Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.07.2006, Az.: 2 NB 12/06

Anforderung; Beschwerde; Beschwerdebegründung; Beschwerdeverfahren; Darlegung; Darlegungslast; Kapazitätsprozess; Konvolut; Mitwirkungspflicht; nachträgliche Darlegung; Nachweis; Präklusion; Schriftstück; Substantiierung; Unzulässigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.07.2006
Aktenzeichen
2 NB 12/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.12.2005 - AZ: 8 C 1538/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Darlegungsanforderungen im hochschulrechtlichen Kapazitätsprozess.

Gründe

1

Durch Beschlüsse vom 23. Dezember 2005 (berichtigt durch Beschlüsse vom 4. Januar 2006), auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung u. a. verpflichtet, innerhalb einer Woche nach Zustellung der Beschlüsse unter den Antragstellern des erstinstanzlichen Verfahrens eine Rangfolge auszulosen und über die bereits vergebenen 16 Teilstudienplätze im Wintersemester 2005/2006 im Studiengang Humanmedizin weitere 115 Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2005/2006 vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester auf einen Teilstudienplatz zuzulassen. Gegen diese Entscheidung richten sich die hier nur von der Antragsgegnerin erhobenen Beschwerden, die als unzulässig zu verwerfen sind.

2

Die Unzulässigkeit der Beschwerden der Antragsgegnerin ergibt sich daraus, dass das von der Antragsgegnerin innerhalb der Beschwerdefrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO, und zwar mit ihren Schriftsätzen vom 9. und 27. Januar 2006 zur Beschwerdebegründung geltend gemachte Vorbringen dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht entspricht, so dass die Beschwerden der Antragsgegnerin nach § 146 Abs. 4 Abs. 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen sind. (Da sich die Antragsgegnerin bis zum Ablauf des 10. Februar 2006 in diesen Beschwerdeverfahren nicht weiter geäußert hat, kann offen bleiben, ob durch die Berichtigungsbeschlüsse vom 4. Januar 2006, die der Antragsgegnerin am 10. Januar 2006 zugestellt worden sind und die sich lediglich auf Antragsteller beziehen, die für das 2. Fachsemester zugelassen werden wollen, die durch die Zustellung der Beschlüsse vom 23. Dezember 2006 möglicherweise am 30. Januar 2006 abgelaufene Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO auch für die Verfahren der eine vorläufige Zulassung im ersten Fachsemester erstrebenden Antragsteller verlängert worden ist.)

3

Die Antragsgegnerin bezieht sich in ihren Schriftsätzen vom 9. und 27. Januar 2006 zur Begründung ihren Beschwerden lediglich auf eine Teilbegründung der angefochtenen Beschlüsse vom 23. Dezember 2005/4. Januar 2006, und zwar auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu dem (unbereinigten) Lehrangebot und dort auch nur auf die Überlegung, bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern (Besoldungsgruppe C 1 bzw. Angestelltenvergütungsgruppe BAT Ib/IIa) sei den Berechnungen bei 23 Stellen für jeden dieser Bediensteten eine Lehrverpflichtung von acht Lehrveranstaltungsstunden (LVS) und nicht wie bisher angenommen von vier LVS zu Grunde zu legen, weil es die Antragsgegnerin trotz Aufforderung versäumt habe, in jedem Einzelfall durch Vorlage der entsprechenden Arbeitsverträge/Einweisungsverfügungen den Nachweis für eine Lehrverpflichtungsreduzierung infolge eigener Weiterqualifikation zu erbringen. Hierzu macht die Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 9. und 27. Januar 2006 (unter Vorlage von Arbeitsverträgen und Einweisungsverfügungen sowie einer Stellungnahme des Leiters des Geschäftsbereichs Lehre, Dr. med. DN., vom 9. Januar 2006) - lediglich - geltend, sie habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr in Bezug auf den Nachweis des persönlichen Weiterbildungsauftrages dieser 23 Beschäftigten weiterer Sachvortrag durch das Verwaltungsgericht abgeschnitten werde, des Weiteren sei es ihr bei einer Berücksichtigung von acht LVS für die wissenschaftlichen Mitarbeiter und damit bei der vorläufigen Zulassung von 115 Studienanfängern auf Teilstudienplätzen im Wintersemester 2005/2006 nicht möglich, einen ordnungsgemäßen Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten; denn ihr werde von dem Land Niedersachsen im Fach Humanmedizin über einen Kostennormwert nur ein Betrag von 160.000 € pro Studienanfänger zur Verfügung gestellt, auch stehe der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts, der einen 15%igen Aufschlag auf die um vier LVS auf acht LVS erhöhte Kapazität bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern vornehme, in Widerspruch mit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, wonach mit einem 15%igen Aufschlag auf die - bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern mit vier LVS - errechnete Kapazität die maximale Kapazität der Hochschule erschöpft sei.

