Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.11.2000, Az.: 1 K 3742/99

allgemeines Wohngebiet; Bebauungsplan; Gemengelage; Gewerbebetrieb; Konfliktbewältigung; Lärm; Lärmschutz; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; schädliche Umwelteinwirkung; Straßenlärm; Verkehrslärm

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.11.2000
Aktenzeichen
1 K 3742/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der Neuplanung eines allgemeinen Wohngebietes in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gewerbebetrieb kann nicht von einer geminderten Schutzwürdigkeit des Wohngebietes im Hinblick auf die - neu entstehende - Gemengelage ausgegangen werden.

Tenor:

1. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes "auf der grünen Wiese" in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer verkehrsreichen Straße und einem lärmintensiven Gewerbebetrieb darf nicht dadurch "bewältigt" werden, daß die Schutzwürdigkeit des Wohngebietes im Sinn einer Gemengelage reduziert wird.

2. Festsetzungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen müssen die konkreten Maßnahmen hinreichend bestimmt benennen. Die Festsetzung "Lärmschutz H = 5 m" genügt nicht.

Tatbestand:

1

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 18 "A" der Gemeinde A Er ist Eigentümer von nordöstlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücken, auf denen er einen Fruchtgroßhandel betreibt.

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Der Betrieb des Antragstellers ist dort schon seit den 40er Jahren ansässig. In den folgenden Jahren wurden dem Antragsteller mit zahlreichen Baugenehmigungen die Errichtung von Lagerhallen für Obst und in den 60er und 70er Jahren auch die Errichtung von Kühllagerhallen für Obst genehmigt. In einer 1974 erteilten Baugenehmigung für eine Kühlhalle mit Tiefkühlraum war erstmals eine Auflage (Auflage Nr. 1) hinsichtlich des Lärmschutzes enthalten, nach der nachts "der von der Kühlanlage ausgehende Lärmbeurteilungspegel" 40 dB(A) nicht überschreiten darf und sich die Festlegung des Beurteilungspegels und des Meßortes nach der VDI-Richtlinie 2058 Bl. 1 richten. In den Jahren von 1981 bis 1983 wurden dem Antragsteller zahlreiche Baugenehmigungen erteilt, zu denen im Jahr 1980 und ergänzend am 30. Juni 1981 Gutachten des TÜV über die zu erwartende Lärmentwicklung eingeholt wurden. Auf deren Grundlage wurde ihm aufgegeben, gegenüber der östlich und südlich an sein Betriebsgelände angrenzenden Bebauung an der S Straße Lärmrichtwerte von 55 dB(A) am Tag und 40 dB(A) in der Nacht einzuhalten. Weiter wurde ihm die Auflage gemacht, die Austrittsöffnungen der Kühlaggregate so anzuordnen, dass diese nach Westen weisen, um Lärmbelästigungen für die erwähnte Wohnbebauung zu minimieren. Unter dem 17. März 1993 erteilte der Landkreis S dem Antragsteller eine Sondernutzungserlaubnis "für die Anlage einer Lkw-Standspur von km 4,638 bis km 4,725 im Zuge der K 49". Die Sondernutzungserlaubnis wurde nicht befristet und erging unter Widerrufsvorbehalt. Sie enthielt unter anderem die Nebenbestimmung, dass der Landkreis von Ansprüchen Dritter, die im Zusammenhang mit der Sondernutzungserlaubnis entstehen könnten, freizustellen sei, sowie den Hinweis, dass sonstige Genehmigungen oder Erlaubnisse oder Zustimmungen Dritter vom Erlaubnisnehmer einzuholen seien. In einem Anschreiben vom gleichen Tage hieß es, dass der Antragsteller nach Fertigstellung der Anlage Eigentümer bleibe und notwendig werdende Unterhaltungsmaßnahmen deshalb auf eigene Kosten durchzuführen habe und im Übrigen die Anlage so errichtet werden müsse, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung und den anerkannten Regeln der Technik genüge. Weiterhin enthielt das Anschreiben noch den Hinweis, dass auf Grund des Antrags "anliegend die Erlaubnis zum Bau der Lkw-Standspur an der K 49" erteilt werde. Vom Antragsteller gestellte Anträge an die Gemeinde und an den Landkreis auf Beteiligung an den Herstellungskosten wurden jeweils abgelehnt.

