Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.2000, Az.: 1 K 3479/99

Abwägung; Abwägungsgerechtigkeit; Bebauungsplan; Entwicklungssatzung; Gemeinde; Gemeinwohlinteresse; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Städtebau; städtebauliche Entwicklungsmaßnahme; Veränderungssperre; Wohnungsbau; Wohnungsbaubedarf

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.11.2000
Aktenzeichen
1 K 3479/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42071
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 12.12.2002 - AZ: BVerwG 4 CN 7/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die "strukturellen Gründe", welche eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme rechtfertigen müssen, brauchen nicht solche zu sein, welche ganz allein in dieser Gemeinde wirksam sind. Die Abwägungsgerechtigkeit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ist nicht dahin zu überprüfen, ob ein Bebauungsplan mit dem bislang nur in Aussicht genommenen Inhalt abwägungsgerecht wäre; vielmehr beschränkt sich die Nachprüfung ebenso wie bei der Veränderungssperre allein darauf, ob die in Aussicht genommenen Festsetzungen schlechthin nicht in abwägungsgerechter Weise getroffen werden können.

Tenor:

Urteil

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin wendet sich unter anderem mit der Begründung gegen die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme S.-Süd, für sie bestehe kein struktureller Bedarf. Die Antragsgegnerin könne die Ziele auch mit einer Angebotsplanung erreichen, habe ohne ausreichende Tatsachenbasis eine die angegriffene Maßnahme rechtfertigende Steigerung der Bevölkerungszahlen zugrunde gelegt und wolle diese Maßnahme im Wesentlichen nur durchführen, um Ausgleichsbeträge einnehmen zu können. Schließlich sei nicht in hinreichend verlässlichem Umfang absehbar, dass diese Maßnahme zügig durchgeführt werde.

2

Das Stadtgebiet der Antragsgegnerin besteht aus mehreren südlich der Bahn gelegenen Dörfern in der Einwohnerzahl von rund 350 bis hin zu 2.100 sowie den beiden Hauptsiedlungsschwerpunkten L. (rd. 12.000 Einwohner) und S. (bislang 9.000 Einwohner) nördlich davon. L. und S. werden durch eine Schleife der ... bis auf eine schmale "Wespentaille" voneinander getrennt, die zwischen der L. und dem Rangierbahnhof ... aus der H. Straße/L. straße und einem schmalen Band an Bebauung besteht. Das Gelände im Knie dieser L. Schleife gehört zur ... stadt H.. Deren Stadtgebiet beschränkt auch die Möglichkeiten für S. und L., sich nach Norden auszudehnen. Im Süden endet die Bebauung von S. und L. bislang im Wesentlichen mit dem westöstlich verlaufenden Schienenstrang der D. AG nebst dem oben schon beschriebenen Rangierbahnhof und (neuerdings) einer ÖPNV (S-Bahn)-Haltestelle, dem Zweigkanal H. sowie der im Wesentlichen an seinem Südufer verlaufende Bundesstraße .... Zwischen den Bahngleisen und dem Zweikanal liegt eine "Insel", deren westlicher Teil im Wesentlichen von einem Industrie-/Gewerbegebiet nebst anschließender Wohnbebauung eingenommen wird. Östlich davon liegen mehrere Sportplätze sowie eine Jachthafen.

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Spätestens seit Beginn der 90er Jahre trug sich die Antragsgegnerin mit dem Gedanken, neue Bauflächen südlich des Zweigkanals und der Bundesstraße ... zu erschließen. Am 19. November 1992 beschloss ihr Rat, den städtebaulichen Entwicklungsbereich S.-Süd zu schaffen. Dieser Beschluss wurde unter dem 13. Mai 1993 wegen geänderter gesetzlicher Vorschriften erneuert. Sie stellte Untersuchungen an, beteiligte die Eigentümer der in diesem Bereich gelegenen Grundstücke, zu denen auch die Antragstellerin zählt, u.a. durch Bildung eines Beirates für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme S. Süd (Ratsbeschluss vom 16.12.1993), führte einen städtebaulichen Ideenwettbewerb "Wohnen und Arbeiten am Kanal" durch, beteiligte mehrere Bedarfsträger und legte schließlich den städtebaulichen Entwicklungsbereich als Satzung nebst seiner Begründung durch Ratsbeschluss vom 23. Mai 1996 förmlich fest.

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Nachdem die Bezirksregierung ... die Satzung durch Verfügung vom 4. November 1998 genehmigt hatte, wurde dies im April 1999 förmlich bekannt gemacht.

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Der Satzungsbereich umfasst ein etwa halbmondförmiges Gebilde. Dieses reicht vom L. Holz im Westen bis etwa in Höhe des Rangierbahnhofs S. im Osten und grenzt in der beschlossenen Form im Norden im Wesentlichen an den Zweikanal ... an mit Ausnahme einer Ausbuchtung gegenüber der im Stadtgebiet von S. gelegenen H. straße; dort soll der Brückenkopf für eine attraktiv auszugestaltende Fußgängerbrücke über die Gleise errichtet werden, welche die Verbindung zum Kernstadtbereich, dem neuen Rathaus sowie zu dem nördlich davon gelegenen neuen Geschäfts- und Kulturzentrums um den "A." herstellen soll. Mit der D. AG ist verabredet, einen Abgang zum Bahnhof (S-Bahn) herzustellen. Die oben beschriebene "Insel" zwischen den Gleisanlagen und dem Nordufer des Zweikanals ... umfasst die Entwicklungssatzung im Übrigen nicht mehr; die Antragsgegnerin war zu der Einschätzung gelangt, dass deren bauliche Entwicklung auf der Grundlage einer Angebotsplanung gefördert werden könne.

