Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.2000, Az.: 1 K 3185/99
Abwägung; Art der Nutzung; Ausgleich; Bebauungsplan; Dorfgebiet; Eingriff; ergänzendes Verfahren; Festsetzung; Gesamtnichtigkeit; Kompensation; Landschaft; Natur; Nichtigkeit; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Nutzungsart
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.11.2000
- Aktenzeichen
- 1 K 3185/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 42069
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 4 BauGB
- § 2 BauGB
- § 214 BauGB
- § 215a BauGB
- § 8a BNatSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ausweisung eines Dorfgebietes als Etikettenschwindel. Der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft muss im Bebauungsplanverfahren festgesetzt bzw. durch sonstige geeignete Maßnahmen getroffen werden und darf nicht ungesichert der Zukunft überlassen bleiben.
2. Die Festsetzung der Art der Nutzung trifft den Kern der Abwägung, so dass eine nichtige Festsetzung der Art der Nutzung nicht durch ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a BauGB behoben werden kann.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich gegen den im Bebauungsplan der Antragsgegnerin 14A "D. II" festgesetzten Fuß- und Radweg, der an der Südgrenze seines Flurstücks 215/2, Flur 3 der Gemarkung D. verlaufen soll. Er hält die ursprüngliche Planung, diesen Weg verschwenkt zwei Grundstücke weiter südlich in die K.R.-Str... einmünden zu lassen, für die einzig abwägungsgerechte Lösung.
Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplanes umfasst etwa drei Viertel der in etwa elliptischen Fläche, welche von der Br.-Straße im Norden, der K.R.-Str... im Westen, der B.R.-Str... im Süden und im übrigen von der Straße A. D. umrahmt wird. Die einst dort vorhandene landwirtschaftliche Nutzung ist bis auf den Nebenerwerbslandwirt D. aufgegeben worden, der dort Schafe halten will und dessen Flächen den Planbereich etwa mittig von Süden her durchziehen.
Die Absicht, diesen Bereich einheitlich zu überplanen, gab die Antragsgegnerin auf, nachdem sich wegen der Erschließung Probleme ergeben hatten. Sein östliches Viertel ist daher Gegenstand ihres hier nicht in Rede stehenden Bebauungsplanes Nr. 14. Ziel beider Pläne ist es, die wachsende Nachfrage nach Wohnraum für Berufspendler zu befriedigen und Versorgungseinrichtungen innerhalb des Plangebietes, namentlich entlang der Br.-Straße zu ermöglichen (S. 1 und 2 der Planbegründung). Die dafür benötigten Flächen sollen durch bauliche Erschließung des bislang als Hausgärten mit Gemüseanbau und Streuobstwiesen genutzten Bereiches geschaffen werden. Zu diesem Zwecke soll - im Bereich des Parallelbebauungsplanes 14 - von der Straße A. D. eine Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung (verkehrsberuhigter Bereich) nach Westen abgehen. Am Südostpunkt des Grundstücks des Antragstellers soll diese - im Bereich des Bebauungsplans Nr. 14 A - in einem Wendehammer mit Anfahrtsstutzen nach Süden enden und zur Straße K. R. eine Fortsetzung als Fuß- und Radweg finden. Das ist nach dem Willen der Antragsgegnerin Teil ihres innerörtlichen Verkehrskonzeptes und soll u.a. Kindern ermöglichen, den westlich der K.R.-Str. im Bereich eines anderen Bebauungsplanes gelegenen Kinderspielplatz zu erreichen.
Der (nach Aufstellungsbeschluss des Rates vom 2. Mai 1991 und Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 7.12.1995) erstmals ausgelegte Planentwurf sah nicht nur eine sich trichterförmig weitende Plan-/Spielstraße, sondern außerdem vor, dass der Fußweg von dem (deutlich als solchen ausgeprägten) Wende"hammer" nach Süden abgeht, nach Westen verschwenkt und südlich des Grundstücks K.R. 7 (und damit ohne jede Inanspruchnahme von Flächen des Antragstellers) in die K.R. mündet. Diese ist in Höhe dieses (aufgegebenen) Auftreffpunktes nicht mehr befahrbar, so dass Kinder den Spielplatz ohne jeden Kontakt mit Kraftfahrzeugen hätten erreichen können.
