Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.06.2002, Az.: 1 LA 1134/01

Baugebühr; Befreiung; Gebührenbefreiung; Kirche; kirchliche Stiftung; Stiftung; öffentlich-rechtliche Stiftung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.06.2002
Aktenzeichen
1 LA 1134/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43919
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.01.2001 - AZ: 4 A 3188/00

Gründe

1

Die Klägerin, eine Stiftung der evangelischen Landeskirche Niedersachsen, meint, wegen § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG eine Baugebühr von 200,-- DM nicht zahlen zu müssen, welche die Beklagte für die Erteilung einer Befreiung von den festgesetzten Gebäudehöhen im Rahmen des Umbaus eines von der Klägerin betriebenen Krankenhauses festgesetzt hatte. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlichen aus folgenden Gründen abgewiesen: Schon der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG belege, dass nur öffentlich-rechtliche Stiftungen Anspruch auf Gebührenbefreiung hätten; dazu zähle die Klägerin nicht. Dasselbe Ergebnis folge aus der Gesetzesgeschichte. Mit der Vorschrift habe lediglich Art. 15 des Loccumer Vertrages vom 19. März 1955 (s. Anlage zum G. v. 18.4.1955, GVBl. S. 159) Rechnung getragen werden sollen.

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Dagegen richtet sich der rechtzeitig gestellte, auf § 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag. Dieser hat keinen Erfolg.

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Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind erst dann gegeben, wenn das Zulassungsantragsvorbringen Fragen aufwirft, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen (Senatsbeschluss v. 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44). Das ist hier nicht der Fall.

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Keiner eingehenderen Darlegung bedarf zunächst, dass die Klägerin nicht als "Kirche" im Sinne der zitierten Ausnahmevorschrift anzusehen ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Ausschuss für Haushalt und Finanzen (LT-Drs. IV/812) - wie der übereinstimmende Wortlaut belegt - § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG mit dem Ziel in den Regierungsentwurf für das Verwaltungskostengesetz (LT-Drs. IV/222) eingefügt hat, Art. 15 des Loccumer Vertrages Rechnung zu tragen. Dieser differenziert, wie namentlich Art. 12 und 18 zeigen, deutlich zwischen der "Kirche" einerseits und ihren Verbänden, Anstalten und Stiftungen andererseits. Als "Kirchen" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG sind daher nur die Körperschaften öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 5 WRV anzusehen. Dazu zählt die Klägerin ersichtlich nicht. In welcher Weise sie - wie sie auf Seite 3 ihres Zulassungsantrages darzulegen versucht - in die Organisation eingegliedert ist, welche die evangelische Landeskirche Niedersachsen errichtet hat, ist demgegenüber ohne rechtlichen Belang.

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Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren zutreffend schon dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG entnommen, dass nur solche kirchlichen Verbände, Anstalten und Stiftungen Anspruch auf Gebührenbefreiung haben, welche öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Denn es entspricht allgemeinem juristischen Sprachgebrauch, ein adjektivisches Attribut "vor die Klammer" zu ziehen und damit auf alle nachfolgenden Substantive zu beziehen. Hätte der Landesgesetzgeber die Gebührenfreiheit wirklich nur im Hinblick auf kirchliche Verbände, nicht aber auch im Hinblick auf kirchliche Anstalten und Stiftungen auf öffentlich-rechtlich organisierte beschränken wollen, hätte er formuliert, Amtshandlungen sollten gebührenfrei bleiben, wenn zu ihnen - außer Kirchen - Anlass gegeben haben ihre Verbände, soweit sie öffentlich-rechtlich organisiert sind, sowie ihre Anstalten und Stiftungen. So ist diese Vorschrift indes nicht formuliert.

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Es gibt im Übrigen auch keinen einleuchtenden Grund, wie von der Klägerin favorisiert, kirchliche Verbände nur dann gebührenrechtlich zu privilegieren, wenn sie öffentlich-rechtlich sind, hingegen kirchliche Anstalten und Stiftungen unabhängig von ihrer Organisationsform gebührenrechtlich zu bevorzugen. Die in der Zulassungsantragsschrift angebotene Erklärung, die Nähe zur Kirche sei bei Anstalten und Stiftungen im Gegensatz zu Verbänden besonders stark ausgeprägt, überzeugt nicht. Eine solche Differenzierung wird auch durch den Sinn der Gebührenbefreiungsvorschrift nicht getragen. Dieser besteht

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- ebenso wie dies bei § 4 Abs. 2 lit. b NKAG der Fall ist (vgl. dazu OVG Lüneburg, U. v. 27.4.1994 - 9 L 4357/92 -, OVGE 44, 495) - nicht darin, jedwede Tätigkeit der Kirchen gebührenrechtlich zu privilegieren. Das war nicht einmal in der Fassung des NVwKostG beabsichtigt gewesen, welche der Regierungsentwurf (LT-Drs. IV/222) vorgeschlagen hatte. Danach sollten nicht schlechthin solche Amtshandlungen gebührenfrei bleiben, welche in Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben veranlasst worden waren, sondern nur solche, welche dazu von einer "anderen Behörde" veranlasst worden waren.

