Landgericht Oldenburg
Urt. v. 22.02.2006, Az.: 12 0 2271/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 22.02.2006
- Aktenzeichen
- 12 0 2271/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2006:0222.12.0.2271.05.0A
Fundstelle
- RdE 2006, 326-327 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
............
hat die 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Fabian als Vorsitzenden
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückerstattung von ihr geleisteter Aufwendungen, die sie als Netzausbaukosten wertet.
Seit 1993 plant und betreibt die Klägerin Windenergieanlagen. Im Jahr 2000 errichtete sie in .................. sieben solcher Anlagen inklusive einer Transformatorenstation mit einer Verbindungsleitung zum Umspannwerk.......... der Beklagten, wo der Strom auf gleicher Spannungsebene in deren 20-kV-Stromnetz eingespeist werden kann. In dem Umspannwerk wird die Verbindungsleitung der Klägerin an ein Leistungsschalterfeld angeschlossen, das der Betriebssicherheit des Netzes dient, in dem es zum Beispiel bei Störungen möglich wird, die Windenergieanlage vom Netz zu nehmen. Mit Schreiben vom 29. Juni 2000 bot die Beklagte der Klägerin an, die geplanten Anlagen an ihr Netz anzuschließen. Dieses Angebot hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"
II.
Wie ausgeführt, ist für den Anschluss Ihres Windparks der Ausbau unserer Anlagen... erforderlich. Gemäß den Regelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sind die Kosten des Netzausbaus vom Netzbetreiber zu tragen. In diesem Angebot sind daher die entstehenden Kosten für den Ausbau unseres Netzes nicht berücksichtigt.
Das Angebot steht insoweit unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit des EEG........... behält sich vor, ihnen die Netzausbaukosten in Rechnung zu stellen, falls die Unwirksamkeit des EEG festgestellt wird.
III.
Anschlussherstellung:
Für die Herstellung des Anschlusses der von Ihnen geplanten Windkraftanlagen unterbreiten wir Ihnen folgendes Angebot:
1 Stück 20-kV-Leistungsschalterfeld ... 67.491,00 Euro
1 Stück Grundbetrag 20-kV-Zählung ... 4.700,00 Euro ..."
Dieses Angebot nahm die Beklagte mit Schreiben vom 03. August 2000 an. Seit dem 21. Dezember 2000 sind sämtliche Windenergieanlagen der Klägerin in ............ in Betrieb und die Schlussrechnung der Beklagten ist bezahlt. Erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 forderte die Klägerin die Beklagte - vergeblich - zur Rückzahlung des Betrages von 72.191,00 € netto auf.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, bei dem von ihr für das Leistungsschalterfeld gezahlten Betrag handele es sich um Netzausbaukosten, die nach § 10 Absatz 2 Satz 1 EEG alter Fassung (2000) von der Beklagten als Netzbetreiberin zu tragen seien. Dies folge daraus, dass das Leistungsschalterfeld in das Eigentum der Beklagten übergegangen sei, ein Wechsel der Spannungsebene nicht stattgefunden habe, es sich um Kosten der Übernahme handele, die nach der Wertung des § 448 Absatz 1 BGB der Käufer, mithin die Beklagte zu tragen habe und dass auch nach dem Sinn und Zweck des EEG, nämlich der Privilegierung der erneuerbaren Energien, eine Belastung des Anlagenbetreibers ausscheide. Die Vereinbarung vom 03. August 2000 sei dahin auszulegen, dass sich die Übernahme der Kosten nach den Regelungen des zwingenden Energierechts richteten. Eine andere Auslegung würde zur Nichtigkeit des Vertrages führen, weil er dann gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen würde. Sollte auch dies nicht der Fall sein, wäre der Vertrag auf jeden Fall nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.191,00 € nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Sie ich verweist auf den beanstandungsfrei erfüllten Vertrag vom 03. August 2000, den sie für wirksam hält. Es komme daher nicht darauf an, ob die Errichtung des Leistungsschalterfeldes zum Netzanschluss gehöre, was schon nach Ziffer 2.1 der Richtlinie für den Anschluss und den Parallelbetrieb von Eigenerzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke der Fall sei, oder es sich um Netzausbau handele. Sowohl das alte als auch das neue EEG verbiete Anlagenbetreibern und Netzbetreibern nicht, Verträge über die Kosten eines Leistungsschalterfeldes zu schließen.
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die vorgetragenen Inhalte der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin im Dezember 2000 geleisteten 72.191,00 € netto für das "20-kV-Leistungsschalterfeld incl. Wandler für Schutz und Zählung" sowie den "Grundbetrag 20-kV-Zählung über 2 MW" zurück zu zahlen, denn sie hat sich mit Vertrag vom 03. August 2000 wirksam zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet. Gründe für eine Unwirksamkeit dieser Vereinbarung liegen nicht vor.
1. Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 EEG in der bis zum 31. Juli 2004 gültigen Fassung trägt der Anlagenbetreiber die notwendigen Kosten des Anschlusses von Anlagen an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des Netzes. Demgegenüber fallen gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 EEG 2000 die notwendigen Kosten eines nur infolge neu anzuschließender Anlagen erforderlichen Ausbaus des Netzes dem Netzbetreiber zur Last. Soll ein vorhandenes Netz technisch so hergerichtet werden, dass eine Einspeisung möglich ist und es nicht zu Störungen im Netz kommt, dann handelt es sich um den Netzausbau, dessen Aufwendungen der Netzbetreiber zahlen muss (BGH NJW-RR 2005, 565; BGH WM 2003, 2160). Ob die Errichtung des Leistungsschalterfeldes im Umspannwerk ............. der Beklagten Netzausbau in dem dargestellten Sinn ist, braucht nicht entscheiden zu werden, weil sich die Klägerin unabhängig von dieser Gesetzeslage wirksam im Vertrag vom 03. August 2000 zur Zahlung verpflichtet hat.
2. Die Klägerin ist der Ansicht, der Vertrag sei in der Weise auszulegen, dass sich die Zahlungsverpflichtung nach den Regelungen des Energierechts richte. Für eine solche Auslegung finden sich in der Vereinbarung jedoch keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat sich ohne jeden Vorbehalt (vgl. dazu BGH NJW-RR 2005, 565) bedingungslos zur Zahlung der ihr vollständig bekannten Kosten für das Leistungsschalterfeld verpflichtet. Lediglich die Beklagte hat in ihrem Angebot vom 29. Juni 2000 ausgeführt, sie behalte sich vor, die Klägerin auch mit Netzausbaukosten, die in diesem Angebot nicht enthalten seien, nachträglich zu belasten, wenn sich herausstelle, dass das EEG unwirksam sei. Einen solchen Vorbehalt hinsichtlich der Kosten für das Leistungsschalterfeld hat die Klägerin jedoch nicht gemacht. Dass sich die Parteien gleichwohl darüber einig gewesen sind, dass die eindeutige Kostenregelung nicht gelten solle, einem Vorbehalt unterliege oder sich entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut nach § 10 EEG in der damals gültigen Fassung richten solle, hat die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt.
3. Gründe für eine Unwirksamkeit des Vertrages liegen nicht vor.
a) § 10 EEG 2000 ist nicht zwingendes Recht, sondern Netzbetreiber und Anlagenbetreiber blieb es unbenommen, eine abweichende Kostenregelung zu vereinbaren. Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2003 (WM 2003, 2160). Der BGH hat lediglich entschieden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 EEG 2000 nicht zur Disposition der Parteien steht. Das leuchtet ohne weiteres ein, weil mit dieser Vorschrift die technischen Anforderungen der Ausführung des Anschlusses geregelt werden. Es wäre aber nichtnachvollziehbar, aus welchem Grund es Anlagenbetreiber und Netzbetreiber von vornherein verwehrt sein sollte, das Problem der Kostentragung vertraglich zu lösen. Wie der vorliegenden Fall zeigt, kann es auch unter Fachleuten sehr streitig sein, ob für die Einspeisung über Windkraftanlagen erzeugter Energie in das vorhandene Stromnetz notwendige Kosten solche des Anschlusses oder solche des Ausbaus sind. Den Parteien kann es nicht verwehrt sein, diesen Streit in ihrem Sinn adäquat zu lösen und zwar auch dann, wenn es § 10 EEG 2000 im Ergebnis zuwiderlaufen sollte.
b) Der Vertrag vom 03. August 2000 ist auch nicht deshalb nichtig, weil er gegen die guten Sitten verstieße, § 138 BGB; dafür fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Allein die dazu geltend gemachten Umstände, dass die Beklagte den Inhalt des Vertrages "vorgegeben" habe, sie sich mit einem anderen Inhalt nicht einverstanden erklärt hätte und sie - die Klägerin - aus wirtschaftlichen Gründen auf eine rasche Realisierung der Windkraftanlagen angewiesen gewesen sei, reichen nicht aus.
c) Eine Anfechtung des Vertrages vom 03. August 2000 mit dem Forderungsschreiben vom 17. Dezember 2004 kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil es an einem Anfechtungsgrund (Irrtum, Drohung oder Täuschung) fehlt und auch die Anfechtungsfristen ( §§ 121, 124 BGB) nicht eingehalten worden wären.
d) Schließlich verhelfen auch die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB, jetzt: § 313 BGB) der Klage nicht zum Erfolg. Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (z.B. BGHZ 129, 236, 252; 129, 297, 309; 131, 209, 214; 135, 333, 338, jeweils mit weiteren Nachweisen). Fehlt diese Grundlage oder ändert sie sich derart, dass der betroffenen Partei das Festhalten an der vereinbarten Regelung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zuzumuten ist, ist der Vertrag grundsätzlich den veränderten Verhältnissen anzupassen (z.B. BGHZ 109, 224, 229; 129, 297, 309; 135,333,339).
Jedoch kann der Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Austauschvertrages wie des hier in Rede stehenden Vertrages der Parteien nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der Vertrag beiderseits vollständig erfüllt worden ist (BGH NJW 2001, 1204; BGHZ 131, 209, 216 jeweils mit weiteren Nachweisen). So liegt der Fall hier, denn seit dem 21. Dezember 2000 hat die Klägerin die Leistung der Beklagten vollständig bezahlt und die Windenergieanlagen sind seit diesem Zeitpunkt an das Netz der Beklagten angeschlossen. Schon aus diesem Grund scheitert daher eine Anpassung des Vertrages in Form der Rückzahlung der geleisteten Vergütung.
II.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.