Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.06.2002, Az.: 4 LB 80/02
Akzeptanz-Stelle; Asyl; Asylbewerber; Ausländer; Auswahl; Bedarf; Chipkarte; Chipkarten-Lesegerät; Ermessen; Lebensmittelhändler; Leistung; Richtlinie; Sachleistung; Selbstbindung; Sozialhilfe; Versorgung; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.06.2002
- Aktenzeichen
- 4 LB 80/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43963
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 22.11.2001 - AZ: 4 A 102/00
- nachfolgend
- BVerwG - 03.06.2003 - AZ: BVerwG 5 C 50.02
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylbLG
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 20 GG
- Art 28 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Lebensmittelhändler hat gegen den Leistungsträger nach dem AsylbLG einen Anspruch darauf, dass dieser über seinen Antrag, ihn in das Sachleistungssystem des § 3 AsylbLG einzubeziehen und in seinem Geschäft eine sogenannte Akzeptanzstelle mit Chipkartenlesegrät einzurichten, damit er seine Waren auch an nach § 3 AsylbLG Leistungsberechtigte verkaufen kann, ohne Ermessensfehler zu entscheiden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Einbeziehung seines Lebensmittelgeschäftes in das Chipkartensystem, mit dem die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Erbringung von Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nachkommt.
Die Beklagte, die bis dahin Wertgutscheine an die nach §§ 1, 3 ff. AsylbLG Leistungsberechtigten ausgegeben hatte, beauftragte durch Vertrag vom 15. Juni 2000 die Firma „H. Abrechnungssysteme“, „für die Leistungsberechtigten das auf Chipkarten basierende H. Dienstleistungssystem ... zu betreiben“ (Ziff. 1 des Vertrages). Dabei werden ausgewählte Geschäfte, sogenannte Akzeptanzstellen, mit speziellen Lesegeräten ausgestattet, mittels derer von den Chipkarten, die an die Leistungsberechtigten ausgegeben werden, die für die erstandenen Waren zu entrichtenden Entgelte von den Guthabenkonten der Leistungsberechtigten abgebucht werden.
Der Vertrag regelt unter der Ziffer 2.5, dass eine aktuelle Liste aller Akzeptanzstellen als Anlage zum Vertrag genommen und als dessen Bestandteil anerkannt wird, dass der Auftraggeber bei Änderungen und Ergänzungen der Liste unverzüglich jeweils eine aktuelle Fassung erhält und dass dem Vertrag eine Anzahl von ca. 14 Akzeptanzstellen zugrunde liegt. Nach Ziffer 2.10 des Vertrages vergütet der Auftraggeber umsatzorientiert und gestaffelt nach den Monatsumsätzen der H. die Inanspruchnahme des Systems und ist der Gesamtumsatz in den monatlich zu erstellenden Abrechnungen gesondert auszuweisen.
In den Monaten April und Mai 1999 wählte die Beklagte die in das System einzubeziehenden Geschäfte in ihrem Stadtgebiet aus und warb diese als Akzeptanzstellen. Die Auswahlentscheidung traf die Beklagte danach, wie die Geschäfte zu bestehenden bzw. noch möglichen Wohnheimstandorten, zu den von Leistungsberechtigten bewohnten Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt und zu den Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs gelegen waren sowie nach den allgemeinen Öffnungszeiten der Geschäfte und der Breite ihres Warensortiments.
Mit den einzelnen an das Chipkartensystem angeschlossenen Geschäften schloss die Firma H. Verträge zur Regelung der Abrechnungsmodalitäten.
Die Beklagte berücksichtigte das Lebensmittelgeschäft des Klägers, das sich bis zum 31. August 2000 in der I. straße befand und nachfolgend in die C. Straße verlegt wurde, bei der Auswahl der Akzeptanzstellen nicht.
