Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.07.1998, Az.: IX 504/93

Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) oder aus Gewerbebetrieb; Personelle Verflechtung zwischen Verpachtungsunternehmen und Betriebsunternehmen nach der Personengruppentheorie; Widerlegbarkeit der Vermutung des gleichgerichteten wirtschaftlichen Interesses bei Ehegatten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.07.1998
Aktenzeichen
IX 504/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 20243
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0708.IX504.93.0A

Fundstellen

  • GmbHR 1998, 1246 (amtl. Leitsatz)
  • SteuerBriefe 1999, 131-132

Verfahrensgegenstand

Feststellungsbescheid 1990 und 1991 der ... G. GbR

Der IX. Senat des Finanzgerichts Niedersachsen hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 8. Juli 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Tierärztin
ehrenamtliche Richterin ... Mitarbeiterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) oder aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.

2

Die Kläger sind Eheleute und Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der der Kläger in den Streitjahren zu 40 v.H., die Klägerin zu 60 v.H. beteiligt ist (Gesellschaftsvertrag vom 6. März 1990). Zugleich sind die Kläger Gesellschafter der L.P.-GmbH (GmbH). An dieser Gesellschaft ist der Kläger zu 60 v.H., die Klägerin zu 40 v.H. beteiligt. Geschäftsführerin der GbR ist die Klägerin. Die Geschäfte der GmbH leitet der Kläger. Die Stimmrechte in den beiden Gesellschaften entsprechen dem Beteiligungsverhältnis. Die Klägerin betreibt zudem eine Handelsvertretung und steht mit dieser in Geschäftsbeziehungen zu der GmbH.

3

Die GbR hat der GmbH ein im März 1990 erworbenes Grundstück verpachtet, auf dem diese ihr Unternehmen (Vertrieb von Karten und Papieren) betreibt (Vertrag vom 28. März 1990). Das verpachtete, mit einer Halle bebaute Grundstück ist wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH.

4

Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung erklärten die Kläger aus ihrer Beteiligung an der GbR für die Jahre 1990 und 1991 jeweils Einkünfte aus VuV in Höhe von 54.204 DM und 46.722 DM und für 1991 zusätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen von 5.422 DM.

5

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) stellte die erklärten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb fest, weil die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung gegeben seien. Die mehrheitliche Beteiligung an beiden Unternehmen stelle eine personelle Verflechtung (Personengruppentheorie) dar, so daß auch die GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele.

6

Die Einsprüche der Kläger gegen die Feststellungsbescheide blieben erfolglos. Mit ihrer Klage begehren sie weiter, die Einkünfte der GbR als solche aus VuV qualifizieren zu lassen. Sie sind der Ansicht, die sog. Personengruppentheorie der Rechtsprechung träfe auf sie nicht zu. Es bestehe keine Beherrschungsidentität der Gesellschafter beider Gesellschaften weil gleichgerichtete Interessen nicht vorlägen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. März 1985 (BStBl II 1985, 485) sei eine Zusammenrechnung der Anteile von Ehegatten nur dann möglich, wenn zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen feststellbar seien. Das müsse im Streitfall verneint werden. Jeder Kläger beherrsche sein Unternehmen allein. Bei der vorliegenden, jeweils umgekehrten Mehrheitsbeteiligung und entsprechenden Stimmrechten könne keine Personengruppe angenommen werden.

7

Ferner verweisen die Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 (BStBl II 1996, 34). Die in dieser Entscheidung zu der Frage der Ehegatten-Arbeitsverträge gemachten Rechtsausführungen seien direkt auf die im Streitfall vorliegenden Gesellschaftsverträge übertragbar.

8

Der Steuerbescheid 1991 wurde während des Klageverfahrens geändert. Die Kläger haben den Änderungsbescheid nach§ 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

9

Die Kläger beantragen,

die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 und 1991 vom ... Januar 1992 und ... September 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... September 1993 und in der Fassung vom ... August 1996 (1991) zu ändern und die erklärten Einkünfte insgesamt als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen.

10

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Es bleibt bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Auffassung und trägt dazu ergänzend vor, daß nach dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1985 jeweils nur ein Ehegatte an einem der beiden Unternehmer beteiligt gewesen sei. Die Personengruppentheorie beträfe dagegen diejenigen Fälle, in denen mehrere Personen an beiden Unternehmen beteiligt seien und diese Personengruppe die Unternehmen beherrsche.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet.

13

Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind rechtmäßig, denn das FA hat die Einkünfte der Kläger aus der GbR zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.

14

Die bloße Verpachtung von Grundstücken ist in der Regel Vermögensverwaltung und stellt keine gewerbliche Tätigkeit dar (Abschn. 15 der Gewerbesteuer-Richtlinien zu § 2 Gewerbesteuergesetz). Etwas anderes gilt jedoch für Verpachtungsbetriebe, die im Zuge einer sog. echten oder unechten Betriebsaufspaltung entstanden sind (vgl. zur näheren Begründung den BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, Urteil vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296, und zur Verfassungsmäßigkeit der ständigen Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung BVerfG, Beschluß vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389 und Beschluß vom 12. März 1985 in BStBl II 1985, 475).