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Ziel ist es, auf dem etwa 110 ha großen, bislang nur sehr untergeordneten Umfangs bebauten und von zahlreichen Gräben sowie einigen Straßen durchzogenen Gelände rund 2.600 Wohneinheiten für rund 6.000 Neubürger zu schaffen. Langfristig verfolgtes Anliegen ist dabei, die B 441 südlich des Bereichs der Entwicklungssatzung entlang zu führen oder sie zumindest dort zur Begrenzung werden zu lassen. Die Planvorstellungen sind nach dem im Ideenwettbewerb mit dem 1. Platz prämierten Entwurf allerdings auch darauf eingestellt, jedenfalls vorerst den bisherigen Verlauf der B ... hinnehmen zu müssen. Im westlichen Teil des Plangebiets soll ein Gewerbegebiet entstehen, in dem Betriebe des Non-Food-Bereiches sowie sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden sollen. Das Wohnquartier soll sich unter anderem auszeichnen durch "Wohnen am Kanal" sowie "Wohnen an der Gracht", d.h. an verschiedenen Kanälen. Von Nordosten her sollen die Wohnungen an einem Grünzug stehen. Am Nord- und Südrand sollen Wohnblocks so errichtet werden, dass sie den von der B ... (alt und neu) ausgehenden Lärm zum Vorteil des Binnenbereiches abschirmen. All dies soll in zwei Bauabschnitten hergestellt werden.

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Bisher wird das Gelände an mehreren Stellen von Kleingartenanlagen eingenommen, im Übrigen wird es zu erheblichen Teilen intensiv landwirtschaftlich genutzt. Versuche, dieses Gelände "freihändig" zu erwerben, sind bis zum Satzungsbeschluss in erheblichem Umfang fehlgeschlagen. Die Kleingärtner, welche durch die neutrassierten Straßen mehrere Zerschneidungen ihrer Gebiete befürchten, favorisieren in erster Linie, an den angestammten Plätzen verbleiben zu können. Andere Eigentümer, zu denen auch die Antragstellerin zählt, haben preisliche Vorstellungen geäußert, die über dem durch die Bodenrichtwerte ausgedrückten Wert liegen.

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Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

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Die angegriffene Satzung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die fünf Voraussetzungen, welche nach § 165 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauGB kumulativ erfüllt sein müssen, liegen vor.

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Nach § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde einen Bereich, in dem eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme geführt werden soll, durch Beschluss förmlich als städtebaulichen Entwicklungsbereich festlegen, wenn die Maßnahme den Zielen und Zwecken des Absatzes 2 entspricht. Nach diesem Absatz 2 kann eine Gemeinde u.a. Ortsteile oder andere Teile des Gemeindegebietes entsprechend ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ortung der Gemeinde erstmalig entwickeln. Diese Voraussetzungen sind -- wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat -- zweifelsfrei erfüllt.

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Zweitens muss nach § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB, das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordern. Das kann insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten geschehen. Angesichts des Umstandes, dass nach § 169 Abs. 3 BauGB im städtebaulichen Entwicklungsbereich Grundstückseigentümer auch ohne Bebauungsplan zugunsten der Gemeinde oder des Entwicklungsträgers zur Erfüllung dieser Aufgaben enteignet werden können, indiziert eines der genannten Gemeinwohlinteressen -- hier die Schaffung neuen Wohnraums sowie (bescheideneren Umfangs) von Gewerbeflächen -- lediglich das Vorliegen des gesetzlichen Regeltatbestandes (vgl. BVerwG, Beschl. vom 31.3.1998 -- 4 BN 4.98 --, NVwZ-RR 1998, 544, 545; Urt. vom 3.7.1998 -- 4 CN 5.97 --, DVBl 1998, 1294, 1296). "Erhöht" ist der Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten, wenn er durch sachliche und zeitliche Komponenten besonders qualifiziert ist: Im Gegensatz zum "dringenden Bedarf" im Sinne des § 1 Abs. 1 BauGB-MaßnG ist nicht schon die zeitliche Dimension, d.h. das Bestreben ausschlaggebend, einen Bedarf planerisch augenblicklich befriedigen zu können. Erhöht ist der Bedarf vielmehr erst dann, wenn die Nachfrage das Angebot aus strukturellen Gründen dieser Gemeinde längerfristig deutlich übersteigt und dieser Bedarf nur mit einer städtebaulichen Gesamtmaßnahme mit den oben beschriebenen einschneidenden Folgen (u.a. Enteignungsbefugnis) und der Erwartung, der zutage getretene Bedarf werde wenigstens mittelfristig zu decken sein, gestillt werden kann. "Erhöht" ist der Bedarf daher nicht, wenn das Gemeinwohlinteresse auch mit dem "normalen städtebaulichen Instrumentarium" befriedigt werden kann, welches das Baugesetzbuch in der Gestalt von Angebotsplanung dem Abschluss städtebaulicher Verträge oder in sonstiger Weise bereitstellt (vgl. BVerwG, Urt. vom 3.7.1998, a.a.O., S. 1299; siehe auch OVG Münster, Urt. vom 1.12.1997 -- 10a D 62/94.NE --, DVBl. 1998, 351, 352).

12

Die dabei anzustellende Prognose ist notwendigerweise nicht frei von Unsicherheiten. Das nimmt das Gesetz indes mit der Folge in Kauf, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, seine Einschätzungsmethode an die Stelle derjenigen Methode zu setzen, welche die Gemeinde gewählt hat. Es kommt nur darauf an, ob die Gemeinde eine der jeweiligen Materie angemessene Methode einwandfrei erarbeitet und angewandt hat.

13

In Anwendung dieser Grundsätze ist die angegriffene Satzung nicht zu beanstanden. Ausweislich der sehr detaillierten Satzungsbegründung ist das Bestreben, etwa 6.000 Personen in dem Entwicklungsbereich S.-Süd anzusiedeln, in mehrfacher Weise motiviert. Zum einen ergibt sich ein entsprechender Bedarf aus Prognosen, deren Quellen in der Satzungsbegründung Fußnoten 6, 7, 18 und 19 genannt worden sind. Es ist nicht methodisch offensichtlich fehlsam, wenn die Antragsgegnerin bei aller Schwierigkeit, Bevölkerungswachstum und -wanderung verlässlich vorherzusagen, für den Großraum ... und für ihr eigenes Gemeindegebiet längerfristig von einem deutlich steigenden Wohnraumbedarf ausgeht. Das ergibt sich u.a. aus den Studien von Prof. Dr. ... K., Universität D., "Wohnungsmarktuntersuchung Großraum ..., Dezember 1991 (nachfolgend "K.-Studie" abgekürzt), der N., Berichte zu den Wohnungsmärkten in Niedersachsen 1997/2000 vom Dezember 1997 (abgekürzt: "Treuhandstelle 1997"), des Instituts für Entwicklungsplanung und Strukturforschung bei der Universität Hannover, Expertise zur Entwicklung des Wohnbaulandangebotes 1992 bis 1995 im Großraum Hannover vom Oktober 1998 ("Entwicklungsplanung 1998"), des Zweckverbands Großraum Hannover, Perspektiven der Wohnbauflächenentwicklung, Arbeitsmaterial -- August 1991 ("Zweckverband August 1991") sowie des Kommunalverbands Großraum Hannover, Landeshauptstadt Hannover, Landkreis Hannover, Prognosen für den Kommunalverband, die Landeshauptstadt und den Landkreis Hannover, Einwohnerentwicklung 1995 bis 2010, vom Januar 1996 (zitiert: "Großraum Hannover 1996"). Deren Ergebnisse lassen sich etwa so zusammenfassen:

14

Die vorhandenen Wohnbaureserven der Antragsgegnerin sind durch mehrere Entwicklungen erschöpft worden. Wanderungsbewegungen aus Osteuropa, Aussiedler, Asylbewerber sowie der Fall der "Mauer" haben gerade im Großraumbereich Hannover zu erheblichen Zuwanderungen geführt. Wegen der günstigen Lage der Antragsgegnerin zur Landeshauptstadt Hannover entfiel ein nicht unerheblicher Teil auf deren Gemeindegebiet. Diese Zuwanderungsbewegung erreichte ihren Höhenpunkt zwar schon 1992/93 (Treuhandstelle 1997, S. 1). Die dadurch hervorgerufene Erschöpfung der Wohnbaureserven droht nun aber durch mehrere Komponenten ernsthafte Nachfrageprobleme mit sich zu bringen, die auch/namentlich städtebaulicher Natur sind. Diese bestehen unter anderem in der unzureichenden Wohnbauaktivität im Bereich der Antragsgegnerin. Dort sind im Vergleich zu anderen Städten und Gemeinden des Großraums Hannover deutlich unterdurchschnittlichen Umfangs Wohnbauflächen bereitgestellt und Wohnungen hergestellt worden. 1980 bis 1989 sollen nach der Studie des Zweckverbandes vom August 1991 lediglich 839 Wohnungen hergestellt worden, davon keine einzige im Geschosswohnungsbau (Zweckverband August 1991, S. 14 und 18). Es sollen 1992 bis 1995 lediglich 13 Bebauungspläne aufgestellt worden sein (Entwicklungsplanung Oktober 1998, S. 22). Dementsprechend beträgt der Anteil der Kommunalfläche je Wohneinheit im Bereich der Antragsgegnerin 960 m? und wird nur noch übertroffen durch W. (1126 m? je Wohneinheit); demgegenüber liegt im Bereich der Landeshauptstadt Hannover das Flächenverhältnis bei 149 m? pro Wohneinheit (a.a.O., S. 7). Wie unterdurchschnittlich die Bautätigkeit im Bereich der Antragsgegnerin war, zeigt sich auch darin, dass im Zeitraum 1980 bis 1988 im Bereich der Antragsgegnerin insgesamt 1165 Wohnungen entstanden sind, in der Landeshauptstadt Hannover waren es demgegenüber 19587 Wohnungen (K.-Studie, S. 36). Großraumkommunen wie etwa Garbsen haben 1992 bis 1995 342 bis zu 417 Wohneinheiten je Jahr schaffen lassen (Entwicklungsplanung 1998 S. 5). Der Bedarf an Wohnungen nimmt aber unter anderem deshalb zu, weil die Zahl der Bewohner je Wohneinheit merklich sinkt (K. Studie S. 11). Das ist Folge einer zunehmenden Anzahl sogenannter Singlehaushalte sowie der veränderten Altersstruktur. Die Zunahme des Durchschnittsalters führt unter anderem deshalb zu einer Reduktion der Bewohner je Wohneinheit, weil Kinder aus dem Hause gehen, (Ehe-)Partner sterben und der Überlebende aus Gewohnheit, Scheu vor neuer Umgebung, Vertrautheit mit der näheren (alten) Umgebung und deshalb in der nunmehr eigentlich zu großen Wohnung verbleibt, weil der Preis für eine neu anzumietende Wohnung über dem Mietniveau liegt, welches aufgrund der langen Vertragsdauer für die Altwohnung nur zu zahlen ist (vgl. Treuhandstelle 1997, S. 6 und 39; Entwicklungsplanung 1998, S. V). Da die Zahl der über 64 Jährigen erheblich wächst (vgl. Entwicklungsplanung Oktober 1998, S. V; Treuhandstelle 1997 S. 39; Großraum Hannover 1996, S. 22), führt schon das zu einer erheblichen Verknappung der Wohnraumreserven. Diese Schere zwischen Angebot und Nachfrage zeigt sich auch daran, dass die Zahl der Haushalte im Großraum Hannover zwischen 1988 und 1995 um 4,7 %, die Wohnungsbauproduktion dagegen nur um 4 % gestiegen ist (Treuhandstelle 1997, S. 10). Das Institut für Entwicklungsplanung (Entwicklungsplanung 1998, S. IV) berichtet sogar, dass die Zahl der Haushalte allgemein einen relativen Zuwachs von 10 % im Bereich des Landkreises Hannover sogar von 13 % hatte bei einem relativen Bevölkerungszuwachs von 6 %. Das zeigt, dass der Bedarf an Wohnungen stärker steigt, als die Bevölkerung.