Auf den – sich nicht in dem von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang befindenden, wohl im Juni 1999 gestellten - Antrag des Klägers, sein Geschäft an das Chipkartensystem anzuschließen, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 24. September 1999 mit, es bestehe über die bereits geworbenen Akzeptanzstellen hinaus kein weiterer Bedarf. Unter dem 3. November 1999 wiederholte der Kläger seinen Antrag und trug vor: Durch die Umstellung auf das Chipkartensystem habe er die Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Kunden verloren und erhebliche Umsatzverluste erlitten. Außerdem sei es den Leistungsberechtigten muslimischen Glaubens nicht möglich, in den angeschlossenen Geschäften Fleischprodukte von Tieren zu erwerben, die nach dem im Islam vorgeschriebenen religiösen Ritus geschlachtet und gesäubert worden seien. Der Kläger übersandte der Beklagten im November 1999 neun von Leistungsberechtigten unterschriebene Erklärungen entsprechenden Inhalts und legte zur Erläuterung der religiösen Vorschriften eine Darstellung des „Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland“ vor. Unter dem 6. Dezember 1999 wies der Kläger ergänzend darauf hin, dass mit dem J. ein Geschäft nachträglich in das Chipkartensystem aufgenommen worden sei.
Die Beklagte antwortete unter dem 14. und 29. Februar 2000: Es bestehe kein Bedarf an der Einrichtung weiterer Akzeptanzstellen. Als Auftraggeber des H. Chipkartensystems treffe sie die Entscheidung über die notwendige Anzahl an Akzeptanzstellen eigenverantwortlich. Die Zahl der Leistungsberechtigten sei seit Juli 1999 um ca. 24 % rückläufig. Seit Juni 2000 würden in einer Vielzahl von Fällen Barleistungen analog dem BSHG erbracht, so dass eine flächendeckende Versorgung der verbleibenden Leistungsberechtigten durch die bestehenden Akzeptanzstellen gewährleistet sei. Für den Fall eines steigenden Bedarfs an weiteren Akzeptanzstellen werde der Kläger unaufgefordert benachrichtigt.
Der Kläger hat am 11. Oktober 2001 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Klage sei sowohl als allgemeine Leistungs- als auch als Verpflichtungsklage – in Form der Untätigkeitsklage - zulässig. Die Weigerung der Beklagten, sein Geschäft an das H. Chipkartensystem anzuschließen, verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 14 und Art. 3 Grundgesetz. Gegenüber anderen Lebensmittelgeschäften werde er wirtschaftlich benachteiligt. Die neun vorgelegten Erklärungen von Leistungsberechtigten belegten einen Bedarf, sein, des Klägers, Geschäft in das Chipkartensystem aufzunehmen. Die nachträgliche Berücksichtigung des J. zeige, dass es nicht unwirtschaftlich sei, weitere Akzeptanzstellen einzurichten. Auch habe die Beklagte ihm die Teilnahme am Chipkartensystem mündlich für den Fall zugesagt, dass er sein Geschäft ganztägig öffne; dies habe er dann getan. Er sei außerdem stets bereit gewesen, die Installationskosten für das H. System zu übernehmen.
Die Beklagte hat erwidert: Der mögliche Anspruch des Klägers auf Einrichtung einer Akzeptanzstelle sei schon nicht dem öffentlichen Recht zuzurechnen. Denn die Teilnahme am H. Chipkartensystem werde nicht von ihr, der Beklagten, verbindlich festgelegt. Ausschließlich zuständig für die Anwerbung der Geschäfte und Installation der Akzeptanzstellen sei die Firma H., während ihr, der Beklagten, lediglich ein Vorschlagsrecht zustehe. In der Sache sei darauf hinzuweisen, dass wegen des sinkenden Umsatzes ein Bedarf an zusätzlichen Akzeptanzstellen nicht bestehe. Seit der Einführung des H. Chipkartensystems im Juli 1999 (bei 307 Chipkarten) sei der Umsatz von 146.211,- DM auf 54.917,- DM im Februar 2001 (bei 122 Chipkarten) zurückgegangen. Aus diesem Grund sei zum Februar 2001 zwei Akzeptanzstellen gekündigt worden, ohne dass die flächendeckende Versorgung gefährdet sei. Der J. nehme seit der Einführung des H. Chipkartensystems als Akzeptanzstelle am Verfahren teil. Die Zahl der Akzeptanzstellen habe aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des systembezogenen Aufwandes auf 15 begrenzt werden müssen. Zum Zeitpunkt der Festlegung der Akzeptanzstellen sei das Geschäft des Klägers zum einen noch nicht bzw. erst kurzfristig am Markt gewesen und zum anderen zunächst nur stundenweise geöffnet und bei Krankheit für längere Zeiträume geschlossen gewesen. Da außerdem die Wohnheime M. straße und I. ring hätten geschlossen werden sollen, habe man bewusst von der Einrichtung einer Akzeptanzstelle im Bereich des Hauptbahnhofes abgesehen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2001 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Der Verwaltungsrechtsweg sei gem. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Durch die Einrichtung der Akzeptanzstellen werde die Umsetzung des in § 3 Abs. 1 AsylbLG vorgeschriebenen Sachleistungsprinzips sichergestellt und damit eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen, so dass es zur Rechtswegbestimmung nicht auf den Vertrag der Beklagten mit der Firma H. ankomme. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers könne sich nur gegen die Beklagte richten, so dass diese passivlegitimiert sei. Die Beklagte sei gem. § 10 AsylbLG für die Bedarfsdeckung der Asylbewerber zuständig und habe sich dieser öffentlich-rechtlichen Pflichtaufgabe auch nicht durch Beauftragung Firma H. mit der Umsetzung entledigen können. Die Beklagte dürfe sich aufgrund der Zuständigkeitszuweisung auch nicht aus der Verantwortung für die Einhaltung der von ihr vorgegeben Vergabekriterien zurückziehen, da zumindest in den Fällen, in denen ein nicht berücksichtigter Bewerber sich gegen die Auswahlentscheidung wehre, die Entscheidungskompetenz bei der Beklagten verbleiben müsse.
Es könne offen bleiben, ob mit der Klage der Erlass eines Verwaltungsaktes oder eine schlichte Leistung begehrt werde, da die Klage in beiden Fällen zulässig sei. Denn soweit es sich um ein Verpflichtungsbegehren handele, sei in den abschlägigen Entscheidungen der Beklagten jeweils ein Verwaltungsakt ohne Rechtsmittelbelehrung zu sehen, gegen die der Kläger mit seinen Antwortschreiben jeweils Widerspruch eingelegt habe. Da ein formeller Widerspruchsbescheid nicht ergangen sei, sei die Klage als Untätigkeitsklage zulässig. Ebenso sei eine Leistungsklage zulässig.
Die Klage sei jedoch unbegründet. Denn die Beklagte habe durch ihre Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Einrichtung einer Akzeptanzstelle nicht die von ihr aufgestellten Vergaberichtlinien verletzt. Zwar sei die Verwaltung im Falle einer Selbstbindung an den Gleichheitsgrundsatz gebunden, so dass hieraus ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung erwachse. Dieser sei hier jedoch nicht verletzt. Die Vergaberichtlinien der Beklagten seien sachgerecht, insbesondere entsprächen sie den Vorgaben des § 3 Abs. 1 AsylbLG, und die Beklagte habe sich bei der Vergabe ermessensfehlerfrei daran orientiert. Auch habe sie weitere sachgerechte Gesichtspunkte, wie z.B. die Größe des Geschäfts und den Umfang des Warenangebotes, berücksichtigt.
Das Geschäft des Klägers sei nicht willkürlich unberücksichtigt geblieben, da es zum Zeitpunkt der Verteilung der Akzeptanzstellen nur 50 qm groß und nicht ganztägig geöffnet gewesen sei und in der I. straße gelegen habe. Auch die – streitig gebliebene – Frage, ob der L. als kleinerer Anbieter nachträglich in den Kreis der Akzeptanzstellen aufgenommen worden sei, begründe keinen Anspruch des Klägers auf Aufnahme in das H. System. Denn zum einen sei die Aufnahme des J. aufgrund des Ausscheidens der O. als Akzeptanzstelle relativ bald nach dem Vertragsschluss mit der Firma H. erfolgt und zum anderen habe sich der J. zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum Geschäft des Klägers schon länger mit einer größeren Verkaufsfläche und mit einem umfangreicheren Warenangebot am Markt befunden. Die Verringerung der Anzahl an Leistungsberechtigten und der damit einhergehende Umsatzrückgang in den Akzeptanzstellen, der zu zwei Schließungen und drei weiteren Kündigungen geführt habe, stellten solche sachlichen Gründe dar. Insbesondere die Begrenzung der Anzahl von Akzeptanzstellen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei im Hinblick auf die sparsame Verwendung öffentlicher Mitteln als sachlicher Grund zu bewerten. Die Gefahr des Missbrauchs sei der Grund für eine beschränkte Zulassung, da eine wirkungsvolle Kontrolle mit einem verhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nur bei einer kleinen Anzahl von Akzeptanzstellen gewährleistet sei.