4

Dieses Beschwerdevorbringen genügt indessen dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht, weil es sich mit den - nur - angefochtenen Begründungserwägungen des Verwaltungsgerichts (zu der Berücksichtigung von acht LVS bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern) nicht in der gebotenen Form hinreichend auseinandersetzt, was sich aus Folgendem ergibt:

5

Soweit der Antragsgegnerin zunächst meint, das Verwaltungsgericht habe sich mit der angefochtenen Entscheidung vom 23. Dezember 2005/4. Januar 2006 in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats zu dem sog. Sicherheitsaufschlag gesetzt, erweist sich die Darlegung schon deshalb als unzulänglich, weil der Senat entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin in seiner Rechtsprechung nicht etwa die Feststellung getroffen hat, mit einem 15%igen Sicherheitsaufschlag sei „die maximale Kapazität der Hochschule“ (gemeint: der Antragsgegnerin im Studiengang Humanmedizin) erschöpft. Der Senat hat in seinen bisherigen, in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen lediglich deutlich gemacht, dass bei dem Fehlen einer normativen Festlegung der verfügbaren Stellen zu der Bestimmung der Anzahl der zusätzlich von der Hochschule bereit zu stellenden Studienplätze im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Interessenabwägung stattzufinden hat, wie sie richtigerweise auch hier von dem Verwaltungsgericht vorgenommen worden ist, und dass bei dieser Interessenabwägung neben den aus der Berufsfreiheit herzuleitenden Teilhabeansprüchen der Studienplatzbewerber auf Aufnahme des Studiums der Humanmedizin an der Antragsgegnerin, die Interessen der an der Hochschule bereits Studierenden an einer ordnungsgemäßen Hochschulausbildung, die durch die Aufnahme zu vieler zusätzlicher Studierender nicht unmöglich gemacht werden darf, aber auch die Interessen der an der Hochschule Lehrenden an einer noch ordnungsgemäßen Lehre (vgl. Art. 5 Abs. 3 GG) in die Erwägungen einzubeziehen sind. Weiter hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass er es vor diesem Hintergrund im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht für geboten erachtet, den von dem Verwaltungsgericht gefundenen Wert eines 15%igen Sicherheitsaufschlags prozentual noch weiter zu erhöhen (s. hierzu zuletzt etwa die Beschl. des Senats v. 28.6.2006 - 2 NB 203/06 u. a. - u. v. 30.6.2006 - 2 NB 201/06 u. a.). Es kann daher keine Rede davon sein, dass der Senat in seiner Rechtsprechung postuliert hat, wie die Antragsgegnerin behauptet, ein „15%iger Aufschlag auf die errechnete Kapazität <stelle> die maximale Kapazität der“ Antragsgegnerin (in der vorklinischen Lehreinheit im Fach Humanmedizin) dar. Hiervon abgesehen gibt die Antragsgegnerin auch die Berechnung des sog. Sicherheitsaufschlages durch das Verwaltungsgericht falsch wieder, so dass die Darlegung sich auch insoweit als unzulänglich erweist. Wie sich nämlich aus den angefochtenen Beschlüssen vom 23. Dezember 2005/4. Januar 2006 zweifelsfrei (s. BA S. 38 u. S. 52) ergibt, berechnet das Verwaltungsgericht den (15%igen) Sicherheitsaufschlag nicht etwa in der Weise, dass es einen 15%igen Aufschlag auf die von dem Verwaltungsgericht in seinem Beschluss selbst als zutreffend ermittelte Anzahl der Studienplätze vornimmt. Vielmehr errechnet es diesen Aufschlag dadurch, dass es lediglich die von dem Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kunst für das Wintersemester 2005/2006, und zwar für das erste Fachsemester Humanmedizin festgesetzte Zahl der Studienplätze (190: 174 Voll- und 16 Teilstudienplätze) um 15 % erhöht. Damit wird der Berechnung des Sicherheitsaufschlages aber gerade eine Lehrverpflichtung von nur vier LVS für die wissenschaftlichen Mitarbeiter zu Grunde gelegt; denn die von dem Ministerium festgesetzte Studienplatzzahl bei der Antragsgegnerin beruht auf dem Kapazitätsbericht der Antragsgegnerin, die bei ihren Zahlen von einer Lehrverpflichtung dieser wissenschaftlichen Mitarbeiter von nur vier LVS ausgegangen ist.

