Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.06.2002, Az.: 8 ME 77/02
Außerkrafttreten; Bodenaushub; Bodennutzung; Einbringen; Entschädigungsregelung; Landschaftsschutzgebiet; Landschaftsschutzgebietsverordnung; landwirtschaftliche; Nutzungsbeschränkungen; Privilegierung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.06.2002
- Aktenzeichen
- 8 ME 77/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43461
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 03.03.2002 - AZ: 1 B 1552/02
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 BNatSchG
- § 15 Abs 2 BNatSchG
- § 1 Abs 3 NatSchG ND
- § 26 Abs 3 NatSchG ND
- § 50 NatSchG ND
- § 63 NatSchG ND
- § 54 GefAG ND
- § 61 GefAG ND
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt sich die Prüfung in Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Gründe, die der Beschwerdeführer dargelegt hat. Die Einwände, die der Antragsteller gegen den erstinstanzlichen Beschluss erhoben hat, sind indessen nicht geeignet, die Richtigkeit dieses Beschlusses ernstlich in Zweifel zu ziehen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Begründung abgelehnt, dass der angefochtene Bescheid, durch den dem Antragsteller aufgegeben worden ist, den aufgebrachten Bodenaushub abzutragen und abzufahren, offensichtlich rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 63 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes - NNatSchG - lägen vor, weil das Aufbringen des Bodens gegen die Landschaftsschutzverordnung für das " Langholter Meer" und das " Rhauder Meer" - VO - vom 4. November 1966 verstoße, die nach wie vor gültig sei.
Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Verordnung nach § 61 Satz 2 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes - NGefAG - außer Kraft getreten sei. Diese Bestimmung, der zufolge Verordnungen spätestens 20 Jahre nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft treten, findet nach § 54 NGefAG nur auf Verordnungen Anwendung, die nach § 55 NGefAG zur Abwehr abstrakter Gefahren erlassen worden sind. Die Landschaftsschutzverordnung vom 4. November 1966 beruht indessen nicht auf dieser Bestimmung, weil sie aufgrund der §§ 5, 17 und 19 des Reichsnaturschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 in der Fassung vom 20. Januar 1938 (Nds. GVBl. Sb. II S. 908) und der §§ 11, 13 und 17 der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 31. Oktober 1935 in der Fassung vom 16. September 1938 (Nds. GVBl. Sb. II S. 911) erlassen worden ist. Daher ist die Landschaftsschutzverordnung nicht nach § 61 Satz 2 NGefAG außer Kraft getreten (vgl. Blum/Agena/Franke, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Komm., § 71 Rn. 7; Louis, Bundesnaturschutzgesetz, Komm., § 12 Rn. 4). Dagegen kann der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, dass Teile der Verordnung nur aufgrund des § 55 NGefAG hätten erlassen werden können, weil sie von der Ermächtigungsgrundlage des § 26 NNatSchG nicht gedeckt seien. Dieser Einwand geht schon deshalb fehl, weil der Antragsgegner die Verordnung nicht aufgrund des § 26 NNatSchG erlassen hat; auf diese Bestimmung hat er lediglich die Änderungsverordnung vom 11. November 2001 gestützt, durch die die Verordnung hinsichtlich einiger Flächen aufgehoben worden ist. Abgesehen davon ist die Annahme des Antragstellers unzutreffend, dass eine landschaftsschutzrechtliche Verordnung, die nur teilweise mit § 26 NNatSchG zu vereinbaren ist, nach § 61 Satz 2 NGefAG ganz oder teilweise außer Kraft trete.
Der Antragsteller geht ferner zu Unrecht davon aus, dass die Verordnung unwirksam sei, weil sie keine Entschädigungsregelung enthält. Er übersieht, dass Landschaftsschutzverordnungen keine derartigen Regelungen aufweisen müssen, weil die §§ 50, 51 NNatSchG die Entschädigung für Nutzungsbeschränkungen, die auf Bestimmungen einer Landschaftsschutzverordnung beruhen, umfassend regeln (vgl. Louis, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Komm., Einf. §§ 24 - 34 Rn. 15). Diese Vorschriften finden auf Verordnungen, die aufgrund des Reichsnaturschutzgesetzes erlassen worden sind, sinngemäß Anwendung (vgl. Louis, Bundesnaturschutzgesetz, § 12 Rn. 4).