Der Einwand des Klägers, alleiniger Anbieter von Fleisch von Tieren zu sein, das nach dem mohammedanischen Reinheitsgebot geschlachtet worden sei, begründe kein anderes Ergebnis.
Selbst wenn gläubige Mohammedaner gegenüber der Beklagten glaubhaft versicherten, für sie komme ausschließlich der Verzehr solchen Fleisches in Betracht, könne die Beklagte durch Ausgabe von Wertgutscheinen den Fleischeinkauf beim Kläger ermöglichen, ohne dass es hierfür der Einrichtung einer Akzeptanzstelle bedürfe.
Der Umfang der Umsatzeinbußen des Klägers in einer Größenordnung von ca. 30 % seit Einführung des Chipkarten-Systems bedeute weder eine Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsfreiheit im Sinne von Art. 12 GG noch eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung seiner Berufsausübung.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der von dem Senat mit Beschluss vom 19. Februar 2002 - 4 LA 17/02 – wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassenen Berufung.
Zur Begründung macht er geltend:
Der von der Beklagten behauptet Kostenaufwand sei angesichts der vertraglichen Vereinbarungen mit der Firma H. nicht nachzuvollziehen. Sein, des Klägers, Geschäft erfülle jedenfalls nach der Verlagerung in die C. Straße die Vergaberichtlinien. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der größte Teil der Asylbewerber in Osnabrück aus moslemischen Staaten komme. Die Beklagte habe auch keine Beweise dafür vorgelegt, dass der J. nicht erst nachträglich als Akzeptanzstelle zugelassen worden sei. Ebenso sei über die ihm, dem Kläger, gegebene mündliche Zusage der Beklagten zur Einrichtung einer Akzeptanzstelle nicht Beweis erhoben worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtes aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, in seinem Lebensmittelgeschäft eine Akzeptanzstelle einzurichten und ihm dadurch den Anschluss an das H. Chipkartensystem zu ermöglichen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor:
Dem Kläger sei keine Zusage erteilt worden, insbesondere – worauf es ankomme - keine schriftliche. Der J. sei bereits bei Einführung des Chipkartensystems ausgewählt gewesen, auch wenn die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme erst im August 1999 geschaffen worden seien. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen habe die Zahl der Akzeptanzstellen begrenzt und sogar reduziert werden müssen. Im Februar 2002 sei die Anzahl der ausgegebenen Chipkarten auf 73 zurückgegangen. Die Zahl der Akzeptanzstellen sei zum 01. März 2002 auf 10 reduziert worden. Es entstünden ihr, der Beklagten, durch Missbrauchskontrollen und stichprobenartigen Überprüfungen der Abrechnungen der Geschäfte mit der Firma H. pro Akzeptanzstelle durchschnittlich etwa 1.800 bis 2.000 Euro Personalkosten im Jahr bei etwa 10 vorhandenen Akzeptanzstellen. Damit sei nicht gesagt, dass sich die Personalkosten bei Einrichtung einer weiteren Akzeptanzstelle um diesen Betrag erhöhten; es könne auch sein, dass der zusätzliche Kontrollaufwand von dem vorhandenen Personal geleistet werden könne. Die Begrenzung der Anzahl der Akzeptanzstellen auf 14 bis 15 habe die Firma H. zur Bedingung gemacht; für die Firma lohne sich der Aufwand nur bei einer Mindestzahl von Leistungsberechtigten und einer bestimmten Höchstzahl von Akzeptanzstellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und in dem sich aus dem Urteilsausspruch ergebenden Umfang begründet.
