Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.06.2002, Az.: 18 LP 422/01

Abwesenheitsvertreter; Beschäftigter; Gemeinde; Personalamtsleiter; Personalangelegenheit; Personalrat; Personalvertretung; Wahlvorschlag; Wählbarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.06.2002
Aktenzeichen
18 LP 422/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43905
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.11.2000 - AZ: 9 A 1310/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Abwesenheitsvertreter des Leiters des Personalamts einer Kommune ist als Beschäftigter, der in Personalangelegenheiten entscheidet, nicht in den Personalrat wählbar

Gründe

II.

1

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragsteller abgelehnt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen und gibt lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

2

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG sind für den Personalrat ihrer Dienststelle nicht wählbar "Beschäftigte, die in Personalangelegenheiten entscheiden oder für den Schriftverkehr zwischen Dienststelle und Personalvertretung zeichnungsbefugt sind". Im vorliegenden Verfahren ist die Frage zu beantworten, ob zu diesem Personenkreis auch solche Beschäftigte zählen, die diese Aufgaben in Abwesenheit des damit beauftragten Beschäftigten als Stellvertreter wahrnehmen. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sich ergeben, dass der infrage stehende Angestellte D. nicht nur in Personalangelegenheiten als Vertreter des Abteilungsleiters II, sondern auch im Rahmen des Schriftverkehrs zwischen Dienststelle und Personalvertretung insoweit tätig wird. Dies stellt allerdings einen qualitativen Unterschied nicht dar, weil auch diese Tätigkeit im Rahmen des Schriftverkehrs lediglich in Vertretung des Abteilungsleiters II stattfindet.

3

In der Kommentierung wird - ohne nähere Begründung - die Anwendbarkeit der Ausschlussvorschrift auf Beschäftigte, die nur vertretungsweise zu Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind, verneint (Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 12 Rdnr. 23; Fricke u.a., NPersVG, Basiskommentar 1998, § 12 Rdnr. 4). Diese Auffassung vermag unter Berücksichtigung der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG durch die zweite Novelle des NPersVG 1998 indessen nicht zu überzeugen. Obwohl der Regierungsentwurf, wonach die an der Entscheidungsvorbereitung maßgeblich beteiligten Beschäftigten ausdrücklich von der Wählbarkeit ausgeschlossen sein sollten, nicht Gesetz geworden ist, vertritt die Kommentierung nämlich andererseits die Auffassung, dass es der Absicht des Gesetzgebers entspreche, dass der Kreis der wegen etwaiger Pflichten- und/oder Interessenkollisionen von der Wählbarkeit ausgeschlossenen Personen (erheblich) erweitert worden sei (Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, 10. Aufl., § 12 Rdnr. 10; Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO, § 12 Rdnr. 22 a). Es würden - zukünftig - zu den Beschäftigten, die in Personalangelegenheiten entscheiden, ebenfalls diejenigen zu rechnen sein, die - ohne zu Entscheidungen befugt zu sein - Personalentscheidungen etwa als Referent oder Sachbearbeiter nur vorbereiteten (Dembowski/Ladwig/Sellmann, aaO). Es erscheint zweifelhaft, ob dieser - der Begründung der Regierungsvorlage folgenden - weitergehenden Auslegung zuzustimmen ist, weil der Gesetzgeber in diesem Punkt der Regierungsvorlage nicht gefolgt ist. Dass der Gesetzgeber eine Erweiterung des Kreises der nicht wählbaren Bediensteten beabsichtigt hat, ist andererseits aber bereits dadurch belegt, dass gegenüber der Altfassung des Gesetzes die für den Schriftverkehr zwischen Dienststelle und Personalrat zeichnungsbefugten Bediensteten nach der Neufassung nicht mehr wählbar sind. Es liegt deshalb nahe, dass auch die Streichung des Wortes "selbständig" in der 1. Alt. des § 12 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG mehr als eine bloße redaktionelle Änderung des Gesetzes darstellt. Trifft dies aber zu, und wird dies daraus hergeleitet, dass bereits "der böse Schein" einer Interessenkollision auch nach der Gesetz gewordenen Neufassung vermieden werden sollte, so ist nach Auffassung des Senats jedenfalls der Vertreter des (selbständig) zur Entscheidung befugten Personalamtsleiters nicht in den Personalrat der Dienststelle wählbar.

4

Das vorliegende Verfahren belegt, dass im Fall des Angestellten D. zumindest der Schein von Interessenkollisionen in einer ganzen Reihe von Fällen feststellbar ist. Dies ergibt sich aus den vom Beteiligten zu 2) insbesondere im Beschwerdeverfahren vorgelegten Vorgängen, in denen der Angestellte als Vertreter des Abteilungsleiters II und teilweise anschließend als Personalratsmitglied tätig geworden ist. Auch der Angestellte D. und der Personalrat selbst sind - nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller - vom Vorliegen solcher Interessenkollisionen ausgegangen, zunächst in den Fällen, in denen sich der Angestellte nach § 26 Abs. 2 NPersVG wegen seiner Zeichnung als Vertreter des Abteilungsleiters als verhindert erklärt hat. Es spricht nach der Gesetzesfassung aber einiges für die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese Vorschrift den Fall der "Verhinderung aus Rechtsgründen" nicht vorsieht; denn sie spricht von einer "zeitweiligen Verhinderung, die die Teilnahme an Sitzungen vorübergehend nicht ermöglicht". Die Vorschrift ist damit ersichtlich auf den Fall zugeschnitten, dass ein Personalratsmitglied wegen Urlaubs, Krankheit oder dienstlicher Verpflichtungen an Sitzungen nicht teilnehmen kann. Da die in der vergangenen Wahlperiode praktizierte Verfahrensweise jedenfalls einer gewissen Beliebigkeit Tür und Tor öffnet, erscheint sie nicht geeignet, "den bösen Schein" zu vermeiden. Dies wird insbesondere dadurch belegt, dass der Angestellte D. in der Vergangenheit eine Interessenkollision offenbar nur in den Fällen angenommen hat, bei denen im Zeitpunkt seiner Tätigkeit für den Personalrat der Stellvertretungsfall für den Abteilungsleiter II fortgedauert hat. Dies zeigen die Vorgänge, die der Beteiligte zu 2) vorgelegt hat, bei denen der Angestellte nicht nur im Rahmen seiner Stellvertreterfunktion, sondern auch als Personalrat tätig war (BA D). In diesen Fällen hat der Angestellte dann aber "auf beiden Seiten des Tisches" gesessen. Unabhängig davon ist aber jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall des Stellvertreters eines Personalamtsleiters einer Kommune dessen Wählbarkeit nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 PersVG zu verneinen. Dessen Einbindung in Personalentscheidungen erscheint allein schon im Hinblick auf die Urlaubsabwesenheiten des Amtsleiters - erst recht für den denkbaren Fall einer längeren Abwesenheit wegen Krankheit - so gravierend, dass sein Ausschluss von der Wählbarkeit auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Eingriffs in Mitbestimmungsrechte gerechtfertigt erscheint.