Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.02.1996, Az.: 6 U 273/95
Geltendmachung einer Anbietervergütung für ein Btx-Dialogsystem mit erotischem Inhalt; Beweislast für die Erbringung der Dienstleistung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.02.1996
- Aktenzeichen
- 6 U 273/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0223.6U273.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 138 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1996, 829-830 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Geltendmachung einer Anbietervergütung für ein Btx-Dialogsystem mit erotischem Inhalt.
Tatbestand
Die Klägerin beanspruchte aus abgetretenem Recht Zahlung einer Btx-Anbietervergütung von mehr als 11000 DM für den Zeitraum von zwei Monaten. Der Beklagte hatte über seinen ISDN-Anschluss erotische Kommunikation in einem von der Zedentin angebotenen Btx-Dialogsystem geführt. Die Berechnung der vom Beklagten insoweit in Anspruch genommenen Leistungen erfolgt anhand sog. Stornolisten der Telekom.
Dieser Abrechnungsmethode trat der Beklagte mit der Behauptung entgegen, im Dialogsystem der Zedentin sei es häufig zu Systemunterbrechungen gekommen. Der Bildschirm habe ständig das gleiche Bild gezeigt; er habe weder "blättern", lesen noch schreiben können. Insgesamt sei das System mehr blockiert als korrespondenzbereit gewesen. Der Zeittakt zur Berechnung der Kosten müsse während solcher Störungen weitergelaufen sein, zumal seine üblichen Rechnungen nur etwa ein Drittel der nunmehr geforderten Beträge ausgemacht hatten. Es hätten Manipulationen stattgefunden, die eine automatische Trennung des Teilnehmers von dem Btx-Anschluss durch die Telekom verhindert hätten. Weiterhin habe die Zedentin oft Animateure und Dialogprogramme eingeschleust, sodass keine Kommunikation mit anderen Teilnehmern stattgefunden habe. Auch habe er nicht mit "Pornostars" kommunizieren können, obwohl er dies auf Grund der Werbung erwartet gehabt habe. Die Animateure seien vielmehr unbekannte Personen, z.B. Hausfrauen und Studenten gewesen.
Der Beklagte hält darüber hinaus die Leistung der Zedentin für sittenwidrig. Man habe ihm sexuelle Versprechungen gemacht, durch die er sich in eine seelische Abhängigkeit versetzt gesehen habe, sodass er "fast willenlos" gewesen sei.
Das LG gab der Zahlungsklage statt...
Die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ist im Ergebnis ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung der Vergütung für die von der Zedentin erbrachte Dienstleistung.
Der Beklagte bestreitet nicht, dass er Leistungen von der Zedentin in Anspruch genommen hat. Mit dem Anwählen der Btx-Nummer sind jeweils einzelne Verträge auf Nutzung des Dialogsystems zu Stande gekommen. Rechtlich haben sie den Charakter eines Dienstvertrages.
Der Beklagte muss daher für die empfangenen Dienstleistungen die Vergütung zahlen.
Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Höhe der Vergütungsforderung. Allerdings geht er im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass sich die Klägerin zum Nachweis dafür, welche Leistungen die Zedentin erbracht hat, grundsätzlich nicht auf die Vorlage der so genannten Stornolisten der Telekom beschränken kann. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, die Zedentin könne für das von ihr betriebene Gewerbe eine Beweiserleichterung in Anspruch nehmen. Die Rechtsprechung, die sie in diesem Zusammenhang bemüht und die auch das Landgericht heranzieht, ist nicht einschlägig. Sie betrifft die Darlegungs- und Beweislast bei einem reinen Btx-Vertrag. Darum handelt es sich hier aber nicht. Bei der Nutzung von Btx-Diensten geht es ausschließlich um den Zugang zu einem datentechnischen Informationssystem, nämlich um den Abruf von gespeicherten Texten oder Bildern. In diesen Bereich mag es angehen, dem Anbieter zu gestatten, sich zum Umfang der von ihm erbrachten Leistungen auf die Aufzeichnungen der Telekom zu beziehen. Diese geben - sofern sie technisch korrekt sind - eine verlässliche Auskunft darüber, in welchem Maß der Nutzer das System tatsächlich in Anspruch genommen hat. Daraus ergibt sich zugleich, dass der Nutzer damit auch die angebotene Leistung erhalten hat. Hier geht es aber um etwas anderes. Die Zedentin bietet nicht den einseitigen Abruf von Informationen, sondern ein Dialogsystem an. Dem Parteivortrag ist zu entnehmen, dass man mit dem Wählen der Zugangsnummer den Zugang zu einem Gesprächsforum erhält. Die Zedentin bietet den Einsatz einer der so genannten "Betreuercrew" - also von ihr beschäftigten Mitarbeitern - an, mit der die Dialoge geführt werden sollen. Die Zedentin stellt damit eine Leistung zur Verfügung, die über den schlichten Abruf von Informationen hinausgeht. Demgemäß ist es an sich ihre Sache, darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang sie tatsächlich Dienste erbracht hat. Hierzu gehört auch der Vortrag, wann der Nutzer den Zugang im Einzelnen erhalten hat, und insbesondere auch der Nachweis, dass ein störungsfreier Dialog möglich war. Denn es geht insoweit rechtlich um die Frage der Erfüllung. Das Argument der Klägerin, ein Nachweis sei ihr gar nicht möglich, weil dies nur anhand der Aufzeichnungen der Telekom geschehen könne, diese könne sie aber ohne Zustimmung des Kunden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlangen, ist verfehlt. Wenn die Zedentin Gewerbe betreibt, das seinen Profit unter anderem daraus zieht, dass der Nutzer anonym bleibt, muss sie es in Kauf nehmen, dass sie ihre Forderungen im Streitfall nicht durchsetzen kann. Wenn sie dies nicht hinnehmen will, muss sie ihren Betrieb anders einrichten und technische Einrichtungen schaffen, die dokumentieren, wann, für wen und in welchem Umfang sie jeweils ihre Dienste tatsächlich erbracht hat.
