Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.11.2000, Az.: 4 M 3921/00

Asylantragsteller; Asylbewerber; aufenthaltsbeendende Maßnahme; Ausreise; freiwillige Ausreise; Freiwilligkeit; Sozialhilfe; Sozialleistung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.11.2000
Aktenzeichen
4 M 3921/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41949
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.10.2000 - AZ: 6 B 49/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG ergibt eindeutig, dass sich die am Ende der Vorschrift genannten Bedingungen nicht nur darauf beziehen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, sondern auch darauf, dass die (freiwillige) Ausreise nicht erfolgen kann.

Gründe

1

Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde ist nicht begründet.

2

Nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO ist die Beschwerde nur zuzulassen,

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1.  wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen,

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2.  wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

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3.  wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

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4.  wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

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5.  wenn ein der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

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Gemäß § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO sind in dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, darzulegen.

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Im vorliegenden Verfahren liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.

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Der Antragsgegner macht vornehmlich geltend, dass ein Fall grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage vorliege, ob sich die im letzten Halbsatz des § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Bedingungen nur auf den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen beziehen und nicht auch auf eine freiwillige Ausreisemöglichkeit, seiner Ansicht nach gälten die genannten Bedingungen bei einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit nicht. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG setzt eine Leistungsberechtigung entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz u.a. voraus, dass "die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen".

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Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist dem Revisionsrecht in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nachgebildet. Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: Beschl. v. 2.10.1961 - VIII B 78.61 -, BVerwGE 13, 90; Beschl. v. 9.11.1979 - 4 N 1.78 -, BVerwGE 59, 87) zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache lässt sich deshalb unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens auf die Regelung des entsprechenden Zulassungsgrundes übertragen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache danach nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss (Senat, Beschl. v. 26.11.1998 - 4 L 4220/98 -; Beschl. v. 3.12.1999 - 4 M 4155/99 -). Eine grundsätzliche Bedeutung kann dem Rechtsstreit nicht schon im Hinblick darauf zukommen, dass die Antwort auf die entscheidungserhebliche Frage auch für die Entscheidung anderer, gleichgelagerter Fälle erheblich wäre. Eine Klärung im Rechtsmittelzug ist vielmehr auch bei derartigen Fragen nicht geboten, wenn sich die Antwort unmittelbar dem Gesetz entnehmen lässt. Dies ist im Hinblick auf die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage der Fall. Wie das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, ergibt bereits der Wortlaut von § 2 Abs. 1 AsylbLG eindeutig, dass sich die am Ende der Vorschrift genannten Bedingungen auch auf eine freiwillige Ausreisemöglichkeit beziehen. Der Senat verweist gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die entsprechenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Nur bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine rechtssystematische Einordnung der Regelung von § 2 Abs. 1 AsylbLG in den Gesamtzusammenhang des Asylbewerberleistungsgesetzes. Denn eine Interpretation im Sinne des Antragsgegners würde dazu führen, dass Leistungsberechtigte, die eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen, weil sie sich noch im Asylverfahren befinden, auch nach Ablauf von drei Jahren Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht beanspruchen könnten, obwohl für sie aufgrund der Gestattungswirkung des § 55 AsylVfG vor dem Hintergrund des durch Art. 16 a GG garantierten Grundrechts auf politisches Asyl die Frage nach einer möglichen Ausreise nicht gestellt werden darf. Die Gestattungswirkung nach § 55 AsylVfG ist folglich eindeutig als rechtlicher Grund im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG auszumachen, der nicht nur einer Abschiebung, sondern auch einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit mit Erfolg entgegen gehalten werden kann. Dies setzt aber voraus, dass sich dem Wortlaut der Vorschrift folgend die Bedingungen am Ende vom § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht nur auf den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen, sondern auch auf freiwillige Ausreisemöglichkeiten beziehen. Die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage bedarf folglich einer Klärung im Rechtsmittelzug nicht, weil sich die Antwort unmittelbar dem Gesetz entnehmen lässt.

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Eine Zulassung kommt auch wegen ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (Zulassungsgrund nach § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in Betracht. Soweit sich der Antragsgegner insofern auf seine Ansicht zur Auslegung von § 2 Abs. 1 AsylbLG beruft, ist den obigen Ausführungen hierzu nichts hinzuzufügen. Im Übrigen stellt der Antragsgegner nicht in Abrede, dass - wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt wird - für die Antragsteller humanitäre Gründe im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorliegen.

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Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehen schließlich ernstliche Zweifel auch nicht an der Annahme eines Anordnungsgrundes. Der Senat nimmt in ständiger Rechtsprechung das Bestehen eines Anordnungsgrundes an, sofern im Wege der einstweiligen Anordnung um die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt gestritten wird, weil es um die Beseitigung einer existenziellen Notlage geht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

15

Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.