Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.11.2000, Az.: 11 L 2818/00
Dritter; Gebührenbefreiung; Gebührenfreiheit; Hygieneuntersuchung; Kindergarten; Kirche; Kirchengemeinde; Kostenabwälzung; Verwaltungsgebühr; Verwaltungskosten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.2000
- Aktenzeichen
- 11 L 2818/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41932
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 5 A 1026/00
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 Nr 3 VwKostG ND
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin, einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, zu Verwaltungskosten in Höhe von (nur noch) 120,-- DM.
Der Beklagte führte im Oktober 1998 im M.-Kindergarten, dessen Trägerin die Klägerin ist, eine Hygieneuntersuchung durch und zog die Klägerin mit Gebührenbescheid vom 16. November 1998 u.a. zur Zahlung von Gebühren nach der Gebührenordnung für Gesundheitsämter in Höhe von 120,-- DM heran. Der dagegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb im Wesentlichen erfolglos (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 2.2.2000).
Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben und wie zuvor die Auffassung vertreten, zu ihren Gunsten greife der Gebührenbefreiungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz (NVwKostG) vom 7.5.1962 (Nds.GVBl. S. 43), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17.12.1997 (Nds.GVBl. S. 539) ein. Nach dieser Bestimmung werden Gebühren nicht erhoben für Amtshandlungen
"3. zu denen Kirchen einschließlich ihrer öffentlich-rechtlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen Anlass gegeben haben, es sei denn, dass die Gebühr einem Dritten zur Last zu legen ist."
Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Gebühr könne nicht "einem Dritten zur Last" gelegt werden. Für eine unmittelbare Weitergabe der Gebühr an die Benutzer des Kindergartens fehle es an einer Rechtsgrundlage. Allerdings bestehe die Möglichkeit, die erhobene Verwaltungsgebühr in die Kalkulation der Kindergartenbeiträge einzubeziehen und so mittelbar auf die Benutzer der Einrichtung abzuwälzen. Eine nur mittelbare Weitergabe reiche aber im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG nicht aus.
Der Beklagte sieht demgegenüber auch eine nur mittelbare Abwälzungsmöglichkeit als ausreichend an, um die grundsätzlich für Kirchen vorgesehene Gebührenbefreiung entfallen zu lassen.
Mit Urteil vom 20. Juni 2000 hat das Verwaltungsgericht Hannover den Gebührenbescheid des Beklagten aufgehoben, soweit darin von der Klägerin eine Gebühr in Höhe von 120,-- DM gefordert wurde. Es hat die Auffassung vertreten, eine bloße mittelbare Abwälzungsmöglichkeit über Kindergartenbeiträge reiche nicht aus, um die grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 NVwKostG vorgesehene Gebührenfreiheit entfallen zu lassen. Eine unmittelbare Weitergabe der Gebühr an den Nutzer der Einrichtung sei nicht möglich, insbesondere habe die Klägerin keine Möglichkeit, die Gebühr durch einen Bescheid auf die Benutzer der Einrichtung weiter zu leiten, da das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet sei. Da die Klägerin mithin schon nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG von der Zahlung der Gebühr befreit sei, könne dahinstehen, ob auch nach § 2 Abs. 2 NVwKostG, wonach von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden kann, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht, eine Gebührenerhebung nicht hätte erfolgen dürfen.
Dagegen richtet sich der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung, mit dem er eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht und auf eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen verweist, die ihm zur Entscheidung noch vorliegen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, denn sie ist bereits in Rechtsprechung und Literatur geklärt.
So hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 23. Oktober 1979 (- II A 2373/78 - Der Gemeindehaushalt 1980, 176) zu einer vergleichbaren Vorschrift des dortigen Landesrechts entschieden, dass die Befreiung von Verwaltungsgebühren nur dann nicht eintrete, wenn der als Gebühr festgesetzte Betrag als solcher erkennbar einem Dritten auferlegt werden könne. Die Gebührenbefreiung entfalle dagegen nicht schon dann, wenn die Verwaltungsgebühren bei der Ermittlung von Benutzungsgebührensätzen als Kosten neben anderen berücksichtigt werden könnten. Zur Begründung hat es auf eine Vorgängervorschrift im Preußischen Gesetz über staatliche Verwaltungsgebühren aus dem Jahre 1923 verwiesen, wonach - insoweit deutlicher - eine Gebührenerhebung trotz an sich gegebener persönlicher Gebührenbefreiung ausnahmsweise dann möglich war, wenn die Gebühren "einem Dritten als Veranlasser zur Last zu legen sind" (zitiert nach OVG NW, Urt. v. 23.10.1979, a.a.0.). Der VGH Baden-Württemberg hat sich im Urteil vom 25. September 1995 - 2 S 250/95 - mit § 6 Abs. 3 Landesgebührengesetz (LGebG BW) von 1993 beschäftigt. Diese Vorschrift bestimmte, dass eine Gebührenbefreiung nicht eintritt, soweit die in den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts berechtigt sind, die Gebühren Dritten aufzuerlegen. Der VGH hat diese Bestimmung ebenfalls dahin interpretiert, dass eine nur mittelbare Abwälzungsmöglichkeit über sonstige öffentliche Abgaben, etwa in der Weise, dass die Verwaltungsgebühr in die Kostenkalkulation einer Abgabe eingeht, nicht ausreichend für den Wegfall der an sich gegebenen Gebührenfreiheit ist. Schließlich hat auch das erkennende Gericht mit Urteil vom 27. Februar 1987 (1 OVG A 166/85) zu der vergleichbaren Vorschrift des § 8 Abs. 2 VwKostG Schl.-H. die Auffassung vertreten, die Bestimmung erfasse nicht die Fälle, in denen die Gebühr nur mittelbar als Bestandteil einer andere Kosten mit umfassende Kostenbelastung auf andere überbürdet werde.
Die genannten Entscheidungen stellen - neben dem Verweis auf die Vorgängervorschrift im Preußischen Recht - maßgeblich darauf ab, dass die nach der jeweils maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmung erforderliche Identität der Verwaltungsgebühr mit der dem Dritten aufzuerlegenden finanziellen Belastung nicht mehr gegeben sei, wenn diese Verwaltungsgebühr nur eine von vielen Kostenpositionen sei, die der Dritte später anteilig (z.B. über einen Beitrags- oder Gebührenbescheid) zu zahlen habe. Diese Argumentation trifft aber auch auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG zu; denn auch diese Vorschrift erfordert nach ihrem Wortlaut eine Identität zwischen der zu zahlenden Gebühr und den Kosten, die auf Dritte übergewälzt werden können; denn es heißt im Gesetzestext, dass "die Gebühr" einem Dritten "zur Last zu legen ist".
Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des § 2 NVwKostG. § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG ist nicht nur eine Regelung, die verhindern soll, dass Kirchen und ihnen gleichgestellte Institutionen mit nicht abwälzbaren Verwaltungskosten belastet werden. Vielmehr erkennt der Gesetzgeber mit dieser Privilegierung an, dass die Kirchen bei Erfüllung ihrer Aufgaben eine dem Gemeinwohl dienende und deshalb besonders förderungswürdige Aufgabe wahrnehmen. Daraus folgt, dass die Benutzer des kirchlichen Kindergartens, denen die Gebührenfreiheit gerade zugute kommen soll, nicht Dritte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG sein können.
Die soeben dargestellte Auffassung wird auch in Kommentaren vertreten (vgl. z.B. Loeser, NVwKostG, Stand: Januar 1999, § 2 Anm. 2.d; ebenso Schlabach, Verwaltungskostenrecht, Kommentar zum Verwaltungskostengesetz des Bundes sowie zum Landesgebührengesetz Baden-Württemberg, Stand: Mai 1990, § 8 BVwKostG, Anm. 7 und § 6 LGebG BW, Anm. 15).
Dass aufgrund des Wortlauts in § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG die nur mittelbare Weitergabe einer Gebühr nicht ausreicht, ergibt sich zudem aus einem Vergleich mit dem seit 1995 in Baden-Württemberg geltenden Gebührenrecht. § 6 Abs. 3 LGebG BW wurde nämlich 1995 erweitert und bestimmt nunmehr:
"Die Befreiung tritt nicht ein, soweit die in den Abs. 1 und 2 Genannten berechtigt sind, die Gebühren Dritten aufzuerlegen oder in sonstiger Weise auf Dritte umzulegen, sowie bei Vermessungsgebühren."
Schlabach (a.a.O., § 6 LGebG Anm. 16) weist ausdrücklich darauf hin, infolge dieser Gesetzesänderung entfalle die persönliche Gebührenfreiheit nunmehr auch schon dann, wenn die Gebühr in den Leistungspreis einer Einrichtung mit eingerechnet werden könne.
Die in § 6 Abs. 3 LGebG BW 1995 neu eingeführte Alternative ("oder in sonstiger Weise auf Dritte umzulegen") ist aber in § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG gerade nicht enthalten.