßig. Es ist weder von der Antragstellerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier wegen ihrer Anliegerrechte ein atypischer Fall vorliegt, der es gebietet, von der gesetzlichen Sollvorschrift abzuweichen. Der Rat der Antragsgegnerin und zuvor ihre Verwaltung und ihre Gremien haben den Interessen der Anlieger, insbesondere auch den Interessen der Antragstellerin, an Erreichbarkeit ihres Stammbetriebes und Vermeidung von Umsatzeinbußen in ausreichendem Maße Rechnung getragen. So hat sich die Antragsgegnerin mit allen, auch von der Antragstellerin geltend gemachten Einwänden und Bedenken auseinander gesetzt und die Interessen der Anlieger hinreichend berücksichtigt. Dabei hat sie durchaus das von der Antragstellerin prognostizierte negative Kundenverhalten und die damit befürchteten Umsatzeinbußen gesehen, die die Teileinziehung unmittelbar auf den Stammbetrieb ihrer Bäckerei/Konditorei (der innerhalb der geschaffenen Fußgängerzone liegt) haben könnte. Diese hat sie aber gegenüber den Gründen des Wohls der Allgemeinheit für den weitgehenden Ausschluss des Kfz-Verkehrs und des Fahrradverkehrs als nicht ausreichend angesehen, um einen atypischen Fall anzunehmen.

Dabei hat sie zutreffend die tendenziell schwache Position des Anliegers zugrunde gelegt, der aus dem sog. Anliegergebrauch weder Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs noch auf Schutz vor Änderung oder Einziehung hat (vgl. nur § 14 Abs. 2 NStrG; grundlegend: vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 VR 7.99 -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 12. August 2008 - 12 LA 106/07 -; Bay. VGH, Urteil vom 15. März 2006 - 8 B 05.1356 -, juris). In der Tat gewährleistet der Anliegergebrauch nur die Verbindung eines Grundstücks mit dem öffentlichen Wegenetz schlechthin, garantiert aber nicht die Leichtigkeit und Bequemlichkeit des Zu- und Abgangs, so dass die Anlieger grundsätzlich Umwege und Erschwernisse in Kauf zu nehmen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. August 1982 - 4 C 58.80 -, juris). Die Möglichkeit der gewerblichen Benutzung einer öffentlichen Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs unterfällt entgegen der Annahme der Antragstellerin keinem besonderen grundrechtlichen Schutz. Vielmehr ist die bis zur Teileinziehung vorhandene Möglichkeit eines Unternehmers zur Nutzung des fraglichen Straßenraums im Rahmen des Gemeingebrauchs als bloße, von Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützte tatsächliche Gegebenheit zu werten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 22). Auf einen besonderen Schutz der in jüngerer Vergangenheit getätigten umfangreichen Investitionen in den Stammbetrieb durfte die Antragstellerin daher berechtigterweise nicht vertrauen. Angesichts des sehr begrenzten Schutzes der Anliegerinteressen lässt sich nicht beanstanden, dass sich die Antragsgegnerin nicht im Einzelnen mit den prognostizierten Umsatzeinbußen (vgl. Blatt 19 f. BA 5 A 1843/14) auseinandergesetzt und auch keine weiteren eigenen Ermittlungen diesbezüglich angestellt hat.

Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die befürchteten Umsatzeinbußen zutreffend als nicht hinreichend gewiss angesehen, negative Auswirkungen auf die Versorgungssituation der Insel offenbar als fernliegend erachtet und Anlieger wie etwa die Antragstellerin auf zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten verwiesen. So könnten Fahrradfahrer unter den Kunden die kurzen Teilstücke der neuen Fußgängerzone zu Fuß gehen und ihre Fahrräder in unmittelbarer Nähe der teileingezogenen Straßenteile abstellen. Über die alte Schulstraße oder andere uneingeschränkt befahrbare angrenzende Straßen kann etwa fast bis zu der Bäckerei/Konditorei gefahren werden, die nur noch wenige Schritte entfernt liegt. Zudem werden im Bereich des Rathauses zusätzliche Fahrradabstellmöglichkeiten erwogen. Trotz der anders gewünschten Steuerung des Verkehrsverhaltens kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Fahrräder notfalls geschoben und kurzfristig vor dem Geschäft abgestellt werden. Im Hinblick auf die Einwendungen der Anlieger bzgl. ihrer auch großen einheimischen Fahrradkundschaft hat die Antragsgegnerin zudem beschlossen, versuchsweise für zwei Jahre den Radverkehr in der Zeit von jeweils 1. September bis 30. Juni eines Jahres freizugeben und die Auswirkungen näher zu untersuchen. Was den Kfz-Verkehr und insbesondere den Anlieferverkehr anbelangt, hat sie zutreffend angenommen, dass sich ein Interessenausgleich im Einzelfall angemessen über mögliche Ausnahmeregelungen finden lässt. Soweit die werktägliche Ausnahmeregelung für den Anlieferungsverkehr von 8.00 bis 10.00 Uhr - etwa wegen Fährzeiten im Winterhalbjahr, begrenzter Kapazitäten früherer Fähren im Sommerfahrplan und Bedürfnissen der Zulieferer vom Festland - unzureichend sein sollten, verweist sie auf mögliche straßenverkehrsrechtliche Ausnahmen. Den damit ggf. verbundenen Aufwand und die Kosten hat sie ohne Rechtsfehler als verhältnismäßig angesehen. Im Übrigen verweist sie auf einen am Hafen bestehenden Güterumschlag mit ausreichender Kapazität und bestehender langjähriger Nutzung. Sollte dieser für die Antragstellerin nicht nutzbar seien, verblieben mögliche straßenverkehrsrechtliche Ausnahmen.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen zur voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Teileinziehung trägt auch eine gerichtliche Interessenabwägung die hier getroffene Entscheidung. Angesichts der nach obigen Ausführungen tendenziell eingeschränkten Anliegerrechte wiegt auch aus Sicht des Gerichts der angestrebte Schutz von Fußgängern und Radfahrern, insbesondere während der alsbald beginnenden touristischen Hauptsaison, höher.