Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.07.2006, Az.: 5 ME 118/06

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.07.2006
Aktenzeichen
5 ME 118/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.04.2006 - AZ: 5 B 58/06

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 5. Kammer - vom 21. April 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, ein rechtskräftig abgelehnter iranischer Asylbewerber, der zurzeit im Bundesgebiet geduldet wird und einen Asylfolgeantrag gestellt hat, begehrt eine Verpflichtung des Antragsgegners, ihm bis zur Entscheidung über seine zur Hauptsache erhobene Klage die Fortsetzung der Beschäftigung als Küchenhilfe zu erlauben.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 21. April 2006 Prozesskostenhilfe versagt und den Eilantrag abgelehnt, weil ein Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht sei. Gemäß § 11 der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) dürfe die Ausübung einer Beschäftigung geduldeten Ausländern nicht erlaubt werden, wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Der Antragsteller habe es zu vertreten, dass seinen Aufenthalt beendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten, da seine Rückführung ohne Reisepass oder iranisches Heimreisedokument nicht möglich sei, eine Passersatzpapierbeschaffung gegen seinen Willen keine Aussicht auf Erfolg habe und er es sowohl ablehne, seinen vorhandenen Reisepass vorzulegen, als auch, sich Papiere bei dem iranischen Generalkonsulat zu verschaffen. Für die geltend gemachte Unzumutbarkeit einer Mitwirkung an der Passersatzpapierbeschaffung könne sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen, dass er einen Asylfolgeantrag gestellt habe. Allein dieser Antrag beseitige nämlich seine Ausreisepflicht nicht und der Antragsgegner sei an die im Asylverfahren getroffenen Feststellung, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vorlägen, gebunden.

3

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ihm im Verwaltungsverfahren das rechtliche Gehör versagt worden sei, und zu Unrecht angenommen, dass er sich im Besitz eines iranischen Reisepasses befinde. Der Pass mit dem er einreiste, sei nämlich bei dem Schlepper verblieben, der seine Weiterreise nach Kanada habe vorbereiten sollen, dann aber den Kontakt zu ihm abgebrochen habe und verschwunden sei. Unabhängig davon, dass inzwischen eine negative - aber nicht bestandskräftige - Entscheidung über seinen Asylfolgeantrag ergangen sei, sei es ihm nicht zuzumuten, sich bei den Behörden seines Heimatstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Ein solcher Versuch würde nämlich selbst eine bereits erfolgte Anerkennung als Asylberechtigter zum Erlöschen bringen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Deshalb stehe die Aufforderung des Antragsgegners, bei der Passersatzpapierbeschaffung mitzuwirken, im Widerspruch zu dieser Norm. Es sei willkürlich, dass der Antragsgegner ihm über einen längeren Zeitraum eine Beschäftigungserlaubnis regelmäßig und wiederholt erteilt, diese aber genau zu einer Zeit versagt habe, zu der er in einem fortgeschrittenen Stadium seiner Verfolgungsfurcht einen Asylfolgeantrag stellte.

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Der Antragsteller beantragt,

5

den Beschluss aufzuheben und in der Sache zu entscheiden.

6

Der Antragsgegner stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

7

Er tritt dem Antragsteller jedoch mit der Erwägung entgegen, dass die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung zu Recht versagt worden sei, weil feststehe, dass der Antragsteller mit einem gültigen Reisepass eingereist sei und sich beharrlich weigere, diesen vorzulegen.

8

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und gibt eine Stellungnahme nicht ab.

II.

9

Unter Berücksichtigung der dem Verwaltungsgericht noch nicht zur Verfügung stehenden Beschwerdebegründung legt der Senat das Rechtsmittel des Antragstellers dahingehend aus, dass es sich nur gegen die dem Aufenthaltsrecht zuzuordnende Entscheidung der Vorinstanz richtet, und nicht zugleich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug. Hierfür spricht, dass der Antragsteller auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nicht mehr begehrt und dass die weite Auslegung des Rechtsmittels hier lediglich dazu führen müsste, dass diesem durch eine unanfechtbare Entscheidung nicht nur hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, sondern auch hinsichtlich der Gewährung von Prozesskostenhilfe der Erfolg zu versagen wäre. Damit aber ist niemandem gedient.

10

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes ist trotz der Unbestimmtheit des Beschwerdeantrages (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 4 VwGO) zulässig, weil aufgrund der Beschwerdebegründung das Rechtsschutzziel eindeutig bestimmt werden kann (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 10. 03. 2006 - 5 ME 249/05 -, m. w. N.; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 28 zu § 146).