Im Rahmen der ersten Auslegung erhob der Antragsteller am 8. Januar 1996 zur Niederschrift Einwendungen gegen die Größe der auf seinem Grundstück überbaubaren Fläche und schlug vor, diese ebenso wie den nördlichen Anfahrtsstutzen nach Norden zu verlängern. Bedenken machten zudem die Eigentümer der Grundstücke K.R. Nr. 7 und B.R. 4 geltend. Sie erhoben Einwendungen gegen die Führung der fußläufigen Verbindung zur K.R. und führten unter anderem an, eine direkte Verbindung zu dieser Straße verringere die Gehzeit und den Landschaftsverbrauch. Zudem seien sie an der Verwirklichung der Planfestsetzungen im Gegensatz zum Antragsteller sowie eines anderen Anliegers nicht interessiert. Diese wollten ihre rückwärtigen Flächen der Bebauung zuführen und sollten die dafür erforderlichen Erschließungsanlagen dementsprechend aus ihren eigenen Grundstücken schneiden lassen.
Die Antragsgegnerin änderte daraufhin die Wegekonzeption in der dann Plan gewordenen Weise und legte den Plan nach entsprechenden Beschluss ihres Verwaltungsausschusses vom 13. Juni 1996 sowie Bekanntmachung in der "Umschau" vom 26. Juni 1996 in der Zeit vom 4. Juli bis zum 12. August 1996 erneut öffentlich aus. Mit Schreiben vom 26. Juni 1996 gab sie zudem den Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit, sich hierzu bis zum 19. August 1996 zu äußern. Der Antragsteller äußerte sich während der zweiten Auslegung nicht, wohl aber der Nebenerwerbslandwirt D., der nach wie vor um die Berücksichtigung seiner Schafweide bat.
Am 24. September 1998 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Plan als Satzung. Dieser setzt für den südlichen Teil des Planes "MD1", im übrigen "MD2" als zulässige Nutzungsart fest. Nach den textlichen Festsetzungen sind im "MD1" Gartenbaubetriebe, Tankstellen sowie Vergnügungsstätten ausgeschlossen. Im "MD2" sind Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, Gartenbaubetriebe, Tankstellen sowie Vergnügungsstätten nicht zulässig.
Der Plan wurde (unter anderem) im Amtsblatt des Landkreises Hannover vom 12. Mai 1999 (S. 173) bekannt gemacht.
Am 6. August 1999 hat der Antragsteller den Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung er im wesentlichen geltend macht:
Der Plan gewordene Verlauf der Fuß- und Radwegverbindung verstoße gegen das Gebot gerechter Abwägung. Es sei zwar richtig, dass die Antragsgegnerin den Plan nach seiner Änderung erneut öffentlich ausgelegt habe. Die entsprechende Bekanntmachung habe indes nicht die Anstoßfunktion erfüllt. Nur deshalb habe er sich während der zweiten Auslegung nicht gemeldet und seine berechtigten Einwendungen vorgebracht. Der Antragsgegnerin hätte sich aber auch ohne Rügen aufdrängen müssen, dass die gewählte Trasse unter anderem dadurch seine Rechte verletze, dass zur Herstellung des Fuß-/Radweges mehrere wertvolle Obstbäume gefällt werden müssten. Der ursprünglich vorgesehene Verlauf habe den Vorteil gehabt, dass die Kinder den Spielplatz vollständig gefahrlos hätten erreichen können. Grund für die Planänderung seien allein die Rügen und Wünsche der oben genannten beiden Grundstückseigentümer gewesen. Die Antragsgegnerin habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Interessen an der Aufrechterhaltung der ursprünglichen Planung in die Abwägungsentscheidung einzubeziehen und zu gewichten.