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All das wirkt sich im Bereich der Antragsgegnerin deshalb besonders stark aus, weil die Wohnungsproduktion -- wie oben dargelegt -- dort nur deutlich unterdurchschnittlich war und sich die Schere zwischen zunehmender Haushaltszahl und Neubautätigkeiten dementsprechend weit öffnet. Das lässt starke Mietpreissteigerungen befürchten. Dies wiederum hat mehreres zur Folge. Es werden sozial Schwache zunehmend Schwierigkeiten haben, bezahlbare Wohnungen zu finden. Dieses Problem wird verstärkt dadurch, dass 1991 bis 2000 viele Wohnungen aus der sozialen Bindung entlassen worden sind. Zu erwarten ist damit ein Verdrängungsprozess "von oben nach unten", d.h. von besserverdienenden Personen zu Lasten von Haushalten mit kleineren und mittleren Einkommen (K.-Studie S. 59, 61, 64, 94, 100). Das zieht des weiteren nach sich, dass auch junge Familien in der (finanziell nicht üppig ausgestatteten) Startphase im Bereich der Antragsgegnerin nur geringe Chancen haben sich niederzulassen. So wird denn auch beobachtet, dass in dem Alterssegment 3-5 und 20 bis 34 Jahre die Bevölkerung im Bereich der Antragsgegnerin ganz gegen den sonstigen Trend abnimmt (Großraum Hannover 1996, S. 22 sowie im Anhang, Tabelle der MINIBEPRO, Bevölkerungsprognose 1995 bis 2000).

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Die Verknappung bezahlbaren Wohnraums, die Überalterung der Bevölkerung, die Verschlechterung der Lage sozial Schwacher sowie die Verminderung/Verhinderung der Ansiedlung junger Leistungsträger, die mittelfristig für das Steueraufkommen der Antragsgegnerin von Vorteil wäre, stellen städtebauliche Fehlentwicklungen dar, denen die Antragsgegnerin begegnen darf und muss. Sie sind -- auch in diesem Umfang -- "struktureller Art" im Sinne der obengenannten Grundsätze. Es ist entgegen der Annahme der Antragstellerin ohne Belang, dass die genannten Komponenten zum Teil auch in anderen Kommunen wirksam sind. § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB fordert nicht, dass die jeweilige Gemeinde ausschließlich exklusive strukturelle Gründe geltend macht und machen kann. Keine Gemeinde ist für sich allein auf der Welt, sondern notwendiger Weise mit überörtlich stattfindenden Entwicklungen verwoben. Der besondere "strukturelle Grund" für die hier angegriffene Entwicklungsmaßnahme besteht in den Gründen für diesen "aufgestauten Wohnungsbaubedarf". Dies hat seine Ursache nicht allein in der Existenz rentablerer Anlagemöglichkeiten, welche die Wohnbautätigkeit allgemein hatte zurückgehen lassen (vgl. Kreibich-Studie, S. 2). Vielmehr und vor allem hat dieser aufgestaute Wohnbaubedarf seine Ursache in den speziellen Strukturen, welche das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin prägen. Der Verlauf der Gemeindegrenze zur Landeshauptstadt Hannover im Norden verhindert eine Ausweitung der beiden Hauptsiedlungsschwerpunkte der Antragsgegnerin (von S. und von L.) nach Norden. Die Barriere aus der Eisenbahnstrecke mit sich ausweitendem Rangierbahnhof, dem Zweigkanal sowie der B ... im Süden hat eine Ausdehnung dieser beiden Hauptsiedlungsorte nach Süden bislang im Wesentlichen verhindert. Die südlich dieser Barriere gelegenen Ortschaften sind mit den im Tatbestand genannten Größen und ihren Strukturen (landwirtschaftliche Nutzung, Einfamilienhausgebiete) zu klein, um in den erforderlichen Umfang (mindestens 6.000 Personen) Geschosswohnungsbau städtebaulich verträglich aufnehmen zu können.

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Die benötigten Wohneinheiten erreichen ein Ausmaß und eine Dringlichkeit, welche die Durchführung der Entwicklungsmaßnahme auch qualitativ rechtfertigen. Die Antragsgegnerin hat ihre Zahl in nicht zu beanstandender Weise prognostiziert, namentlich nicht in unvertretbarer Weise übertrieben. Für die Richtigkeit der Annahme, mindestens für 6.000 Personen müssten Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden, spricht schon der Umfang, in dem die Bautätigkeit im Bereich der Antragsgegnerin nun schon mindestens anderthalb Jahrzehnte lang gegenüber ähnlich attraktiven Großraumgemeinden zurückbleibt (vgl. Nachweise oben sowie Zweckverband 1991: 1980 bis 1989 wurden 839 Wohnungen hergestellt, davon keine im Geschosswohnungsbau). Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Zweckverbandes August 1991 für den Großraum Hannover 1990 bis 2000 rund 62.000 Zuwanderer zu erwarten sind, von denen sich voraussichtlich lediglich 27.000 im Bereich der Landeshauptstadt Hannover niederlassen werden.

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Der Bedarf kann in städtebaulich vertretbarer Weise nur und daher nur an dieser Stelle gestillt werden, will man nicht einen völlig neuen Siedlungsschwerpunkt "ganz auf die grüne Wiese", das würde aber auch heißen, fernab der bestehenden Verkehrsstrukturen (ÖPNV!) planen wollen. Die Richtigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin dies zu tun ergibt sich auch aus der Größe des aufnehmenden Stadtteils (S.), dessentwegen der Umfang der Maßnahme von an sich benötigten neuen Wohneinheiten für 9.000 Personen auf solche für 6.000 reduziert worden ist.

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Es bedeutet keinen wesentlichen Eintrag, dass die Antragsgegnerin in dem fraglichen Bereich "nur" etwa 6.000 Personen Unterkunft und (zum Teil) Arbeit wird bieten können, obwohl sie einen Bedarf von etwa 9.000 zusätzlichen Einwohnern für die nächsten 12 Jahre prophezeit hat. Eine Entwicklungsmaßnahme wird nicht dadurch rechtswidrig, dass es ihr nicht vollständig gelingt, das sich abzeichnende Defizit auszugleichen. Es reicht vielmehr aus, wenn hiermit ein wesentlicher Beitrag geleistet wird. Eine größere Dimensionierung des Entwicklungsbereiches reibt sich zum einen (vgl. auch das Abwägungsgebot des § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB) mit dem Bestreben, den Neubewohnern in möglichst fußläufiger Entfernung Anschluss an öffentlichen Personennahverkehr bieten zu können. Zum anderen hat die Antragsgegnerin zutreffend in die Abwägung eingestellt, dass der hinzutretende Teil der Bevölkerung von der Altbevölkerung auch akzeptiert werden muss. Erst das bietet die Chance, Gettobildungen zu verhindern und den neuen Stadtteil städtebaulich zu integrieren. Daher ist es ein billigenswertes Bestreben, die Zahl der hinzutretenden Personen nicht an die Zahl derjenigen heranreichen zu lassen, welche bereits im Stadtteil S. leben.

