Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.07.1998, Az.: IX 445/93

Absetzbarkeit von Schadensersatzleistungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten, soweit diese durch ein Vermieterverhalten entstanden sind; Absetzbarkeit von Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren in einem Prozess über Schadensersatzleistungen aufgrund eines Vermieterverhaltens bei den Werbungskosten; Absetzbarkeit von Gerichtskosten und Porto bei einem mietrechtlichen Verfahren als Werbungskosten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.07.1998
Aktenzeichen
IX 445/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 20242
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0708.IX445.93.0A

Fundstellen

  • DStRE 1998, 916-917 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB DokSt 1999, 1191

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1990

Amtlicher Leitsatz

Schadensersatzzahlungen an den Mieter wegen außerordentlicher Kündigung sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

Redaktioneller Leitsatz

Bei der Absetzbarkeit von Prozeßkosten als Werbungskosten kommt es darauf an, wie die Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, einkommensteuerrechtlich zu qualifizieren sind. Prozeßkosten teilen als Folgekosten das rechtliche Schicksal der Aufwendungen, um die in dem Verfahren verhandelt wurde.

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 8. Juli 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ... Dr
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ... Dr.
ehrenamtliche Richterin Tierärztin
ehrenamtliche Richterin Mitarbeiterin
fürRecht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 1990 in Gestalt der Ein spruchsentscheidung vom August 1993 wird geändert und die Einkommensteuer auf 11.969 DM festgesetzt.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Schadensersatzleistungen, Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) als Werbungskosten abziehbar sind.

2

Die Klägerin ist Eigentümer eines als Einfamilienhaus bewerteten Grundstücks, das sie im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung durch Mietvertrag vom. Oktober 1983 bis zum. Dezember 2002 an ihren geschiedenen Ehemann vermietet hatte. In dem Gebäude betrieb der Ehemann bis 1986 zusammen mit seinem Sohn eine Zahnarztpraxis. Zum Juni 1986 kündigte er den Mietvertrag mit der Begründung, die Klägerin störe nachhaltig das Mietverhältnis. Die Klägerin erkannte die Kündigung nicht an und versuchte auf dem Zivilrechtsweg die Kündigung für rechtsunwirksam erklären zu lassen und die eingestellten Mietzahlungen einzuklagen. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf das Urteil des Landgerichts A vom. Oktober 1987 () Bezug genommen.

3

Der geschiedene Ehemann der Klägerin klagte seinerseits auf Schadensersatz in Höhe von 125.767,76 DM für Schäden, die ihm durch die Auflösung des Mietverhältnisses, die Anmietung anderer Räumlichkeiten und die Neueinrichtung der Praxis entstanden waren. Dazu legte er im Zivilprozeß eine Aufstellung seines Steuerberaters vom. Mai 1988 und die Ablichtung der darin aufgeführten Rechnungen über die Aufwendungen anläßlich der Praxisneueinrichtung vor. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf das Urteil des Landgerichts A vom. Dezember 1989 () Bezug genommen.

4

Der Mietzahlungsanspruch der Klägerin wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts A abgewiesen und die Kündigung bestätigt. Durch Grundurteil vom. Oktober 1989 entschied das Landgericht A, der Schadensersatzanspruch seidem Grunde nach gerechtfertigt. Daraufhin schloß die Klägerin am. April 1990 mit ihrem geschiedenen Ehemann einen Vergleich, der u.a. folgende Vereinbarungen enthält:

"7.
...

Der Kläger erbringt insgesamt Unterhaltsleistungen von 185.000 DM, die teilweise durch Zahlung und teilweise durch Verrechnung erbracht werden bzw. erbracht worden sind.

Für diese Verrechnung sind insbesondere auch die Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Rechtsstreit Landgericht A verrechnet worden."

5

Im übrigen wurden mit diesem Vergleich alle gegenseitigen Ansprüche aus verschiedenen Rechtsstreitigkeiten und gegenseitigen Ansprüchen, die infolge der 1984 geschiedenen Ehe entstanden waren, in unterschiedlicher Weise beendet. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf den Vergleich vom. April 1990 (Landgericht A) Bezug genommen.

6

In der Steuererklärung 1990 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus VuV Schadensersatzleistungen von 136.045,18 DM, Rechtsanwaltskosten von 6.134,80 DM, Steuerberatungskosten von 1.200 DM, Gerichtskosten von 314,20 DM und Porti über 48,30 DM als Werbungskosten geltend.

7

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) ließ diese Beträge nicht zum Werbungskostenbzug zu, weil sie durch die familiären Streitigkeiten der Klägerin mit ihrem geschiedenen Ehemann und nicht durch das Mietverhältnis veranlaßt worden seien.

8

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, die in der Steuererklärung geltend gemachten Beträge mit Ausnahme der Steuerberaterkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abziehen zu können. Sie führt dazu aus, daß sie möglicherweise die Auflösung des Mietverhältnisses mitverursacht habe. Das schließe jedoch nicht aus, daß die Aufwendungen durch die Sicherung ihrer Mieteinkünfte veranlaßt worden seien.

9

Insgesamt begehrt die Klägerin noch folgende Positionen:

Schadensersatzleistungen136.045,18 DM
Rechtsanwaltskosten6.134,80 DM
Rechtsanwaltskosten3.660,54 DM
Gerichtskosten314,20 DM
Porti48,30 DM
Summe147.403,00 DM.
10

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1990 vom. März 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom. August 1993 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 147.403 DM niedriger festzusetzen.

11

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweien.

