Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.07.1998, Az.: I 789/97
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 07.07.1998
- Aktenzeichen
- I 789/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34757
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0707.I789.97.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein unter Nießbrauchsvorbehalt im Wege vorweggenommener Erbfolge geschenktes unbebautes Grundstück dem Erwerber zuzurechnen ist.
Die Klägerin (Kl'in.) ist die Mutter des Klägers (Kl.). Ihr gehörte umfangreicher Grundbesitz, darunter auch das hier streitige landwirtschaftlich genutzte Grundstück in M in Größe von 7,7342 ha. Mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 1995 (Urkundenrolle Nr. des Notars B) schenkte die Kl'in. u.a. dieses Grundstück dem Kl. unter Anrechnung auf sein Erbrecht. Gleichzeitig behielt sie sich ein lebenslängliches dinglich abgesichertes Nießbrauchsrecht an dem geschenkten Grundstück vor. Der Besitz -; für den Kl. wegen des Nießbrauchs nur der mittelbare Besitz -; und die Gefahr sollten am 31. Dezember 1995/1. Januar 1996 übergehen. Ferner heißt es in § 5 des Vertrages:
"Widerruf der Schenkung
Die Erschienene zu 1. behält sich den Widerruf der Schenkung vor für die Fälle, daß
a) der Erschienene zu 2. die übertragenen Grundstücke zu Lebzeiten der Erschienenen zu 1. ohne deren Zustimmung verkauft oder verschenkt oder belastet oder umbaut oder weiter bebaut;
b)über das Vermögen der Erschienenen zu 2. das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet oder die Zwangsvollstreckung in die übertragenen Grundstücke betrieben wird (Insoweit wird der Widerruf bereits heute aufschiebend bedingt erklärt);
Zur Sicherung des bedingten Anspruchs der Erschienenen zu 1. auf Rückübertragung bewilligen und beantragen die Erschienenen die Eintragung einer Vormerkung für die Erschienene zu 1. in den betreffenden Grundbüchern im Range nach dem Nießbrauchsrecht." In § 7 des Vertrages erklärten die Vertragspartner die Auflassung. Im übrigen wird auf den notariellen Vertrag, der sich in den Gerichtsakten befindet, Bezug genommen.
Die Eigentumsumschreibung auf den Kl. im Grundbuch erfolgte nach dem 01.01.1996.
Das Finanzamt (FA) lehnte die beantragte Zurechnungsfortschreibung auf den Kl. mit dem Hinweis ab, daß das wirtschaftliche Eigentum noch nicht auf ihn übergegangen sei. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage, zu deren Begründung die Kl. ausführen:
Grundsätzlich habe nach § 39 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) die Zurechnung auf den Eigentümer zu erfolgen. Eine Prüfung, ob eine Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO in Betracht komme, sei nur dann vorzunehmen, wenn ein anderer die Herrschaft über das Wirtschaftsgut ausübe, und zwar in der Weise, daß er den Eigentümer "für die gewöhnliche Nutzungsdauer" von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen könne. Bei dem Gegenstand des Vertrages handele es sich um ein unbebautes Grundstück, dessen Nutzungsdauer nicht abzusehen sei, also unbegrenzt zu gelten habe. Deshalb könne es keine gewöhnliche Nutzungsdauer geben, weil sie -; unter wirtschaftlichem Aspekt -; nicht bestimmbar sei. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sei deshalb nicht anzuwenden. Im übrigen verlange die einschlägige BFH-Rechtsprechung für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Nutzungsrechten, daß der Herausgabeanspruch des Eigentümers bei Beendigung des Nutzungsrechtes ins Leere gehe, weil er nichts mehr herausverlangen könne, da das Wirtschaftsgut durch die Nutzung verbraucht sei. Im Streitfall sei ein Verbrauch des Grundstücks durch den Nießbrauch der Kl'in. jedoch nicht vorstellbar. Der Widerrufsvorbehalt in § 5 des Vertrages hindere den Kl. nicht daran, über das Grundstück unbegrenzt zu verfügen. Ein Verfügungsverbot würde dadurch nicht statuiert. Es habe Bedeutung lediglich für das Innenverhältnis. Im übrigen stehe nicht fest, ob die Kl'in. ihr Widerrufsrecht ausüben werde.
Die Kl. beantragen,
unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 15. April 1997 und der Einspruchsbescheide vom 20. August 1997 den Beklagten zu verpflichten, für das Grundstück M auf den 1. Januar 1996 eine Zurechnungsfortschreibung auf den Kl. vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, daß der Kl. noch kein wirtschaftliches Eigentum erworben habe. Nach dem Wortlaut des Gesetzes komme es nur im Regelfall auf die gewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes an. Auch bei längerlebigen Wirtschaftsgütern -; wie z.B. bei Grund und Boden -; sei wirtschaftliches Eigentum denkbar. Im Streitfall habe die Kl'in. neben dem Nießbrauchsrecht eine Vormerkung auf Rückübertragung. Deshalb sei die Rechtsstellung des Kl. nicht mit der anderer Eigentümer zu vergleichen.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Einheitswertakten des FA Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. Zivilrechtlicher Eigentümer war am Stichtag, dem 01.01.1996, noch die Kl'in., die Mutter; denn die Umschreibung auf den Kl. im Grundbuch ist erst nach dem Stichtag 01.01.1996 erfolgt.
Dem Kl. kann das Grundstück auch nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO als dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet werden; und zwar aus folgenden Gründen:
Die Kl'in. ist wegen des vorbehaltenen lebenslangen Nießbrauchs im Zusammenwirken mit dem vorbehaltenen Widerrufsrecht in § 5 des Schenkungsvertrages auch wirtschaftlich Eigentümerin geblieben. Sie kann den Kl. für die Dauer des Nießbrauchs von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen. Nach dem BFH-Urteil vom 24. Juli 1991 II R 81/88, BStBl II 1991, 909, ist zwar der Vorbehaltsnießbraucher im Normalfall nicht wirtschaftlicher Eigentümer, selbst dann nicht, wenn sich der Erwerber verpflichtet, das Grundstück während der Dauer des Nießbrauchs nicht zu belasten. Im vorliegenden Fall gehen die Beschränkungen des Erwerbers, des Kl., über den Normalfall weit hinaus. Er darf das geschenkte Grundstück zu Lebzeiten der Mutter ohne deren Zustimmung nicht verkaufen und nicht verschenken, nicht belasten und nicht umbauen oder weiter bebauen. Unter diesen Umständen kann der Kl. über das Grundstück während der Dauer des Nießbrauchs überhaupt nicht verfügen. Die Mutter kann ihnvon jeder Einwirkung ausschließen, solange sie lebt. Damit ist das wirtschaftliche Eigentum bei ihr geblieben. Eine Zurechnung auf den Sohn kommt nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.