15

In den Fällen der Betriebsaufspaltung geht die Verpachtungüber den Rahmen einer bloßen Verwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen der Betriebsgesellschaft (Pächterin) gehören (sachliche Voraussetzungen) und enge personelle Verflechtungen zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bestehen (personelle Voraussetzungen). Denn dann nimmt das Verpachtungsunternehmen über das Betriebsunternehmen am gewerblichen wirtschaftlichen Verkehr teil.

16

Die sachlichen Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung sind im Streitfall gegeben, weil das von den Klägern an die GmbH verpachtete Grundstück unstreitig zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der GmbH gehört.

17

Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in dem Sinn beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (BFH, Urteile in BFH 145, 401, BStBl II 1986, 296, und vom 17. März 1987 VIII R 36/84, BStBl II 1987, 858). Die Kläger bilden eine Personengruppe, die mit 100 v.H. sowohl an der Betriebs-GmbH als auch an der Besitzgemeinschaft beteiligt ist. Ihre Beteiligungsverhältnisse an der Betriebs-GmbH und der Besitzgemeinschaft sind nicht so extrem unterschiedlich, daß sie der Annahme einer durch gleichgerichtete Interessen geschlossenen Personengruppe entgegenstehen würden (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1972 IV R 63/71, BFHE 108, 44, BStBl II 1973, 247).

18

Die Kläger weisen allerdings zu Recht darauf hin, daß allein die Tatsache, daß sie Ehegatten sind, eine Zusammenrechnung der Anteile nicht rechtfertigt (BVerfG-Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u.a., BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475), denn es ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung von der - wenn auch widerlegbaren - Vermutung ausgegangen wird, Ehegatten verfolgten stets gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen. Ehegatten dürfen im Vergleich zu Ledigen nicht schlechtergestellt werden.

19

Allerdings können nach der vorerwähnten Entscheidung des BVerfG konkrete Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, Anteile der Ehefrau an einem Unternehmen des Ehemannes diesem wie dessen eigene Anteile zuzurechnen oder umgekehrt. Als besondere Umstände, die es rechtfertigen, die Anteile der Ehefrau (des Ehemannes) an einem Unternehmen des Ehemannes (der Ehefrau) zuzurechnen, sind nicht anzusehen:

20

  • Jahrelanges konfliktfreies Zusammenwirken der Eheleute innerhalb der Gesellschaft,
  • Herkunft der Mittel für die Beteiligung der Ehefrau an der Betriebsgesellschaft vom Ehemann,
  • "Gepräge" der Betriebsgesellschaft durch die Ehefrau, d.h. der Ehemann führt die Geschäfte und verfügtüber die erforderlichen Fachkenntnisse,
  • Erbeinsetzung der Ehefrau durch den Ehemann als Alleinerbin, gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft und ggf. die Absicht, der Ehefrau durch die Beteiligung eine Altersversicherung zu geben (BFH-Urteile vom 27. November 1985 I R 115/85, BFHE 145, 221, BStBl II 1986, 362; vom 18. Februar 1986 VIII R 125/85, BFHE 146, 266, BStBl II 1986, 611).

21

Der IV. Senat des BFH hat allerdings in seinem Urteil vom 24. Juli 1986 IV R 98, 99/85 (BFHE 147, 256, BStBl II 1986, 913) die Zusammenrechnung der Anteile von Ehegatten für gerechtfertigt angesehen, wenn Ehegatten durch die mehrere Unternehmen umfassende, planmäßige, gemeinsame Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse den Beweis dafür liefern, daß sie aufgrund ihrer gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen zusätzlich zur Ehe eine Zweck- und Wirtschaftsgemeinschaft eingegangen sind. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

22

Die Kläger und Gesellschafter der GmbH haben am 6. März 1990 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet mit dem Geschäftsgegenstand der Verwaltung des am gleichen Tag erworbenen Grundstücks. Am 28. März 1990 haben sie dann das Grundstück an die GmbH verpachtet. Dieser Geschehensablauf zeigt nach Ansicht des Senats, daß der Einrichtung und Gestaltung der Betriebsaufspaltung ein gemeinsames, zweckgerichtetes Vorgehen zugrunde lag, das es, unabhängig von den ehelichen Interessen, rechtfertigt, von einer personellen Verflechtung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen.

23

Dieser Würdigung steht die neue Rechtsprechung des BVerfG zur Beurteilung von Verträgen unter nahen Angehörigen und Ehegatten (Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, Oderkonto-Entscheidung) nicht entgegen. Im Streitfall wurden die abgeschlossenen Gesellschaftsverträge sowie der Pachtvertrag vom FA steuerrechtlich anerkannt und die sich daraus ergebenden steuerlichen Folgen gezogen, d.h. die Pachtzahlungen der GmbH als Betriebsausgaben anerkannt und den Klägern als Verpächtern ertragsteuerlich zugerechnet. Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt nach Ansicht des Senats von der Oderkonto-Entscheidung des BVerfG nicht betroffen. Es ist lediglich die beschriebene steuerliche Umqualifizierung der Einkünfte vorgenommen worden.

24

Gleichwohl hält der Senat die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung für angebracht, da die Entscheidung des IV. Senats des BFH vom 28. Mai 1991 IV 28/90 (BFHE 164, 543, BStBl II 1991, 801), mit der die grundsätzliche Bedeutung der Fragen über die Anwendung der sog. Personengruppentheorie verneint wurde, vor der Entscheidung des BVerfG zum Oderkonto ergangen ist.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.