Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.07.1998, Az.: VI 36/94

Befreiung eines Berufsverbands von der Körperschaftssteuer; Einspruch gegen Körperschaftsteuerbescheide; Unterhalten eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs; Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne des § 51 Satz 1 Abgabenordnung (AO)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.07.1998
Aktenzeichen
VI 36/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 18627
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0728.VI36.94.0A

Fundstelle

  • NWB DokSt 2000, 744

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1987 und 1988

Amtlicher Leitsatz

Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eines Berufsverbands ist kein Zweckbetrieb.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 28. Juli 1998,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ... Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter Malermeister... ehrenamtlicher Richter Bürokaufmann...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger als Berufsverband gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit ist.

2

Der Kläger ist ein im Vereinsregister eingetragener Verein mit Sitz in O. Nach § 2 Nr. 1 seiner Satzung in der Fassung vom 22. August 1985 ist sein Zweck die Wahrung, Vertretung und Förderung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller seiner Mitglieder sowie der Angestellten und Auszubildenden der Rechtsanwälte, Notare und der Patentanwälte als Gesamtheit. Eine Einzelförderung ist ausgeschlossen. Nach§ 2 Nr. 4 der Satzung besteht kein wirtschaftlicher, auf Gewinn gerichteter Geschäftsbetrieb. Seine Ziele sind nach § 2 Nr. 2 der Satzung insbesondere u.a. die Förderung der beruflichen Bildung und Weiterbildung der Mitglieder. Wegen der Einzelheiten der Satzung wird auf Bl. 187 der Körperschaftsteuerakte Bd. II Bezug genommen.

3

Der Kläger führte gegen Entgelt Seminare durch. Es handelte sich dabei z.B. um Prüfungsvorbereitungskurse für Auszubildende im Ausbildungsberuf Rechtsanwalts- und Notargehilfe.

4

In seinen Einnahme-Überschuß-Rechnungen zum 31. Dezember 1987 bzw. 1988 ermittelte er seine Einnahmen als Summe der Mitgliedsbeiträge, Seminargebühren und Zinserträge, in 1988 noch zusätzlich aus Einnahmen aus dem "Reno-Blatt". Er stellte diesen Einnahmen seine gesamten Ausgaben gegenüber. Es handelte sich dabei um Honorarzahlungen für Lehrkräfte, Raummieten, Bewirtung, Büro- und Seminarbedarf, Porto/Telefon, Druck- und Werbekosten. Er erklärte in der Körperschaftsteuererklärung 1987 ein Einkommen von 2.386 DM, für 1988 gab der Kläger zunächst keine Körperschaftsteuererklärung ab.

5

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -)erteilte für 1987 einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem es von der Erklärung des Klägers abwich. Für 1988 erteilte das FA mangels Abgabe der Körperschaftsteuererklärung zunächst einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Körperschaftssteuerbescheid. Im Körperschaftsteuerbescheid 1987 ermittelte das FA die Einkünfte des Klägers mit dem Betrag von 6.346 DM. Das FA sah die Seminargebühren von 24.080 DM als steuerpflichtige Einnahmen an, denen es die Honorarzahlungen von 12.305 DM in vollem Umfang, die anderen Aufwendungen im Verhältnis der Einnahmen aus Seminargebühren zu den Mitgliedsbeiträgen, d.h. in Höhe von 90,63%, als Betriebsausgaben gegenüberstellte.

6

Der Kläger erhob gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1987 und 1988 Einspruch. Im Einspruchsverfahren reichte er für 1988 eine Gewinnermittlung ein. Das FA erteilte insoweit im Einspruchsverfahren einen geänderten Bescheid, in dem es sämtliche geltend gemachen Kosten zum Abzug zuließ, jedoch gekürzt um den geschätzten Betrag von 4.000 DM, der auf den ideellen Betrag entfallen sollte.

7

Die Einsprüche, die der Kläger im übrigen nicht begründet hatte, wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 10. Dezember 1993 als unbegründet zurück.