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Der Bebauungsplan Nr. 18 "Auf dem Brink/K 49" setzt ein allgemeines Wohngebiet fest, das sich südwestlich der K 49 erstreckt und mit seiner südlichen Grenze an den Friedhof der Gemeinde A angrenzt. Das Gelände, das bis dahin landwirtschaftlich genutzt wurde, ist abgesehen vom Friedhof und dem Betriebsgelände des Antragstellers von landwirtschaftlich genutztem Gelände umgeben. Es umfasst eine Fläche von ca. 2,06 ha. Im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde A ist es als Wohnbaufläche (W) dargestellt. Festgesetzt ist eine offene Bauweise mit eingeschossigen Einzel- und Doppelhäusern, einer Grundflächenzahl von 0,35, einer Traufhöhe von 4,50 m und einer Firsthöhe von 10 m bei einer Sockelhöhe von 30 cm über der mittleren Höhe des zugehörigen Straßenabschnitts. Wegen des zu erwartenden Straßenlärms von der Kreisstraße 49 und dem Lärm aus dem gegenüberliegenden Gewerbebetrieb des Antragstellers wurde ein Schallschutzgutachten eingeholt, das in der Folgezeit durch zwei Ergänzungsgutachten erweitert wurde. Auf der Grundlage des Gutachtens, das zu dem Ergebnis einer erheblichen Überschreitung der für die Lärmbelastung zu berücksichtigenden Orientierungswerte für allgemeine Wohngebiete kam, wurde eine 5 m hohe "Lärmschutzanlage" entlang der K 49 festgesetzt. Da diese nach dem Gutachten allein jedoch nicht ausreicht, um innerhalb des gesamten Plangebiets einen Beurteilungspegel von 45 dB(A) in der Nacht herzustellen, wurden zusätzliche Festsetzungen für die Anforderung an die Schalldämmung von Außenbauteilen getroffen und darüber hinaus noch die folgende textliche Festsetzung getroffen: "Im Lärmpegelbereich IV sind in den Obergeschossen Schlafräume nur auf der dem nördlich angrenzenden Gewerbebetrieb abgewandten Seite zulässig". Der im Plan ausgewiesene Lärmpegelbereich IV erfasst im Wesentlichen das Gelände, das unmittelbar an die K 49 angrenzt sowie einen kleinen daran südwestlich angrenzenden Bereich. Für diesen berechnete der Gutachter eine Lärmbelastung nachts in einer Höhe von 5 m bei bestehender Lärmschutzwand mit Höhe von 5 m entlang der K 49 von 55 dB(A). Dabei berücksichtigen die Prognosen nicht, dass nachts auf der Standspur vor dem Betriebsgelände parkende Lkw teilweise die Kühlaggregate laufen lassen, was zu weiteren Überschreitungen der Orientierungswerte führt (Gutachten S. 10 und Anlagen 8.1 -- 8.4). Das Lärmschutzgutachten sowie seine Ergänzungen wurden zum Bestandteil der Begründung des Bebauungsplan gemacht. Ebenfalls Bestandteil der Begründung sind die Anlagen 6 bis 8, in denen die notwendige Ausgleichsfläche für den Eingriff in Natur und Landschaft dargestellt ist. Diese liegt außerhalb des Plangebietes. Der ermittelte Ausgleichsflächenbedarf beträgt nach der Begründung 8200 qm. Die Ausgleichsfläche hat eine Größe von 6200 qm. Es handelt sich um Teile des Flurstücks 100 der Flur 5 Gemarkung Apensen, das am Rande eines Moores liegt und derzeit als Getreideacker genutzt wird. Als Maßnahmen sind vorgesehen: "Entwicklung einer standortgerechten Sukzessionsfläche als Teil eines Biotopverbundsystems, Schaffung zusätzlicher Grabenrandbiotope, Reduzierung des Nährstoffeintrags durch Nutzungsaufgabe und Aushagerung des überdüngten Bodens".

