Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.02.1996, Az.: 5 U 172/95
Anspruch auf Schmerzensgeld auf Grund eines Sportunfalls in einem Fitness-Studio; Vorliegen eines Mitverschuldens durch ungeschickte Anwendung eines Sportgeräts; Pflicht zur Wartung von Sportgeräten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 13.02.1996
- Aktenzeichen
- 5 U 172/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21019
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0213.5U172.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 254 BGB
Amtlicher Leitsatz
Zum Umfang der Wartung einer Bodenhantel eines Fitness-Studios, der Schmerzensgeldhöhe bei Verlust zweier Ringfingerglieder und dem Mitverschuldenseinwand ungeschickter Bedienung.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden, die er bei einem Sportunfall im Fitness-Studio des Beklagten erlitten hat.
Am 06.08.1994 trainierte der Kläger an einer Lastzug-Bodenhantel Auflage 100 kg. Beim Absetzen geriet die Hantel neben die Halterung und quetschte den rechten Ringfinger so stark, dass die oberen zwei Glieder im Krankenhaus amputiert werden mussten. Der Kläger wurde vier Tage stationär und einen Tag ambulant im Krankenhaus und anschließend bis zum 15.09.1994 ambulant behandelt. Bis zum 23.09.1994 war er erwerbsunfähig. Seitdem ist er in der Erwerbsfähigkeit nicht mehr gemindert. Die Funktion des Ringfingers ist hinsichtlich des Grob- und des Hakengriffs auf Dauer beeinträchtigt.
Der Kläger hat behauptet, der Unfall beruhe ausschließlich auf einem Defekt der Hantel (ausgeschlagenes Bodengelenk) infolge unzureichender Wartung. Bei der Schmerzensgeldhöhe sei vor allem zu berücksichtigen, dass er weiterhin in medizinischer Behandlung sei und auch jetzt noch Schmerzen habe. Wegen der Verletzungen habe er zudem seine Hochzeit nur eingeschränkt feiern können und die Hochzeitsreise verschieben müssen. Auch könne er den Ehering nicht auf dem verbliebenen Fingerstumpf tragen und die Computertastatur nicht mehr wie bisher beruflich mit zehn Fingern bedienen.
Schließlich könne er verletzungsbedingt nicht mehr Bodybuilding in dem Umfang betreiben, wie es für die geplante Wettkampfteilnahme erforderlich wäre, so dass auch alle Mühen und Kosten in der Vergangenheit nutzlos aufgewandt worden seien. Hinzukomme, dass der Beklagte versucht habe, durch Manipulation am Gerät die Unfallaufklärung zu stören.
Das amputationsbedingte Absacken der Mittelhandknochen könne nur operativ behandelt werden.
Der Kläger hat seine unfallbedingten erhöhten Aufwendungen mit 116,78 DM und seine Schmerzensgeldvorstellung mit 25.000,00 DM angegeben ...
Der Beklagte hat behauptet, der Schaden sei zumindest mit auf die Überlastung der Hantel durch den Kläger zurückzuführen. Im Übrigen trainiere der Kläger weiterhin als Bodybuilder und betreibe ein eigenes Fitness-Studio; Wettkampfstandard habe er nie erreicht.
Das Landgericht hat sachverständig beraten und nach Vernehmung des früheren Mitbetreibers des Fitness-Studios des Beklagten den materiellen Antrag und den Feststellungsantrag voll und den Schmerzensgeldantrag in Höhe von noch zu zahlenden 7.000,00 DM anerkannt; der Beklagte habe fahrlässig seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt, woraus sich unter Berücksichtigung der verbliebenen Beeinträchtigungen ein immaterieller Ausgleich in Höhe von insgesamt 12.000,00 DM rechtfertige.
Entscheidungsgründe
Den zulässigen Rechtsmitteln bleibt der Erfolg insgesamt versagt.
Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei mit überzeugender Beweiswürdigung und zutreffender Begründung die Haftung des Beklagten wegen fahrlässiger Verletzung der Pflicht, den ordnungsgemäßen Zustand der Hantel sicherzustellen, für die durch das ausgeschlagene Grundgelenk hervorgerufene Verletzung des Klägers bejaht und seine Einstandspflicht für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden sowie die Zukunftsschäden erkannt. Insbesondere ist die gemäß § 287 ZPO nach freiem Ermessen vom Landgericht festgesetzte Höhe des immateriellen Schadensausgleichs nicht zu beanstanden; sie berücksichtigt angemessen Art und Umfang der Verletzung und ihre Folgen nach der erforderlichen Gesamtschau aller Umstände. Die dagegen von den Parteien vorgebrachten Einwände gehen insgesamt ins Leere.
Insoweit kann zunächst auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (LGU 4 letzter Absatz bis LGU 7 erster Absatz), die sich der Senat zu Eigen macht, verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung abgesehen werden, § 543 Abs. 1 2. Hs. ZPO.
Lediglich im Hinblick auf die Ausführungen in Berufung und Anschlussberufung sei zusätzlich auf Folgendes hingewiesen: Der von der Berufung hervorgehobene Vorwurf, der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, ist konstruiert und ohne die notwendige Untermauerung mit entsprechenden Tatsachenbehauptungen unter Beweisantritt erfolgt. Der Zeuge ... hat im Gegenteil bekundet, dass auch zu seiner Zeit bis kurz vor dem Unfall die Hantel stets in die Halterung gefallen sei und er sich um die Lagerung, d.h. das Bodengelenk, wenig gekümmert habe. Von den aufgetretenen Defekten an der Bodenverankerung, auf die sich die Wartung im Wesentlichen bezog, konnten aber keine zusätzlichen Warnungen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer intensiveren Überprüfung des Grundgelenks ausgehen. Für die von der Berufung aufgestellte These, der Beklagte habe aus alleinigem Profitstreben sehenden Auges auf Kosten der Gesundheit bzw. unter Inkaufnahme der Gefährdung der Benutzer des Studios notwendige Wartungen unterlassen und deswegen vorsätzlich gehandelt, ist ein auch nur im Ansatz tragfähiger Anhalt nicht ersichtlich. Aus dem gleichen Grunde scheitert auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit, der den Nachweis einer Verletzung der Sorgfaltspflichten in einem besonders hohen Maße verlangt.
Die weiteren von der Berufung bekräftigend herangezogenen Gründe für eine Erhöhung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht bereits in seiner Ermessensentscheidung hinreichend gewürdigt. Das beurteilt auch der Senat nicht anders. Insoweit weist die Anschlussberufung mit Recht daraufhin, dass der Verlust von zwei oberen Ringfingergliedern und die damit regelmäßig verbundenen Beeinträchtigungen nur ein niedrigeres Schmerzensgeld gerechtfertigt hätten.
Die von der Berufung weiterhin betonten Folgen - vor allem die Einschränkungen beim Bodybuilding als dem zentralen Lebensinhalt des Klägers - haben somit ausreichend Berücksichtigung gefunden.
Ebenso wenig vermag aber auch die Anschlussberufung mit ihrem Versuch zu überzeugen, ein Mitverschulden des Klägers zu begründen.
Ein Übungsgerät eines Fitness-Studios muss - vor allem, wenn es an einschlägigen Warnhinweisen fehlt - auch den ungeschickteren Gebrauch ohne Gefahren für den Benutzer gewährleisten. dass der Kläger durch die Benutzung der Hantel zu der Unfallentstehung beigetragen haben soll, belegt allein keine anspruchsmindernde Mitverursachung im Sinne von § 254 BGB. Das lässt sich auch nicht aus der Erfahrung des Klägers als Bodybuilder ableiten. Auch dem trainingsversierten Hantelbenutzer kann ein Hanteldruck zur Seite unterlaufen, der bei ordnungsgemäßem Zustand folgenlos bleiben muss.
Für den Feststellungsanspruch reicht bereits eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht nach Auftreten weiterer bisher noch nicht erkennbarer oder voraussehbarer Beschwerden (vgl. nur BGH NJW RR 1989, 1367). Diese Möglichkeit hat der Kläger durch die vom Landgericht durch Augenschein bestätigte Absenkung des Mittelhandknochens substantiiert dargelegt. Das wird von den allgemeinen Erwägungen des Beklagten, die Unfallfolgen seien ausgeheilt, nicht hinreichend in Frage gestellt. Sachverständiger Beratung bedarf der Senat insoweit nicht.