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Dass jede dieser Prognose im Einzelnen zweifelbehaftet sein mag, ändert nichts daran, das sie taugliche Grundlagen bilden. Denn jede dieser Prognosen ist zwangsläufig mit Unsicherheiten verbunden. Der Gesetzgeber hat solche Unsicherheiten indes hingenommen (vgl. BVerwG, Urt. vom 3.7.1998, a.a.O., S. 1299).

21

Es kommt schließlich hinzu das Bestreben, in gewissem Umfang dieser neuen Bevölkerung auch Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Dies soll durch Ansiedlung von Gewerbe im westlichen Teil der Entwicklungssatzung geschehen. Es ist unschädlich, dass dieses Gewerbegebiet zu bescheiden dimensioniert ist, um sämtlichen dort lebenden Personen eine auskömmliche Arbeit zu garantieren. Die Antragsgegnerin macht sich auch nicht anheischig, mit dieser Entwicklungsmaßnahme sämtliche Neuankömmlinge "in Lohn und Brot setzen" zu können. Zweites ebenso tragfähiges "Standbein" ist das Bestreben, den ÖPNV-Punkt zu nutzen.

22

Die Antragstellerin kann der angegriffenen Maßnahme nicht entgegenhalten, der beschriebene Wohnraumbedarf könne auch in anderen Bereichen, d. h. Gemeinden des Großraums Hannover gestillt werden; dort stünden ausreichend ausgewiesene Wohnbauflächen bereit. Selbst wenn das so wäre, würden damit die oben genannten städtebaulichen Defizite -- Überalterung, Verdrängungswettbewerb auf dem Mietmarkt von oben nach unten, Ausbleiben junger Leistungsträger (kommunale Steuern!), Verschlechterung des Wohnbauangebots für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen sowie die überproportional vielen Sozialhilfeempfänger (vgl. Zweckverband 1991, S. 7) -- nicht wesentlich bekämpft werden können. Überdies ist es sowohl für die Gemeinde selbst auch raumordnungsrechtlich gesehen ein städtebaulich beachtliches Anliegen, eine "lebendige", d.h. sich entwickelnde Gemeinde zu bleiben oder wieder zu werden.

23

Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, diese weitgesteckten Ziele würden sich ohne die Instrumentarien zügig, d.h. mindestens mittelfristig verwirklichen lassen, welche allein die §§ 165 ff. BauGB bieten. Richtig ist zwar, dass sich nach der Darstellung der Antragsgegnerin in der Satzungsbegründung verschiedentlich Personen an sie gewandt und wegen Bauland nachgefragt haben. Gleichwohl ist zu verneinen, dass dieses Vorhaben auf der Grundlage einer reinen Angebotsplanung zügig würde verwirklicht werden können. Denn die Schwierigkeiten bestehen hier nicht nur in der Gewährleistung der (zur Vermeidung eines Gettos angestrebten) "Durchmischung" der Wohngebiete, sondern vor allem darin, die Wohnquartiere gegen den Lärm abzuschirmen, welcher von der DB-Strecke und dem Rangierbahnhof ... sowie der Bundesstraße ... ausgehen, gleich ob diese südlich des Zweigkanals bleibt oder -- wie gewünscht -- nach Süden verschwenkt wird. Hierzu ist es nicht nur erforderlich, Lärmschutzwände aufzustellen (die D. AG hat sich auch hiermit grundsätzlich einverstanden erklärt). Erforderlich wird es vielmehr auch sein, entsprechend der Lösung, welche der erste Preisträger des Ideenwettbewerbs gefunden hat, die Gebäudekomplexe am Nordrand des Planbereiches zur Abschirmung gegen die Bahngeräusche wie auch am Südrand für die Fälle parallel zu errichten, dass es der Antragsgegnerin gelingt, die B ... nach Süden um das Plangebiet herum oder an dessen Südrand verschwenken zu lassen. Diese Gebäude müssen tatsächlich errichtet sein, um ihre Aufgaben als "Lärmschutzbebauung" zum Vorteil der Binnenbebauung erfüllen zu können. Das lässt sich nur durch die angegriffene "Gesamtmaßnahme" zügig erreichen. Es mag zwar sein, dass § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB die Grundlage für eine Festsetzung eines Bebauungsplanes (Angebotsplanung) böte, der Binnenbereich dürfe erst nach Fertigstellung der Wohnblocks am Nordrand (diese müssen in jedem Fall hergestellt sein; die am Südrand erst bei/nach Verlegung der B ...) bebaut werden. Damit wäre jedoch nicht gesichert, dass diese Bebauung auch zeitnah hergestellt und die Bebaubarkeit des Binnenbereiches so eröffnet wird. Das ist vor allem wegen der Länge der Front zum Zweigkanal und (vor allem) der Bahnstrecke nur bei Durchführung der angegriffenen Gesamtmaßnahme zu sichern. Sie muss vollständig hergestellt sein. Lücken brächten die Bebaubarkeit des gesamten Binnenbereichs ins Wanken. Da all dies schon wegen der Immissionen geboten ist, welche von der Bahnstrecke und dem Rangiergelände ausgehen, kann schon von daher der Hinweis der Antragstellerin nicht durchdringen, die Antragsgegnerin könne die neue Trasse der B ... planen und sich dann im Norden mit einer Angebotsplanung begnügen. Im übrigen wäre eine solche isolierte Planung der B ... ohne ausreichende Sicherung der Bauabsichten für den Bereich südlich des Kanals und der B ... (alt) kaum zu begründen und durchzusetzen.