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Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

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Der Senat hat bereits Zweifel, ob die Wahl des Plangebietes nicht in einer das zulässige Maß überschreitenden Weise durch die Wünsche der Grundstückseigentümer beeinflusst worden ist, denen gegenüber über die städtebaulichen Erwägungen in nicht mehr vertretbarer Weise in den Hintergrund gedrängt wurden. Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben, weil der Plan bereits auf Grund anderer Abwägungsmängel nichtig ist. Die Antragsgegnerin hat insbesondere in fehlerhafter Weise ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt, aber gleichzeitig die Lärmrichtwerte eines Mischgebietes zugrunde gelegt.

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Der Bebauungsplan leidet an Abwägungsmängeln, die auch zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis führen. Die Antragsgegnerin hat hier zwar den Konflikt gesehen, der durch die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes in der unmittelbaren Nachbarschaft einer stark befahrenen Kreisstraße und eines Gewerbebetriebes entsteht, der mit starkem Lkw-Verkehr verbunden ist. Die Antragsgegnerin hat ein Lärmschutzgutachten eingeholt, um auf dessen Grundlage den Konflikt zu lösen. Sie hat jedoch den Konflikt nicht in ausreichendem Maße in seinen Einzelheiten erkannt und gewürdigt und ist mit den getroffenen Festsetzungen den Anforderungen an eine vertretbare Lösung dieses Konfliktes nicht gerecht geworden. Die Antragsgegnerin ist -- den Empfehlungen des Gutachtens folgend -- vom Vorliegen einer Gemengelage und den daraus entstehenden verminderten Anforderungen für den Lärmschutz ausgegangen. Sie hat dabei weder die Belange des Antragstellers noch den Schutz der Wohnruhe in dem neu zu schaffenden allgemeinen Wohngebiet in ausreichender Weise erkannt und gewürdigt.

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Nach dem Schallschutzgutachten werden in der Lärmpegelzone IV, die im Wesentlichen die Bebauung unmittelbar parallel zur K 49 betrifft, die Nachtrichtwerte für ein Mischgebiet trotz der vorgeschlagenen Lärmschutzeinrichtungen überschritten. Die Antragsgegnerin hat hier ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt und hätte deshalb die Ergebnisse ihrer Lösungsmöglichkeiten für den Lärmkonflikt an den für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Richtwerten messen müssen und nicht -- wie geschehen -- an den Richtwerten für ein Mischgebiet. Etwas anderes gilt zwar in Gemengelagen, wo ein Mittelwert gebildet werden kann im Sinne einer gegenseitigen Rücksichtnahme der verschiedenen aufeinander treffenden Nutzungen (BVerwG, Urt. v. 12.12.1975 -- 4 C 71.75 --, BVerwGE 50, 49). Bei der Überplanung bislang nicht bebauter Flächen ist jedoch der aus § 50 BImSchG entwickelte Trennungsgrundsatz (BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 -- IV C 50.72 --, BVerwGE 45, 309) zu beachten. Eine Gemengelage wird durch den Bebauungsplan hier erst geschaffen. Dies hat die Antragsgegnerin verkannt. Eine Gemengelage bestand -- und besteht -- hinsichtlich des Betriebs des Antragstellers im Bereich der S Straße, an deren westliche Seite der Betrieb des Antragstellers sowie das Gebäude Nr. 39 angrenzen, während an ihrer östlichen Seite Wohnbebauung liegt. Ein vorhandenes und ebenfalls konfliktträchtiges Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen bildet die Wohnbebauung südlich des Gewerbebetriebes des Antragstellers an der Einmündung der Kreisstraße 49 in die S Straße (S Straße 37 und 35), die vom Antragsteller selbst in den 90er Jahren errichtet worden sind. In dieser -- offensichtlich gewachsenen -- Gemengelage besteht eine Pflicht zu Rücksichtnahme im Sinne gesteigerter Duldungspflichten auf "beiden Seiten". Wie sich aus den Baugenehmigungsunterlagen hinsichtlich des Betriebs des Antragstellers ergibt, ist dieser in den Jahren seit 1949 kontinuierlich gewachsen. Seiner Rücksichtnahmepflicht gegenüber der bereits vorhandenen oder gleichzeitig entstehenden Wohnbebauung sollten die dem Antragsteller in den Jahren 1974 und 1982/83 erteilten Baugenehmigungen Rechnung tragen. In diesen war die Bedingung enthalten, dass die für Wohngebiete geltenden Lärmrichtwerte am nächsten benachbarten Wohnhaus nicht überschritten werden dürften. Diesen Anforderungen hat sich der Antragsteller nach seinen Auskünften mit seinen Planungen jeweils angepasst und versucht, die lärmintensiven Bereiche seines Betriebs so anzuordnen, dass sie auf den der Wohnbebauung abgewandten Seiten seines recht großen Betriebsgeländes liegen.