Der Antragsteller beantragt,
den vom Rat der Antragsgegnerin am 24. September 1998 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 14 A "D. II" für den Stadtteil D. für nichtig zu erklären, soweit er auf dem Grundstück des Antragstellers eine Fußwegverbindung festsetzt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag abzuweisen.
Sie erwidert:
Sie habe einen bislang vorliegenden Bekanntmachungsfehler geheilt und den Plan erneut bekannt gemacht. Der Plan sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe die Bedenken der beiden o.g. Grundstückseigentümer zum Anlass für die angegriffene Planänderung machen dürfen. Das Ergebnis sei abwägungsgerecht. Kinder würden hierdurch nicht unzumutbar gefährdet. Denn die K.R. sei wegen des vom Antragsteller selbst hervorgehobenen Umstandes, eine Sackgasse zu sein, und wegen der geringen Zahl anliegender Grundstücke ohnedies kaum befahren. Die neue Variante habe zudem den Vorteil geringeren Flächenverbrauchs. Das führe zu kürzeren Wegen und geringeren Beiträgen für die Anlieger. Die Festsetzung eines Dorfgebietes stelle auch keinen Etikettenschwindel dar. Selbst wenn dies der Fall wäre, rechtfertige dies allenfalls die Unwirksamkeits-, nicht aber die Nichtigerklärung des Planes.
Der Senat hat die Örtlichkeit am 28. November 2000 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Planaufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
An der Antragsbefugnis des Antragstellers (§ 47 Abs. 2 VwGO) bestehen keine Zweifel. Sein Grundstück liegt im Planbereich; seine Flächen sollen gegen seine Nutzungsabsichten für die Herstellung des angegriffenen Weges in Anspruch genommen werden. Der Antragsteller kann daher geltend machen, durch die angegriffene Festsetzung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der angegriffene Plan ist zwar mittlerweile in nicht mehr zu beanstandender Weise erneut und wirksam ausgefertigt worden. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die neuerliche Ausfertigung nicht auf einem bislang unbeschriebenen Teil des Plandokuments vorgenommen, sondern dadurch bewirkt hat, dass sie die erforderlichen Eintragungen einschließlich Siegel und Datum auf die Stelle geklebt hat, unter deren Klebeschicht sich nunmehr die alte Ausfertigung befindet. Es wäre zwar besser gewesen, wenn sie die neue Ausfertigung zugleich mit zwei über den Rand des neuen Stücks Papier reichende Stempel so fixiert hätte, dass eine spätere Auswechslung ganz ausgeschlossen ist. Indes bewirkt schon die Verklebung eine stoffliche Verbindung, welche spätere Verfälschungen ausschließt.