Mit dem Verwaltungsgericht erachtet der Senat den Verwaltungsrechtsweg für gegeben, da es sich hier um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, ist nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zu beantworten (vgl. Gem. Senat d. obersten Gerichtshöfe d. Bundes, Beschl. v. 04.06.1974 – GmS-OGB 2/73 -, NJW 1974, 2087; Beschl. v. 10.04.1986 – GmS-OGB 1/85 -, BVerwGE 74, 368, 370; BVerwG, Urt. v. 06.11.1986 – 3 C 72/84 -, BVerwGE 75, 109, 112). Der Kläger beansprucht von der Beklagten, an das Chipkarten-System, das die Beklagte zur Sicherstellung der Versorgung der nach §§ 1, 3 ff AsylbLG Leistungsberechtigten eingeführt hat, angeschlossen zu werden. Die Beklagte entscheidet über die Aufnahme in das System einseitig auf der Grundlage von Auswahlkriterien, die sie sich gegeben hat, um ihrer aus § 3 AsylbLG folgenden Verpflichtung sachgerecht nachzukommen. Die Auswahlentscheidung, die die Beklagte zu treffen hat, ist nicht - wie etwa beim Abschluss von Beschaffungsgeschäften durch Annahme eines privatrechtlichen Kaufangebots - eine privatautonome, sondern eine hoheitliche Ermessensentscheidung.
Daraus folgt, dass die Klage als Verpflichtungsklage zulässig ist.
Die Voraussetzungen gem. § 75 S. 1 VwGO für eine Untätigkeitsklage sind erfüllt, insbesondere hat die Beklagte den Antrag des Klägers bislang nicht beschieden. Ihren Schreiben an den Kläger vom 14. und 29. Februar 2000 ist deren Form und Inhalt nach ein förmlicher Regelungscharakter nicht zu entnehmen und war ein solcher von der Beklagten nach ihrem prozessualen Vortrag auch nicht zugedacht.
Die Klage ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass diese - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - über seinen Antrag auf Anschluss seines Geschäfts an das H. Chipkartensystem ermessensfehlerfrei entscheidet.
Allerdings folgt ein Anspruch des Klägers darauf, die Beklagte unmittelbar zu verpflichten, in seinem Geschäft eine Akzeptanzstelle einzurichten, nicht etwa aus einer vom Kläger behaupteten und von der Beklagten bestrittenen entsprechenden mündlichen Zusage eines Mitarbeiters der Beklagten. Denn gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form.
Der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Antrages ergibt sich aus der Selbstbindung der Beklagten an die Kriterien, die sie für die Auswahl der Akzeptanzstellen entwickelt hat.
§ 3 AsylbLG schreibt den zuständigen Behörden vor, den Leistungsberechtigten Sachleistungen zu erbringen. Die Vorschrift regelt nicht, in welcher Weise sie diese Verpflichtung zu erfüllen haben; dies zu entscheiden, verbleibt in der Kompetenz der Behörden, wobei allerdings die in der Norm geregelte Aufgabe selbst den Rahmen setzt.
Die Beklagte hat zur sachgerechten Ausübung dieses Handlungsermessens – nämlich hinsichtlich der Auswahl der Akzeptanzstellen/Ladengeschäfte, derer sie sich zur Gewährung der Sachleistungen bedient - Kriterien aufgestellt. Diese entfalten als die Ausübung des Auswahlermessens lenkende Richtlinien nicht nur eine verwaltungsinterne Bindung, sondern begründen jedenfalls dann, wenn die auf der Grundlage der Richtlinien zu treffende Verwaltungsentscheidung den Bürger in seinen rechtlich geschützten Interessen betrifft, vermittels sowohl des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.04.1970 - 7 C 60.68 -, BVerwGE 35, S. 159, 161 ff.; Urt. v. 08.04.1997 - 3 C 6/95 -, BVerwGE 104, S. 220 = NVwZ 1998, S. 273 = DÖV 1997, S. 732).