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Bei der Überplanung des von dem neuen Bebauungsplan erfassten Gebietes durfte die Antragsgegnerin entgegen den Vorstellungen des Gutachters nicht an eine vorhandene konfliktträchtige Gemengelage mit der daraus folgenden Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme anknüpfen, denn das Plangebiet war bislang unbebaut. Aufgabe der Planung war deshalb nicht, eine vorgefundene Gemengelage zu dem angesichts der tatsächlich gegebenen Umstände bestmöglichen Ausgleich im Sinne eines Kompromisses zu bringen, sondern für ein durch Umwandlung bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen neu entstehendes Wohngebiet eine sachgerechte Planung vorzunehmen. Dieser Aufgabe ist die Antragsgegnerin mit ihrem Plan nicht gerecht geworden. Zu einer sachgerechten Planung gehört, dass ein allgemeines Wohngebiet nach Möglichkeit dort ausgewiesen wird, wo dessen Voraussetzungen eingehalten werden können. Die Antragsgegnerin hat den Konflikt zwischen Wohnruhe und Lärmimmissionen durch die Kreisstraße und den Gewerbebetrieb zwar gesehen und ein Gutachten eingeholt. Sie hat jedoch aus dem Ergebnis des Gutachtens nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Ohne sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten und dementsprechend mit dem Trennungsprinzip und seinen Folgen für die Gestaltung des Plangebiets auseinander zu setzen, hat die Antragsgegnerin der Empfehlung des Gutachters folgend das Gebiet als Gemengelage bezeichnet, um so eine Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen den an sich unverträglichen Nutzungen zu begründen zur "Rechtfertigung" der hohen Lärmwerte heranzuziehen.

