Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.07.1998, Az.: VI 162/94
Bewertung einer Witwenrentenanwartschaft bei Spätehenklausel; In einer Versorgungszusage vorgesehene Witwenrente; Bewertung des Teilwerts einer Pensionsverpflichtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.07.1998
- Aktenzeichen
- VI 162/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20251
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0728.VI162.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6a EStG
- § 8 Abs. 1 KStG
Fundstelle
- NWB DokSt 1999, 372
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 28. Juli 1998,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Malermeister
ehrenamtlicher Richter ... Bürokaufmann
für Rechterkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die in einer Versorgungszusage vorgesehene Witwenrente bei der Bewertung des Teilwerts einer Pensionsverpflichtung auch dann zu berücksichtigen ist, wenn wegen einer sogen. Spätehenklausel ein Anspruch auf Witwenrente nicht mehr entstehen kann.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in B. ein Krankenhaus betreibt.
In der Handelsbilanz auf den 31. Dezember 1991 wies die Klägerin Rückstellungen für Pensionen u.ä. Verpflichtungen in Höhe von 1.283.849 DM aus. Den nach § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermittelnden Teilwert der Pensionsrückstellungen bezifferte sie mit 1.107.709 DM. Hiervon entfiel ein Betrag von 420.880 DM auf eine laufende Witwenrente, der Restbetrag von 686.829 DM auf die taufende Betriebsrente des ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführers H.. In die Ermittlung des Teilwerts dieser Pensionsverpflichtung hatte die Klägerin auch die in der Versorgungszusage vorgesehene Anwartschaft auf eine Witwenrente in Höhe von 80 v.H. der dem Berechtigten zugesagten Alters- und Invalidenrente einbezogen.
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß der auf die Witwenrente entfallende Teilbetrag der Pensionsrückstellung von 118.284 DM nicht zu berücksichtigen sei, weil nach der zugrundeliegenden Versorgungszusage eine Heirat nach Vollendung des 60. Lebensjahres keinen Anspruch auf eine Witwenrente mehr begründen könne. Da der - am 16. Februar 1930 geborene - Versorgungsberechtigte die maßgebliche Altersgrenze am Bilanzstichtag bereits überschritten habe und bei Vollendung seines 60. Lebensjahres nicht verheiratet gewesen sei, sei eine Inanspruchnahme der Klägerin auf die spätere Zahlung einer Witwenrente ausgeschlossen. Unter dem 1. Dezember 1992 änderte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Körperschaftsteuerfestsetzung gemäß dieser Prüfungsfeststellung. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage wendet sich die Klägerin unter Berufung auf den Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 17. April 1967 - 2176 - 1 - 31 1 (Der Betriebs-Berater 1967, 490) gegen den von dem Prüfer vorgenommenen Abschlag. Nach dieser Verwaltungsanweisung sei bei einer Zusage auf Witwenrente mit Spätehenklausel bei der ertragsteuerlichen Berechnung der Pensionsrückstellung kein Abschlag von den nach der kollektiven Methode berechneten Werten vorzunehmen. Dies müsse auch für den hier zu beurteilenden Fall gelten, daß die Entstehung eines Anspruchs auf Witwenrente im Einzelfall bereits ausgeschlossen sei. Anderenfalls müsse nämlich in den Fällen, in denen die Versorgungsberechtigten vor Erreichen des in der Spätehenklausel genannten Grenzalters geheiratet hätten, ein Zuschlag zu den nach der kollektiven Methode ermittelten Durchschnittswerten gemacht werden, was eine erhebliche Rechenarbeit erfordere, die durch die in dem Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vorgesehene Vereinfachungsregelung gerade habe vermieden werden sollen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1991 vom 1. Dezember 1992 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 10. Februar 1993 und des Einspruchsbescheids vom 14. März 1994 das zu versteuernde Einkommen um 118.284 DM auf 301.867 DM und die Körperschaftsteuer um 59.142 DM auf 150.933 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß die in dem Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vorgesehene Vereinfachungsregelung auf den Streitfall nicht anzuwenden sei. Die darin getroffene Regelung, beim Vorhandensein einer Spätehenklausel keinen Abschlag von den nach der Kollektivmethode errechneten Werten vorzunehmen, trage Untersuchungen von Koppe (Betriebliche Altersversorgung 1961, 189) und Rau (Betriebliche Altersversorgung 1967, 99) Rechnung, die zu dem Ergebnis geführt hätten, daß die Spät-Ehenklausel bei Leistungsanwärtern unterhalb des Grenzalters zu einer Korrektur des nach der Kollektivmethode errechneten Barwerts der Witwenrentenanwartschaft von weniger als 1 v.H. führe und ein Abschlag demgemäß wegen Geringfügigkeit unterbleiben könne. Handle es sich hingegen um aktive oder ehemalige Mitarbeiter, die das Grenzalter bereits überschritten hätten und demgemäß einen Witwenrentenanspruch dem Grunde nach nicht mehr erwerben könnten, führe die Anwendung des Näherungsverfahrens zu nicht mehr hinnehmbaren Abweichungen (im Streitfall rd. 17 v.H.) - von korrektem versicherungsmathematischen Wert.