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Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

12

Aus den mit der Begründung der Beschwerde dargelegten Gründen für das Rechtsmittel (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die allein der Senat zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Beschluss abzuändern und dem Antragsteller der begehrte einstweilige Rechtschutz zu gewähren ist. Vielmehr ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorausgesetzten Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

13

Als Anspruchsgrundlage für sein Begehren kommt nur § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) in Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann zwar geduldeten Ausländern (§ 60a des Aufenthaltsgesetzes) mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten haben. Nach § 11 Satz 1 Besch-VerfV darf dies aber nicht geschehen, wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. So liegt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Antragsteller gegenwärtig noch im Besitz seines bis einschließlich 23. Oktober 2006 gültigen Reisepasses befindet, oder nicht. Zwar wäre der Versagungsgrund des § 11 Satz 1 BeschVerfG erfüllt, wenn der Antragsteller noch über das Ausweispapier verfügte, sodass seinen Aufenthalt beendende Maßnahmen lediglich, deshalb nicht vollzogen werden könnten, weil er seiner aufgrund der §§ 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG und 48 Abs. 1 AufenthG bestehenden Verpflichtung nicht nachkommt, einen vorhandenen Reisepass vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Nichts anderes gilt aber, wenn er sich tatsächlich nicht mehr im Besitz des Passes befinden sollte oder - wofür Überwiegendes spricht - dies nur unwiderlegt behauptet. In diesen beiden Fällen sind nämlich die §§ 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG und 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG jeweils unmittelbar bzw. entsprechend (vgl. Nds. OVG. Urt. v. 27. 04. 2006 - 5 LC 110/05 -, zitiert nach der Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) anwendbar, nach denen er verpflichtet ist, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Und auch die schuldhaft unzureichende Mitwirkung bei der Passbeschaffung stellt einen Versagungsgrund im Sinne des § 11 Satz 1 BeschVerfV dar, wenn sie kausal dafür ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (OVG NRW, Beschl. v. 18. 01. 2006 - 18 B 1772/05 -, InfAuslR 2006, 222 -226, zitiert nach JURIS, Rdnrn. 43 ff. des Langtextes, m. w. N.). Unstreitig verweigerte und verweigert sich der Antragsteller eine Mitwirkung bei der Passbeschaffung, weil er es für unzumutbar hält, zu diesem Zweck an eine iranische Auslandsvertretung heranzutreten. Mit Recht hält ihm jedoch das Verwaltungsgericht entgegen, dass er sich zur Herleitung einer solchen Unzumutbarkeit gegenüber dem Antragsgegner nicht auf das Bestehen von Asylgründen oder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen berufen kann. Der Antragsgegner ist nämlich gemäß den §§ 4 Satz 1 und 42 Satz 1 AsylVfG an die bestandskräftigen Entscheidungen gebunden, die das Bundesamt auf den Asylerstantrag des Antragstellers getroffen hat (vgl. Nds. OVG. Urt. v. 27. 04. 2006 - 5 LC 110/05 - a. a. O.). Auch dass der Antragsteller einen Asylfolgeantrag gestellt hat, entbindet ihn grundsätzlich nicht davon, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Soweit er sich für seine gegenteilige Ansicht auf Marx beruft, verkennt er, dass dieser seinen möglicherweise abweichenden, vormaligen Rechtsstandpunkt inzwischen aufgegeben hat (vgl. Marx, AsylVfG, 4. Aufl. 1999, Rdnr. 6 zu § 43b, und Marx, AsylVfG, 6. Aufl., 2005, Rdnrn. 26 und 38 zu § 15, m. w. N.). § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG betrifft eine gänzlich andere Fallgestaltung, aus der Schlüsse für die Zumutbarkeit einer Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren nach Stellung eines Asylfolgeantrages nicht gezogen werden können. Der vorliegende Fall erfordert auch keine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen nach Stellung eines Asylfolgeantrages die Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren - ausnahmsweise - unzumutbar sein kann. Jedenfalls nachdem der Antragsgegner am 6. April 2006 eine Mitteilung des Bundesamtes im Sinne des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG über die Ablehnung des Folgeantrages des Antragstellers erhalten hatte, und daher die Abschiebung hätte vollziehen können, war und ist nämlich eine weitere Verweigerung der Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren nicht gerechtfertigt (vgl. Nds. OVG. Urt. v. 27. 04. 2006 - 5 LC 110/05

14

a. a. O.). Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn das Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Ergehen dieser Mitteilung gewährt hätte. Auch dies ist jedoch ausweislich des Beschlusses vom 10. Mai 2006 - 5 B 82/06 - nicht geschehen.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

16

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Der Senat hat schon deshalb davon abgesehen, den Streitwert im Verhältnis zu dem für ein Hauptsacheverfahren maßgeblichen Wert herabzusetzen, weil der Antragsteller eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt. Es kann also hier dahinstehen, ob eine solche Herabsetzung auch deshalb ausschiede, weil sich der Streitwert zur Hauptsache aus § 52 Abs. 2 GKG ergibt.

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).