Die Weigerung der Beklagten, das Geschäft des Klägers in das Chipkartensystem aufzunehmen, ist allerdings – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil etwa die Auswahlkriterien - Lage der Akzeptanzstellen zu den Wohnheimstandorten bzw. Wohnungen des freien Wohnungsmarktes, Lage zu den Haltstellen des öffentlichen Nahverkehrs, die Öffnungszeiten und das Warensortiment der Geschäfte – nicht sachgerecht sind. Vielmehr sind sie grundsätzlich geeignet zu gewährleisten, dass die Versorgung der Leistungsberechtigten in den danach ausgewählten Akzeptanzstellen sichergestellt ist.
Jedoch verletzt die Weigerung der Beklagten, das Geschäft des Klägers in das Chipkartensystem aufzunehmen, bei der gegebenen Sachlage den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Beklagte hat nicht substantiiert und nachvollziehbar dargetan, welches Aufnahmekriterium das Geschäft des Klägers nicht erfüllt oder welche sonstigen sachgerechten Erwägungen es rechtfertigen könnten, das Geschäft des Klägers nicht in das Chipkartensystem aufzunehmen.
Abzustellen ist bei der Prüfung, ob die Ablehnung ermessensgerecht erfolgt ist, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dies gebietet das materielle Recht. Die in § 3 AsylbLG auferlegte Verpflichtung erfordert es, dass die Beklagte, da die bedarfsdeckende Versorgung der Leistungsberechtigten dauerhaft zu gewährleisten ist, die Einhaltung der Aufnahmekriterien fortlaufend überwacht und auf Veränderungen in den tatsächlichen Gegebenheiten, die für die Erfüllung der auferlegten Verpflichtung erheblich sind - beispielsweise Schließung oder Neueröffnung eines Flüchtlingswohnheims, Geschäftsaufgaben, erhebliche Veränderungen des Warensortiments einer Akzeptanzstelle - dadurch reagiert, dass sie den Kreis der Akzeptanzstellen verändert.
Ist daher zu prüfen, ob gegenwärtig sachgerechte Gesichtspunkte der Einrichtung einer Akzeptanzstelle im Geschäft des Klägers entgegen stehen, kann die Beklagte ihre Weigerung nicht damit begründen, dass das Geschäft des Klägers zum Zeitpunkt der Auswahl der Akzeptanzstellen in den Monaten April und Mai 1999 nicht den Aufnahmekriterien entsprach, und ist es unerheblich, ob etwa die Aufnahme des J. seinerzeit – darauf hebt der Kläger insbesondere ab – sachgerecht war.
Nachdem das Geschäft des Klägers infolge des Umzugs im Stadtgebiet der Beklagten erweitert worden ist, erfüllt es offenbar nunmehr – die Beklagte hat Gegenteiliges nicht geltend gemacht – die Auswahlkriterien.
Die Beklagte hat nicht hinreichend konkret, substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass sonstige sachgerechte Gründe der Aufnahme des Geschäfts des Klägers in das Chipkartensystem entgegen stehen.
Soweit die Beklagte dem Ansinnen des Klägers Kostengesichtspunkte entgegen hält, könnten diese eine ablehnende Ermessensentscheidung nur dann tragen, wenn der Beklagten durch die Einrichtung einer Akzeptanzstelle im Geschäft des Klägers ein nicht unerheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstünde oder die von ihr beauftragte Firma das Chipkartensystem dann nicht mehr wirtschaftlich betreiben könnte. Dies ist von der Beklagten nicht plausibel dargetan.
