Landgericht Oldenburg
Urt. v. 09.05.2006, Az.: 4 O 2546/05
Rückforderungsrecht bei Übergang eines Gesellschaftsanteils durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 09.05.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 2546/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 21434
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2006:0509.4O2546.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 10.01.2007 - AZ: 4 U 52/06
- BGH - 07.07.2008 - AZ: II ZR 37/07
Rechtsgrundlage
- § 37 GmbHG
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2006
durch
den Richter am Landgericht Buss als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.
Das Urteil ist in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Heinrich XXX. Der Gemeinschuldner Heinrich XXX war gemeinsam mit Rudolf XXX Gesellschafter der Gesellschaft XXX GbR, zu deren Vermögen eine Immobilie in Diesdorf gehört. Die auf dem Grundstück befindliche Immobilie vermietete die XXX GbR an die XXX GmbH & Co. KG. Die Beklagte gewährte der GbR Kredite, die durch Grundpfandrechte auf dem Eigentum der Gesellschaft abgesichert sind. Darüber hinaus trat die XXX GbR die Mietzinsansprüche an die Beklagte ab. Die XXX GmbH & Co. KG zahlte den Mietzins für den Monat Sept. 2004 in Höhe von 35.790,43 EUR auf Grund der Abtretung an die Beklagte.
Am 19. Juli 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters Rudolf XXX und am 11. Aug. 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters Heinrich XXX eröffnet.
Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn Rudolf XXX waren neben den Brüdern XXX keine weiteren Gesellschafter betreffend die XXX GbR vorhanden. Der Gesellschaftsvertrag der XXX GbR befindet sich auf Bl. 32 ff d.A., hierauf- insbesondere auf die §§ 16 und 17 - wird Bezug genommen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters Rudolf XXX an der XXX GbR sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages auf den verbleibenden Gesellschafter Heinrich XXX übergegangen. Daher falle die im Rahmen der Teilklage geltend gemachte Mietzahlung für Sept. 2004 in die Insolvenzmasse und unterliege daher einem Rückforderungsrecht des Klägers. Das gesamte Gesellschaftsvermögen sei kraft Gesetzes und des Regelungen des Gesellschaftsvertrages bei dem verbliebenen Schuldner Heinrich XXX angewachsen. Die Gesellschaft bestehe mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn Rudolf XXX nicht in Auflösung fort.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.790,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Nebenintervenient, der auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten ist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte und der Nebenintervenient vertreten die Ansicht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffend den Gesellschafter Rudolf XXX sei eine Auflösungsgesellschaft entstanden; eine Fortführung der Gesellschaft durch den verbliebenen Gesellschafter Heinrich XXX sei nicht erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der begehrte Mietzins für Sept. 2004 fällt nur dann in die Insolvenzmasse auf Klägerseite und führt zu einem etwaigen Rückforderungsrecht, wenn der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters Rudolf XXX an der XXX GbR durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages auf den verbleibenden Gesellschafter Heinrich XXX übergegangen ist.
Eine derartige Anwachsung bei dem Gemeinschuldner Heinrich XXX ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Weder dem Gesetz noch den Regelungen des Gesellschaftsvertrages in §§ 16 und 17 lässt sich eine derartige Anwachsung im vorliegenden Fall, d.h. bei fast zeitgleicher Insolvenz der verbleibenden Gesellschafter entnehmen, sodass im Ergebnis die Gesellschaft als Auflösungsgesellschaft fortbesteht. §§ 16 und 17 des Gesellschaftsvertrages enthalten übliche, standardisierte Regelungen. In § 16 des Gesellschaftsvertrages ist vereinbart, dass in allen Fällen, in denen das Gesetz bei Eintritt bestimmter Ereignisse in der Person des Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft vorsieht, der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden soll und der oder die anderen Gesellschafter berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, die Gesellschaft mit dem vorhandenen Gesellschaftsvermögen und dem Recht der Fortführung der Bezeichnung weiter zu betreiben. Wenn über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkursverfahren eröffnet wird, scheidet der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus; wenn die gegen die Gesellschafter getroffene Maßnahme binnen 6 Monaten wieder aufgehoben wird, soll der Gesellschafter als nicht ausgeschieden gelten; innerhalb dieser Frist dürfen keine Veränderungen am Gesellschaftsverhältnis erfolgen (§ 17 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages).