8

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger vorträgt, er unterhalte keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, sondern einen Zweckbetrieb. Denn durch die Prüfungsvorbereitungskurse sei gewährleistet, daß der steuerbegünstigte satzungsmäßige Zweck des Vereins verwirklicht werde. Die Kriterien des § 65 der Abgabenordnung (AO) seien erfüllt.

9

Der Kläger beantragt,

die Körperschaftsteuerbecheide 1987 und 1988 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 10. Dezember 1993 dahingehendzuändern, daß die Überschüsse aus den Lehrgangsveranstaltungen von der Körperschaftsteuer befreit und die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt wird.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er ist der Ansicht, daß die vom Kläger erzielten Überschüsse aus Seminartätigkeit, in 1988 zusätzlich die Überschüsse aus der Herausgabe eines Fachblattes, gewerbliche Einkünfte darstellten und im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erzielt worden seien. Auch bei Berufsverbänden im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG sei die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten werde. Die Durchführung der Veranstaltungen bzw. die Herausgabe des Fachblattes sei als selbständige, nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht anzusehen und stelle sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar. Der Kläger führe seine Weiterbildungsveranstaltung eigenverantwortlich und auf eigeneswirtschaftliches Risiko durch. Er handele somit selbständig.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist nicht begründet.

13

Das FA hat die Einkünfte des Klägers an der Durchführung von Seminarveranstaltungen und der Herausgabe eines Fachblattes zu Recht der Körperschaftsteuer unterworfen.

14

Als Berufsverband ist der Kläger zwar nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchstabe a KStG ist die Steuerbefreiung jedoch insoweit ausgeschlossen, als er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Darunter ist nach§ 14 Satz 1 AO eine selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Die Durchführung von Seminarveranstaltungen und die Herausgabe eines Fachblatts durch den Kläger erfüllen diese Voraussetzungen.

15

Die insoweit bestehende Körperschaftsteuerpflicht des Klägers wird auch nicht durch § 64 Abs. 1 AO ausgeschlossen. Für den Fall, daß das Gesetz die Steuervergünstigung insoweit ausschließt, als ein wirtschafticher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, ordnet diese Vorschrift zwar an, daß der Verlust der Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen) nur insoweit eintritt, als der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65 - 68 AO ist. Auf diese Regelung kann sich der Kläger aber schon deshalb nicht berufen, weil sie im Dritten Abschnitt des Zweiten Teils (§§ 51 - 68) der Abgabenordnung enthalten ist und daher nur für solche Steuervergünstigungen gilt, die das Gesetz gewährt, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt (§ 51 Satz 1 AO). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. Seine Steuerbefreiung folgt nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, sondern knüpft an seine Eigenschaft als Berufsverband an (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG). Eine Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. § 51 Satz 1 AO ist mit seiner Tätigkeit schon deshalb nicht verbunden, weil es dem Kläger an der hierfür erforderlichen Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 AO) fehlt. Als Berufsverband verfolgt er gerade den Zweck, die allgemeinen, aus der beruflichen Tätigkeit erwachsenden ideellen und wirtschaftlichen Interessen des von ihm vertretenen Berufsstandes wahrzunehmen (vgl. zum Begriff des Berufsverbandes Abschn. 8 Abs. 1 Satz 1 der Körperschaftsteuerrichtlinien 1995).

16

Auch der Höhe nach sind die Körperschaftsteuerfestsetzungen nicht zu beanstanden. Für 1987 hat das FA die von den Einnahmen aus der steuerpflichtigen Tätigkeit abziehbaren Betriebsausgaben in der Weise ermittelt, daß es die dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb direkt zurechenbaren Aufwendungen in voller Höhe und die übrigen Aufwendungen entsprechend dem Verhältnis der steuerpflichtigen Einnahmen zu dem Gesamtbetrag der von dem Kläger erzielten Einnahmen als Betriebsausgaben berücksichtigt hat. Für 1988 hat es den der ideellen Tätigkeit zuzuordnenden Teil der "Kosten für Ortstreffen, Druckkosten, Verwaltungskosten, Zinsen usw." auf 4.000 DM geschätzt. Einwendungen gegen diese Vorgehensweise sind von dem Kläger nicht erhoben worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.

17

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.