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Das Schallschutzgutachten kommt zu einer Belastung für die Nacht durch den Verkehrslärm von der K 49 von 55 dB(A) in einem bis zu 60 m tiefen Bereich parallel zur K 49 und von 50 dB(A) für die anschließende Fläche in einer Entfernung von etwa 60 m von der Straße. Diese Lärmbelastung vermindert sich nach dem Gutachten durch die Errichtung eines Lärmschutzwalles mit einer Höhe von 5 m zwar bei einer Aufpunkthöhe von 2 m jedoch nicht in einer Höhe von 5 m. Die Lärmbelastung durch den Betrieb des Antragstellers berechnet das Gutachten ebenfalls mit 55 dB(A) bis zu einer Entfernung von 60 m von der Kreisstraße und 50 dB(A) in dem anschließenden Bereich. Diese Werte werden durch den Betrieb sowohl tags wie nachts erreicht. Das bedeutet, dass in einem Streifen von ca. 60 m Breite südlich des Lärmschutzwalls in einer Höhe von 5 m mit Überschreitungen der Orientierungswerte für allgemeine Wohngebiete von 10 dB(A) bis 15 dB(A) zu rechnen ist. Da die Lärmbelastung nach den Berechnungen der Gutachter durch den Lärmschutzwall mit einer Höhe von 5 m nur im Bereich des Erdgeschosses bei einer Aufpunkthöhe von 2 m vermindert werden kann, schlagen die Gutachter weitere Lärmschutzmaßnahmen für das erste Obergeschoss vor. Diese führen nach dem Gutachten jedoch nur dazu, dass die Werte eines Mischgebietes eingehalten werden können. Bei einer Aufpunkthöhe von 2 m ist nachts mit einer Überschreitung von bis zu 6 dB(A) zu rechnen. Dabei weisen die Gutachter zusätzlich darauf hin, dass die Lärmprognosen nicht berücksichtigen, dass die nachts auf der Standspur vor dem Betriebsgrundstück des Antragstellers parkenden Lkw zum Teil die Kühlaggregate laufen lassen. Eine Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Lärmeinwirkung würde zu einer weiteren Erhöhung der Lärmwerte führen. Aus dem Zusatz vom 31. Mai 1999 zum Gutachten, das auf Grund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamtes angefertigt wurde, ergibt sich, dass ausschließlich an den der Anlage abgewandten Hausseiten der Nachtrichtwert eines Mischgebietes 0,5 m vor dem geöffneten Fenster eingehalten werden kann, während an den der Straße zugewandten Seiten Richtwertüberschreitungen des Richtwertes für Mischgebiete im Obergeschoss von 7 dB(A) bis 11 dB(A) auftreten können. Die Gutachter empfehlen deshalb in ihrer zusätzlichen Stellungnahme für den unmittelbar an die Kreisstraße angrenzenden Bereich zusätzlich die Forderung aufzunehmen, im Obergeschoss die Fenster der zum Schlafen bestimmten Räume ausschließlich auf der Südseite (der dem Betrieb des Antragstellers abgewandten Seite) anzuordnen. Zur Begründung ihrer allein auf die Richtwerte für Mischgebiete abstellenden Berechnung verweisen die Gutachter darauf: "Allgemein wird jedoch ohne besondere Begründung akzeptiert, dass der Nachtrichtwert des MI mit 45 dB(A) in derartigen Planungsfällen verwendet werden kann". Diese Begründung wurde von der Antragsgegnerin ohne weitere Kommentierung übernommen. Dass es sich nicht um eine "gewachsene Gemengelage" handelt, sondern um die Neuplanung eines allgemeinen Wohngebietes, wurde von der Antragsgegnerin nicht angesprochen.

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Die Antragsgegnerin hat dabei auch die Belange des Antragstellers nicht in ausreichender Weise in ihre Abwägung einbezogen. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Ratsbeschlusses bestanden, abgesehen von den Daten des Gutachtens, keine Erkenntnisse über Einzelheiten der tatsächlich vom Betrieb des Antragstellers ausgehenden Lärmemissionen. Insbesondere hatte die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem Betrieb zwar bis dahin gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung zur Rücksichtnahme und Einhaltung der sich aus den jeweils ihm erteilten Baugenehmigungen ergebenden Lärmbegrenzungen verpflichtet war, jedoch nach Westen und Südwesten von diesen Beschränkungen bislang frei war. Dementsprechend konnte der Antragsteller sich darauf einrichten, dass er solche Lärmschutzmaßnahmen ergreifen konnte, die zwar gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung östlich und südöstlich seines Grundstückes wirksam werden, aber gleichzeitig die weniger sensiblen Grenzbereiche als "Reserve" in Anspruch nehmen. Das heißt, er konnte darauf vertrauen, Maßnahmen ergreifen zu können, die den Lärm nicht an der Quelle reduzieren, sondern partiell abschirmen und dadurch weniger aufwendig beziehungsweise kostenintensiv sind. Jedenfalls war der Antragsteller bislang nicht gezwungen, auch angesichts der in den Baugenehmigungen enthaltenen Auflagen zur Lärmbeschränkung und der den Betrieb bislang umgebenden Wohnbebauung nur solche Maßnahmen zur Lärmbeschränkung zu ergreifen, die den Lärm an der Quelle und damit insgesamt auf das für Wohngebiete zumutbare Maß reduzieren und die Organisation des Betriebes und die weitere Planung für die Zukunft allein darauf abzustellen. Nur für diesen Fall (der Reduzierung des Lärms an der Quelle) würde aber das vom Gutachter in seiner Stellungnahme vom Oktober 1999 berechnete Ergebnis eintreten können, dass bei einer -- notwendigen -- Reduzierung des Geräuschpegels um 10 dB(A) gegenüber den vorhandenen Wohnhäusern auch der Lärm im gesamten Plangebiet reduziert würde. Maßnahmen, die die vorhandene Bebauung vor Lärm schützen ohne Rücksicht auf die Beschallung des bisher unbebauten Plangebietes, liegen im Bereich des für den Antragsteller bisher Möglichen und Zulässigen. Sie führen aber nicht zu einer zwangsläufigen Entlastung des geplanten Wohngebietes. Dieser Umstand ist von der Antragsgegnerin im Verlauf der Planaufstellung und im Zeitpunkt der Beschlussfassung auch in der Weise berücksichtigt worden, dass der vom Betrieb des Antragstellers ausgehende Gewerbelärm als Ausgangspunkt dem Lärmschutzgutachten zugrunde gelegt wurde und die -- nach Auffassung der Gutachter notwendigen und ausreichenden -- Maßnahmen auf diesen "Bestand" abstellen. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Maßnahmen, die von der Antragsgegnerin als Ergebnis der Abwägung in den Bebauungsplan übernommen wurde, führen allerdings zu einer nicht akzeptablen Konfliktlösung. Die für ein allgemeines Wohngebiet noch hinnehmbaren Lärmwerte werden in den dem Betrieb nächstgelegenen Bereichen trotz der das technisch Mögliche berücksichtigenden Lärmschutzmaßnahmen in hohem Maße überschritten.