6

Die Darlegung erweist sich aber auch insoweit als unzulänglich, als die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung einen 15%igen Sicherheitsaufschlag generell in Zweifel zieht. Denn die Antragsgegnerin bezieht sich hierzu (s. ihren Schriftsatz v. 27.1.2006) lediglich auf ihr Vorbringen in einem im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 17. Oktober 2005. Dies genügt dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ersichtlich nicht. Denn eine Beschwerdebegründung muss aus sich heraus verständlich sein und auf einer Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss der ersten Instanz beruhen, darf sich also nicht - auch nicht teilweise - in einer bloßen Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag - wie hier hinsichtlich des Infragestellens eines Sicherheitsaufschlages in Höhe von 15 % überhaupt - erschöpfen (Senat, Beschl. v. 6.12.2002 - 2 ME 215/06 -, DÖV 2003, 645).

7

Die Darlegung ist auch insoweit unzureichend, als die Antragsgegnerin geltend macht, ihr stehe pro Studienanfänger nur ein an einem Kostennormwert ausgerichteter Landeszuschuss zur Verfügung, so dass das Verwaltungsgericht sie nicht zur zusätzlichen Aufnahme von 115 Studienanfängern im Wintersemester 2005/2006 hätte verpflichten können; denn dieses Vorbringen liegt ebenfalls ersichtlich neben der Sache. Wie der Senat gegenüber der Antragsgegnerin bereits mehrfach (s. etwa nur den Beschl. v. 14.11.2005 - 2 NB 1304/04 u. a. - für die Lehreinheit Zahnmedizin) deutlich gemacht hat, hat der niedersächsische Verordnungsgeber bisher von der ihm in Art. 7 Abs. 4 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen (v. 24.6.1999, Nds.GVBl. 2000, 10) eingeräumten Ermächtigung, die jährliche Aufnahmekapazität nach einem Lehrbudget und einem Kostennormwert (anstelle des bisher anzuwendenden Curricularnormwerts) zu berechnen, auch für die Stiftungsuniversitäten nicht Gebrauch gemacht. Dies schließt es aber im Kapazitätsprozess aus, die personelle Ausstattung der Lehreinheit Vorklinische Medizin bei der Antragsgegnerin auf der Basis von Kostennormwerten pro Studienanfänger zu berechnen, mögen die der Antragsgegnerin als Stiftungsuniversität vom Land Niedersachsen gewährten Zuschüssen auch auf dieser Basis berechnet worden sein. Vielmehr gilt für die Ermittlung der Aufnahmekapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin weiterhin das in § 8 KapVO niedergelegte Stellenprinzip. Das Vorbringen der Antragsgegnerin zu ihr pro Studienanfänger von dem Land Niedersachsen gewährten Zuschüsse kann damit, was der Antragsgegnerin nach der Rechtsprechung des Senats aber auch bekannt sein müsste, im Kapazitätsprozess und damit auch in den hier anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Berücksichtigung finden.

8

An einer hinreichenden Darlegung i. S. des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO fehlt es auch insoweit, als die Antragsgegnerin geltend macht, entgegen der in dem angefochtenen Beschluss vorgenommenen Einschätzung müsse bei der Bestimmung des (unbereinigten) Lehrangebots bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern statt einer Lehrverpflichtung von acht LVS nur eine Lehrverpflichtung von vier LVS zu Grunde gelegt werden; denn aus den - jetzt - vorgelegten Arbeitsverträgen sowie Einweisungsverfügungen ergebe sich, dass diese Beschäftigten infolge eigener Weiterqualifikation nur eine eingeschränkte Lehrverpflichtung (in Höhe von vier LVS) hätten.