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat den Teilbetrag der Pensionsrückstellung, der auf die Witwenrentenanwartschaft entfällt, bei der Ermittlung des Gewinns zu Recht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V. mit § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) durfte die Klägerin die Rückstellung für die Pensionsverpflichtung gegenüber ihrem früheren Gesellschafter-Geschäftsführer höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung ansetzen. Als Teilwert einer Pensionsverpflichtung gilt nach Eintritt des Versorgungsfalles der Barwert der künftigen Pensionsleistungen am Schluß des Wirtschaftsjahres (§ 6 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG i.V. mit § 8 Abs. 1 KStG). Bei der Berechnung sind ein Rechnungszinsfuß von 6 v.H. und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden (§ 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG i.V. mit § 8 Abs. 1 KStG). Dies bedeutet, daß die voraussichtliche Höhe der künftigen Leistungen an Hand biometrischer Wahrscheinlichkeiten für die Sterblichkeit, die Invalidität, über das Verheiratetsein und über Altersdifferenzen der Ehegatten (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Bd. II: Steuerrecht, 3. Aufl., Stand Februar 1997, Rdnr. 397) zu bestimmen ist. Die gesetzlich vorgeschriebene Beachtung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik schließt die Anwendung von Näherungsverfahren, z.B. um die Rechenarbeit in vertretbaren Grenzen zu halten, zwar nicht aus. Diese müssen jedoch mathematisch-statistisch begründet sein und Ergebnisse liefern, deren Abweichung von den genauen Werten sowohl absolut als auch relativ geringfügig ist (Höfer in Littmann/Bitz/Helwig, EStG, § 6 a Rdnr. 124). Ausgehend von diesen Grundsätzen wird es bei Versorgungszusagen, die eine Witwen- oder Witwerleistung vorsehen, die allgemein dem beim Tod des Pensionsberechtigten vorhandenen Ehegatten zusteht, für zulässig gehalten, ein kollektives Berechnungsverfahren anzuwenden, das auf die exakte Berücksichtigung des am Bilanzstichtag gültigen Familienstandes des Berechtigten und des genauen Altersunterschiedes der Ehegatten verzichtet und statt dessen von Verheiratungswahrscheinlichkeiten und typischen Altersunterschieden ausgeht (Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II, Rdnr. 418). Dies soll grundsätzlich auch dann gelten, wenn die Gewährung von Witwen-/Witwerleistungen durch eine sogenannte Spätehenklausel eingeschränkt, der Anspruch auf derartige Leistungen also ausgeschlossen ist, wenn die Ehe erst nach Erreichung eines bestimmten Grenzalters oder nach dem Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen worden ist (Höfer, a.a.O., Rdnr. 420).
Auch in diesen Fällen ist die Anwendung des kollektiven Berechnungsverfahrens aber dann ausgeschlossen, wenn sie zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt und sich der exakte Teilwert der Pensionsverpflichtung nach der Individuellen Methode ohne weiteres berechnen läßt. So liegen die Dinge im Streitfall. Da der Pensionsberechtigte die maßgebliche Altersgrenze zum Bilanzstichtag bereits überschritten hatte und bei ihrem Erreichen unverheiratet gewesen war, konnte eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Witwenleistungen nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages unter keinen Umständen mehr entstehen. Die Einbeziehung einer nach der kollektiven Methode bewerteten Witwenrentenanwartschaft in die Ermittlung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung würde daher zu einem eindeutig falschen Ergebnis führen und zur Folge haben, daß der Gewinn der Klägerin über die gesamte Laufzeit der Pension - d.h. unter Umständen über Jahrzehnte hinweg - zu niedrig ausgewiesen würde. Ob dieses Ergebnis unter Vereinfachungsgesichtspunkten hingenommen werden könnte, wenn eine Vielzahl von Pensionsverpflichtungen mit Spätehenklausel zu bewerten wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Da im Streitfall nur eine einzige Pensionsverpflichtung mit Spätehenklausel vorhanden war, kommt der von der Klägerin angeführte Vereinfachungsgesichtspunkt offensichtlich nicht zum Tragen.
Offen bleiben kann ferner, ob sich - wie die Klägerin meint - der Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 17. April 1967 (a.a.O.) auch für den hier zu beurteilenden Fall einer einzigen Pensionsverpflichtung mit Spätehenklausel Geltung beimißt. Als lediglich norminterpretierende Verwaltungsanweisung könnte er den Senat jedenfalls nicht binden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.