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Die Antragsgegnerin hat auch die mögliche Weiterentwicklung des Betriebes des Antragstellers nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Sie hat zwar versucht, diese in ihre Planung einzubeziehen, indem sie in einem zweiten Nachtrag zum Schallschutzgutachten von den Gutachtern die möglichen Auswirkungen einer Ausdehnung des Betriebs nach Norden hin hat untersuchen lassen. Die Gutachter erklären dazu in ihrem Schreiben vom 15. Juni 1999, dass sich die Beurteilung innerhalb des Plangebietes infolge zusätzlicher Schallquellen "praktisch nicht ändere". Es würden die Anforderungen erfüllt, die nach Ziff. 6.7 der 6. BImSchVO zu Gemengelagen maßgebend seien. Aus der beigefügten Grafik ergibt sich, dass nördlich und westlich der derzeitigen Betriebsfläche des Antragstellers ein flächenbezogener Schallleistungspegel von 62,5 dB(A) und 47,5 dB(A) pro qm zugrunde gelegt ist. Weitere Ausführungen enthält dieser Nachtrag des Gutachtens dazu nicht. Die rein theoretischen Ausführungen des Gutachters sind nicht geeignet, zur Lösung der hier gegebenen tatsächlichen Konfliktsituation beizutragen, zumal sie von der geminderten Schutzwürdigkeit des Plangebietes als Gemengelage ausgehen.

12

Auch die Überlegungen der Antragsgegnerin, dass eine Erweiterung des Betriebes des Antragstellers über die derzeitige räumliche Ausdehnung wegen der Außenbereichslage ausgeschlossen sei, sind ausgesprochen dürftig. Im Rahmen der planerischen Abwägung muss die planende Gemeinde zwar nur solche Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen, die schon eine gewisse Konkretisierung erfahren haben, immerhin legt die Größe des Betriebes und des Betriebsgeländes des Antragstellers Entwicklungsmöglichkeiten auf dem vorhandenen Gelände nahe, die mit dem hier angegriffenen Bebauungsplan in Konflikt geraten dürften.