9

Auszugehen ist davon, dass die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren klar und unmissverständlich in den Verfügungen vom 21. September und 21. Oktober 2005 durch den Berichterstatter der Kammer aufgefordert worden ist, für alle wissenschaftlichen Mitarbeiter i. S. des § 31 Abs. 3 NHG durch Vorlage der jeweiligen Arbeitsverträge/Einweisungsverfügungen den Nachweis über Lehrdeputatsreduzierungen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2, 2. Altn. LVVO (Beschäftigung im Dienstverhältnis auf Zeit auch zum Zweck der eigenen Weiterqualifikation) zu erbringen. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin konnte nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Verfügungen für die Antragsgegnerin nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass das Verwaltungsgericht in den das Wintersemester 2005/2006 betreffenden einstweiligen Anordnungsverfahren in jedem Einzelfall (anhand der von der Antragsgegnerin vorzulegenden Verträge und Einweisungsverfügungen sowie der hierzu abzugebenden Erläuterungen) die Berechtigung der von der Antragsgegnerin für diese Mitarbeiter geltend gemachten Deputatreduzierung - anders als in den vorangegangenen Semestern - nachzuprüfen sowie bei nicht rechtzeitiger Vorlage der angeforderten Verträge und ergänzenden Begründungen in seinen Kapazitätsberechnungen zum Nachteil der Antragsgegnerin von einer nicht reduzierten Lehrverpflichtung dieser Mitarbeiter von acht LVS auszugehen gedachte. Angesichts dieser eindeutigen und unmissverständlichen Ankündigung des Verwaltungsgerichts über seine beabsichtigte Verfahrensweise, insbesondere in der die Aufforderung zum Vortrag wiederholenden Verfügung vom 21. Oktober 2005 entspricht die Behauptung der Antragsgegnerin, ihr sei die Möglichkeit zum weiteren Sachvortrag von dem Verwaltungsgericht in unzulässiger Weise abgeschnitten und damit das rechtliche Gehör verweigert worden, erkennbar nicht den Tatsachen; auch muss sich die Antragsgegnerin, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch einen i. S. des § 67 Abs. 1 VwGO als qualifiziert anzusehenden Bediensteten vertreten gewesen ist, bei diesem Vortrag im Beschwerdeverfahren fragen lassen, ob von ihr eindeutig formulierte gerichtliche Anfragen und Aufforderungen nicht mehr beachtet werden können. Hat die Antragsgegnerin damit auch in auffälliger Weise gegen die ihr im Verwaltungsprozess obliegenden Mitwirkungspflichten verstoßen, so dass das Verwaltungsgericht berechtigt gewesen ist, bei seiner Entscheidung vom 23. Dezember 2005 /4. Januar 2006 aus dem von der Antragsgegnerin trotz Aufforderung nicht erbrachten Nachweis zu einer Deputatreduzierung bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern für die Antragsgegnerin negative Schlüsse zu ziehen, so bedeutet dies allerdings entgegen der von einigen Antragstellern vertretenen Ansicht nicht, dass es der Antragsgegnerin nunmehr, d. h. im Beschwerdeverfahren vor dem Senat, verwehrt wäre, den (verspäteten) Nachweis zu führen, bei den betreffenden wissenschaftlichen Mitarbeitern sei von ihr für das Wintersemester 2005/2006 zu Recht eine Lehrdeputatsreduzierung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2, 2. Altn. LVVO vorgenommen worden. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob für eine (entsprechende) Anwendung des § 87 b VwGO im selbständigen Antragsverfahren nach § 123 VwGO überhaupt Raum ist (bejahend z. B. Kopp, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 2; a. A. Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2005, RdNr. 18). Denn selbst dann, wenn man eine Notwendigkeit für die Anwendung von Präklusionsvorschriften wie der des § 87 b VwGO im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bejahen wollte, wäre die Antragsgegnerin hier nicht gehindert gewesen, erst im Beschwerdeverfahren den Nachweis zu Recht bestehender Lehrdeputatreduzierungen bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern zu führen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich in seinen Verfügungen vom 21. September und 21. Oktober 2005 die Antragsgegnerin nicht gem. § 87 b Abs. 3 VwGO in einer eine Präklusionswirkung herbeiführenden Weise belehrt oder belehren wollen, so dass schon von daher eine Anwendung des § 87 b VwGO in diesen Beschwerdeverfahren ausscheidet, es mithin der Antragsgegnerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Mitwirkungspflichten durch substantiierten Vortrag zu der Berechtigung einer Lehrdeputatsverringerung gem. § 4 Abs. 3 Nr. 2, 2. Altn. LVVO noch im Beschwerdeverfahren nachzukommen. Aber dieser Mitwirkungspflicht, die überdies als Beschwerdevorbringen auch den in § 146 Abs. 4 VwGO aufgestellten besonderen Anforderungen gerecht werden musste, ist die Antragsgegnerin indessen nicht nachgekommen. Denn die Antragsgegnerin hat sich damit begnügt, dem Senat ein Konvolut mit Fotokopien von Arbeitsverträgen und Einweisungsverfügungen vorzulegen, die nicht etwa die 23 von dem Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss genannten wissenschaftlichen Mitarbeiter (der Besoldungsgruppe C 1 bzw. der Angestelltenvergütungsgruppe BAT Ia/IIa), sondern insgesamt 36 angeblich in der Vorklinischen Lehreinheit im Wintersemester 2005/2006 bei der Antragsgegnerin beschäftigtes Lehrpersonal betreffen, ohne in ihren Schriftsätzen vom 9. und 27. Januar 2006 dieses Material im Einzelnen, also bezogen auf den jeweiligen Bediensteten, näher zu erläutern, wie dies aber schon nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geboten gewesen wäre. Stattdessen hat die Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen lediglich die allgemein gehaltene Behauptung aufgestellt, den „beigefügten Arbeitsverträgen <könne> entnommen werden, dass die Beschäftigung sehr wohl zur eigenen Weiterbildung“ erfolgt sei. Dass dieser Vortrag weder die Anforderungen an die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotene Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts noch an einen substantiierten Nachweis einer Lehrdeputatreduzierung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2, 2. Altn. LVVO erfüllt, wird schon daran deutlich, dass sich die Arbeitsverträge und Einweisungsverfügungen nicht auf 23, sondern auf 36 Bedienstete, dazu noch unterschiedlicher Besoldungs- und Angestelltenvergütungsgruppen beziehen, ohne dass von der Antragsgegnerin eine Zuordnung vorgenommen worden wäre. Dies wäre aber schon deshalb angebracht gewesen, weil sich etwa die den Bediensteten Dr. DO. vom 22. April 2004, den Bediensteten Dr. DP. vom 10. Oktober 2002, den Bediensteten Dr. DQ. vom 23. Januar 2001, den Bediensteten Dr. DR. vom 5. Januar 2001, den Bediensteten Dr. DS. vom 21. Januar 2002 und den Bediensteten Dr. DT. vom 17. April 2002 betreffenden Einweisungsverfügungen auf Juniorprofessoren (Dr. DU und Dr. DV), Oberassistenten (Besoldungsgruppe C 2) und einen Privatdozenten (Dr. DW) beziehen und damit nicht auf die hier nur in Betracht kommenden wissenschaftlichen Mitarbeiter der Besoldungsgruppe C 1 bzw. der Angestelltenvergütungsgruppe BAT Ia/IIb abzielen. Die Antragsgegnerin wäre für einen dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Vortrag im Beschwerdeverfahren auch gehalten gewesen, - in Auseinandersetzung mit den in dem angefochtenen Beschluss genannten 23 Beschäftigungsverhältnissen - für jeden einzelnen/jede einzelne der demnach in Betracht kommenden und von ihr vorgelegten Arbeitsverträge/Einweisungsverfügungen näher zu begründen, inwieweit die jeweilige Lehrperson nach den getroffenen Vereinbarungen im Wintersemester 2005/2006 berechtigt gewesen sein soll, zu ihrer eigenen Weiterqualifizierung das Lehrdeputat zu reduzieren. Auch insoweit erweist sich der Vortrag der Antragsgegnerin als unzulänglich.