Entgegen der Annahme des Antragstellers ist auch § 5 Buchst. i VO nicht wegen fehlender Bestimmtheit zu beanstanden. § 5 Buchst. i VO, dem zufolge die Entnahme und das Einbringen von Bodenbestandteilen der vorherigen Erlaubnis des Antragsgegners bedarf, ist nämlich inhaltlich hinreichend bestimmt, da sein Inhalt durch Auslegung zweifelsfrei ermittelt werden kann und die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm deren rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit nicht entfallen lässt (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 8.3.1983 - 2 BvL 27/81 - BVerfGE 63, 312 (324)).
Der Antragsteller kann des Weiteren nicht mit Erfolg geltend machen, dass er keine Bodenbestandteile im Sinne des § 5 Buchst. i VO eingebracht habe, weil der Boden von ihm nur aufgebracht und nicht untergepflügt worden sei. Der Antragsteller übersieht bei diesem Einwand, dass der Tatbestand des § 5 Buchst. i VO schon dann erfüllt ist, wenn Bodenbestandteile in das Landschaftsschutzgebiet verbracht werden. § 5 Buchst. i) VO unterwirft nicht das Einarbeiten, sondern das Einbringen von Bodenbestandteilen, d. h. ihr Verbringen in das Landschaftsschutzgebiet, der Erlaubnispflicht. Daher geht der Antragsteller zu Unrecht davon aus, dass die von ihm durchgeführte Maßnahme nicht erlaubnispflichtig sei.
Der Antragsteller kann außerdem nicht mit Erfolg einwenden, dass diese Maßnahme eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen darstelle, die nach § 7 Buchst. b) VO keiner Beschränkung unterliege. Die Privilegierung der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung in Landschaftsschutzgebieten, die die §§ 1 Abs. 3, 15 Abs. 2 BNatSchG, 1 Abs. 3, 26 Abs. 2 NNatSchG vorsehen, erstreckt sich ausschließlich auf die "tägliche Wirtschaftsweise" eines Landwirts und erfasst Veränderungen, die dazu dienen, eine landwirtschaftliche Nutzung auf einer unter Landschaftsschutz stehenden Fläche zu ermöglichen, zu erleichtern oder ertragreicher zu gestalten, grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.4.1983 - 4 C 76.80 - NuR 1983, S. 272; Beschl. v. 14.4.1988 - 4 B 55.88 - NuR 1989, S. 342 [BVerwG 12.01.1988 - BVerwG 7 B 55.87], m.w.N.; Senatsbeschl. v. 7.6.2002 - 8 LA 71/02 - und v. 28.12.2001 - 8 LA 3338/01 -; OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.1985 - 3 A 41/84 - NuR 1986, S. 178; Blum/Agena/Franke, § 7 Rn. 21, 27). Für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen im Sinne des § 7 Buchst. b) VO gilt nichts anderes, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Privilegierung der landwirtschaftlichen Bodennutzung durch diese Bestimmung weiter reichen soll. Die vom Antragsteller durchgeführte Bodenablagerung stellt indessen keine "tägliche Wirtschaftsweise" eines Landwirts dar. Außerdem dient sie ersichtlich dazu, die wirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstücks zu verbessern. Daher ist der Einwand des Antragstellers, dass die von ihm durchgeführte Maßnahme durch § 7 Buchst. b) VO privilegiert werde, unzutreffend.
Schließlich ist auch die Annahme des Antragstellers verfehlt, dass die angefochtene Verfügung zu "pauschal" sei. Der Bescheid, den der Antragsgegner erlassen hat, erweist sich vielmehr als inhaltlich hinreichend bestimmt und genügt daher den Maßgaben des § 37 Abs. 1 VwVfG.