13

Die vom Gutachter vorgeschlagenen und von der Antragsgegnerin übernommenen Festsetzungen führen zu Lärmbelastungen in Teilen des Plangebietes, die für ein allgemeines Wohngebiet nicht akzeptabel sind. Da mit der "Lärmschutzanlage" entlang der K 49 in einem Streifen von ca. 60 m Tiefe südlich der Straße gemessen in 5 m Höhe Überschreitungen der Orientierungswerte für die Nacht in allgemeinen Wohngebieten nach dem Gutachten von 10 bis 15 dB(A) nicht vermieden werden können, hat die Antragsgegnerin die Vorschläge für zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen in diesem Bereich (Lärmpegelbereich IV -- textliche Festsetzungen Nr. 1.4) in den Plan übernommen. Auch mit diesen Festsetzungen können in der ersten Bebauungsreihe entlang der Kreisstraße nur die Nachtrichtwerte für ein Mischgebiet an den der Straße abgewandten Seiten erreicht werden. Das ist jedoch mit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes nicht zu vereinbaren und deshalb fehlerhaft.

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Die Antragsgegnerin weist in der Begründung zum Bebauungsplan (Seite 10) darauf hin, dass die zu erwartende Lärmbelastung nach Bebauung des gesamten Gebietes unter den in dem Schallschutzgutachten errechneten Werten bleiben werde. Auch dieser Hinweis führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Festsetzungen für das östliche Plangebiet gewährleisten eine schallschützende Wirkung für das übrige Plangebiet nicht, weil in keiner Weise gesichert ist, dass das östliche Plangebiet überhaupt und vor dem übrigen Plangebiet bebaut wird.

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Eine Verbesserung der Lärmsituation ist auch nicht deshalb zu erwarten, weil der Antragsteller seinen Betrieb entsprechend umstellen müsste. Wie schon festgestellt, ist der Antragsteller aufgrund der bisherigen Lage nicht gezwungen, den Betriebslärm auch an den der vorhandenen Bebauung abgewandten Seiten auf ein für benachbarte Wohnbebauung erträgliches Maß zu reduzieren. Nur damit könnte aber eine durchgreifende Verbesserung der Immissionslage für das Gebiet des Bebauungsplanes erreicht werden.

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Die Festsetzung "Lärmschutz H = 5 m" begegnet auch durchgreifenden Bedenken hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. Festsetzungen gegen schädliche Umwelteinwirkungen gemäß § 9 Nr. 24 BauGB müssen die "konkret vorzunehmenden Maßnahmen mit hinreichender Bestimmtheit entnommen werden können" (BVerwG, Urt. v. 7.9.1998 -- 4 N 1/87 --, BVerwGE 80, 184 = BRS 48 Nr. 15; Urt. v. 18.12.1990 -- 4 N 6/88 --, NVwZ 1991, 881). Daran fehlt es hier. Zwar ist nicht schon die Festsetzung der Höhe von 5 m dadurch ins Belieben gestellt, dass sie nicht ausdrücklich als zwingend bezeichnet ist. Die gewählte Formulierung "H = 5 m" und die Darstellung im Plan ist in ausreichender Weise bestimmbar als Anforderung an die Ausgestaltung der Höhe insgesamt. Es fehlt jedoch der Bezugspunkt für die Bemessung. Die Bezeichnung "Lärmschutz" lässt offen, welche Art von Lärmschutz zu wählen ist. Das wirkt sich unmittelbar auf die Effektivität der Anlage aus, die von der technischen Ausgestaltung abhängig ist. Möglich sind danach ein Wall ebenso wie eine Wand, deren Ausführung (Lärmdämmwert der Wand) aber durch die Festsetzung nicht vorgegeben ist. Zwar sind in der Begründung Hinweise enthalten, wie sich die Antragsgegnerin den "Lärmschutz" vorstellt (Wall mit Wand), jedoch sind diese Vorstellungen gerade nicht verbindlicher Inhalt der Festsetzung geworden. Die Formulierung in der Begründung zum Bebauungsplan beansprucht ihrerseits ausdrücklich keine Verbindlichkeit "als Anlage kommt dabei eine Kombination aus Wall mit aufgeständerter Wand in Frage" (Seite 10 der Begründung). Daraus geht im Gegenteil hervor, dass bewusst auf die Angabe von Einzelheiten verzichtet wurde und Verbindlichkeit der Festsetzung vermieden werden sollte.