12

Es bleibt bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Auffassung, die geltend gemachten Aufwendungen seien nicht durch das Mietverhältnis, sondern durch die familiären Streitigkeiten der Klägerin mit ihrem geschiedenen Ehemann veranlaßt gewesen. Imübrigen sei nicht klar, inwieweit die Klägerin überhaupt Schadensersatzleistungen an ihren geschiedenen Ehemann erbracht habe.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie unbegründet.

14

Das FA hat die Schadensersatzleistungen und die Aufwendungen für die Rechtsanwälte Dr. und Dr. zu Recht nicht als Werbungskosten abgezogen. Lediglich die Gerichtskosten über 314,20 DM und die geltend gemachten Portokosten über 48,30 DM können steuermindernd berücksichtigt werden.

15

I.

Abziehbarkeit der Schadensersatzleistungen

16

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie können grundsätzlich auch nach Aufgabe einer Einkunftsquelle (hier Mietverhältnis) entstehen. So können z.B. Kosten der Abwicklung eines Miet- oder Pachtvertrages oder der Beendigung eines Arbeitsvertrages als Werbungskosten abzugsfähig sein, obwohl diese Ausgaben nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen führen. Es stellt nach Ansicht des Senats aber eine Überspannung des Begriffs der Werbungskosten dar, wenn nach rechtmäßiger, durch das Verhalten des Vermieters provozierter Beendigung eines langfristigen Mietverhältnisses durch den Mieter auch solche Aufwendungen abzugsfähig sein sollen, die Folge des Vermieterverhaltens sind, das zur Auflösung des Mietverhältnisses berechtigt. Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Verpflichtung des Steuerpflichtigen (Vermieter) zum Schadensersatz gegenüber seinem ehemaligen Mieter dazu dient, die Einkunftsart VuV in Form des alten Mietverhältnisses fortzusetzen oder durch Begründung eines neuen Mietverhältnisses zu erhalten. Nach Auffassung des Senats können in der Abwicklungs- oder Vorbereitungsphase eines Mietverhältnisses, aus dem steuerpflichtige Einkünfte erzielt wurden oder erzielt werden sollen, aber nicht mehr oder noch nicht erzielt werden, nur solche Aufwendungen Werbungskosten sein, die im Zeitpunkt der Aufwendung auf die Abwicklung oder Aufnahme einer Vermietungstätigkeit gerichtet sind. Dazu gehören die verrechneten Zahlungen der Klägerin nicht. Die vermeintliche Zahlung an den geschiedenen Ehemann erfolgte als Schadensersatz, weil die Klägerin ihrem geschiedenen Ehemann als Mieter einen - gerichtlich festgestellten - Grund zur außergerichtlichen Kündigung des langfristigen Mietverhältnisses gegeben hatte. Diese Kündigung war von der Klägerin unstreitig nicht beabsichtigt, z.B. um ein neues Mietverhältnis mit einem anderen Mieter einzugehen. Es kommt deshalb auf die Art des Verhaltens der Klägerin und ihre Motive für die steuerrechtliche Beurteilung der Schadensersatzleistung nicht an.

17

II.

Prozeßkosten

18

Die Aufwendungen für die Rechtsanwälte sind ebenfalls nicht abziehbar, denn die Entrichtung der Honorare stand mit der Schadensersatzforderung in Zusammenhang. Das FA hat deshalb zutreffend die Rechtsanwaltskosten nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV behandelt. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es darauf an, wie die Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, einkommensteuerrechtlich zu qualifizieren sind, denn Prozeßkosten teilen als Folgekosten das rechtliche Schicksal der Aufwendungen, um die gestritten wurde (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314; vom 24. März 1987 IX R 31/84, BFHE 149, 552, BStBl II 1987, 695, sowie vom 31. März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 21 Anm. 100, Stichwort "Prozeßkosten", Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 264, Stichwort "Prozeßkosten").

19

Die von der Klägerin im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgelegten Rechnungen der Rechtsanwälte Dr. vom. November 1989 über 3.660,54 DM und Dr. vom. Oktober 1990 über 6.134,80 DM betrafen die Verfahren vor dem Landgericht A Aktenzeichen und vor dem OLG O Aktenzeichen. Diese Prozesse hatten die Schadensersatzforderung des geschiedenen Ehemannes zum Gegenstand. Die Prozeßkosten sind folglich ebenso zu behandeln wie Schadensersatzleistungen. Diese indes können nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

20

III.

Abziehbarkeit der Gerichtskosten und Porti

21

Die Klägerin hat neben dem Schadensersatzprozeß auch ein gerichtliches Verfahren über die Wirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses geführt und Mietzinsansprüche durchsetzen wollen (Landgericht A und OLG O). Aufwendungen für diese Verfahren sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abziehbar und vom FA in den Vorjahren entsprechend anerkannt worden. Da die Beträge von 314,20 DM (Gerichtskosten) und 48,30 DM (Porti) - anders als die Rechtsanwaltshonorare - nicht eindeutig dem Schadensersatzprozeß zugeordnet werden können, geht der Senatzugunsten der Klägerin davon aus, daß diese Aufwendungen noch im Zusammenhang mit dem Mietprozeß gestanden haben und deshalb als Werbungskosten abzuziehen sind. Die Steuerfestsetzung für 1990 ändert sich damit wie folgt:

zu versteuerndes Einkommen bisher53.106,00 DM
abzüglich weiterer Werbungskosten363,00 DM
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil52.743,00 DM
festzusetzende Einkommensteuer (Grundtabelle)11.969,00 DM.
22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.