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Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass selbst bei ordnungsgemäßem Vortrag der Antragsgegnerin eine Lehrdeputatreduzierung auf vier LVS bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern Dr. DU., DV., Dr. DW., Dr. DX., DY., DZ., Dr. EA., Dr. EB., Dr. EC., ED., EE. und EF. schon deshalb für das Wintersemester 2005/2006 nicht hätte anerkannt werden können, weil die auf eine Reduzierung der Lehrverpflichtung gerichteten Nebenabreden bei diesen Lehrpersonen erst unter dem 5. Januar 2006 und damit nach dem 1. Oktober 2005 geschlossen worden sind. Es entspricht aber der Rechtsprechung des Senats (s. z. B. die Beschl. v. 23.6.2003 - 2 NB 155/03 u. a. - u. v. 21.4.2006 - 2 NB 348/05), dass nach § 5 KapVO in die Kapazitätsberechnung nur solche Daten bzw. Änderungen von Daten eingestellt werden dürfen, die spätestens vor Beginn des Berechnungszeitraumes - dies war hier für das Wintersemester 2005/2006 der 1. Oktober 2005 - eingetreten oder zumindest erkennbar gewesen sind (§ 5 Abs. 1 und 2 KapVO). Dies war aber bei den Nebenabreden vom 5. Januar 2006, mit denen eine zur Lehrdeputatverringerung für das schon im Oktober 2005 begonnene Wintersemester 2005/2006 herbeigeführt werden sollte, nicht der Fall. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verringerung des Lehrdeputats für das Wintersemester 2005/2006 zumindest bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern i. S. des § 5 KapVO erkennbar gewesen sei, bei denen in deren (vor dem 1. Oktober 2005) abgeschlossenen Arbeitsverträgen auf die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses nach den §§ 57 a ff. HRG hingewiesen worden ist. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 28. April 2004 (2 NB 729/04 -, NVwZ-RR 2004, 754f.) ausgeführt hat, sagt der bloße Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 57 a ff. HRG und die Bestimmung des § 31 NHG für sich genommen nichts darüber aus, ob einem wissenschaftlichen Mitarbeiter in dem jeweiligen Arbeitsvertrag auch - eine von seiner Lehrverpflichtung abzuziehende - Zeit für dessen berufliche Fort- und Weiterbildung tatsächlich zugestanden worden ist. Der für sich genommen nichts sagende Hinweis auf die Regelungen des niedersächsischen Hochschulgesetzes und des Hochschulrahmengesetzes war daher nicht geeignet, den erforderlichen Nachweis über eine in concreto, d. h. bei dem jeweiligen wissenschaftlichen Mitarbeiter individuell vereinbarte Reduzierung seiner Lehrverpflichtung zu führen.