Zwar hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, bei einer Anzahl von etwa 10 Akzeptanzstellen entstünden ihr jeweils pro Jahr durchschnittlich etwa 1.800 bis 2.000 Euro Kosten für Kontroll- und Betreuungsaufwand. Die Geschäfte würden jeweils etwa vierteljährlich durch Testkäufe auf Missbrauch kontrolliert und die Abrechnungen der Geschäfte mit der Firma H. seien durch Stichproben zu überprüfen. Er hat aber hinzugefügt, damit sei nicht gesagt, dass sich die Personalkosten für diesen Verwaltungsaufwand bei einer (einzigen) zusätzlichen Akzeptanzstelle um den genannten Betrag erhöhten; es könne auch sein, dass der zusätzliche Aufwand von dem vorhandenen Personal geleistet werden könne. Die Firma H. habe die Begrenzung der Anzahl der Akzeptanzstellen auf ursprünglich 14 bis 15 aus betriebswirtschaftlichen Gründen zur Bedingung gemacht; für die Firma lohne sich der Aufwand nur bei einer gewissen Mindestzahl von Leistungsberechtigten und einer bestimmten Höchstzahl von Akzeptanzstellen.
Aufgrund dieser Darlegungen ist nicht anzunehmen, dass der Beklagten durch die Einrichtung einer weiteren Akzeptanzstelle ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, der zu nicht nur unerheblichen Kosten führt. Dabei kann unterstellt werden, dass der von der Beklagten genannte Umfang der Personalkosten pro Akzeptanzstelle in durchschnittlicher Höhe von 1.800 bis 2.000 Euro jährlich bei insgesamt etwa 10 Akzeptanzstellen hinreichend sicher ermittelt worden ist. Jedenfalls hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass sich die vierteljährlichen Testkäufe sowie die stichprobenartige Überprüfung der Abrechnungen der Akzeptanzstellen mit der Firma H. in mehr als unerheblichem Umfang aufwändiger gestalteten, wenn sich ein Teil der Kontrollen auf eine weitere Akzeptanzstelle verlagerte; denn die Gesamtzahl der zu kontrollierenden Kauf- und Zahlungs- bzw. Buchungsvorgänge veränderte sich dadurch nicht.
Soweit die Beklagte ihre Weigerung, im Geschäft des Klägers eine Akzeptanzstelle einzurichten, darauf stützt, dies sei im Hinblick auf die zu verzeichnende Verringerung des Gesamtumsatzes innerhalb des Chipkartensystems unwirtschaftlich, stellt sie darauf ab, dass es dem Interesse der mit dem Betrieb des Systems beauftragten Firma zuwiderliefe, wenn sich bei sinkendem Gesamtumsatz die Anzahl der von dieser zu betreuenden Akzeptanzstellen erhöhte. Diese Überlegung ist zwar nachvollziehbar; in die hier zu überprüfende Ermessensentscheidung der Beklagten könnte dieser Gesichtspunkt aber nur dann zulässigerweise einfließen, wenn die systembetreuende Firma das Ansinnen der Beklagten, eine weitere Akzeptanzstelle einzurichten, zum Anlass nähme – und nach dem Inhalt des Betreuungsvertrages nehmen dürfte -, den Vertrag mit der Beklagten zu kündigen. Dies hat die Beklagte nicht vorgetragen und schon gar nicht nachgewiesen.
Daraus folgt allerdings nicht, dass die Beklagte den Kostenaufwand, der mit der Einrichtung einer weiteren Akzeptanzstelle verbunden ist, unberücksichtigt lassen müsste. Vielmehr ist es sachgerecht, diesen Gesichtspunkt vor dem Hintergrund des sinkenden Gesamtumsatzes innerhalb des Chipkartensystems in ihre Ermessenserwägungen einzubeziehen. Allerdings hat der Kläger der Beklagten bereits vorprozessual angeboten, die Kosten für ein Chiplesegerät selbst zu tragen. Die Beklagte darf daher im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung, ob auf den Antrag des Klägers in dessen Geschäft eine Akzeptanzstelle eingerichtet wird, berücksichtigen, ob der Kläger nach wie vor bereit ist, diese Kosten zu tragen.
Der Kläger kann sich indes gegenüber der Beklagten nicht darauf berufen, in die Ermessensentscheidung über seinen Antrag sei einzustellen, dass Leistungsberechtigte muslimischen Glaubens ein rechtlich geschütztes Interesse daran hätten, mit Lebensmitteln versorgt zu werden, die ihren religiösen Geboten entsprächen. Einen solchen Anspruch könnten nur die Leistungsberechtigten selbst geltend machen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 710 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.