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Es liegt außerdem auf der Hand, dass die Verwirklichung solch ineinander verzahnter Absichten (Verlegung der B ..., immissionsschützende Wohnblocks an den Rändern, Durchmischung, Herstellung einer Fußgängerbrücke als Verbindung zum Kernstadtbereich) auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vertragsbindung nicht wirksam gesichert werden könnte (§ 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Das folgt aus der Größe des Gebiets, der Vielzahl der zu errichtenden Gebäude und der Zahl der zu beteiligenden Eigentümer. Schon die Äußerungen der Vertreter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung haben erkennen lassen, dass zumindest sie sozusagen aus grundsätzlichen Erwägungen nicht bereit ist, für das Entwicklungsvorhaben freiwillig Flächen abzutreten. Mit der Leugnung der städtebaulichen Ziele im Grundsatz und im Detail (u.a. die Sinnhaftigkeit einer so umfangreichen Fußgängerbrücke wurde in Abrede genommen) haben sie eine grundsätzliche Ablehnung des als städtebaulich unsinnig eingestuften Projektes und damit zugleich die fehlende Bereitschaft zu erkennen gegeben haben, sich zu dessen Förderung vertraglich zu binden.

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Es kommt in einer die Voraussetzungen des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB selbständig erfüllenden Weise hinzu, dass sowohl sie als auch eine Reihe anderer Eigentümer -- wie unstreitig ist -- die Abtretung der benötigten Flächen von finanziellen Forderungen abhängig gemacht haben, welche über dem entwicklungsunbeeinflussten Anfangswert im Sinne des § 169 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 153 Abs. 3 BauGB liegt. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das in seinem Urteil vom 3. Juli 1998 (a.a.O., S. 1300) dazu u.a. das folgende ausgeführt hat:

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"Das Instrumentarium, das das sonstige Städtebaurecht bietet, ist freilich von vornherein nur begrenzt tauglich bei Gesamtmaßnahmen mit einer Vielzahl von Betroffenen, deren Dimensionen durch § 165 Abs. 2 BauGB vorbestimmt sind. Je größer die Zahl der Eigentümer ist, die mitwirken müssten, um das beabsichtigte Planungsergebnis herbeizuführen, desto geringer ist die Chance, dass sich die Maßnahme ohne Anwendung der § 165ff. BauGB unter angemessenem Zeit- und Kostenaufwand "zügig" verwirklichen lässt. Wäre die Gemeinde verpflichtet, mit jedem einzelnen Eigentümer Vertragsverhandlungen zu führen, so würde das Entwicklungsrecht weitgehend leer laufen. § 165 Abs. 4 Satz 2 BauGB verweist u.a. auf § 137 BauGB. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sollen die Betroffenen zur Mitwirkung angeregt werden. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, lässt der Gesetzgeber offen. Es hängt von den Umständen ab, ob sich Verhandlungen aufdrängen. Eine einvernehmliche Regelung muss sich als realistische Perspektive abzeichnen. Hieran fehlt es, wenn eine Mehrzahl von Eigentümern nicht bereit ist, ihre Grundstücke für die in Aussicht genommene Nutzung zur Verfügung zu stellen oder zwar Verkaufsinteresse bekundet, jedoch erkennbar auf einem Kaufpreis beharrt, der über den entwicklungsunbeeinflussten Anfangswert im Sinne des § 169 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 153 Abs. 3 BauGB hinausgeht. Das stellt § 165 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB in der seit dem 1.1.1998 geltenden Fassung nunmehr ausdrücklich klar. Diese Regelung schreibt lediglich fest, was bisher schon galt."

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Daraus ergibt sich, entgegen der Annahme der Antragstellerin eindeutig: Steht der Bereich der Entwicklungssatzung -- wie hier -- im Eigentum sehr vieler Personen und sind diese (wie hier) mehrheitlich nicht bereit, ihre Flächen zu einem maßnahmeunbeeinflussten Ausgangswert abzutreten, fehlt die realistische Perspektive freihändigen Grundstückserwerbs, welche erst zur Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB führen könnte.

28

Entgegen der Annahme der Antragstellerin liegt auch die Voraussetzung des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB vor. Danach muss die zügige Durchführung der Maßnahme innerhalb eines absehbaren Zeitraumes gewährleistet sein. Feste "Zeitmargen" existieren nicht. Deshalb geht der Hinweis der Antragstellerin auf den Zeitraum, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3. Juli 1998 (a.a.O., S. 1301) gebilligt hatte, fehl. Richtig ist zwar, dass der Entwicklungsbereich seinerzeit 278,8 ha umfasste und nach den Vorstellungen der damals beklagten Gemeinde innerhalb von 12 Jahren entwickelt werden sollte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Gewerbegebiete erheblich leichter konzipiert werden können. Sie sind für sich genommen ohnehin großflächiger; daher ist der Hinweis auf die Größe des Gebietes nur von sehr eingeschränktem Aussagewert. Es ist mit anderen Worten nicht möglich, eine Art Dreisatz des Inhaltes aufzustellen, sei es einer Gemeinde möglich, 278,8 ha innerhalb von 12 Jahren zu entwickeln, so müsse eine Fläche von 110 ha in vierdreiviertel Jahren entwickelt werden können. Das ließe die Schwierigkeiten außer Betracht, welche hier bewältigt werden müssen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung (a.a.O. S. 1301) keinen "festen Zeitraum" genannt, sondern ausgeführt, der Zeitraum im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB lasse sich nicht abstrakt festlegen. Es komme vielmehr maßgeblich auf den Umfang der jeweiligen Entwicklungsmaßnahme an. Dabei sei zu berücksichtigen, welche Folge- und Infrastruktureinrichtungen sowie welche Maßnahmen zum Ausgleich des Eingriffs in Natur und Landschaft zu ergreifen seien. Auch hier sei allein maßgeblich, ob die von der Gemeinde getroffene Prognoseentscheidung methodisch und inhaltlich einigermaßen zu rechtfertigen sei; spätere Entwicklungen, welche den Zeitplan umwürfen, könnten nicht als Bestätigung für die Fehlerhaftigkeit der seinerzeit getroffenen Prognoseentscheidung angesehen werden. Diese Prognoseentscheidung sei nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer zuverlässigen Tatsachenbasis beruhe und in sich schlüssig sei.

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All das ist hier zum Vorteil der Antragsgegnerin zu bejahen.

