Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.02.1996, Az.: 2 U 304/95

Grobe Fahrlässigkeit bei Abhandenkommen des Fahrzeugs und nachfolgendem Unfall; Abhandenkommen eines Fahrzeugschlüssels mit einer abgelegten Lederjacke in einer Diskothek; Nachlässige Verwahrung von Fahrzeugschlüsseln

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.02.1996
Aktenzeichen
2 U 304/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0228.2U304.95.0A

Fundstelle

  • zfs 1997, 141-142 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Fahrzeugversicherung: Grobe Fahrlässigkeit bei Abhandenkommen des Fahrzeugs und nachfolgendem Unfall, wenn der Fahrzeugschlüssel in einer Diskothek mit einer abgelegten Lederjacke abhanden gekommen ist.

Gründe

1

Die Klägerin hat wegen der Vorfälle vom 26./27.08.1994 keinen Anspruch nach § 12 Nr. 1 I b und II e AKB aus der beim Beklagten unterhaltenen Fahrzeugvollversicherung.

2

Die Klägerin nimmt ausdrücklich in Abrede, dass der Fahrzeughalter, ihr Ehemann und unstreitig ihr Repräsentant, dessen Verschulden sie sich zurechnen lassen muss (Prölss/Martin, VVG, 25. A., § 12 AKB Anm. 19 b), das versicherte Fahrzeug zur Unfallzeit geführt hat. Sie beruft sich auch nicht hilfsweise darauf, sondern behauptet ausschließlich eine Entwendung des Fahrzeugs und seine nachfolgende Beschädigung durch einen von einer unbekannten Person verursachten Unfall. Davon ist folglich auszugehen. Dann aber ist der Beklagte nach § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil der Repräsentant der Klägerin in diesem Fall nach den Umständen die Versicherungsfälle Entwendung und Unfallbeschädigung durch nachlässige Verwahrung der Fahrzeugschlüssel grob fahrlässig herbeigeführt hat.

3

Als grob fahrlässig ist ein den Eintritt des Versicherungsfalls förderndes Verhalten dann zu werten, wenn sich schon bei einfachen und nahe liegenden Überlegungen die erhöhte Schadenwahrscheinlichkeit und die Notwendigkeit, ein anderes als das geübte Verhalten in Betracht zu ziehen, aufdrängt (OLG Hamm r + s 1991, 332). Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer - und ebenso von seinem Repräsentanten - zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Diebstahl eines Fahrzeugs gehört es, die Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass sie vor dem unbefugten Zugriff beliebiger Dritter geschützt sind (OLG Hamm a.a.O.).

4

Der Ehemann der Klägerin konsumierte in einer Diskothek in einem Zeitraum von mehr als 5 Stunden bis zur Fahruntüchtigkeit Alkohol und verwahrte in dieser Zeit die Schlüssel in seiner auf der Lehne seines Hockers oder auf einer Bank abgelegten Lederjacke, auf die er - für ihn ohne weiteres einsichtig - nur unzureichend Acht gab. Wenn er infolge seiner zunehmenden Alkoholisierung überhaupt noch in der Lage war, auf seine Jacke zu achten, hielt er sie nach eigenen Angaben jedenfalls nicht unter Kontrolle, wenn er "mal", also mehr als einmal, die Toilette aufsuchte und auch nicht vor der Zeit, in der er das Lokal verlassen wollte; denn erst beim Aufbruch stellte er den Verlust seiner Jacke fest.

5

In der Diskothek, in der ein unüberschaubarer Personenkreis verkehrte, musste der Ehemann der Klägerin auch stets mit dem Auftauchen von Gästen rechnen, die es auf die Begehung von Eigentumsdelikten abgesehen hatten oder die - gerade bei Jugendlichen verbreitet auch nur mal eine "Spritztour" mit einem PKW, gerade einem sportlichen Fahrzeug wie dem Opel Calibra der Klägerin, unternehmen wollten. Es hätte ihm daher ohne größere Überlegungen einleuchten müssen, dass die Verwahrung der Schlüssel für ein so wertvolles Fahrzeug in seiner nicht ständig beaufsichtigten, auch als Objekt eines Diebstahls nicht reizlosen Lederjacke äußerst unsicher war. Dies gilt umso mehr, weil er auch mit dem Zugriff von Gästen rechnen musste, die es gerade auf sein Fahrzeug abgesehen hatten. Denn er hat als Zeuge selbst ausgesagt, ganz Moormerland wisse wegen des auffälligen Kennzeichens, dass er diesen Opel Calibra fahre. Seine mangelnde Sorgfalt wiegt zudem umso schwerer, als anzunehmen ist, dass er die Schlüssel leicht in seiner Kleidung am Körper hätte unterbringen können. Zumindest beim Aufsuchen der Toilette hätte sich ihm bei einfachen Überlegungen die Notwendigkeit aufdrängen müssen, die Schlüssel aus der unbeaufsichtigten Jacke mitzunehmen. In einem Diskothekenbetrieb konnte er entgegen der Auffassung der Klägerin und auch für ihn ohne weiteres einsichtig nicht damit rechnen, dass andere Gäste - zumal da sie ihm möglicherweise sogar unbekannt waren - oder das Thekenpersonal während der Zeit, in der er selbst nicht auf seine Jacke achtete, darauf Obacht geben würden.

6

Insgesamt gesehen hat der Ehemann der Klägerin im Umgang mit dem Schlüsseln die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen (vgl. zur einfachen und groben Fahrlässigkeit beim Abhandenkommen von Fahrzeugschlüsseln aus Kleidungsstücken in Lokalen auch die Rechtsprechungsübersicht in DAR 1986, 358, ferner OLG Koblenz VerR 1991, 541; OLG Stuttgart r + s 1991, 258; OLG Hamm r + s 1991, 331; OLG Frankfurt VerR 1985, 775; LG Hannover r + s 1987, 6; AG Hamburg ZfS 1985, 342). Das grob fahrlässige Verhalten im Umgang mit den Schlüsseln hat nicht nur die Entwendung, sondern auch den Unfall adäquat kausal verursacht, sodass auch ein Anspruch der Klägerin nach § 12 II e AKB gemäß § 61 VVG ausgeschlossen ist. Es entspricht der Lebenserfahrung und war auch für den Ehemann der Klägerin bei einfachen Überlegungen einsichtig, dass unter diesen Umständen entwendete Fahrzeuge oft einen Unfallschaden erleiden und zwar aus vielerlei Gründen, sei es mangelnde Fahrpraxis oder Fahrtüchtigkeit des Entwenders, mangelnde Vertrautheit mit dem Fahrzeug oder auch bloße besonders sorglose Fahrweise, weil das Fahrzeug dem Entwender nicht gehört und er meint, für einen Schaden nicht einstehen zu müssen.