Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.06.2002, Az.: 18 L 4453/00

Abweichung; Begründung; Bewerber; Geschlechterproporz; Mindestzahl; Personalrat; Personalratswahl; Personalvertretung; Wahl; Wahlverfahren; Wahlvorschlag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.06.2002
Aktenzeichen
18 L 4453/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Wahlvorschlag, der die vorgeschriebene Mindestzahl von Bewerberinnen und Bewerbern - hier einen männlichen Kandidaten - nicht enthält, muss die dafür maßgeblichen Gründe schriftlich darlegen

Gründe

II.

1

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben und die Personalratswahl für unwirksam erklärt. Der Senat folgt der Begründung des angefochtenen Beschlusses und verweist darauf gemäß § 83 Abs. 2 NPersVG i.V.m. §§ 91 Abs. 2 ArbGG, 543 ZPO. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Unter Berücksichtigung der Erwiderung der Antragsteller gibt es lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

2

Auszugehen ist davon, dass der Wahlvorschlag 1 ohne einen männlichen Kandidaten die nach § 17 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgeschriebene Mindestzahl von Bewerberinnen und Bewerbern nicht enthalten hat. Die Behandlung dieses Wahlvorschlages durch den Wahlvorstand verstieß - über die Auffassung des Verwaltungsgerichts hinaus - in mehrfacher Hinsicht gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens. Da der Wahlvorschlag eine schriftliche Begründung für die Abweichung nicht enthalten hat, hätte der Wahlvorstand nach § 12 Abs. 5 Satz 1 WO diesen mit der Aufforderung zurückgeben müssen, den Wahlvorschlag innerhalb einer Frist von drei Arbeitstagen zu ergänzen. Wie sich aus der Wahlordnung im Weiteren ergibt, ist damit zunächst nicht die Ergänzung um eine schriftliche Begründung, sondern die Ergänzung um einen (hier: männlichen) Bewerber gemeint, um die nach § 17 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgeschriebene Mindestzahl von Bewerbern zu erreichen. Der Wahlvorstand hätte die Vorschlagenden ferner darauf hinweisen müssen, dass sie, sofern dies aus Sicht der Vorschlagenden nicht möglich sein sollte, die dafür maßgebenden Gründen schriftlich darzulegen haben. Beides ist hier nicht geschehen. Die lediglich telefonische Befragung einer der Vorschlagenden und die Anfertigung einer Aktennotiz, die im Übrigen nicht einmal abgezeichnet ist, reicht in keiner Weise aus, um der Wahlvorschrift genüge zu leisten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine gemeinsame schriftliche Begründung aller Vorschlagenden innerhalb der Frist von drei Arbeitstagen hätte vorgelegt werden müssen. Berücksichtigt man ferner, dass auch das nach der Neufassung der WO nur noch geforderte "schriftliche Begründen" für das Abweichen nicht einen Verzicht auf jegliche inhaltliche Anforderungen an die Begründung bedeutet (Fricke u.a., NPersVG, 1995, § 17 Rdn. 5 und 6; Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 17 Rdn. 14; and. A. Bieler, NPersVG, 10. Aufl., § 17 Rdn. 5), so war allein dieser Verstoß gegen Wahlvorschriften geeignet, das Wahlergebnis zu ändern oder zu beeinflussen (§ 21 NPersVG). Die Pflicht, eine Abweichung gegenüber den Wählern - immerhin schriftlich - zu begründen, soll insbesondere der Selbstkontrolle der Vorschlagenden dienen und die Vorschlagenden dazu bringen, dass sie sich ihr Verhalten genau überlegen und sich über seine Rechtfertigung schlüssig werden, und zwar nicht nur gegenüber dem Wahlvorstand, sondern gegenüber der gesamten Wählerschaft (Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO, Rdn. 14). Dies hat der Wahlvorstand durch seine Verfahrensweise unterlaufen. Dass darüber hinaus das Fehlen der Veröffentlichung einer Begründung der Abweichung zu einer Beeinflussung des Wählerverhaltens geführt haben kann, ergibt sich unschwer aus diesen Überlegungen. Dies hat das Verwaltungsgericht auch im Einzelnen dargelegt, worauf der Senat Bezug nimmt.

3

Schließlich ist entgegen der Auffassung des Beteiligten mit dem VG auch davon auszugehen, dass die festgestellten Verstöße auch solche gegen wesentliche Wahlvorschriften waren; denn als wesentlich sind alle zwingenden Vorschriften über das Wahlverfahren anzusehen (Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO., § 21 Rdnr. 14 m.w.N.). Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind die Muss-, im Gegensatz zu den Sollvorschriften (Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO. m.w.N.). Bei § 12 Abs. 5 Satz 1 WO handelt es sich aber nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift. Deren Wesentlichkeit ergibt sich im Übrigen aus der Sanktion, die § 12 Abs. 5 WO vorsieht, sofern die Vorschlagenden der Aufforderung nicht oder nicht fristgerecht nachkommen. Dann ist der entsprechende Wahlvorschlag nämlich - insgesamt - ungültig.

4

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.