30

Angesichts der Vielzahl der durchzuführenden und nachfolgend zu erörterten Maßnahmen ist es jedenfalls nicht als "unzügig" anzusehen, wenn die Antragsgegnerin für deren Durchführung einen Zeitplan von 12 Jahren vorsieht. Die nachfolgend zu erörternden Schwierigkeiten bei der gerechten Abwägung der konkurrierenden Belange (§ 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB) nehmen keinen Umfang an, welche diese Prognose ernstlich in Zweifel zögen. Die umfangreichen Vorbereitungen, welche die Antragsgegnerin während des Satzungsverfahrens bereits durchgeführt hat, haben in einem Umfang zur Vorklärung der Probleme geführt, der auch angesichts der bei der Durchführung zu erwartenden Schwierigkeiten erwarten lässt, dass sie innerhalb des genannten Zeitraums von 12 Jahren bewältigt sein werden.

31

Zu bewältigen werden namentlich die Probleme sein, welche sich mit der B ... stellen. Die Antragsgegnerin sieht zwar ausweislich der Ausführung auf S. 35 und 36 der Satzungsbegründung, dass die Straße erhebliche Lärmimmissionen zur Folge hat. Es wird planerisch möglich sein, die Probleme in der Weise, wie es durch den ersten Preisträger des Ideenwettbewerbs vorbereitet worden ist, d.h. durch die oben beschriebene Stellung der Gebäude und Anordnung schutzwürdiger Räume zum Innen- und weniger schutzwürdigen Räume wie Küche und Bad zu dem der B ... zugewandten Bereich sowohl dann zu lösen, wenn diese wie bisher verläuft, als auch dann, wenn sie an den Südrand des Entwicklungssatzungsbereiches verlegt wird. Die durch die Verlegung entstehenden Kosten sind in die Kostenermittlung eingeflossen.

32

Selbst wenn das nicht gelingt: Als "kleines Planungsziel", welches ebenfalls einer Entwicklungsmaßnahme bedarf, verfolgt die Antragsgegnerin das Vorhaben, den Entwicklungsbereich unter Inkaufnahme der bisherigen Trasse der B ... fertig zustellen.

33

Die zügige Verwirklichung der Maßnahme und ihre Abwägungsgerechtigkeit (§ 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB) werden nicht dadurch durchgreifend in Zweifel gezogen, dass die Antragsgegnerin zu dem L. Holz hin ein Gewerbegebiet vorsehen will. An diesen Plänen hat sie trotz erheblicher und substantiierter Einwendungen festgehalten, welche die Untere und die Obere Naturschutzbehörde sowie das Forstamt geäußert hatten (vgl. Seiten 41, 42, 44 und 45, 48, 49 und 52 der Satzungsbegründung). Dieses Gehölz ist deshalb von erheblicher Bedeutung, weil beabsichtigt ist, es als Naturschutzgebiet festzusetzen und ihm als Puffer ein Landschaftsschutzgebiet vorzulagern. Dementsprechend erheblich ist auch der Eingriff in Natur und Landschaft selbst dann, wenn das Gewerbegebiet von dieser Pufferzone (Landschaftsschutzgebiet) etwas Abstand halten oder gar an diesen Bereich unmittelbar angrenzen sollte. Es ist indes nicht gleichsam von vornherein ausgeschlossen, diesen Gesichtspunkten durch eine Gliederung des Gewerbegebietes soweit Rechnung zu tragen, dass sich die Eingriffe auf den Bereich des Vermeidbaren beschränken und -- soweit danach noch vorhanden -- im Plangebiet oder in anderen Gebieten ausgeglichen werden können. Der Verdacht, die Entscheidung zur Ansiedlung eines Gewerbegebietes in diesem Bereich sei in abwägungsfehlerhafter Weise dadurch motiviert, dass diese Flächen schon jetzt der Antragsgegnerin gehören (vgl. S. 55 der Satzungsbegründung) ist nicht begründet. Denn aus der Kostenaufstellung (vgl. auch S. 56 der Satzungsbegründung) ergibt sich, dass für Flächen für Wohnbauvorhaben ein Quadratmeterpreis von 295,-- DM einschließlich Erschließung angesetzt wird, für Gewerbeflächen dagegen nur von 120,-- DM.

34

Diese Planung begegnet im gegenwärtigen Stadium im Hinblick auf § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB auch nicht deshalb Bedenken, weil es auf den ersten Blick näher gelegen hätte, das (kleine) Gewerbegebiet wegen der Immissionen gegenüber dem Rangiergelände der Bahn AG zu positionieren und schutzwürdige Wohnbebauung eher gegenüber dem L. ... Holz zu placieren. Dem steht das mit der angegriffenen Planung ebenfalls verfolgte Hauptziel entgegen, den Bewohnern des Entwicklungsbereiches eine fußläufige Verbindung sowohl zu dem ÖPNV-Anschlusspunkt (S-Bahn) als auch zum neugestalteten Innenstadtbereich von S. nebst anschließenden Zentrum um den "A." zu erschließen. Je länger die Fußwege sind, desto geringer ist die Aussicht, dass dies in dem erhofften Umfang angenommen wird.

35

Die angegriffene Entscheidung ist auch nicht mit Rücksicht auf die dort betriebenen intensiven Landwirtschaft abwägungsfehlerhaft. Im Rahmen dieses Verfahrens ist noch nicht zu prüfen, ob ein Bebauungsplan mit dem Ziel, auf bestimmten Flächen eine bestimmte Nutzung festzusetzen, abwägungsgerecht wäre. Hier ist allein die grundsätzliche Frage zu prüfen, ob es möglich sein wird, die konkurrierenden Interessen zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Dementsprechend wird eine Entwicklungssatzung unter dem Gesichtspunkt der Abwägungsgerechtigkeit (§ 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB) ähnlich wie eine Veränderungssperren nur dann zu beanstanden sein, wenn schon im gegenwärtigen Stadium eindeutig abzusehen ist, dass sich die bislang nur in Aussicht genommenen Planfestsetzungen nicht werden verwirklichen lassen. Das lässt sich mit Rücksicht auf die Landwirtschaft nicht sagen. Richtig ist zwar, dass erhebliche Teile des Entwicklungssatzungsbereichs im Regionalen Raumordnungsprogramm als Flächen mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft dargestellt worden sind. Die Antragsgegnerin hat indes zum Teil schon begonnen, Ersatzflächen außerhalb dieses Bereiches zu erwerben. Das Amt für Agrarstruktur (S. 43 der Satzungsbegründung) macht zwar geltend, mit dem von der Antragsgegnerin bislang ins Auge gefassten Betrag von 22,-- DM je m? (S. 56 der Satzungsbegründung; S. 43 war noch von 16,-- DM je m? die Rede) möchte nicht ausreichen, sich anderen Orts Ersatzland zu verschaffen. Dies legt indes nicht in einer Weise auf der Hand, dass mit Rücksicht auf die dort betriebene Landwirtschaft schon jetzt gesagt werden kann, die Entwicklungssatzung sei abwägungsfehlerhaft oder aber die Bewältigung dieses Problems werde den Zeitrahmen ins Wanken bringen.