17

Der vom Antragsteller weiterhin geltend gemachte "Etikettenschwindel" dahin, dass ein allgemeines Wohngebiet zwar festgesetzt, in Wirklichkeit jedoch ein reines Wohngebiet gewollt sei, liegt dagegen nicht vor. Selbst wenn der Bauträger eine überwiegende Wohnnutzung anstrebt, schließt das nicht aus, dass die Antragsgegnerin -- mindestens nachfolgend -- weitere Nutzungen in das Gebiet "einziehen" lassen will, die das allgemeine vom reinen Wohngebiet unterscheiden. Selbst die Bebauung mit "Wohnhäusern" schließt die im allgemeinen Wohngebiet zulässigen "sonstigen Nutzungen" nicht endgültig aus, denn der Unterschied zwischen Reinem Wohngebiet und Allgemeinem Wohngebiet ist nur gradueller, nicht prinzipieller Art und nur so gering, dass es für den Übergang vom WR zum WA nur unbedeutender Änderungen bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.8.1999 -- 4 CN 4.98 --, DVBl 2000, 187).

18

Neben den Fehlern in der Abwägung und der getroffenen Konfliktlösung bestehen durchgreifende Bedenken gegen den Plan hinsichtlich der nach § 1 a BauGB vorzunehmenden Ausgleichsmaßnahmen. Diese sollen auf einem Grundstück außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes durchgeführt werden. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, Beschl. v. 9.5.1997 -- 4 N 1/96 --, BVerwGE 104, 353). Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 a BauGB bestehen für dieses Grundstück nicht. Weder aus der Planbegründung noch aus den Vorgängen über das Planaufstellungsverfahren ergibt sich, wie die Durchführung gesichert ist. Es ist nicht erkennbar, wer Eigentümer der in Aussicht genommenen Fläche ist, die derzeit als Getreideacker (Begründung S. 24) genutzt wird. In der Begründung findet sich nur eine Empfehlung, was mit der Fläche vorgesehen ist (Begründung S. 27). Es fehlen verbindliche Angaben dazu, von welchem Zeitpunkt an mit der Ausgleichsmaßnahme begonnen werden kann und soll, wer für die Pflege zuständig ist und wie ihre Durchführung langfristig gesichert wird. Der Erschließungsvertrag, den die Antragsgegnerin abgeschlossen hat, regelt in § 4 zwar, dass Ersatzmaßnahmen durch den Erschließungsträger erbracht werden, weitere Angaben ergeben sich dazu jedoch nicht. Offen ist auch, ob die zuständige Naturschutzbehörde beteiligt wird. Damit genügen die Ausgleichsmaßnahmen den Anforderungen, die an ihre gesicherte Durchführung zu stellen sind, nicht (vgl. Urt. d. Sen. v. 17.12.1998 -- 1 K 4008/97 --, BRS 60 Nr. 5; Urt. v. 21.7.1999 -- 1 K 3526/97 --, ZfBR 2000, 269). Dieser Mangel wäre zwar nachträglich zu beheben (§ 215 a BauGB), was jedoch angesichts der im Übrigen gegebenen Nichtigkeit des Planes hier ohne Belang ist.

19

Zwar betrifft der nicht gelöste Lärmkonflikt im Wesentlichen den östlichen Teil des Plangebietes, der der K 49 und dem Betrieb des Antragstellers unmittelbar benachbart ist, jedoch handelt es sich dabei um einen so wesentlichen Teil des Gesamtgebietes, dass im Falle einer Teilnichtigkeit nur ein "Planungstorso" verbleiben würde, der vom planerischen Willen der Gemeinde so nicht mehr erfasst ist. Hinzu kommt, dass bei einer die "östliche Hälfte" des Plangebietes erfassenden Teilnichtigkeit auch die den Lärmschutz betreffenden Festsetzungen entfallen würden und als Folge die Bebauung der "westlichen Hälfte" des Plangebietes ungeschützt dem Lärm der Kreisstraße und des Betriebes des Antragstellers ausgesetzt wäre. Der Plan ist daher insgesamt für nichtig zu erklären.