Der Plan leidet auch nicht unter dem (gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB grundsätzlich beachtlichen) Mangel unzureichender zweiter Auslegung. Diese wurde mit hinreichender Anstoßfunktion bekannt gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 6. Juli 1984 (- 4 C 22.80 -, E 69, 344 = DVBl 1985, 110) unter anderem das folgende ausgeführt:
"Die an die Bezeichnung des Plangebietes zu stellenden Anforderungen haben sich an der Zielsetzung des § 2 Abs. 6 Satz 2 BBauG auszurichten. Mit der Bekanntmachung der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne mit dem Erläuterungsbericht oder der Begründung ist der Hinweis darauf zu verbinden, daß Bedenken und Anregungen während der Auslegungsfrist vorgebracht werden können. Die Bekanntmachung hat daher in einer Weise zu erfolgen, welche geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregung und Bedenken bewußt zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. ...........Es dient der Qualität der Anstoßfunktion, wenn in der Bekanntmachung an bereits geläufige Gebietsnamen angeknüpft wird, mag auch eine Kongruenz von Namensbezug und Plangebiet nicht vollständig bestehen. Der interessierte Bürger wird sich im allgemeinen bewußt sein, daß der genauere Umfang des von der Bauleitplanung erfaßten Gebietes ohnehin nur durch Einsicht in die ausgelegten Planungsunterlagen feststellbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1978 - a.a.O. S. 375; BGH, Urteil vom 5. März 1981 - a.a.O.)........Es genügt alsdann, wenn die Bekanntmachung zur Kennzeichnung des Gegenstandes des städtebaulichen Vorhabens an geläufige geographische Bezeichnungen anknüpft. Hierzu werden regelmäßig markante Einrichtungen wie Straßen, Wasserläufe, Schienenwege, aber auch gebietsbeherrschende Bauwerke, vorhandene Anlagen oder Flurnamen zu zählen sein. Häufig wird sich eine schlagwortartige Zusammensetzung von geläufigen Namen anbieten, um dem Informationsinteresse des Bürgers genügen zu können. Auch Richtungsangaben können hierfür nützlich sein. Entscheidend wird stets sein, den interessierten Bürger darauf aufmerksam zu machen, welchen Teil des Gemeindegebietes die Gemeinde durch ihre Bauleitplanung zu erfassen gedenkt. Die in der Bekanntmachung hierzu enthaltenen Angaben müssen ihm eine vorläufige Entscheidung darüber ermöglichen, ob die städtebauliche Planungsabsicht der Gemeinde sein näheres Interesse findet. Hierfür muß ihm bereits die Bekanntmachung einen ersten informativen Hinweis geben...."
Beurteilt an diesen Grundsätzen erfüllt die Bekanntmachung vom 26. Juni 1996 in der "Umschau" die materiellen Anforderungen. Darin wird nicht nur der Plan mit den Worten "14A D. II" bezeichnet. Angesichts des Umstandes, dass D. eine mit bislang rund 2000 Einwohnern vergleichsweise kleine Gemeinde darstellt und der Planbereich die - auch aus dem Stadtplan heraus unschwer als solche erkennbare - ursprüngliche Ortsmitte überplant, musste jedem Eigentümer dort gelegener Grundstücke seine potentielle Betroffenheit deutlich sein. Es kommt hinzu, dass der Planbereich in der öffentlichen Bekanntmachung durch Zeichnung deutlich erkennbar umrissen und außerdem die Umgrenzung des Plangebiets mit den Flurstücksbezeichnungen der Grundstücke angegeben worden war, die am Rande des Planes liegen. Unter diesen Vorzeichen ist nicht zu erkennen, weshalb eine derartig detaillierte Bekanntmachung die Anstoßfunktion nicht sollte erfüllen können.
Der angegriffene Plan leidet indes unter einem inhaltlichen Mangel, der zu seiner Gesamtnichtigkeit führt. Dies darf der Senat trotz der Antragsbeschränkung aussprechen, ohne gegen § 88 VwGO zu verstoßen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, hat das Normenkontrollgericht ungeachtet des teilweise "subjektiv-rechtlichen Charakters" der Normenkontrolle über den beschränkten Antrag hinauszugehen, wenn die allein angegriffenen Festsetzungen mit Teilen des Planes in untrennbarem Zusammenhang stehen, welche unwirksam oder nichtig sind (B. v. 20.8.1991 - 4 NB 3.91 -, BRS 52 Nr. 36 = ZfBR 1992, 48 = DVBl. 1992, 37). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die allein angegriffene Festsetzung einer fußläufigen Verbindung zur K.R. rechtfertigt sich aus dem Bestreben, den o.g. Bereich baulich zu ordnen und in seinem Binnenbereich eine bauliche Nutzung zu ermöglichen. Der Fußwegverbindung bedarf es daher nicht, wenn diese bauliche Nutzung nicht verwirklicht werden kann. Das ist hier gegeben. Denn die Festsetzung zweier eingeschränkter Dorfgebiete stellt sich als "Etikettenschwindel" dar, der zur Gesamtnichtigkeit des Planes führt.