Die dargestellten Regelungen in §§ 16 f. des Gesellschaftsvertrages sind identisch mit denjenigen, die dem OLG Stuttgart, Urt. v. 05.05.04, NZG 2004, S. 766 ff. zur Entscheidung vorlagen. Dort hat das OLG Stuttgart ausgeführt, dass mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer aus zwei Personen bestehenden BGB-Gesellschaft die Gesellschaft endet und der einzige verbliebene Gesellschafter alle Vermögensgegenstände erwirkt, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält. Das OLG Stuttgart führt weiter aus:
"Da es sich um eine Zwei-Mann-Gesellschaft handelte, konnte die Gesellschaft nicht fortgesetzt werden, sie wurde aber nicht zur Abwicklungsgesellschaft, sondern Herr S. als einziger verbliebener Gesellschafter erwarb alle Vermögensgegenstände. Der ausdrücklichen Begründung eines Übernahmerechts steht es grundsätzlich gleich, wenn der Gesellschaftsvertrag einer zunächst mehrgliedrigen Gesellschaft eine Fortsetzungsklausel enthält und die Gesellschafterzahl später auf zwei Personen schrumpft. Für die Annahme, dass es zum Ausscheiden eines Gesellschafters beim Vorliegen eines der in der Fortsetzungsklausel genannten Gründe nur dann kommen soll, wenn mind. zwei Gesellschafter verbleiben, während im Übrigen die Abwicklung nach gesetzlicher Regel gewollt ist, bedarf besonderer Anhaltspunkte, auch zum Verhältnis der Gesellschafter oder dem von ihnen verfolgten Zweck (Ulmer: Münch. Komm., 4. Aufl. § 37 Rn 69). Eine ausdrückliche Gestaltungserklärung ist erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag nur ein Recht auf Übernahme vorsieht. Hier war in § 15 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages die Fortsetzung unter den übrigen Gesellschafter mit Ausscheiden des insolventen Gesellschafters vereinbart gewesen, die daher in der zweigliedrigen Gesellschaft als automatische Übernahme zu verstehen ist."
Diese Rechtsprechung ist auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Falle der Entscheidung des OLG Stuttgarts war lediglich ein Gesellschafter in Insolvenz geraten. In dem hier zu entscheidenden Fall wurden bei beiden Gesellschaftern Ende März bzw. Anfang April 2004 vorläufige Insolvenzverwaltungen angeordnet. Am 19.07.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rudolf XXX und am 11.08.2004, mithin 23 Tage später, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Heinrich XXX eröffnet. Bei einer derartigen zeitlichen Nähe der Insolvenzeröffnung betreffend beider verbliebener Gesellschafter kann den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht entnommen werden, dass der verbleibende Gesellschafter alle Vermögensgegenstände erwirkt. Eine Fortsetzungsklausel für diesen Fall, der zeitgleichen Insolvenz beider Gesellschafter, kann den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht entnommen werden. Selbst wenn beide Gesellschafter bei dem gleichen Insolvenzgericht (was im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall war) gleichzeitig Insolvenz beantragen, müsste nach der Auslegung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Sinne des Klägers die - zufällige - zeitlich vorhergehende Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei dem verbleibenden Gesellschafter zu einer automatischen Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf ihn, über dessen Vermögen kurze Zeit danach das Insolvenzverfahren eröffnet wird, führen. Eine derartige Auslegung kann den entsprechenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht entnommen werden.
Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der verbleibende Gesellschafter seinen Fortführungswillen deutlich gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter bzw. dessen Insolvenzverwalter erklärt; eine solche Erklärung wurde hier jedoch unstreitig nicht abgegeben.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 20.04.2006 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.