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Aber auch, soweit sich in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen Nebenabreden befinden, die vor dem Beginn des Berechnungszeitraumes (1.10.2005) geschlossen worden sind und in denen sich die vertragsschließenden Parteien darüber einig sind, „dass die nach <§>§ 57a ff. HRG befristete Beschäftigung von vornherein auch zum Zwecke der eigenen Weiterbildung des Angestellten vereinbart wird“, wäre der Antragsgegnerin mit diesen Nebenabreden nicht der Nachweis einer im Kapazitätsprozess beachtlichen Lehrdeputatverringerung gelungen. Die genannten Nebenabreden sind nämlich so vage gehalten, dass sich aus ihnen eine im jeweiligen Einzelfall anzuerkennende Verringerung der Lehrverpflichtung - hier auf vier LVS - nicht ableiten lässt. Insbesondere wenn die betreffenden wissenschaftlichen Mitarbeiter, wie dies etwa bei Dr. EG. oder Dr. EH. der Fall ist, bereits promoviert sind, muss die Nebenabrede erkennen lassen, aus welchem Grund noch eine Verringerung der Lehrverpflichtung (bei einem promovierten Dozenten etwa für eine Habilitation) gerechtfertigt ist.

12

Schließlich stellt es auch keine ordnungsgemäße Darlegung i. S. des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dar, wenn die Antragsgegnerin - kommentarlos - mit der Übersendung der Kopien der Arbeitsverträge und Einweisungsverfügungen auch eine „Stellungnahme“ des Leiters des Geschäftsbereichs Lehre, Dr. med. DN., vom 9. Januar 2006 übermittelt, in der von „nicht ad hoc zu bewältigenden Schwierigkeiten, 115 Studierende“ zusätzlich im Wintersemester 2005/2006 aufzunehmen, die Rede ist. Sollte die Antragsgegnerin damit für die vorzunehmende Interessenabwägung (s. o.) geltend machen wollen, ein ordnungsgemäßer Lehrbetrieb sei aufgrund der in dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts angeordneten vorläufigen Zulassung zusätzlicher Studierender in der Vorklinischen Lehreinheit im Wintersemester 2005/2006 nicht mehr möglich gewesen, so hätte dies von ihr in ihren Schriftsätzen vom 9. und 27. Januar 2006 näher dargelegt werden müssen, die bloße Übersendung der Stellungnahme eines Dritten reichte hierzu nicht aus. Im Übrigen wird in der Stellungnahme des Leiters des Geschäftsbereichs Lehre die Aufnahmekapazität auch nur mit allgemein gehaltenen Erwägungen und Mutmaßungen in Zweifel gezogen, ohne dass bereits entstandene (größere) Schwierigkeiten konkret dargestellt werden. (Soweit in der eidesstattlichen Versicherung des Dekans Prof. Dr. EI. konkreter vorgetragen wird, ist dies hier schon deshalb unbeachtlich, weil dieser - neue - Vortrag nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist erfolgt ist).