36

Gleiches gilt mit Rücksicht auf die im Plangebiet vorhandenen Kleingärten. Deren Existenz ist zwar durch die Bebauungspläne der Antragsgegnerin Nrn. 35, 37 und 38 planerisch abgesichert. Indes ist es nicht ausgeschlossen, erhebliche Teile der Kleingärten entweder auszulagern oder aber die entsprechende Nutzung im Rahmen einer Abwägungsentscheidung wegen übergeordneter Belange, namentlich wegen der Herstellung der Infrastruktureinrichtungen dergestalt einer Ostwesthaupterschließungstangente mit Anbindung an die E. Straße im Westen "wegzuwägen". Der unwidersprochenen Darstellung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zur Folge ist das bereits erfolgreich in die Wege geleitet worden. Denn die Flächen, auf denen die Kleingärten betrieben werden, stehen zumindest größtenteils im Eigentum der Kirche. Diese habe die Verträge mit den Kleingärtnern bereits wirksam gekündigt, um die Durchführung der hier angegriffenen Entwicklungsmaßnahme zu fördern.

37

Bewältigungsfähig ist des weiteren der Lärm, welcher von dem Zugverkehr sowie (in verstärktem Umfang) von dem Rangierbahnhof ausgeht, dessen Aufgabe die D. AG nicht beabsichtigt (vgl. S. 36, 38 und 39 der Planbegründung). Durch eine Kombination diverser Maßnahmen wie beispielsweise Stellung der Gebäude, Anordnung weniger schutzwürdiger Räume nach Norden sowie mit Lärmschutzwänden wird es voraussichtlich möglich sein, diesen Nutzungskonflikt zu lösen.

38

Grundsätzlich geklärt ist auch die Möglichkeit, die Gleise der D. AG mit der im Tatbestand erwähnten Fußgängerbrücke zu überqueren. Die D. AG ist zwar im wesentlichen nicht bereit, sich hieran finanziell zu beteiligen. Die entsprechenden Kosten sind aber in die Kostenaufstellung eingeflossen (vgl. S. 38 der Satzungsbegründung). Aus den Ausführungen auf S. 57 der Satzungsbegründung ergibt sich, dass die Herstellung dieser Fußgängerbrücke bereits eingeleitet ist und zudem die D. AG signalisiert hat, sich an den Kosten für einen Abstieg zu dem S-Bahnsteig zu beteiligen. Eine Verzögerung ist daher auch insoweit nicht zu erwarten.

39

Nicht in die Kostenermittlung eingeflossen ist zwar die 110 kV-Leitung der H.. Diese überquert bislang das Plangebiet und kann in der bestehenden Form nicht beibehalten werden, ohne die Verwirklichung des Plankonzepts zu verwirklichen. Als Bedarfsträger im Sinne des § 165 Abs. 5 i.V.m. § 26 Nrn. 2 und 3 BauGB ist die H. nicht anzusehen mit der Folge, dass deren grundsätzliche Bereitschaft für die Erfüllungsmaßnahme nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die angegriffene Entwicklungsmaßnahmensatzung darstellt. Der Umstand, dass das Schicksal dieser 110 kV-Leitung bislang nicht ganz geklärt ist, stellt noch keinen Abwägungsmangel dar und zieht auch die Erwartung, das Vorhaben sei innerhalb von 12 Jahren und damit zügig durchzuführen, nicht in Zweifel. Immerhin ist ausweislich der Ausführung auf S. 46 und 50 der Satzungsbegründung in Aussicht genommen, auf Kosten der H. die vorhandene Freileitung über den Wald südlich des Entwicklungsmaßnahmenbereiches zu verlegen; dies wird als Alternative gegenüber der Möglichkeit favorisiert, die Leitung in die Erde zu verlegen.

40

Die Entwicklungsmaßnahmesatzung scheitert schließlich auch nicht an der dritten Rüge der Antragstellerin, sie sei von der Antragsgegnerin lediglich zum Zwecke favorisiert worden, mit den Ausgleichsbeträgen durch Durchführung der Maßnahmen zu sichern. Richtig ist, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 1998, (a.a.O., S. 1298) das Ziel, die angestrebte Entwicklung mit den Bodenwertsteigerungen zu finanzieren, für sich allein nicht den Einsatz eines Instrumentariums rechtfertigt, welches nach der gesetzlichen Ausgestaltung auf eine (Durchgangs-)Enteignung gerichtet ist. In der Planbegründung finden sich zwar "Zungenschläge", welche den Verdacht nähren, die Antragsgegnerin habe sich bei der Wahl dieses städtebaulichen Instruments auch von der Aussicht leiten lassen, diese Maßnahme in der beschriebenen Weise finanzieren zu können (insbesondere die Ausführung auf S. 24 der Satzungsbegründung). Indes wird dort auch ausgeführt, die angestrebte Qualität des Stadtquartiers und die Umsetzung der Planung seien ohne eine zentrale Steuerung und dauerhafte Qualitätskontrolle nicht zu erreichen, wie sie allein mit den städtebaulichen Instrumenten nach §§ 165 ff. BauGB erreicht werden können; zudem sei zu diesem Mittel gegriffen worden, weil ein freihändiger Erwerb aller Flächen zum gutachterlichen Richtwert nicht möglich und eine zügige Realisierung der Maßnahme daher nicht gewährleistet sei. Dies entzieht der Annahme den Boden, die Antragsgegnerin habe sich -- was allein zur Nichtigkeit der Satzung führen könnte -- nur von den Aussichten leiten lassen, diese Maßnahme über Ausgleichsbeträge/Abschöpfung der Bodenwertsteigerungen zu finanzieren.