Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.02.1996, Az.: 2 U 293/95
Abgrenzung zwischen Werkvertrag (Architektenvertrag) und arbeitnehmerähnlichen Dienstverhältnis; Untergeordnete Dienstleistungen als Indiz für ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 14.02.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 293/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21033
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0214.2U293.95.0A
Amtlicher Leitsatz
Abgrenzung zwischen einem den Vorschriften der HOAI unterliegenden , in dessen Rahmen einzelne Architektenleistungen zu erbringen sind.
Gründe
Auf Grund des unstreitigen Tatsachenvorbringens der Berufung ist das dem Klageantrag zu Grunde liegende Rechtsverhältnis der Parteien nicht als Subunternehmerverhältnis zwischen Architekten zu qualifizieren, sondern als ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis, auf das die Vorschriften der HOAI keine Anwendung finden (BGH NJW-RR 1986, 18 [BGH 06.05.1985 - VII ZR 320/84] ; Vygen in Hesse/Korbion/Mantscheff, HOAI, 3. A. § 1 Rnr. 28; Pastor, Der Bauprozeß, 7. A., Rnr. 544). Der Kläger kann deshalb seine Leistungen nach den vertraglich vereinbarten Stundensätzen abrechnen.
Für die rechtliche Einordnung des Schuldverhältnisses der Parteien als Werkvertrag oder arbeitnehmerähnlicher Dienstvertrag kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung des Verhältnisses an. Die Parteien können nicht durch eine bloße Vertragstextgestaltung Rechtsfolgen erzielen, die der tatsächlichen Gestaltung ihres Rechtsverhältnisses widersprechen. Erst in Grenzfällen, in denen nach den objektiven Gegebenheiten das Schuldverhältnis als Werkvertrag oder arbeitnehmerähnlicher Dienstvertrag ausgelegt werden kann, ist dem in der Vertragstextgestaltung zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien der Vorrang einzuräumen (BAG DB 1983, 2042; Kunz/Kunz DB 1993, 326; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 5 Rnr. 5).
Arbeitnehmerähnliche Personen sind keine Arbeitnehmer, weil sie nicht in die betriebliche Organisation eines Arbeitgebers eingebunden sind und vielfach Zeit und Ort ihrer Arbeit frei bestimmen können. Sie sind deshalb nicht wie ein Arbeitnehmer zu Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Bei ihnen liegt aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner derart vor, dass sie vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit ist gegeben, wenn sie auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft und die Einkünfte aus ihrer Dienstleistung als Existenzgrundlage angewiesen sind, sodass diese ohne den Auftrag entfallen würde (BAG NJW 1973, 1794; Germelmann/Matthes/Prütting a.a.0. Rnr. 20).
Nach der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers für den Beklagten liegt nach den vorgenannten Voraussetzungen ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis vor. Auf den im Rahmenvertrag vom 23.4.1994 und dem darauf basierenden Auftrag des Beklagten da- von abweichend zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien, die Rechtsfolgen des Werkvertrags- oder selbständigen Dienstvertragsrechts gelten zu lassen, kommt es nicht an; denn deren tatbestandliche Voraussetzungen fehlen.
Indiz für ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis ist zunächst, dass dem Kläger im Rahmen des Umbaus des Kongresszentrums S. nur untergeordnete Dienstleistungen ohne nennenswerte unternehmerische Selbständigkeit übertragen worden sind. Vom Aufgabenbild her entsprachen sie mehr dem eines unselbständig Beschäftigten als dem eines selbständigen Architekten. Unstreitig war Bauherr die H. GmbH. Diese hatte mit der Bauüberwachung eigene Architekten beauftragt. Generalunternehmer war die W. AG, die das Baumaterial lieferte und die mit den reinen Arbeitsleistungen ihrerseits Subunternehmer beauftragt hatte. Ihr Subunternehmer für die Rohbau-, Beton und Stahlbauarbeiten war die M. Mit der Bauüberwachung und der Abrechnung dieser Gewerke gegenüber der W. AG war der Beklagte beauftragt. Nach seinem Vortrag setzte er für die Bauüberwachung den Zeugen A. und für die Massenermittlung den Kläger zur Erstellung der Abrechnungen nach Baufortschritt durch einen Mitarbeiter der M. ein.
Für diese reinen Dienstleistungen sollte der Kläger wie ein Arbeitnehmer nach Zeitlohn (Stundenlohn) bezahlt werden, nicht etwa mit einem Pauschbetrag oder dem Honorar nach der HOAI, das sich typischerweise nicht nur nach Zeit sondern auch nach Umfang und Schwere der übernommenen Aufgabe, der Verantwortung und dem Risiko richtet. Unstreitig durfte aber auf Wunsch des Beklagten das in § 3 Abs. 5 Rahmenvertrag vereinbarte Maß der Vergütungsberechnung - Tage und Stunden - nicht auf den Rechnungen des Klägers erscheinen. Hierfür lässt sich mangels einer Erläuterung des Beklagten als Motiv nur vermuten, die Beschäftigung des Klägers in der Buchführung nicht als - möglicherweise sozialversicherungspflichtiges - Arbeitsverhältnis offenbar werden zu lassen. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass zumindest der Beklagte den tatsächlichen Charakter der vereinbarten Tätigkeit des Klägers erkannt hat und die von ihm stammende Vertragsgestaltung nur einen formalen, das tatsächliche Rechtsverhältnis verschleiernden Charakter hat.
Unstreitig hat der Kläger wie ein Arbeitnehmer ab dem 23.4.1994 werktäglich vom 6 bzw. 7 Uhr bis 18 bzw. 20 Uhr auf der Baustelle gearbeitet. Dass ihn der Beklagte dazu nicht angewiesen hat - wie er in der Berufungserwiderung vorträgt - ist angesichts der tat- sächlichen Arbeitsleistung unerheblich. Der Beklagte hat den Kläger für eine geplante Zeit von 7 Monaten wie einen Arbeitnehmer mit seiner gesamten Arbeitskraft in Anspruch nehmen wollen, wie sich aus seinem Auftrag ergibt (durchschnittlich 10 Std/Arbeits- tag; 200 Std. Monat). Der Kläger hatte - was ebenfalls unstreitig ist - kein eigenes Architekturbüro, er hätte nach der Art seiner Tätigkeit diese höchstwahrscheinlich nicht wie ein freiberuflicher Architekt auf anzustellende Mitarbeiter delegieren können und er setzte offenbar - wie aber eine freiberufliche Tätigkeit auch kennzeichnend - keine eigenen Arbeitsmittel ein , da der Beklagte ihm zum Vorwurf macht, ihm zur Verfügung gestellte Software auf einem ihm überlassenen PC vernichtet zu haben. Während der Tätigkeit für den Beklagten konnte der Kläger - was für einen freiberuflichen Architekten ebenfalls untypisch ist - keine anderen Kundenbeziehungen aufbauen. Wie bei einem Arbeitnehmer bildete allein der Auftrag des Beklagten seine einzige wirtschaftliche Existenzgrundlage.