Der Senat hat zu den hierbei maßgeblichen Grundsätzen in seinem Urteil vom 23. September 1999 (- 1 K 5147 -, ZfBR 2000, 137 = BauR 2000, 523) unter anderem das folgende ausgeführt:
"Die Festsetzung des eingeschränkten Dorfgebietes leidet an Mängeln, weil diese Festsetzung nach der Planbegründung nicht darauf ausgerichtet ist, ein ländliches Mischgebiet zu ermöglichen, sondern nur dazu dient, um das angrenzende allgemeine Wohngebiet vor den Emissionen des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers zu schützen und auch Konflikte mit weiteren Wohngebietserweiterungen zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat mit dem Etikett "eingeschränktes Dorfgebiet" einen "weichen Übergang" zwischen dem als Dorfgebiet festgesetzten vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers und dem im Süden geplanten und im Südosten vorhandenen Wohngebiet vorgetäuscht, obgleich die im angefochtenen Bebauungsplan festgesetzten Bauflächen südlich der K.straße eine Wohnbebauung nahe legen. Die Festsetzung des "eingeschränkten Dorfgebiets" stellt sich damit als sog. "Etikettenschwindel" dar, der den durch den Bebauungsplan geschaffenen Emissionskonflikt nicht löst, sondern eher verschärft (vgl. Urt. d. Sen. v. 30.6.1986 - 1 OVG C 5/86 -, BRS 46 Nr. 17; v. 16.7.1990 - 1 K 2/89 -; v. 27.7.1990 - 1 OVG C 11/88 -, BRS 50 Nr. 18; v. 22.4.1998 - 1 K 1719/97 -; HessVGH, Beschl. v. 22.9.1988 - 3 N 20/83 -, BRS 48 Nr. 11; OVG Saarland, Urt. v. 28.9.1993 - 2 R 50/92 -, BauR 1994, 77)."
Diese Rüge trifft auch den hier angegriffenen Bebauungsplan. Nach seiner Begründung (Seiten 1 und 2) ist er Reaktion auf den Strukturwandel, d.h. den Niedergang der Landwirtschaft in diesem Bereich und dem Bevölkerungszuwachs von Personen, welche, soweit sie berufstätig sind, fast alle Berufspendler darstellen. Daneben soll der Plan auch der Aufnahme von Versorgungseinrichtungen dienen - wenngleich nur "im zentralen und von der Kreisstraße gut erschlossenen Bereich des Bebauungsplanes Nr. 14 und innerhalb des Plangebiets insbesondere entlang der Br.-straße" (S. 2). Schon das lässt nur den Schluss zu, dass die Planfestsetzungen im Wesentlichen die Ziele erreichen sollen, welche auch mit einem allgemeinen Wohngebiet zu erreichen sind. Dafür sprechen des weiteren die Größen der überbaubaren Grundstücksflächen, welche nur kleinteilige Einzel- und Doppelhäuser gestatten (s.a. Seite 7 unten der Planbegründung). Gewerbliche Nutzungen, wie sie für Dorf- oder Mischgebiete typisch sind, sind schon danach offensichtlich nicht für den Planbereich vorgesehen. Dementsprechend wird auf Seite 7 oben der Planbegründung ausgeführt, im Plangebiet solle die Ansiedlung von Wohnungen und nicht störenden Gewerbebetrieben ermöglicht werden. Demgegenüber sind Dorf- und Mischgebiete - unter anderem - dazu bestimmt, "nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe" aufzunehmen. Das heißt nichts anderes, als dass die Antragsgegnerin der Wohnbevölkerung, welche sich dort ansiedeln soll, den Schutz gewährt sehen möchte, der für allgemeine Wohngebiete typisch ist.
Auf dieser Linie liegt es dann auch, dass im Gebiet "MD2" praktisch alle landwirtschaftlich bedeutsamen Nutzungen durch textliche Festsetzung ausgeschlossen sind und diese auch im "MD1" zu ganz wesentlichen Teilen ausgeschlossen werden.