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Auch die Gesetzesgeschichte belegt, dass ein einleuchtender Grund, nur hinsichtlich kirchlicher Verbände die Gebührenfreiheit an den öffentlich-rechtlichen Status zu knüpfen, hinsichtlich der Anstalten und Stiftungen auf dieses Zusatzerfordernis indes zu verzichten, nicht existiert. Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen hat diesen Gebührenbefreiungstatbestand aus den Gründen § 2 Abs. 1 NVwKostG angefügt, welche der Regierungsentwurf (LT-Drs. IV/222, S. 1074 f.) für die Schaffung der Nr. 2 dieser Vorschrift angeführt hatte. Danach sollte mit der Gebührenbefreiung nicht nur verhindert werden, dass Gläubiger und Schuldner derselben Landeskasse angehören und durch eine Gebührenzahlung daher nur eine Umschichtung innerhalb ein und derselben Kasse stattfindet. Vielmehr sollte auch dann keine Gebühr geschuldet sein, wenn die Gebühren durch eine Tätigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts entstanden und ein Dritter, in dessen Interesse die Amtshandlung getätigt wurde, nicht existierte. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist die Kirche ebenso wie ihre Verbände, Stiftungen und Anstalten aber nicht schlechthin tätig. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihre Tätigkeit nur dann und insoweit dem öffentlichen Recht zugeordnet, wenn sie (zwar keine staatliche, wohl aber) deshalb öffentliche Gewalt ausübt, weil sie als Körperschaft handelt, die wegen Art. 137 Abs. 5 WRV iVm Art. 140 GG dem öffentlichen Recht angehört (vgl. dazu insbesondere BVerwG, U. v. 7.10.1983 - 7 C 44.81 -, BVerwGE 68, 62 = NVwZ 1984, 306 = DVBl. 1084, 186). Dementsprechend entspricht es dem Sinn der Gebührenbefreiungsvorschrift des § 2 Abs. 1 NVwKostG, nur solche Amtshandlungen für gebührenfrei anzusehen, die von kirchlichen Verbänden, Anstalten und Stiftungen veranlasst worden sind, welche öffentlich-rechtlich sind.

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Die von der Klägerin entgegen dem Wortlaut für richtig gehaltene Differenzierung zwischen kirchlichen Verbänden einerseits und kirchlichen Anstalten und Stiftungen andererseits wird auch durch den Loccumer Vertrag nicht nahe gelegt. Dieser differenziert zwar u.a. in seinem Art. 11 zwischen öffentlich-rechtlichen Verbänden und kirchlichen Anstalten und Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das geschieht indes nur im Hinblick auf das Maß, in dem der Staat bei diesen soll Einfluss nehmen dürfen. Dementsprechend wird als maßgebliches Differenzierungsmerkmal darauf abgestellt, ob/dass Anstalten und Stiftungen eigene Rechtspersönlichkeit haben. In Art. 18 des Loccumer Vertrages wird dann beispielsweise - ebenso wie in Art. 15 - nicht mehr zwischen diesen drei Arten kirchlichen Handelns differenziert, sondern alle drei Arten unterkirchlicher Betätigung in einem Atemzug genannt, soweit sie - insgesamt - öffentlich-rechtlicher Natur seien.

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Für eine vollständige Freistellung von der Gebührenpflicht für jedwede Handlung, welche "im Zusammenhang" mit der Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben veranlasst worden ist, bietet § 2 Abs. 1 Nr. 3 NVwKostG schon seinem Wortlaut nach keine Grundlage. Dafür besteht auch angesichts Art. 140 GG iVm Art. 138 Abs. 1 WRV kein sachlicher Anlass (vgl. BVerwG, B. v. 10.6.1977 - VII B 153.75 -, Buchholz 401.8 Nr. 5).

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Fragen grundsätzlicher Bedeutsamkeit stellen sich nach den vorstehenden Ausführungen nicht. Entgegen dem Eindruck, den die Zulassungsantragsschrift zu erwecken versucht, entspricht es auch keineswegs allgemeiner Verwaltungspraxis, nachgerade jedwede Verwaltungstätigkeit, welche Kirchen veranlasst haben, gebührenfrei bleiben zu lassen. Das hat das Nds. Oberverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen bereits ausgesprochen (vgl. z.B. U. v. 27.4.1994 - 9 L 4357/92 -, OVGE 44, 495 zu § 4 Abs. 2 lit. b NKAG; B. v. 12.6.1996 - 8 O 7472/96 -, ZevKR 45, 427 zu § 2 Abs. 3 S. 1 GKG; U. v. 14.9.1993

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- 1 L 334/91 -, OVGE 44, 357 zur Gebührenschuld des Allgemeinen {C.} Klosterfonds im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG) . Es ist nicht ersichtlich, welchen Beitrag zu einheitlicher Rechtsanwendung oder Rechtsfortbildung ein Berufungsverfahren über die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung hinaus sollte leisten können.