Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.11.2006, Az.: 6 T 1036/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 22.11.2006
- Aktenzeichen
- 6 T 1036/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 43647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2006:1122.6T1036.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - 01.11.2006 - AZ: 9 IN 171/06
- nachfolgend
- BGH - 13.12.2007 - AZ: IX ZB 238/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 01.11.2006 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 1 000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Auf Antrag der Antragsteller vom 30./31.10.2006 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen offener Forderungen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 01.11.2006 gem. §§ 21, 22 InsO Maßnahmen zur Sicherung der Masse und zum Schutz der Gläubiger angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden aufgrund vorliegender Korrespondenz hinreichende Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Die Zuständigkeit des: Insolvenzgerichts Cloppenburg bleibe wegen der Eintragung der Schuldnerin im hiesigen Handelsregister bestehen. Von der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit in Spanien könne nicht ausgegangen werden. Dagegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.11.2006, eingegangen am 03.11.2006 sofortige Beschwerde erhoben und diese u.a. damit begründet, das Amtsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 17.01.2006 nicht berücksichtigt. Danach bleibe ein Gericht des Mitgliedsstaates, in dessen Gebiet der Schuldner bei Stellung seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen habe, für die Entscheidung über die Eröffnung dieses Verfahrens zuständig, wenn der Schuldner nach Antragstellung aber vor der Eröffnungsentscheidung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates verlegt. Die Antragsgegnerin habe den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in ein anderes EU-Mitgliedsland verlagert, wie sich aus der Urkunde des ... vom 23.10.2006 ergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gem. §§ 4, 21 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 569 Abs. 1 ZPO zulässig aber unbegründet.
Das Amtsgericht ist als Insolvenzgericht zuständig, über den Antrag der Antragsteller zu befinden. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 3 InsO i.V.m. § 17 ZPO, denn die Antragsgegnerin hat ihren allgemeinen Gerichtsstand an ihrem Sitz in Cloppenburg. Sie ist im Zeitpunkt der Antragstellung am 31.10.2006 im Handelsregister des Amtsgericht Oldenburg eingetragen gewesen. Dort ist als Sitz Cloppenburg angeführt. Unabhängig von der Frage, ob durch einen wirksamen Gesellschafterbeschluss die Verlegung des Sitzes vor der Antragstellung beschlossen worden war, führt eine derartige Entscheidung nicht zur Unzuständigkeit des Amtsgerichts Cloppenburg. Denn die Verlegung des Sitzes entfaltet erst dann Wirkung, wenn eine Eintragung in das Handelsregister erfolgt ist (§§ 15 Abs. 1 HGB, 54 Abs. 3 GmbHG). Eine solche ist ausweislich des in der Akte befindlichen Ausdrucks aus dem Handelsregister noch nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin hat nicht einmal eine Antragstellung dargetan.
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin eine wirksame Beschlussfassung nicht dargelegt. Sie hat sich lediglich auf eine Urkunde des ... vom 23.10.2006 berufen, jedoch weder den genauen Wortlaut vorgetragen noch eine entsprechende Urkunde vorgelegt.
Selbst wenn nach der Antragstellung und Beschlussfassung des Insolvenzgerichtes eine Eintragung aufgrund eines am 23.10.2006 beurkundeten Beschlusses erfolgt wäre, würde diese Handlung die einmal begründete Zuständigkeit des Amtsgerichts Cloppenburg nicht entfallen lassen. Denn die von der Antragsgegnerin angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 17.01.2006 macht deutlich, dass ein bei Antragstellung zuständiges Gericht auch dann zuständig bleibt, wenn ein Schuldner später den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verlegt hat.
Der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses ist darüber hinaus selbst unter Zugrundelegung des Vertrages der Antragsgegnerin nicht erkennbar von Cloppenburg nach Palma de Mallorca verlegt worden. Ausweislich einer vorgelegten Kopie der Gewerbeabmeldung ist die Antragsgegnerin als Bauunternehmen mit der Errichtung schlüsselfertiger Häuser tätig. Sie hat nicht dargetan, dass sie diese Tätigkeit jetzt in Spanien weiter ausüben will. Allein die Angabe einer neuen Adresse in Palma de Mallorca reicht nicht zur Darlegung der Verlegung des Mittelpunktes des hauptsächlichen Interesses.
Der Annahme einer Interessenverlegung steht ferner entgegen, dass die Antragsgegnerin bereits am Tag nach Abfassung des angefochtenen Beschlusses das Beschwerdeschreiben verfaßt hat und dieses bereits am darauffolgenden Tag (03.11.2006) beim Amtsgericht einging. Bei der räumlichen Entfernung nach Mallorca und den dadurch erforderlichen Postlaufzeiten wäre eine derart schnelle Reaktion nicht denkbar.
Schließlich steht der behaupteten Verlegung des Interessenmittelpunktes durch einen Gesellschafterbeschluss entgegen, dass eine derartige Beschlussfassung als Scheingeschäft nichtig wäre. Denn die im Zusammenhang mit der Veräußerung einer insolventen juristischen Person an einen professionellen "Firmenbestatter" getroffenen Beschlüsse sind in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG unter dem Gesichtspunkt einer Gläubigerbenachteiligung nichtig und entfalten keine Wirkung ( LG Potsdam, Beschluss v. 17.09.2004, Az. 25 Qs 11/04, ZInsO 2005, 1225). Eine Gläubigerbenachteiligung folgt bereits daraus, dass ein Grund für eine Verlegung des Firmensitzes von Cloppenburg nach Palma de Mallorca nicht ersichtlich ist, da die Errichtung von schlüsselfertigen Häusern auf der spanischen Insel nicht dargetan ist. An einer solchen Absicht bestünden auch deshalb Zweifel, weil gleichzeitig ein Wechsel des Geschäftsführers erfolgt ist. Die Kündigung der Mitarbeiter und das Auftreten der ..., die ausweislich eines Presseberichtes im Handelsblatt vom 23.10.2006 aufgrund ihrer Tätigkeiten und staatsanwaltlicher Ermittlungen den Ruf eines "professionellen Firmenbestatters" erlangt hat, stützen die vorstehende Bewertung.
Die inhaltlichen Anordnungen im amtsgerichtlichen Beschluss sind in rechtmäßiger Weise ergangen, da die Voraussetzungen für den Erlass von Sicherungsmaßnahmen vorliegen. Ein zulässiger Insolvenzantrag der Gläubigerin liegt vor.
Ferner haben die Antragsteller den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit hinreichend glaubhaft gemacht durch die beigefügten Unterlagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.