Der beschriebene Eindruck wird schließlich durch eine Betrachtung der Erschließungsanlagen erhärtet. Die 6 m breite Haupterschließungsanlage soll verkehrsberuhigt als "Wohn- und Spielstraße" ausgebaut werden; lediglich etwa 10 Parkplätze sollen dort angeordnet werden können (S. 8 der Planbegründung).
Einziger Grund für die Festsetzung eines (mehrfach eingeschränkten) Dorfgebietes kann daher nur sein, die "wahren Nutzungsabsichten" - Herstellung eines WA - mit den Absichten des Nebenerwerbslandwirtes D. (vgl. u.a. Seite 4 der Planbegründung) zu "versöhnen", zumindest auf dem südlichen Teil seines langgestreckten Grundstücks bis zur Haupterschließungsanlage (und damit im "MD1") seine Schafhaltung weiter betreiben zu können. Diese wäre in einem allgemeinen Wohngebiet jedenfalls in dem Umfang, wie ihn sich der Nebenerwerbslandwirt D. mit Billigung der Antragsgegnerin offen halten will, möglicherweise nicht zulässig. Dieser Nutzungskonflikt wird indes nicht "richtig", nämlich durch Trennung der entsprechenden Nutzungen oder aber Hintanstellung dieser Nutzungsabsichten (etwa weil sie schon geraume Zeit nicht mehr nennenswerten Umfangs ausgeübt worden sind), sondern nur "auf dem Papier" durch Festsetzung dieses (eingeschränkten) Dorfgebietes "gelöst". Das stellt keine abwägungsgerechte Lösung des Nutzungskonfliktes (§ 1 Abs. 6 BauGB) dar.
Der Plan leidet des weiteren unter dem Fehler, dass die Antragsgegnerin die Eingriffsregelung des § 8a BNatSchG nicht - wie geboten - planerisch bewältigt hat. Der Planbereich ist - wie auch die Ortsbesichtigung ergeben hat, im Übrigen aber auch unstreitig ist - vor der Planaufstellung als Streuobstwiese und Bauerngarten mit Gemüseanbau genutzt. Er erreicht eine Ausdehnung, dass jedenfalls die Teile, welche bislang nicht mit Gebäuden bestanden waren, als "Außenbereich im Innenbereich" anzusehen sind. Die Bebaubarkeit der Binnenflächen ließ sich nicht mehr - wie zur Anwendung des § 34 BauGB erforderlich - von der Bebauung der am Rande der im Tatbestand genannten Straßen ableiten. Das bedarf näherer Darlegung nicht. Denn die Antragsgegnerin hat schon durch das hier angegriffene Planvorhaben selbst erkennen lassen, dass die Binnenflächen ohne eine Bauleitplanung nicht bebaut werden können.
Das hat zur Folge, dass § 8a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG letzte Alt. (idF der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 21. 9. 1998, BGBl. I S. 2994) nicht zum Vorteil der Antragsgegnerin eingreift und diese bei der Planaufstellung die sog. Eingriffsregelung des § 8a BNatSchG zu beachten hatte. Diese greift hier ein, weil die Verwirklichung der Planfestsetzungen einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 BNatSchG darstellt. Denn bei der Planverwirklichung müssen nicht nur im Bereich des Grundstücks des Antragstellers - dort zur Herstellung der Erschließungsanlagen -, sondern auch andernorts (zur Vorbereitung der Bebauung) Bäume gefällt und intakte "Bauernwiesen" beseitigt werden. Die Planung "kann" daher - was für § 8 Abs. 1 BNatSchG ausreicht - die Gestalt oder die Nutzung von Grundflächen in einer die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes erheblichen und nachhaltigen Weise beeinträchtigen.
Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Ausführungen auf S. 5 der Begründung diese Vorschrift nicht einmal (richtig) gesehen und sich mit der Feststellung begnügt, "die durch den Bebauungsplan ermöglichten Eingriffe sollen durch die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden." Das ist nicht - wie erforderlich - im Plan selbst schon geschehen. Der Senat hat dazu unter anderem in seinem Urteil vom 21. Juli 1999 - 1 K 3526/97 -, NST-N 2000, 27 = ZfBR 2000, 269 = NuR 2000, 343 verlangt:
Die Gemeinde "muss schon im Planaufstellungsverfahren ermitteln und entscheiden, ob vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen sowie ob und wie unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen oder durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren sind. Ermittlung und Entscheidung müssen dabei den Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes entsprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.1997 - 4 NB 27.96 -, BVerwGE 104, 68 = NVwZ 1997, 1213 = DVBl. 1997, 1112). Wichtig ist, dass über diese Maßnahmen im Bauleitplanverfahren, welche auch außerhalb des "eigentlichen" räumlichen Geltungsbereiches des Bebauungsplanes durchgeführt werden können (BVerwG, Urt. v. 9.5.1997 - 4 N 1.96 -, BVerwGE 104, 353 = DVBl. 1997, 1121), im eigentlichen Sinne "entschieden" wird. Das ist hier nicht (ausreichend) geschehen. Die Antragsgegnerin hat den Vollzug dieser Maßnahmen nicht ausreichend gesichert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Beschl. v. 9.5.1997 - 4 N 1.96 -, BVerwGE 104, 353, 360 ff. = DVBl. 1997, 1121, 1123) enthält § 8 a BNatSchG i.d.F. des InvWoBauErlG v. 22.4.1993 (BGBl. I S. 466) keinen "Numerus clausus" für die Instrumentarien, mit denen Eingriffe in Natur und Landschaft kompensiert werden können. Dies kann daher nicht nur durch Festsetzung der Kompensationsmaßnahmen im Bauleitplan geschehen. Es genügt vielmehr, wenn die Gemeinde als Satzungsgeber sicherstellt und bei ihrer Abwägungsentscheidung davon ausgehen kann, dass die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umgesetzt werden. Sie kann daher andere Mittel als Festsetzungen nach § 9 BauGB ergreifen, um diese Gewähr der Umsetzung zu bieten. Das kann namentlich durch Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit der Naturschutzbehörde geschehen. Eine derartige Sicherung ist jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 1 a Abs. 3 BauGB durch das BauROG am 1. Januar 1998 erforderlich (vgl. Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 1 a Rdn. 79)."
Es liegt auf der Hand - und wurde von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt -, dass der angegriffene Plan diesen Anforderungen nicht Stand hält.
Die genannten Fehler führen zur Nichtigkeit des Planes.
Die unterlassene Bilanzierung und der fehlende Ausgleich des Eingriffes in Natur und Landschaft könnte zwar noch in einem ergänzenden Verfahren gem. § 215a BauGB behoben werden (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, ZfBR 1999, 106 f. = Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 2). Für den sog. Etikettenschwindel gilt dies entgegen der Annahme der Antragsgegnerin indes nicht (mehr).
