Landgericht Oldenburg
Urt. v. 18.08.2006, Az.: 4 O 3127/05
Umfang einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter in der Insolvenz bei Kontokorrentabreden; Kongruente Handlung einer Bank bei einem debitorisch geführten Girokonto
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 18.08.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 3127/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43645
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2006:0818.4O3127.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 23.01.2007 - AZ: 9 U 39/06
- BGH - 27.03.2008 - AZ: IX ZR 29/07
Rechtsgrundlagen
- § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO
- § 143 Abs. 1 InsO
In dem Rechtsstreit
RA xxx als Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxx GmbH & Co. KG,
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
gegen
Firma xxx
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: xxx
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2006 durch den Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche infolge insolvenzrechtlicher Anfechtungserklärungen.
Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 01.04.2002 - Az.: 9 IN 41/02 - zum Insolvenzverwalter der xxx GmbH & Co KG (im folgenden Gemeinschuldnerin) mit Sitz in Aurich bestellt worden. Zuvor war am 31.01.2002 beim Amtsgericht Aurich der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen und am selben Tag die vorläufige Insovenzverwaltung angeordnet worden.
Die Gemeinschuldnerin führte bei der Beklagten für eine Betriebsstätte in Aurich und eine in Leer jeweils ein Geschäftskonto, über die der Zahlungsverkehr abgewickelt wurde.
Ein Konto wies einen Monat vor Eingang des Insolvenzantrages einen Negativsaldo von 19.539,34 EUR und am Tag der Antragstellung ein Negativsaldo von 13.676,85 EUR auf. Der niedrigste negative Kontostand im letzten Monat vor Eingang des Antrages belief sich auf 22.363,22 EUR. Die Beklagte zahlte an den Kläger hinsichtlich dieses Kontos den Betrag von 5.862,49 EUR.
Das andere Konto wies einen Monat vor Eingang des Insolvenzantrages einen Negativsaldo von 177.592,75 EUR und am Tag der Antragstellung ein Negativsaldo von 252.539,75 EUR auf. Der niedrigste negative Kontostand im letzten Monat vor Eingang des Antrages belief sich auf 254.916,08 EUR. Die Beklagte leistete hinsichtlich dieses Kontos keine Zahlung an den Kläger.
Der Kläger ist der Ansicht, dass innerhalb des Anfechtungszeitraums die Rückführung vom niedrigsten Kontostand bis zum Kontostand am Tag der Antragstellung maßgebend sei. Unter Berücksichtigung der vorab geleisteten (Teil-) Zahlung
beantragt der Kläger,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 5.200,21 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, für die Beurteilung des Anfechtungsumfangs seien die Kontostände zu Beginn des Anfechtungszeitraum und dem Tag der Antragstellung gegenüber zu stellen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte infolge Anfechtung kein (weiterer) Zahlungsanspruch nach den allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu.
Entgegen der klägerischen Ansicht ist für die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang eine Anfechtung bei Kontokorrentabreden durchgreift, nicht auf den Vergleich zwischen einem innerhalb des Monatszeitraums irgendwann vorliegenden niedrigsten Negativsaldo und dem Saldo am Tag der Antragstellung abzustellen.
Eine solche Vorgehensweise würde einem Grundgedanken der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 07.03.2002 (NJW 2002, 1722) widersprechen, wonach eine Bank im Rahmen eines debitorisch geführten Girokontos solange kongruent handelt, wie es im Umfang von Zahlungseingängen auch Auszahlungen zulässt.
Eine solche Kongruenz setzt voraus, dass die Bank - wie vorliegend - den Kunden weiter in der vereinbarten Weise Verfügungen vornehmen lässt und ihm auch einen vertraglich eingeräumten Kreditrahmen offen hält. Dann bleibt dem Kunden die Möglichkeit, über Eingänge zu seinen Gunsten auch nach eigenem Ermessen wieder zu verfügen. Er allein entscheidet darüber, ob die Darlehensforderung der Bank im vereinbarten Rahmen anwächst oder geringer wird. Erst wenn die Bank Verfügungen des Kunden nicht mehr in der vereinbarten Weise zulässt, kann sie mit Verrechnungen vertragswidrig, also inkongruent handeln, soweit dadurch im Ergebnis ihre Darlehensforderung vor deren Fälligkeit durch die saldierten Gutschriften zurückgeführt wird (BGH aaO.).
Daher sind nur Verrechnungen, mit denen eigene Forderungen der Gläubigerbank getilgt wurden, im Ergebnis der Anfechtung unterstellt. Dies setzt nach Auffassung des erkennenden Gerichts aber zwingend voraus, nicht einen beliebigen Zeitpunkt als Ausgangslage auszuwählen, sondern den in § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Monatsbeginn.
Anderenfalls würden nicht Zahlungseingänge und Auszahlungen über einen längeren Rechnungszeitraum Berücksichtigung finden, sondern nur einzelne oder gar nur ein Zahlungseingang eine anfechtbare Handlung darstellen können. Dann aber würden die Insolvenzgläubiger gegenüber der Bank bevorrechtigt werden, weil sie von den Auszahlungen profitieren, die die Bank zugelassen hat und so weitere Insolvenzforderungen entfallen sind. Für eine solche Bevorzugung ist keine Rechtfertigung ersichtlich.
Das Abstellen auf den Monatszeitraum führt im Gegensatz dazu, dass die Bank nur dasjenige infolge Anfechtung erstatten muss, was sie zur Tilgung eigener Forderungen verrechnet hat, weil es hierfür wiederum gegenüber den übrigen Gläubigern keine Rechtfertigung gibt. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Ziel, den die Regelung von § 131 InsO verfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.