Die Frage, welche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast eines Klägers zu stellen sind, korrespondiert allerdings mit dem Vortrag des Beklagten. Bestreitet er bestimmte Punkte nicht und verteidigt er sich zu offensichtlich bedeutsamen Punkten nur mit Ausflüchten oder einem ersichtlich auf Verschleierung oder Prozessverschleppung angelegten Vortrag, kann im Einzelfall auch der unstreitige Sachverhalt bzw. eine bei isolierter Betrachtung an sich nicht ergiebige Urkunde für die Überzeugung ausreichen, dass der Kläger wahrheitsgemäß vorträgt. So liegt der Fall hier. Es sind verschiedene Umstände vorhanden, die in ihrer Gesamtschau auch ohne weiteren Nachweis die Feststellung rechtfertigen, dass der Beklagte tatsächlich Leistungen in dem behaupteten Umfang in Anspruch genommen hat.
Von wesentlicher Bedeutung ist zunächst, dass der Beklagte nicht in Abrede nimmt, dass er in dem von der Klägerin dargelegten Umfang Kontakt mit dem von der Zedentin unterhaltenen Computersystem hatte. Im ersten Rechtszug hat der Beklagte vortragen lassen, er bestreite nicht, "dass die Telekom für die fraglichen ausgedruckten Zeiten Leitungen zur Verfügung gestellt habe". Damit gesteht er zu, dass er in diesem Umfang mit dem System verbunden war. Zwar ist hiermit noch nicht gesagt, dass die Zedentin während dieser Zeit auch tatsächlich Leistungen erbracht hat. Auch der Einwand des Beklagten, das System habe über längere Zeit gar nicht gearbeitet, es habe stillgestanden, ist damit nicht ausgeräumt. Bei der Bewertung seines Vortrags darf aber nicht außer Betracht bleiben, in welchen. Umfang der Beklagte Kontakt mit dem System der Zedentin aufgenommen bzw. unterhalten hat. Der Beklagte errechnet selbst, dass er bei dem in Rechnung gestellten Betrag das System im Mai 1993 für ca. 120 Stunden, also fast 4 Stunden am Tag im Durchschnitt benutzt hat. Da er nicht bestreitet, dass während dieser Zeit eine Verbindung von der Telekom geschaltet war, ist sein Vortrag, über längere Zeit sei gar kein Dialog möglich gewesen, in hohem Maße unglaubhaft und unsubstantiiert. Es ist schlechterdings nicht nachzuvollziehen, dass der Beklagte für derartig lange Zeitspannen die Verbindung hat bestehen lassen, ohne dass die von ihm nachgesuchte Gegenleistung auf seinem Computerbildschirm auftauchte. Kann mit einer Datenbank oder einem anderen Informationssystem über längere Zeit kein Kontakt aufgebaut werden bzw. ruht die Verbindung für längere Zeit, ist es nahe liegend und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Nutzer "aussteigt" und die Verbindung unterbricht. Erweist sich die Benutzung als besonders schwerfällig, weil ständig Unterbrechungen auftreten, ist es weiter nahe liegend, dass ein derartiges System gar nicht erst wieder angewählt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anbieter für die Nutzung eine außerordentlich hohe Gebühr beansprucht. Diese Gebühr lässt ein Kunde regelmäßig nur dann entstehen, wenn ihm die tatsächlich erbrachte Leistung auch diesen Betrag wert ist. Andernfalls beendet er kurzerhand die Verbindung und versucht es auch nicht immer wieder aufs Neue.
Hinzu kommt hier, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag durchaus in der Lage ist, seine Einwände näher zu untermauern. Der Beklagte hat im ersten Rechtszug mehrfach angekündigt, Aufzeichnungen darüber vorzulegen, wann und in welchem Umfang das System angeblich nicht ordnungsgemäß gearbeitet habe. Demgemäß verfügt er über Informationen und Daten, die Rückschlüsse auf den Umfang der Leistungen der Zedentin zulassen und damit der Klärung des Rechtsstreits dienen können. Der Umstand, dass er diese Aufzeichnungen entgegen dem eigenen Angebot nicht vorgelegt hat, lässt nur den Rückschluss zu, dass sie nicht das hergeben, was sie nach Darstellung des Beklagten belegen sollen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Einwand des Beklagten in Wahrheit keine sachliche Grundlage hat.
Auf Grund dieser besonderen Sachlage sieht der Senat keinen Anlass, von der Klägerin einen weiteren Nachweis für den Umfang der Leistungen der Zedentin zu fordern. Die weiteren Einwände, mit denen der Beklagt seine Berufung begründet, greifen ebenfalls nicht durch. Die Behauptung, die Leistungen seien mangelhaft gewesen, weil er seinen Meinungsaustausch nicht mit den Personen geführt habe, die er sich vorgestellt habe, ist unerheblich. Die Zedentin bietet eine Betreuercrew an. Eine bestimmte Qualifikation, die der Beklagte offenbar fordert, wird hierbei nicht angepriesen. Das Gleiche gilt für die Behauptung, er habe sich in einer psychischen Abhängigkeit befunden und sei deswegen zeitweilig nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang geschäftsfähig gewesen. Dieser Vortrag ist schlicht fern liegend und bedarf daher keiner Bewertung. Zur Frage der Sittenwidrigkeit des Vertrags folgt der Senat den Gründen der angefochtenen Entscheidung.