§ 215a BauGB soll zwar nach dem Willen des Gesetzgebers dem Gesichtspunkt der Planerhaltung verstärkt Geltung verschaffen. Der Kreis der behebbaren Mängel sollte durch die Schaffung dieser Vorschrift erweitert werden (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.1999 - 4 CN 12.98 -, ZfBR 2000, 197, 199). Das bedeutet indes nicht, dass jeder Mangel unabhängig von seiner Schwere als in ergänzendem Verfahren behebbar angesehen werden könnte. Das scheidet namentlich dann aus, wenn der festgestellte Fehler so schwer wiegt, dass er den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft, d.h. die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellt oder (zumindest) die Grundzüge der Planung berührt (vgl. BVerwG, B. v. 10.11.1998 - 4 BN 45.98 -, BRS 60 Nr. 53 = NVwZ 1999, 420; U. v. 8.10.1998 - 4 CN 7.97 -, NVwZ 1999, 414 = BRS 60 Nr. 52 = DVBl. 1999, 243; U. v. 16.12.1999 - 4 CN 7.98 -, JURIS). Zumindest letzteres ist hier der Fall. Die Antragsgegnerin wird die Frage, wie sie die Nutzungsabsichten des Nebenerwerbslandwirtes mit den für diesen Bereich gehegten "wahren Nutzungsabsichten" zu einem im Sinne des § 1 Abs. 6 BauGB gerechten Ausgleich bringt und damit die Nutzung dieses Binnenbereichs ordnet, grundsätzlich neu zu überdenken haben. Das kann durch räumliche Trennung der konfligierenden Nutzungen geschehen, aber auch dadurch, dass sie aufgrund einer Ermittlung dessen, was der Nebenerwerbslandwirt D. wirklich noch an schützenswerter Nutzung unterhält, dessen Interessen an fortdauernder "landwirtschaftlicher" Nutzung hintanstellt und daraufhin die Nutzungsflächen des Binnenbereichs ggf. anders zuschneidet. Im erstgenannten Fall könnte sich auch anbieten, die Nutzungsart südlich der Haupterschließungsanlage mit dem Ziel eines "dörflichen Mischgebietes" festsetzen und in diesem Bereich die oben genannten Versorgungsbetriebe "als Puffer" einzusetzen. Das könnte eine andere Verkehrsführung und/oder verstärkten Umfangs die Schaffung von Parkflächen zur Folge haben. Nur ergänzend sei erwähnt, dass nach den Feststellungen, welche der Senat während der Ortsbesichtigung getroffen hat, auch auf dem Grundstück des Antragstellers mit dem Sanitärbetrieb tatsächlich (und - so der Antragsteller - auch mit Genehmigung) eine Nutzung Einzug gehalten hat, welche in diesem Zusammenhang ebenfalls zu berücksichtigen ist.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen kommt es auf die von den Beteiligten in den Vordergrund gestellte Frage, ob der Fuß-/Radweg in der angegriffenen Weise hat festgesetzt werden dürfen, nicht an. Dazu ist allenfalls das Folgende zu bemerken: Es dürfte im Prinzip nicht zu beanstanden sein, den Weg nicht (mehr) in der ursprünglich beabsichtigten Form nach Süden zu verschwenken. Die alte Wegeführung vergrößert die erforderliche Wegefläche und damit den auch vom Antragsteller beklagten Landschaftsverzehr. Angesichts des ausgesprochen verkehrsberuhigten Charakters der K.R. (Sackgasse, geringe Breite) stellt sie selbst für Kinder, welche im dörflichen Bereich aufwachsen, wohl kaum eine ernst zu nehmende Gefahr dar.
Es dürfte grundsätzlich auch nicht zu beanstanden sein, dass hierfür - auch - Flächen des Antragstellers in Anspruch genommen werden. Dieser gewinnt durch den Plan überbaubare Grundstücksflächen. Dem Grundsatz der Lastengleichheit dürfte es daher entsprechen, auch sein Grundstück, welches an dieser Stelle eine bemerkenswert breite unbebaute Fläche aufweist, in Anspruch zu nehmen.
Davon zu trennen ist indes die Frage, ob dieser Weg in der Weise geführt werden muss, dass ihm auf dem Grundstück des Antragstellers etwa 6 Obstbäume zum Opfer fallen. Die Antragsgegnerin wird diesen Verlust - sowohl wegen § 1 Abs. 6 BauGB als auch im Hinblick auf die Eingriffsregelung - in ihre Abwägungsentscheidung einzustellen und zu prüfen haben, ob der Weg unverändert dieser Breite haben muss und/oder teilweise auch auf dem Grundstück des südlichen Grundstücksnachbarn verlaufen kann.
Sonstiger Langtext
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- DM (i.W. fünfzehntausend Deutsche Mark) festgesetzt.