Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.07.2006, Az.: 5 LA 306/05

Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung einer Anerkennung als Asylberechtigter; Voraussetzungen für die Gewährung eines Asylrechts; Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs; Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers; Verwirkung des Rügerechts

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.07.2006
Aktenzeichen
5 LA 306/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 32057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0724.5LA306.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 08.11.2005 - AZ: 5 A 277/05

Amtlicher Leitsatz

Darlegung des Zulassungsgrundes einer Gehörsversagung, wenn Übersetzungsfehler des Dolmetschers geltend gemacht werden.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist mangels hinreichender Darlegung von Zulassungsgründen (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) unzulässig.

2

Soweit der Kläger seine Anerkennung als Asylberechtigter begehrt, fehlt es schon deshalb an der Darlegung eines Zulassungsgrundes, weil das Verwaltungsgericht dieses Begehren daran hat scheitern lassen, dass die Einreise auf dem Luftweg - und damit durch keinen sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 GG und § 26a AsylVfG) - nicht glaubhaft gemacht sei, und sich die allein erhobene Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs auf diesen Gesichtspunkt nicht bezieht.

3

In Bezug auf das Begehren nach Abschiebungsschutz (§ 60 AufenthG) ist der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Gehörsversagung (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

4

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nur dann verletzt, wenn das Urteil auf Tatsachen- und Beweisergebnisse gestützt wird, zu denen die Beteiligten sich nicht äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO) oder wenn das Gericht das (entscheidungserhebliche) tatsächliche oder rechtliche Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht erwogen hat (BVerfG, Beschl. v. 30. 01. 1985 - 1 BvR 393/84 -, BVerfGE 69, 141 [BVerfG 30.01.1985 - 1 BvR 393/84] [143]). Gemäß den §§ 55 VwGO, 185 Abs. 1 Satz 1 GVG ist ein Dolmetscher zuzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs, das verkürzt wird, wenn Übersetzungsfehler des Dolmetschers in entscheidungserheblichen Punkten zu einer unrichtigen, unvollständigen oder sinnentstellenden Wiedergabe der Erklärungen des Asylsuchenden geführt haben (BVerwG, Beschluss v. 29. 04. 1983 - BVerwG 9 B 1610.81 -, NVwZ 1983, 668; Nds. OVG, Beschluss v. 07. 04. 2006 -5 LA 108/05 -). Letzteres ist jedoch gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG (ebenso wie es im Zuge der Bezeichnung des entsprechenden Verfahrensmangels nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich wäre) im Einzelnen schlüssig darzulegen. Es muss also aufgezeigt werden, in welchen - entscheidungserheblichen - Punkten die Erklärungen infolge des geltend gemachten Übersetzungsfehlers im Sitzungsprotokoll unrichtig oder sinnentstellend wiedergegeben werden und welche entscheidungserheblichen Angaben wegen Fehler der Übersetzung das Sitzungsprotokoll nicht wiedergibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29. 01. 2004 - BVerwG 1 B 16/04 -, Buchholz 310 § 133 n. F. VwGO Nr. 70, zitiert nach JURIS, RdNr. 3 des Langtextes). Daran fehlt es hier insoweit, als der Kläger in seinem Zulassungsantrag lediglich pauschal behauptet, dass sich die angeblichen Übertragungsfehler zu seinem Nachteil ausgewirkt hätten, aber keine näheren Ausführungen dazu macht, weshalb sie sich auf entscheidungserhebliche Punkte bezogen hätten und ihr Unterbleiben zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, RdNr. 49 zu § 138).

5

Hinzu kommt, dass der Kläger weder darlegt noch ohne weiteres aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich ist, dass er die von ihm geltend gemachten Übersetzungsmängel schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, und zwar in dem seiner Befragung nachfolgenden Verhandlungsabschnitt, gerügt habe. Ist dies aber nicht geschehen, so hat er - selbst wenn die Mängel vorliegen sollten - sein Rügerecht gemäß den §§ 173 Satz 1 VwGO, 295 Abs. 1 ZPO verloren, es sei denn, die behaupteten Übersetzungsmängel wären ihm nicht bekannt geworden und hätten ihm auch nicht bekannt sein müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29. 04. 1983 - BVerwG 9 B 1610.81 -, a. a. O., [669]). Dass diese letztgenannten Voraussetzungen hier gegeben sind, hat er - entgegen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG - mit seinem Zulassungsantrag ebenfalls nicht hinreichenden dargelegt. Anlass für eine solche Darlegung hätte aber schon deshalb bestanden, weil sich aus der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihm die behaupteten Übersetzungsfehler hätten auffallen müssen. Seine angeblich dahingehend unzutreffend übersetzten Erklärungen, dass er das Mädchen habe in der Sowjetunion heiraten und dann in den Iran zurückkehren wollen, sind nämlich von dem Gericht nicht einfach zur Kenntnis, sondern zum Anlass für den Vorhalt genommen worden, dass eine solche Ehe nach iranischem Recht nicht akzeptiert werde. Laut Sitzungsprotokoll hat der Kläger erst auf diesen Vorhalt mit der im Zulassungsantrag wörtlich zitierten, aber in Abrede gestellten Aussage reagiert. Es müsste also nicht nur ein vereinzelter Übersetzungsfehler aufgetreten sein, sondern der allgemein vereidigte Dolmetscher hätte wiederholt unrichtig übertragen. Dass dies im Wechselspiel von Einlassung, Vorhalt und Erwiderung, nicht zu bemerken gewesen sei, hätte vertiefter Darlegung bedurft.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.

7

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.